Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin Verletztengeld und -rente gewähren muss und ob arzneimittelinduzierte
Kopfschmerzen als mittelbare Folge des Arbeitsunfalls vom 23.11.2009 festzustellen sind.
Am Unfalltag stieß die Klägerin als beschäftigte Bankkauffrau mit dem Kopf an eine Hängeschrankkante und zog sich dabei Platzwunden
sowie ein Schädel-Hirn-Trauma 1. Grades mit starken Kopfschmerzen und Schwindel zu. Die Beklagte stellte das Vorliegen eines
Arbeitsunfalls fest, erkannte unfallbedingte Arbeits- und Behandlungsbedürftigkeit bis zum 19.1.2010 an und lehnte es ab,
Verletztenrente zu gewähren. Als Unfallfolgen stellte sie fest: Ausgeheilte Commotio cerebri mit Kopfplatzwunde links frontal
und kleiner oberflächlicher Platzwunde im Bereich der Oberlippe. Als Unfallfolgen lehnte sie ab: Somatoforme Schmerzstörung
und depressive Episode (Bescheid vom 13.1.2011 und Widerspruchsbescheid vom 10.9.2014). Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 18.9.2017); das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision
nicht zugelassen (Urteil vom 16.5.2019): Zwar habe der Unfall starke Kopfschmerzen hervorgerufen, diese seien aber nach etwa
acht Wochen bzw sechs Monaten abgeklungen. Die fortdauernde Kopfschmerzsymptomatik sei keine Unfallfolge, weil strukturelle
Schäden als Anknüpfungspunkte für die Annahme eines wesentlichen ursächlichen Zusammenhangs zum Unfallereignis nicht im Vollbeweis
durch ein bildgebendes morphologisches Korrelat belegt seien. Soweit die Klägerin zu Protokoll der mündlichen Verhandlung
ein schmerztherapeutisches Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache beantragt habe, dass "als sekundäre Arbeitsunfalldauerfolge
ein Kopfschmerzsyndrom durch Schmerzmittelüberdosierung entstanden" sei, habe der Senat diesem Hilfsantrag nicht nachkommen
müssen. Denn eine solche Diagnose sei weder aktenkundig noch habe sie ein behandelnder Arzt gestellt. Einer aufs Geratewohl
oder ins Blaue hinein aufgestellte Tatsachenbehauptung brauche das Gericht nicht nachzugehen. Damit entfalle die Kopfschmerzsymptomatik
zugleich als Grundlage eines Anspruchs auf Verletztengeld oder -rente.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin die Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG).
II
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG ist zulässig (1.) und begründet (2.).
1. Nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 1
SGG ist die Revision gegen eine Entscheidung des LSG zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die
angefochtene Entscheidung beruhen kann. Wird der Verfahrensmangel auf eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) gestützt, muss "er sich auf einen Beweisantrag beziehen, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist". Um
den Verfahrensmangel ordnungsgemäß zu bezeichnen (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) muss die Beschwerdebegründung (a) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, prozessordnungsgemäßen Beweisantrag
bezeichnen, (b) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten
erscheinen müssen, (c) die Tatumstände darlegen, die den Beweisantrag betreffen und weitere Sachaufklärung erfordert hätten,
(d) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (e) schildern, dass und warum die Entscheidung
des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG also von seinem Rechtsstandpunkt aus
zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, wenn es das behauptete Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme
gekannt hätte (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN und Nr 21 RdNr 5). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung gerecht.
2. Die formgerecht gerügte Verletzung der tatrichterlichen Sachaufklärungspflicht liegt auch vor. Dem protokollierten und
damit bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrag der Klägerin ist das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt. Dabei
ist unerheblich, ob das LSG die Ablehnung des Beweisantrags hinreichend begründet hat, sondern es kommt allein darauf an,
ob das Gericht objektiv gehalten gewesen ist, den Sachverhalt zu dem von dem betreffenden Beweisantrag erfassten Punkt weiter
aufzuklären, ob es sich also zur beantragten Beweiserhebung hätte gedrängt fühlen müssen (stRspr seit BSG vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - SozR 1500 § 160 Nr 5; vgl zuletzt Senatsbeschlüsse vom 31.8.2017 - B 2 U 76/17 B - juris RdNr 4 und vom 30.3.2017 - B 2 U 181/16 B - juris RdNr 7). Soweit der Sachverhalt nicht hinreichend geklärt ist, muss das Gericht von allen Ermittlungsmöglichkeiten,
die vernünftigerweise zur Verfügung stehen, Gebrauch machen (Senatsbeschlüsse aaO und BSG vom 12.2.2009 - B 5 R 48/08 B - juris RdNr 8), insbesondere bevor es eine Beweislastentscheidung trifft. Einen Beweisantrag darf es nur dann ablehnen,
wenn es aus seiner rechtlichen Sicht auf die ungeklärte Tatsache nicht ankommt, wenn diese Tatsache (zugunsten des Beweisführenden)
als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel unzulässig, völlig ungeeignet oder unerreichbar ist, wenn die behauptete
Tatsache oder ihr Fehlen bereits erwiesen oder wenn die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist (vgl Senatsbeschlüsse
aaO sowie BSG vom 6.2.2007 - B 8 KN 16/05 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 10, vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 406/06 B - juris RdNr 8; vom 20.10.2010 - B 13 R 511/09 B - juris RdNr 14; vom 7.4.2011 - B 9 VG 15/10 B - juris RdNr 4 und vom 24.4.2014 - B 13 R 325/13 B - juris RdNr 13).
Ausgehend von seiner eigenen Rechtsauffassung hätte sich das LSG aus objektiver Sicht gedrängt fühlen müssen, ein schmerztherapeutisches,
nervenärztliches und/oder pharmakologisches Sachverständigengutachten zum Vorliegen bzw Nichtvorliegen eines arzneimittelinduzierten
Kopfschmerzes (G44.4 nach ICD-10) sowie ggf zur haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dieser Erkrankung und den Gesundheits(erst)schäden
einzuholen, um über die (Nicht-)Feststellung als (mittelbarer) Unfallfolge und über die Gewährung von Verletztengeld und -rente
entscheiden zu können.
Soweit das LSG meint, die Klägerin behaupte das Vorliegen einer arzneimittelinduzierten Kopfschmerzsymptomatik "aufs Geratewohl
oder ins Blaue hinein", weil eine solche Diagnose nicht aktenkundig sei, übersieht es bereits, dass der Sachverständige Dr.
B. eine entsprechende Verdachtsdiagnose gestellt hat und die behandelnden Ärzte über die Verordnung und Einnahme verschiedener
Arzneimittel zur Schmerzbehandlung berichten. Schon deshalb war weitere Sachaufklärung durch Einholung eines schmerztherapeutischen,
nervenärztlichen und/oder pharmakologischen Sachverständigengutachtens von Amts wegen geboten.
Bei dieser Sachlage ist in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Klägerin nicht auszuschließen, dass die beantragte Zuziehung
eines Sachverständigengutachtens nicht nur den Vollbeweis eines arzneimittelinduzierten Kopfschmerzes, sondern auch überzeugende
Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs dieser Erkrankung mit den Gesundheits(erst)schäden erbracht
hätten und zur Feststellung einer entsprechenden mittelbaren Unfallfolge sowie zur Gewährung von Verletztengeld über den 19.1.2010
hinaus und möglicherweise auch zur Bewilligung einer Verletztenrente geführt hätten.
Die Voraussetzungen des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG liegen somit vor. Der Senat hebt gemäß §
160a Abs
5 SGG die angefochtene Berufungsentscheidung auf und verweist die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.
Auf die weiteren Verfahrensrügen der Klägerin ist daher nicht mehr einzugehen.
Das LSG wird auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.