Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Nahrungsaspiration des Klägers während der Schulabschlussfeier am 8.7.2009
als Arbeitsunfall feststellen muss.
Der 1990 geborene Kläger leidet seit seiner Kindheit an einer Cerebralparese mit spastischer Lähmung aller vier Gliedmaßen
(Tetraparese) und ist deshalb auf einen Rollstuhl angewiesen. Aufgrund einer Kehlkopfdeformität drangen häufig Speisen und
Getränke in die Atemwege ein (Aspiration, Verschlucken), sodass mitunter Nahrungsmittel aus der Luftröhre entfernt werden
mussten und Lungenentzündungen (Aspirationspneumonien) auftraten. Das ärztlich angeratene Pürieren von Speisen lehnten der
Kläger und seine Eltern unter bewusster Inkaufnahme der damit einhergehenden Risiken ab, um seine Lebensqualität zu erhöhen.
Bis zum 8.7.2009 konnte er bei passivem Sprachverständnis durch Blickkontakt, Gesten und Buchstabentafeln kommunizieren und
dabei seinen natürlichen Willen äußern. Eine geistige Behinderung lag nicht vor.
Von August 2007 bis Juli 2009 besuchte der Kläger eine Schule für körperbehinderte Menschen mit angeschlossenem Internat,
deren Träger die Beigeladene ist. Dort absolvierte er eine zweijährige Berufsvorbereitung und erwarb den Hauptschulabschluss.
Dabei erledigte er seine schulischen Belange, gestaltete seine Freizeit und organisierte seine Heimfahrten selbstständig.
In der Einrichtung durfte er uneingeschränkt alles essen und trinken. Getränke konnte er mit Hilfe einer Schnabeltasse konsumieren.
Das Essen musste zerkleinert und angereicht werden. Nach der schriftlichen Anweisung seiner Mutter sollte das Essen nicht
püriert, sondern lediglich mit der Gabel klein gedrückt und Fleisch ganz klein geschnitten werden. In der Gruppe und in der
Schule wurde ihm das Essen von Mitarbeitern gereicht, ansonsten auch von Mitschülern oder Mitbewohnern. Bisweilen besorgte
sich der Kläger jenseits der Einrichtung auch andere Nahrungsmittel, zB Pizza oder süße Stückchen.
Am Abend des 8.7.2009 nahm er an einer von der Schulleitung genehmigten Abschlussfeier teil. Dort stand für die Teilnehmer
ein Buffet zur Verfügung, an dem sie sich selbst bedienen konnten. Der Kläger ließ sich Speisen bringen, die er zuvor selbst
ausgewählt hatte. Eine sozialpädagogische Fachkraft schnitt das Essen klein und reichte es ihm an, wobei er durch Gesten signalisierte,
wann er die nächste Portion erhalten wollte. Beim Essen eines kleingeschnittenen Mozzarellastücks traten Probleme beim Schlucken
auf, die durch Klopfen auf den Rücken und Ausräumen des Mundes nicht behoben werden konnten. Infolge eines Atemwegsverschlusses
kam es zu einem Herz- und Atemstillstand mit ausgeprägtem Sauerstoffmangel und daraus resultierendem Hirnschaden. Der herbeigerufene
Notarzt konnte den Kläger reanimieren; gleichwohl verblieb ein apallisches Syndrom im Sinne eines Wachkomas.
Die Beklagte lehnte einen Versicherungsfall in der Schülerunfallversicherung ab, weil die Nahrungsaufnahme grundsätzlich unversichert
sei, kein Ausnahmefall vorliege und die Fremdkörperaspiration wesentlich auf der erkrankungsbedingten Schluckstörung als innerer
Ursache beruhe (Bescheide vom 15.7.2014 und Widerspruchsbescheide vom 5.5.2015).
Das SG hat die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung abgewiesen, ohne dass der Zugang der Terminsladung an die abwesende Beigeladene
nachweisbar war (Urteil vom 15.3.2016). Das LSG hat die Berufungen des Klägers und der Beigeladenen zurückgewiesen (Urteil
vom 17.12.2019): Das Essen während der schulischen Veranstaltung stehe mit der versicherten Tätigkeit des Klägers als Schüler
in keinem sachlichen Zusammenhang, weil die Nahrungsaufnahme ein menschliches Grundbedürfnis stille und deshalb grundsätzlich
dem privaten, unversicherten Lebensbereich zuzurechnen sei. Da die Mahlzeit weder verdorben oder unmittelbar Teil der versicherten
Tätigkeit gewesen sei noch schulische Umstände die Einnahme des Essens wesentlich mitbestimmt hätten, liege auch kein Ausnahmefall
vor. Rechtlich wesentlich für den Gesundheitsschaden sei die häufige Neigung des Klägers zum Verschlucken von Speisen und
seine Ablehnung, zur Vermeidung bzw Reduktion entsprechender Risiken püriertes Essen zu sich zunehmen. Als Volljähriger mit
Schulabschluss sei er imstande gewesen, Verantwortung für seine Essgewohnheiten und die sich daraus ergebenden Folgen zu übernehmen,
und könne deshalb nicht mit Kindern in einer Kindertagesstätte verglichen werden, die auch beim Essen weitreichend versichert
seien. Im Übrigen sei bedeutungslos, dass kein Absauggerät griffbereit gewesen sei. Eine Zurückverweisung der Sache an das
SG komme deshalb nicht in Betracht.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzungen materiellen Rechts (§§
7,
8 Abs
1, §
2 Abs
1 Nr
8 Buchst b
SGB VII). Die Vorinstanzen hätten Bedeutung und Tragweite der Schülerunfallversicherung bei Schülern mit körperlichen Beeinträchtigungen
verkannt. Als (Förder-)Schule für Menschen mit Beeinträchtigungen habe sie seine versicherte Nahrungsaufnahme während der
schulischen Abschlussfeier beaufsichtigen und für den Notfall eine Absaugpumpe griffbereit halten müssen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Dezember 2019 und des Sozialgerichts Lüneburg vom 15. März
2016 sowie den Bescheid vom 15. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2015 aufzuheben und die Beklagte
zu verpflichten, das Ereignis vom 8. Juli 2009 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beigeladene macht die Verletzung formellen (Art
103 Abs
1 GG, §
159 SGG) und materiellen Rechts (§
8 Abs 1 iVm §
2 Abs
1 Nr
8 Buchst a und b
SGB VII) geltend. Die Nahrungsaufnahme sei hier ausnahmsweise versichert, weil sie Teil der Abschlussfeier gewesen sei und diese
besondere schulische Veranstaltung die Einnahme des Essens wesentlich mitbestimmt habe, bei der der Kläger krankheitsbedingt
hilfe- und betreuungsbedürftig gewesen sei. Hilfsweise sei die Sache an das LSG bzw SG zurückzuverweisen, weil die Nichtbekanntgabe des erstinstanzlichen Verhandlungstermins und ihre damit verbundene Nichtteilnahme
ihr Grundrecht auf rechtliches Gehör schwerwiegend verletzt habe.
Die Beigeladene beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 17. Dezember 2019 und des Sozialgerichts Lüneburg vom 15. März
2016 sowie den Bescheid vom 15. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Mai 2015 aufzuheben und die Beklagte
zu verpflichten, das Ereignis vom 8. Juli 2009 als Arbeitsunfall festzustellen,
hilfsweise
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht beziehungsweise an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte, die dem angefochtenen Urteil beipflichtet, beantragt, die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen zurückzuweisen.
II
Die Revisionen sind unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§
170 Abs
1 Satz 1
SGG). Das LSG hat die Berufungen des Klägers und der Beigeladenen gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§
54 Abs
1 Satz 1 Var 1 und 3, §
56 SGG) haben keinen Erfolg, weil die Ablehnungsentscheidung in den Bescheiden vom 15.7.2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide
vom 5.5.2015 (§
95 SGG) rechtmäßig ist und weder den Kläger noch die Beigeladene beschwert (§
54 Abs
2 Satz 1
SGG). Die Beklagte ist nicht verpflichtet, die Nahrungsaspiration und den daraus resultierenden Atemwegsverschluss des Klägers
während der Schulabschlussfeier am 8.7.2009 als Arbeitsunfall festzustellen.
Arbeitsunfälle sind gemäß §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§
2,
3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach §
8 Abs
1 Satz 2
SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass die Verrichtung einer versicherten Person zurzeit des Unfalls der versicherten
Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang). Die Verrichtung muss zu einem zeitlich begrenzten, von außen
auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt haben (Unfallkausalität) und das Unfallereignis muss einen
Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht (haftungsbegründende Kausalität)
haben (stRspr; vgl zuletzt zB BSG Urteile vom 6.5.2021 - B 2 U 15/19 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 77 RdNr 13 - "Streitgespräch" zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, vom 6.10.2020 - B 2 U 9/19 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 27 RdNr 18 - "vorzeitiges Verlassen des Arbeitsplatzes" sowie B 2 U 13/19 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 76 RdNr 8 - "Hüpfkissen" und vom 23.6.2020 - B 2 U 12/18 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 54 RdNr 8 - "Gaststättenbesuch"). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar gehörte der Kläger
als Schüler einer Schule mit allgemeinem und berufsorientiertem Lernbereich zum versicherten Personenkreis (dazu 1.), und
die Schulabschlussfeier war eine Veranstaltung im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule (dazu 2.). Das (Ver-)Schlucken
des kleingeschnittenen Mozzarellastücks als Verrichtung zur Zeit der Einwirkung (dazu 3.) ist der versicherten Tätigkeit aber
sachlich nicht zuzurechnen (dazu 4.). Eine Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG oder LSG kommt nicht in Betracht (dazu 5.).
1. Als Schüler gehörte der Kläger zum "versicherten Personenkreis" gemäß §
2 Abs
1 Nr
8 Buchst b Var 1
SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind "kraft Gesetzes ... versichert Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden
Schulen". Auf Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) war der Kläger am 8.7.2009 noch "Schüler" einer Schule mit allgemeinem und berufsorientiertem Lernbereich, obgleich er die
Hauptschulabschlussprüfung bereits erfolgreich abgelegt hatte. Denn seine Ausbildungszeit an dieser allgemein- und berufsbildenden
Schule endete nach den bindenden tatrichterlichen Feststellungen (§
163 SGG) erst am 10.7.2009. Soweit die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, auch der Versicherungspflichttatbestand
des §
2 Abs
1 Nr
8 Buchst a Var 1
SGB VII sei einschlägig, übersieht sie, dass sich diese Vorschrift von vornherein nur auf "Kinder" (vgl zur Kindeseigenschaft § 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII) und keinesfalls auf erwachsene Schüler bezieht.
2. Der Kreis der versicherten Tätigkeiten und der Versicherungsschutz in der Schülerunfallversicherung erstrecken sich seit
jeher auf den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule (stRspr; ua BSG Urteile vom 26.11.2019 - B 2 U 3/18 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 53 RdNr 20 - "Armeesportclub", vom 23.1.2018 - B 2 U 8/16 R - BSGE 125, 129 = SozR 4-2700 § 2 Nr 38 RdNr 14 - "Videodreh", vom 30.6.2009 - B 2 U 19/08 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 13, vom 26.10.2004 - B 2 U 41/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 7, vom 7.11.2000 - B 2 U 40/99 R - juris RdNr 16, vom 5.10.1995 - 2 RU 44/94 - SozR 3-2200 § 539 Nr 34, vom 25.2.1993 - 2 RU 11/92 - SozR 3-2200 § 539 Nr 22, vom 24.1.1990 - 2 RU 22/89 - juris RdNr 14, vom 30.5.1988 - 2 RU 5/88 - juris RdNr 15, vom 31.3.1981 - 2 RU 29/79 - BSGE 51, 257, 259 = SozR 2200 § 548 Nr 55 S 147 f, vom 27.11.1980 - 8a RU 84/79 - SozR 2200 § 548 Nr 53 und vom 27.1.1976 - 8 RU 114/75 - BSGE 41, 149, 151 = SozR 2200 § 539 Nr 16; Linder, WzS 2017, 35; ausführlich Schlaeger in ders/Linder/Bruno, Unfallversicherung für Kinder in Tagesbetreuung, Schüler und Studierende, 2.
Aufl 2020, Kap 5 RdNr 56 ff). Dieser kann je nach Schulform und speziellen Unterstützungsbedarfen enger oder weiter sein.
Zur versicherten Tätigkeit zählen grundsätzlich (zu möglichen Ausnahmen Schlaeger, aaO, Kap 5 RdNr 76) alle schulischen Veranstaltungen,
auch wenn die Mitwirkung freigestellt oder unverbindlich ist (Karmanski, SozSich 2020, 351, 352). Denn die Schule hat einen umfassenden Bildungs- und Erziehungsauftrag, der sich nicht im reinen Lernbetrieb erschöpft,
sondern über die Wissensvermittlung und den eigentlichen Unterricht hinaus zahlreiche Veranstaltungen umfasst, bei denen Kinder
und Heranwachsende in einer Gemeinschaft zusammengeführt werden (BGH Urteil vom 14.7.1987 - VI ZR 18/87 - NJW 1988, 493, 494 = juris RdNr 12). Im Regelfall erfordert der organisatorische Verantwortungsbereich einen unmittelbaren räumlichen ("Schulbesuch")
und zeitlichen Zusammenhang ("während") zu einer Schulveranstaltung, der grundsätzlich entfällt, wenn schulische Aufsichtsmaßnahmen
nicht mehr gewährleistet sind (BSG Urteile vom 23.1.2018 - B 2 U 8/16 R - BSGE 125, 129 = SozR 4-2700 § 2 Nr 38 RdNr 14 - "Videodreh", vom 30.6.2009 - B 2 U 19/08 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 13 RdNr 25 und vom 18.4.2000 - B 2 U 5/99 R - SozR 3-2200 § 539 Nr 49 S 214; Schlaeger, aaO, Kap 5 RdNr 56). Die Schulabschlussfeier war eine schulische Veranstaltung,
weil sie nach den bindenden Feststellungen von der Schulleitung auf dem Gelände der Beigeladenen genehmigt worden war und
durch deren Mitarbeiter beaufsichtigt wurde. Die Nahrungsaspiration ereignete sich somit im organisatorischen Verantwortungsbereich
der Schule und damit im Rahmen einer versicherten Tätigkeit, die Versicherungsschutz nach §
2 Abs
1 Nr
8 Buchst b Var 1
SGB VII abstrakt-generell begründet.
3. Eine versicherte Tätigkeit wird konkret-individuell ausgeübt, wenn, solange und soweit der Verletzte den jeweiligen Versicherungstatbestand
durch eigene Verrichtungen erfüllt (BSG Urteil vom 27.11.2018 - B 2 U 15/17 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 49 RdNr 14 - "Nikolausturnier"). Eine Verrichtung ist jedes konkrete, räumlich und zeitlich bestimmte
Verhalten, das objektiv seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist (BSG Urteil vom 23.6.2020 - B 2 U 12/18 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 54 RdNr 13 - "Gaststättenbesuch"). Für die Prüfung ist regelmäßig die kleinste beobachtbare Handlungssequenz
maßgebend (BSG Urteil vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 14; Spellbrink, WzS 2011, 351, 354). Dabei ist nur auf die Sicht eines objektiven Betrachters der Situation abzustellen, ohne die subjektiven, ggf unterschiedlichen
Zwecke oder Handlungstendenzen, die der Verletzte mit seinem Verhalten verfolgt, in die Beurteilung mit einzubeziehen (P.
Becker, SGb 2012, 691, 693). Die Verrichtung zur Zeit der Einwirkung war das (Ver-)Schlucken des Mozzarellastücks während der Schulabschlussfeier
auf dem Gelände der Beigeladenen, wobei beim Schluckakt Speise in die Luftröhre - als ein "von außen auf den Körper einwirkendes
Ereignis" - gelangte und die Atemwege - bis zur Entfernung durch den Notarzt - mehrere Minuten lang blockierte. Dabei geschah
der Luftröhrenverschluss unfreiwillig, sodass - entgegen der Ansicht des LSG - der Fall eines gewollten Handelns (dem Essen
des Mozzarellastücks) mit einer ungewollten äußeren Einwirkung (der Atemwegsblockade durch die Speise) vorliegt (dazu BSG Urteil vom 30.1.2007 - B 2 U 8/06 R - juris RdNr 15). Dass gebotene Rettungshandlungen unterblieben sein könnten, ist weder festgestellt noch sonst ersichtlich,
sodass auf die Frage, ob auch ein Unterlassen als ein "von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis" angesehen werden kann,
nicht näher einzugehen ist (bejahend Krasney in ders/Becker/Heinz/Bieresborn, Gesetzliche Unfallversicherung -
SGB VII, §
8 RdNr 620; Mülheims, SGb 2019, 258, 261 ff; verneinend Keller in Hauck/Noftz,
SGB VII, K §
8 RdNr 11d; Köhler, SGb 2014, 69, 70; Schlaeger, SGb 2022, 153 ff).
4. Der abstrakt-generell versicherten Schülertätigkeit, die Teilnahme an der Schulabschlussfeier, ist die konkret-individuelle
Verrichtung, das Hinunterschlucken des mundgerecht kleingeschnittenen Mozzarellastücks, nicht zuzurechnen. Ob dieser innere
bzw sachliche Zusammenhang zwischen der Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Person zurzeit des Unfalls und der versicherten
Tätigkeit besteht, muss wertend entschieden werden (zuletzt BSG Urteil vom 27.11.2018 - B 2 U 7/17 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 66 RdNr 11 - "Hauswirtschafterin"). Es ist daher zu untersuchen, ob die Verrichtung innerhalb der Grenze
liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG Urteile vom 27.11.2018 - B 2 U 7/17 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 66 RdNr 11 - "Hauswirtschafterin", vom 4.7.2013 - B 2 U 5/12 R - SozR 4-2200 § 1150 Nr 2 RdNr 18, vom 12.4.2005 - B 2 U 5/04 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 4 RdNr 5, vom 28.4.2004 - B 2 U 26/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 5 RdNr 5, vom 6.5.2003 - B 2 U 33/02 R - juris RdNr 14 und vom 7.11.2000 - B 2 U 39/99 R - SozR 3-2700 § 8 Nr 3 S 15). Dabei sind die Wertungsgesichtspunkte und Grundsätze, die der Senat zur Beschäftigtenversicherung
(§
2 Abs
1 Nr
1 SGB VII) entwickelt hat, nicht ohne Weiteres auf die Schülerunfallversicherung übertragbar. Denn anders als im Rahmen einer Beschäftigung
kommt es bei Schulunfällen nicht darauf an, wem die jeweilige Verrichtung des Verletzten aus seiner subjektiven und aus objektiver
Sicht diente oder nützen sollte. Das Kriterium der "objektivierten Handlungstendenz" (dazu BSG Urteile vom 10.8.2021 - B 2 U 2/20 R - juris RdNr 18, vom 6.10.2020 - B 2 U 9/19 R - SozR 4-1500 § 55 Nr 27 RdNr 20, vom 31.8.2017 - B 2 U 2/16 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 61 RdNr 19 - "Fenstersturz eines Fahrzeugaufbereiters", vom 20.12.2016 - B 2 U 16/15 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 60 RdNr 15 - "Abweg" und vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 55 RdNr 14) setzt nämlich voraus, dass der Versicherte den Erfolg seines Tuns sowie den intendierten
Kausalverlauf in seinen wesentlichen Grundzügen voraussehen und sein Verhalten dieser Zielsetzung entsprechend zweckorientiert
anpassen kann (Karmanski, SozSich 2020, 351, 352). Da Kinder und Jugendliche typischerweise und vielfach auch junge Erwachsene weder über das Steuerungsvermögen Beschäftigter
mit entsprechender Impulskontrolle verfügen noch die Folgen ihrer Handlungen zuverlässig einschätzen können, ist das Kriterium
der objektivierten Handlungstendenz für Schüler wenig geeignet (Karmanski, aaO). Zudem dienen ihre Verrichtungen in Schulen
typischerweise nicht fremden, sondern eigenen (Bildungs-)Interessen, auch wenn sie der Schulpflicht unterliegen und die Allgemeinheit
mittelbar Nutzen aus der Erziehung und Bildung nachkommender Generationen zieht (Karmanski, aaO).
Als Wertungsfaktoren und wichtige Zurechnungsgesichtspunkte des sachlichen Zusammenhangs verbleiben daher im Rahmen der Schülerunfallversicherung
vor allem der Schutzzweck der Norm (BSG Urteile vom 23.1.2018 - B 2 U 8/16 R - BSGE 125, 129 = SozR 4-2700 § 2 Nr 38, RdNr 10 und 22 - "Videodreh" sowie vom 30.1.2020 - B 2 U 2/18 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 70 RdNr 41 - "Wohnung der Freundin"), deren Einbettung in die Gesamtrechtsordnung (BSG Urteil vom 23.1.2018 -B2U 8/16 R - BSGE 125, 129 = SozR 4-2700 §2 Nr 38, RdNr 20 f - "Videodreh") sowie die Grundprinzipien der Unfallversicherung (Aumann, Arbeitsunfall
4.0, 2019, S 50; P. Becker, SGb 2007, 721, 724), insbesondere die Regelungen über die Haftungsbeschränkung für Unternehmer, Unternehmensangehörige und andere Personen
(hier insbesondere nach §
106 Abs
1 SGB VII). Darüber hinaus können in die Wertung auch kausale Kriterien (BT-Drucks 13/2204 S 77: "ursächlicher innerer Zusammenhang";
BSG Urteil vom 6.10.2020 - B 2 U 13/19 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 76 RdNr 19 - "Hüpfkissen"; Spellbrink/Karmanski, SGb 2021, 461, 468) sowie gesellschaftliche (Keller in Hauck/Noftz,
SGB VII, K §
8 RdNr 3: "gesellschaftlich akzeptierte sozialpolitische Leitlinien") und gesellschaftspolitische Aspekte einfließen (Bereiter-Hahn/Mehrtens,
GUV, ErgLfg 1/22, §
8 SGB VII Anm 6; Wagner in jurisPK-
SGB VII, Stand 15.1.2022, §
8 RdNr 30). Dabei liegt es in der Natur jeder Wertentscheidung, dass sie immer nur unter Berücksichtigung aller besonderen
Umstände des Einzelfalls sachgerecht getroffen werden kann (vgl Köhler, Kausalität, Finalität und Beweis, 2001, S 149).
Der allgemeine Schutzweck des §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die Nahrungsaufnahme, wenn und soweit mit ihr ein menschliches Grundbedürfnis befriedigt
wird. Der spezielle Schutzzweck der Schülerunfallversicherung (§
2 Abs
1 Nr
8 Buchst b
SGB VII) kann indes auch das Essen und Trinken im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule erfassen, etwa wenn Speisen
und Getränke während des Schulbesuchs im Rahmen einer Gemeinschaftsverpflegung oder - wie hier - bei einer schulischen Veranstaltung
angeboten und konsumiert werden (vgl dazu zB Schlaeger, aaO, Kap 5 RdNr 110 f, der zwischen Einzelmahlzeiten und Gemeinschaftsverpflegung
differenziert; zur besonderen Bedeutung der gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung unter Teilhabegesichtspunkten
vgl § 28 Abs 6 Satz 2 SGB II, § 34 Abs 6 Satz 2 SGB XII). Ob das Essen an sich während der Schulabschlussfeier der versicherten Schülertätigkeit des Klägers im Rahmen der gebotenen
Einzelfallentscheidung - unter Berücksichtigung von Alter, Hilfebedarf, Schutzbedürftigkeit, Anlass, Umgebung, Art und Zweck
der Nahrungsaufnahme - zuzurechnen ist, kann indes offenbleiben. Denn vorliegend bestand die schädigende Verrichtung nicht
in der Teilnahme am gemeinsamen Essen und auch nicht in der Entgegennahme des nach den Vorgaben des Klägers mundgerecht geschnittenen
Mozzarellastücks, sondern nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz (§
163 SGG) im anschließenden Schluckvorgang (im Sinne eines Verschluckens). Der Schluckakt beruht allerdings auf einem unwillkürlichen
Reflex und kann deshalb grundsätzlich der versicherten Tätigkeit als Schüler auch bei weiter Betrachtungsweise nicht mehr
zugerechnet werden (differenzierend Schlaeger, aaO, Kap 5 RdNr 110 f, der zwischen dem unversicherten Verschlucken bei Einzelmahlzeiten
und dem versicherten Verschlucken bei der Gemeinschaftsverpflegung unterscheidet). Anhaltspunkte für eine Fehlauslösung durch
besondere, im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende Einwirkungen von außen, die den Schluckakt beeinträchtigt
haben und deshalb eine Zurechnung ausnahmsweise rechtfertigen könnten (vgl zB zu sog "pausentypischen Gefahrenmomenten" Hessisches
LSG Urteil vom 13.10.2004 - L 3 U 320/03 - juris und Schlaeger, aaO, Kap 5 RdNr 110), liegen hier nicht vor. Das Essen und Hinunterschlucken des mundgerecht kleingeschnittenen
Mozzarellastücks war in diesem Sinne keine besondere, den reflexhaften Schluckakt beeinträchtigende Einwirkung von außen.
Dass das Fehlgehen des Schluckreflexes auch auf der Kehlkopfdeformität des Klägers beruhte, benachteiligt ihn nicht "wegen
seiner Behinderung", was Art
3 Abs
3 Satz 2
GG, §
33c Satz 1
SGB I verbietet. Denn auch kehlkopfgesunde Schülerinnen und Schüler sind nicht unfallversichert, wenn sie sich ohne äußere Einwirkungen
bei der Einnahme von Speisen im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule verschlucken.
Der Schutzzweck des §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII erstreckt sich nicht auf rein innerkörperliche Fehlfunktionen im Sinne unwillkürlicher Vorgänge bzw autonomer, biologisch
feststehender Prozesse (wie Atmen, Herztätigkeit, Verdauung, Lidschlag, Schlucken), weil die gesetzliche Unfallversicherung
als tätigkeitsbezogene Personenversicherung nur bestimmte Menschen aufgrund bestimmter Verrichtungen und nicht - wie statusbezogene
Personenversicherungen - Menschen an sich versichert (P. Becker, BG 2011, 224, 228; Schlaeger, aaO, Kap 1 RdNr
1). Denn nach §
8 Abs
1 Satz 1
SGB VII begründen allein Tätigkeiten den Versicherungsschutz, der seinerseits nur besteht, wenn, solange und soweit eine Verrichtung
ausgeübt wird, die den jeweiligen Versicherungstatbestand erfüllt (BSG Urteil vom 18.9.2012 - B 2 U 20/11 R - SozR 4-2700 § 6 Nr 3 RdNr 40). Die Risiken, aufgrund innerkörperlicher Fehlfunktionen Krankenbehandlung und Teilhabeleistungen
zu benötigen, decken - mit Blick auf die Gesamtrechtsordnung - einerseits die Träger der privaten oder der gesetzlichen Krankenversicherung
(vgl §
5 Abs
1 Nr
13, §
11 Abs
5 Satz 1
SGB V) und andererseits die Rehabilitationsträger ab (hier ggf der Träger der Eingliederungshilfe nach §
6 Abs
1 Nr
7 SGB IX). Ein Bedürfnis für Haftungsbeschränkungen schulangehöriger Personen (§
106 Abs
1 SGB VII) besteht in diesen Fällen nicht.
5. Eine Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG scheidet aus, obgleich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt ist, dass das BSG in Wahrnehmung der dem LSG gemäß §
159 Abs
1 SGG eingeräumten Befugnis die Sache unter Aufhebung der angegriffenen Entscheidung des LSG an das SG zurückverweisen kann (dazu zuletzt BSG Beschluss vom 17.11.2015 - B 1 KR 130/14 B - juris RdNr 20 sowie Urteile vom 23.6.1981 - 7 RAr 31/80 - SozR 1500 § 136 Nr 6 und vom 12.3.1981 - 11 RLw 1/80 - BSGE 51, 223 = SozR 1500 § 78 Nr 18; vgl auch Senatsurteil vom 10.8.2021 - B 2 U 1/20 R - juris RdNr
15). Denn es liegen weder die Tatbestandsvoraussetzungen des §
159 Abs
1 SGG vor noch erscheint der Verzicht auf die Zurückverweisung ermessensfehlerhaft, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat. Das
SG hat in der Sache selbst entschieden (§
159 Abs
1 Nr
1 SGG). Der erstinstanzliche Gehörverstoß ist im Berufungsverfahren geheilt worden und wirkt nicht fort (zum Novenrecht und Prüfungsumfang
des LSG vgl §
157 SGG); eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme ist nicht notwendig (§
159 Abs
1 Nr
2 SGG). Zudem ist es ermessensgerecht, eine Zurückverweisung als Ausnahme anzusehen und bei Entscheidungsreife davon abzusehen
(vgl BSG Urteile vom 11.12.2002 - B 6 KA 1/02 R - SozR 3-2500 § 106 Nr 57 und vom 30.8.2001 - B 4 RA 87/00 R - BSGE 88, 274 = SozR 3-5050 § 22b Nr 1 sowie Beschlüsse vom 1.8.2017 - B 13 R 323/16 B - juris RdNr 13, vom 14.2.2006 - B 9a SB 22/05 B - juris RdNr 7, vom 16.12.2003 - B 13 RJ 194/03 B - juris RdNr 9 und vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 - SozR 3-1300 § 16 Nr 1). Da eine Sachentscheidung des erkennenden Senats somit nicht "untunlich" im Sinne des §
170 Abs
2 Satz 2
SGG erscheint, kommt eine Zurückverweisung der Sache an das LSG gleichfalls nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§
183,
193 SGG und berücksichtigt, dass auch die Beigeladene mit ihrer Revision erfolglos geblieben ist. Dabei erstreckt sich die Kostenprivilegierung
des Klägers (§
183 SGG) auf die grundsätzlich kostenpflichtige (§
197a SGG) Beigeladene (Senatsbeschluss vom 29.5.2006 - B 2 U 391/05 B - SozR 4-1500 § 193 Nr 3 RdNr 17).