Erstattung von Kosten eines Widerspruchsverfahrens
Divergenzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gründe
I
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten eines Widerspruchsverfahrens.
Die Klägerin war bis 2018 als Fachärztin für Humangenetik zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Für das Quartal 1/2012
teilte ihr die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) mit Bescheid vom 29.11.2011 ohne Rechtsmittelbelehrung ihr Regelleistungsvolumen
(RLV) mit 38.936,57 Euro mit.
Die RLV-relevanten Leistungen, für die die Klägerin Honorar in Höhe von 53.851,01 Euro angefordert hatte, vergütete die Beklagte
in Höhe des RLV unquotiert. Die restliche Forderung wurde abgestaffelt mit einer Quote von 13,3100 % vergütet, sodass sich für die dem RLV unterliegenden Leistungen ein Honorar in Höhe von 40.921,68 Euro bei einem Gesamthonorar von 124.111,93 Euro ergab (Honorarbescheid vom 14.7.2012).
Die Klägerin legte am 6.8.2012 durch ihren Rechtsanwalt gegen den Bescheid vom 29.11.2011 sowie den Honorarbescheid vom 14.7.2012
Widerspruch ein und beantragte zugleich eine Härtefallanpassung des RLV. Im Rahmen der Bemessung des RLV für das Quartal 1/2012 falle auf, dass der arztgruppenspezifische Fallwert nur 234 Euro betrage gegenüber 630,31 Euro im
Quartal 4/2011 und 593,68 Euro im Quartal 2/2012. Mit dem zugebilligten RLV von lediglich 38.936,57 Euro ließen sich die Leistungen im Quartal 1/2012 nicht einmal annäherungsweise kostendeckend erbringen.
Die Beklagte trennte den Widerspruch in zwei Vorgänge und erläuterte mit Schreiben vom 23.10.2012, dass für den RLV-Fallwert für Humangenetiker im streitgegenständlichen Quartal wegen einer Veränderung der Arztzahl von mehr als 10 % gegenüber
dem Quartal 1/2008 das Vorjahresquartal 1/2011 herangezogen worden sei.
Mit Schreiben vom 14.11.2012 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie den Sachverhalt dem Vorstand vorgelegt habe. Dieser
habe im Rahmen einer Einzelfallentscheidung beschlossen, der Klägerin für das Quartal 1/2012 ein RLV auf der Basis eines individuellen Fallwertes des Vorjahresquartals zur Verfügung zu stellen; die Beklagte bat um Mitteilung,
ob der Widerspruch gegen die RLV-Mitteilung sowie die Honorarabrechnung für das Quartal 1/2012 trotz der positiven Vorstandsentscheidung aufrechterhalten
werde. Bereits mit Bescheid vom 13.11.2012 hatte die Beklagte das RLV für das Quartal 1/2012 mit 64.458,15 Euro festgesetzt. Eine Nachberechnung des Honorars (Korrekturbetrag iHv 12.928,93 Euro
brutto) erfolgte am 27.6.2013.
Nach Erinnerung der Beklagten erklärte die Klägerin den Widerspruchsvorgang vor dem Hintergrund der erfolgten Nachvergütung
für erledigt und bat um Ausgleich der beigefügten Kostenrechnung vom 5.8.2014 für die notwendigen Auslagen der anwaltlichen
Vertretung in Höhe von 962,71 Euro.
Mit Schreiben vom 10.11.2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihrer Auffassung nach kein erfolgreiches Widerspruchsverfahren
im Sinne des § 63 Abs 1 SGB X vorliege. Die positive Entscheidung beziehe sich allein auf den mit der Erhebung des Widerspruchs gestellten Härtefallantrag.
Schließlich wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und entschied, dass Kosten - aus den mit Schreiben vom
10.11.2014 mitgeteilten Gründen - nicht zu erstatten seien (Widerspruchsbescheid vom 24.6.2015).
Auf die allein gegen die Kostenentscheidung gerichtete Klage hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin die notwendigen Aufwendungen zu erstatten und die Zuziehung eines Rechtsanwalts als
notwendig zu bestimmen (Urteil vom 30.5.2018). Die Klägerin sei mit ihrem Widerspruch gegen die RLV-Mitteilung und die Honorarabrechnung erfolgreich gewesen; ihr Honorar für das Quartal 1/2012 sei erhöht worden. Dass die
Klägerin auch einen Härtefallantrag gestellt habe, sei irrelevant. Die Einlegung des Widerspruchs sei Voraussetzung für eine
positive Entscheidung der Beklagten über den Härtefallantrag gewesen, weil ansonsten der Honorarbescheid in Bestandskraft
erwachsen wäre. Schon die Verhinderung der Bestandskraft stelle nach der Rechtsprechung des BSG den Erfolg des Widerspruchs dar (Hinweis auf BSG Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 13).
Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 1.6.2021). Der Klägerin stehe der Kostenerstattungsanspruch nicht zu. Ihr Widerspruch sei nicht erfolgreich gewesen. Dies beurteile
sich nach einer wertenden Betrachtung dazu, ob das Durchdringen des Widerspruchsführers mit seinem sachlichen Begehren der
Widerspruchseinlegung rechtlich zurechenbar sei (Hinweis auf BSG Urteil vom 3.7.2020 - B 8 SO 5/19 R - SozR 4-1200 § 44 Nr 10 sowie BSG Urteil vom 24.9.2020 - B 9 SB 4/19 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 31). Ein Widerspruch sei nicht immer schon dann erfolgreich, wenn zeitlich nach der Einlegung des Rechtsbehelfs eine begünstigende
Entscheidung ergeht. Es sei eine ursächliche Verknüpfung zwischen der Einlegung des Rechtsbehelfs und der Entscheidung der
Behörde erforderlich (Hinweis ua auf BSG Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 13). Von der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhaltskonstellation, in der die Abhilfe aufgrund einer Rechtsänderung
erfolgte, unterscheide sich der vorliegende Fall. Hier sei die abhelfende Entscheidung im Rahmen eines vollständig gesonderten,
regelmäßig antragsabhängigen Verfahrens über das Vorliegen einer Härte im Hinblick auf die der Klägerin zuerkannte Vergütung
erfolgt. Ergehe die der Beschwer des Widerspruchsführers abhelfende Verwaltungsentscheidung zweifelsfrei in einem von dem
Vorverfahren gesonderten Verfahren wie hier im Rahmen des Härtefallantragsverfahrens, seien auch die vom BSG gezogenen Grenzen der Kausalität im Rechtssinne überschritten. Erfolgreich sei hier der Härtefallantrag der Klägerin gewesen,
nicht aber der Widerspruch. Die Beklagte habe die Entscheidung über den Härtefallantrag auch zum Gegenstand eines gesonderten
Verfahrens machen dürfen. Auch das Argument der Klägerin, dass ein Erfolg des Widerspruchs schon daraus folge, dass dieser
den Eintritt der Bestandskraft des RLV-Zuweisungsbescheides und des Honorarbescheides gehindert habe, begegne Bedenken. Denn die Klägerin habe den Härtefallantrag
erst zusammen mit der Einlegung des Widerspruchs gestellt und damit die sie treffende Obliegenheit missachtet, Umstände, aus
denen heraus sich die RLV-Zuweisung als Härte darstelle, möglichst frühzeitig mitzuteilen. Dies könnte als widersprüchliches Verhalten angesehen werden,
welches nach der Rechtsprechung des BSG einen Kostenerstattungsanspruch selbst dann entfallen lasse, wenn der Widerspruch formal erfolgreich gewesen sei (Hinweis auf BSG Urteil vom 29.1.1998 - B 12 KR 18/97 R - SozR 3-1500 § 144 Nr 13; BSG Urteil vom 25.3.2004 - B 12 KR 1/03 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 1).
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht die Klägerin Rechtsprechungsabweichungen
sowie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgründe gemäß §
160 Abs
2 Nr
1 und
2 SGG) geltend.
II
Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.
1. Der Zulassungsgrund einer Rechtsprechungsabweichung (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) ist, soweit er hinreichend dargelegt wurde, nicht erfüllt. Hierfür ist erforderlich, dass das LSG seiner Entscheidung tragend
einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG widerspricht. Eine Divergenz im Sinne der genannten
Vorschrift liegt nicht schon vor, wenn das LSG einen Rechtssatz aus einer oberstgerichtlichen Entscheidung nicht beachtet
oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen abweichenden Rechtssatz
aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern
nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung einer Revision wegen Divergenz (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.11.2017 - B 6 KA 43/17 B - juris RdNr 13 mwN).
Nach diesen Maßstäben kann keine der von der Klägerin geltend gemachten Divergenzen zu einer Revisionszulassung führen.
a) Die Klägerin rügt zunächst eine Abweichung von der Senatsentscheidung vom 13.10.2010 (B 6 KA 29/09 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 13). Aus dieser soll sich der folgende abstrakte Rechtssatz ableiten lassen:
"Einer Kausalität zwischen Widerspruch und begünstigender Entscheidung und damit eines im Widerspruchsverfahrens ergangenen
förmlichen Abhilfebescheides bedarf es nicht. Entscheidend ist, dass der Widerspruchsführer sich mit seinem Begehren im Ergebnis
aus Rechtsgründen durchgesetzt habe."
Ein solcher Rechtssatz lässt sich jedoch weder den von der Klägerin angeführten Passagen des BSG-Urteils (S 7 f der Beschwerdebegründung) noch den Urteilsgründen im Übrigen entnehmen. Vielmehr zitiert die Klägerin selbst den Senat mit den Worten:
"<16> 3. Dem Erfolg des Widerspruchs i.S. des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X steht hier eine mangelnde Ursächlichkeit zwischen dem Widerspruch und den begünstigenden Entscheidungen nicht entgegen."
Schon hieraus ergibt sich, dass grundsätzlich eine Kausalität zwischen Widerspruch und begünstigender Entscheidung verlangt
wird. Noch deutlicher wird dies aus dem nachfolgenden - von der Klägerin nicht zitierten - Satz:
"Der Senat hält allerdings grundsätzlich daran fest, dass ein Widerspruch nicht immer schon dann erfolgreich ist, wenn zeitlich
nach der Einlegung des Rechtsbehelfs eine den Widerspruchsführer begünstigende Entscheidung ergeht, sondern auch erforderlich
ist, dass zwischen der Einlegung des Rechtsbehelfs und der begünstigenden Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung
im Rechtssinne besteht …"
sowie aus den weiteren Ausführungen unter RdNr 18:
"Hier liegt die für den Anspruch nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X grundsätzlich erforderliche Kausalität zwischen Widerspruch und Erfolg im Widerspruchsverfahren vor."
Nichts anderes folgt aus den weiteren von der Klägerin zitierten Passagen des Urteils. Dort (BSG aaO RdNr 19) heißt es ua :
"(…) Einer Kausalität zwischen Widerspruchsbegründung und der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsaktes bedarf es nicht. (…)" (Hervorhebung nicht im Original)
Die Aussage des BSG bezieht sich somit - wie auch aus den weiteren von der Klägerin zitierten Ausführungen des Senats deutlich wird - gerade
nicht auf die Kausalität zwischen Widerspruch und begünstigender Entscheidung, sondern allein darauf, dass es nicht darauf
ankommen kann, ob die vom Widerspruchsführer für seinen Widerspruch angeführten Gründe die Behörde überzeugt und zur Abhilfe
geführt haben (vgl BSG aaO: "Auch wenn dem Widerspruch aus vom Widerspruchsführer nicht vorgetragenen Gründen stattgegeben wird, ist er erfolgreich
gewesen, wenn der Abhilfe eine vom Ausgangsbescheid abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage zugrunde liegt <…>.").
b) Die Klägerin entnimmt im Übrigen dem LSG-Urteil den tragenden Rechtssatz:
"Der Widerspruch ist nicht deshalb für den Erfolg im Sinne des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X ursächlich, weil er die Bestandskraft der angefochtenen Verwaltungsentscheidung verhindert hat und diese zu Gunsten des Widerspruchsführers
durch eine von der angefochtenen Verwaltungsentscheidung abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage abgeändert worden
ist." (S 13 f der Beschwerdebegründung unter C 1.)
Dies widerspreche dem vom BSG in seinen Urteilen vom 13.10.2010 (B 6 KA 29/09 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 13) und vom 24.9.2020 (B 9 SB 4/19 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 31) aufgestellten Rechtssatz, dass der Widerspruch für den Erfolg im Sinne des § 63 Abs 1 S 1 SGB X ursächlich sei, "wenn er die Bestandskraft der angefochtenen Verwaltungsentscheidung verhindert hat und diese zu Gunsten
des Widerspruchsführers durch eine von der angefochtenen Verwaltungsentscheidung abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage
abgeändert worden ist." (S 14 f der Beschwerdebegründung)
Dabei übersieht die Klägerin, dass das LSG den oben zitierten Rechtssatz gerade nicht aufstellt. Zwar formuliert es, dass
"das klägerische Argument, wonach ein Erfolg des Widerspruchs schon daraus folge, dass mit diesem der Eintritt der Bestandskraft
des RLV-Zuweisungsbescheides und des Honorarabrechnungsbescheides für das Quartal I/2012 gehindert sei, Bedenken begegnet." (S 18 Urteilsumdruck). Aus dem Nachfolgenden ergibt sich jedoch, dass das LSG lediglich erwägt, ob ein Fall des widersprüchlichen Verhaltens der
Klägerin vorliegt, sodass - trotz der Verhinderung des Eintritts der Bestandskraft durch den Widerspruch - keine ursächliche
Verknüpfung im Rechtssinne zwischen Widerspruch und Widerspruchserfolg bestünde (vgl etwa BSG Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 13 RdNr 16 mwN; BSG Urteil vom 24.9.2020 - B 9 SB 4/19 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 31 RdNr 23 mwN), denn es führt aus:
"Zwar trifft es zu, dass ein Anspruch auf Zuerkennung eines zugunsten der Klägerin erhöhten Honorars wegen einer Härte dann
nicht (mehr) bestanden hätte, wenn die gegenüber der Klägerin für das Quartal I/2012 ergangene Honorarentscheidung der Beklagten
vom 14. Juli 2012 bestandskräftig geworden wäre (…). Indes hat die Klägerin vorliegend den Härtefallantrag erst während des
Laufs der für den Honorarbescheid zu beachtenden Widerspruchsfrist zusammen mit der Einlegung des Widerspruchs gestellt. Dies
widerspricht der die Klägerin treffenden Obliegenheit, der Beklagten Umstände, aus denen heraus sich schon die RLV-Zuweisung als Härte darstellt, möglichst frühzeitig mitzuteilen."
Der Rechtssatz, den die Klägerin der Entscheidung des LSG entnommen haben will, ist dort so somit nicht enthalten.
c) Ferner rügt die Klägerin eine Rechtsprechungsabweichung hinsichtlich der Vorwerfbarkeit widersprüchlichen Verhaltens. Das
LSG habe den Rechtssatz aufgestellt:
"Ein erstmals zusammen mit der Widerspruchseinlegung gestellter begründeter Härtefallantrag mag als widersprüchliches Verhalten
angesehen werden, der einen Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X selbst dann entfallen lässt, wenn der Widerspruch formal erfolgreich war." (S 16 ff der Beschwerdebegründung unter D 1.)
Demgegenüber habe das BSG im Urteil vom 19.10.2011 (B 6 KA 35/10 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 16) den gegenteiligen tragenden Rechtssatz aufgestellt, nämlich:
"Der Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X bietet - außerhalb des engen Rahmens eines venire contra factum proprium im Verwaltungsverfahren selbst - keinen Raum für
die Berücksichtigung von Verschuldensgesichtspunkten und damit für ein 'widersprüchliches Verhalten', das einen Kostenerstattungsanspruch
entfallen lässt."
Es kann dahinstehen, ob der Senat einen solchen Rechtssatz in der genannten Entscheidung tatsächlich aufgestellt hat. Zweifelhaft
ist auch, ob das LSG mit der zitierten Passage - "mag als widersprüchliches Verhalten angesehen werden" - einen Rechtsatz
aufgestellt hat. Jedenfalls würde es sich hierbei schon nicht um einander widersprechende Rechtssätze handeln. Denn das LSG
spricht in der angeführten Passage explizit ein widersprüchliches Verhalten der Klägerin im Widerspruchsverfahren an, wie
es in dem dem Senat zugeschriebenen "Rechtssatz" ausdrücklich für möglich gehalten wird.
d) Die Klägerin macht weiterhin eine Divergenz in Bezug auf Entscheidungen des BSG vom 27.6.1996 (6 BKa 56/95 - juris), vom 19.3.1997 (6 BKa 67/96 - juris) und vom 26.6.2019 (B 6 KA 68/17 R - SozR 4-2500 § 106d Nr 6) geltend.
Aus den Ausführungen des LSG lasse sich der abstrakte Rechtssatz ableiten:
"Es trifft den Arzt die Obliegenheit, der KÄV gegenüber Tatsachen, aus denen heraus sich schon die RLV-Zuweisung als Härte darstellt, möglichst frühzeitig mitzuteilen." (Beschwerdebegründung S 22 unter E 1.) Den Beschlüssen sowie dem Urteil des BSG entnimmt die Klägerin dagegen den abstrakten Rechtssatz:
Den Beschlüssen sowie dem Urteil des BSG entnimmt die Klägerin dagegen den abstrakten
Rechtssatz:
"Es besteht eine Obliegenheits- bzw. Mitwirkungspflicht des Arztes, wenn er sich auf ihm günstige Tatsachen berufen will und
diese Tatsachen allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können. Dies gilt besonders für das
Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren und einschränkend für die sachlich-rechnerische Richtigstellung." (Beschwerdebegründung S 23 unter E 2.)
Hierzu erläutert die Klägerin, der Beklagten sei es hinreichend bekannt gewesen, dass es zu erheblichen Verwerfungen in der
extrem kleinen Arztgruppe der Humangenetiker gekommen sei. Unabhängig davon, dass die Klägerin selbst einräumt, dass Feststellungen
hierzu durch das LSG in dem angegriffenen Urteil nicht getroffen worden seien, übersieht die Klägerin, dass das LSG sich in
erster Linie darauf stützt, dass die Klägerin "vorliegend den Härtefallantrag erst während des Laufs der für den Honorarbescheid
zu beachtenden Widerspruchsfrist zusammen mit der Einlegung des Widerspruchs gestellt" habe (Urteilsumdruck S 18, wie auch von der Klägerin zitiert). Dass die Beklagte - bei unterstellter Kenntnis der Gesichtspunkte, die für einen Härtefall sprechen, - berechtigt gewesen
wäre, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung von Härtefallgesichtspunkten einzuleiten, behauptet auch die Klägerin nicht.
Der vermeintliche Widerspruch besteht daher schon aus diesem Grund nicht.
e) Schließlich leitet die Klägerin aus dem LSG-Urteil den folgenden Rechtssatz ab:
"Eine Kausalität im Sinne des § 63 Abs. 1 SGB X liegt vor, wenn die erfolgreiche Abänderung des mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheids durch die Widerspruchsführerin
selbst und nicht durch den Widerspruch als solchen herbeigeführt worden ist." (Beschwerdebegründung S 25 unter F 1.)
Ein solcher Rechtssatz lässt sich jedoch schon nicht dem LSG-Urteil entnehmen. Das LSG stellt an den zitierten Stellen (S 24 f der Beschwerdebegründung) lediglich den tatsächlichen Ablauf des Geschehens und deren Einschätzung durch die Beklagte dar. Eigene rechtliche Ausführungen,
denen der zitierte Rechtssatz entnommen werden könnte, trifft das LSG in den zitierten Passagen nicht. Das zweite Zitat von
S 19 des LSG-Urteils ("Allerdings bestehen vorliegend auch hieran Zweifel, …") bezieht sich zudem auf die Frage, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das von der Klägerin in Gang gesetzte Widerspruchsverfahren
notwendig war (§ 63 Abs 2 SGB X); zur Kausalität nimmt das LSG hier gerade nicht Stellung.
f) Unter B. ihrer Beschwerdebegründung rügt die Klägerin ein Abweichen des LSG von den Urteilen des BSG vom 11.12.1985 (6 RKa 35/84 - BSGE 59, 216 = SozR 1300 § 63 Nr 7) und vom 2.11.2012 (B 4 AS 97/11 R - EuG 2013, 485 = juris) und entnimmt dem LSG-Urteil den folgenden Rechtssatz:
"Der Widerspruch ist dann nicht 'erfolgreich' i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wenn zwar ein in der Sache dem Widerspruch abhelfender Bescheid vorliegt, aber kein im Widerspruchsverfahren ergangener
Abhilfebescheid."
Demgegenüber sei aus dem Senatsurteil vom 11.12.1985 (6 RKa 35/84 - BSGE 59, 216 = SozR 1300 § 63 Nr 7) abzuleiten:
"Auch dann war der Widerspruchsführer erfolgreich im Sinne des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X, wenn die Behörde einer dem Widerspruchsführer günstigen förmlichen Entscheidung über den Widerspruch durch Rücknahme bzw.
entsprechende Verpflichtung zur Neubescheidung zuvorkommt."
Dem Urteil des 4. Senats des BSG (B 4 AS 97/11 R) entnimmt sie den folgenden Rechtssatz:
"Unerheblich ist aus welchen Gründen der Widerspruch in der Sache Erfolg hat, der Erfolg oder Misserfolg eines eingelegten
Widerspruchs ist am tatsächlichen (äußeren) Verfahrensgang zu messen."
Der Senat lässt offen, ob die Klägerin hiermit eine Divergenz hinreichend dargelegt hat. Jedenfalls hat das LSG seine Entscheidung
nicht allein darauf gestützt, dass die abhelfende Entscheidung in einem gesonderten Verfahren erfolgt sei, sondern diese hilfsweise
damit begründet, dass sich die Klägerin widersprüchlich verhalten habe, indem sie den Härtefallantrag erst mit der Erhebung
des Widerspruchs gestellt habe (Urteilsumdruck S 18 f). In einem solchen Fall ist es erforderlich, dass auch hinsichtlich dieser Hilfsbegründung, die ebenfalls den Urteilsausspruch
trägt, ein Zulassungsgrund vorliegt (vgl BSG Beschluss vom 23.2.2004 - B 1 KR 28/02 B - juris RdNr 9; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Aufl 2020, §
160a RdNr 13 f mwN). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die Klägerin hat in Bezug auf die Frage, ob ihr ein widersprüchliches Verhalten vorgeworfen
werden kann, keine durchgreifenden Rügen erhoben (zu den auf die Hilfsbegründung bezogenen Divergenzrügen vgl oben unter c bis e; zur grundsätzlichen Bedeutung vgl sogleich
unter 2.).
2. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren
klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 29.11.2006 - B 6 KA 23/06 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG Beschluss vom 28.10.2015 - B 6 KA 12/15 B - SozR 4-2500 § 116 Nr 11 RdNr 5; BSG Beschluss vom 15.10.2020 - B 6 KA 16/20 B - juris RdNr 8). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist und/oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres
aus den Rechtsvorschriften und/oder aus schon vorliegender Rechtsprechung klar beantworten lässt (BSG Beschluss vom 11.10.2017 - B 6 KA 29/17 B - juris RdNr 4). Klärungsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage nicht im Revisionsverfahren zur Entscheidung anstünde
oder wenn die Bedeutung über den Einzelfall hinaus fehlt, weil eine weitergehende Bedeutung der Rechtsfrage für weitere Fälle
nicht erkennbar ist oder die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des Rechtsstreits einer verallgemeinerungsfähigen
Beantwortung nicht zugänglich ist (vgl zB BSG Beschluss vom 13.2.2019 - B 6 KA 17/18 B - juris RdNr 7).
a) Die Klägerin sieht zunächst die folgenden Rechtsfragen als grundsätzlich klärungsbedürftig an:
"1.a. Besteht eine Rechtspflicht des Vertragsarztes (bzw. Mitwirkungsobliegenheit) vor dem Erlass eines Honorarbescheides
gegenüber der KÄV etwaige Härtefallgesichtspunkte geltend zu machen?
1.b. Besteht eine Rechtspflicht bzw. Mitwirkungsobliegenheit des Vertragsarztes, bereits vor einem Widerspruchsverfahren die
KÄV auf etwaige Härtefallgesichtspunkte hinzuweisen?
bzw. unter besonderer Berücksichtigung des Untersuchungsgrundsatzes nach § 20 SGB X formuliert:
1.c. Besteht eine Rechtspflicht bzw. Mitwirkungsobliegenheit des Vertragsarztes, bereits vor einem Widerspruchsverfahren die
KÄV auf etwaige Härtefallgesichtspunkte, die dieser aufgrund ihrer Amtsermittlungspflicht ebenfalls bekannt sind, hinzuweisen?
1.d. Besteht eine allgemeine Rechtspflicht bzw. Mitwirkungsobliegenheit für Härtefallgesichtspunkte, die sowohl dem Arzt als
auch der KÄV bekannt sind, diese durch den Arzt so rechtzeitig wie möglich vorzubringen, ansonsten geht die Verspätung zu
Lasten des Vertragsarztes?"
Die Antwort auf die von der Klägerin benannten Fragen ist schon nicht verallgemeinerungsfähig, sondern von der Verfahrensausgestaltung
im Einzelfall abhängig (vgl auch BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 6 KA 82/17 B - juris RdNr 9 unter Hinweis auf BSG Urteil vom 2.8.2017 - B 6 KA 7/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 12 RdNr 57 ff). So kann eine Härtefallregelung etwa so ausgestaltet sein, dass hierüber erst nach der Entscheidung über den Honoraranspruch
entschieden werden kann (zu so einem Fall vgl BSG Urteil vom 9.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2, RdNr 16; BSG Urteil vom 8.2.2006 - B 6 KA 25/05 R - BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23, RdNr 39; vgl auch BSG Urteil vom 2.8.2017, aaO RdNr 58). Auch kann nicht außer Acht gelassen werden, ob die zuständige KÄV nur auf Antrag oder antragsunabhängig über das Vorliegen
eines Härtefalles zu entscheiden hat. Darüber hinaus besteht hier die Besonderheit, dass der Bescheid vom 29.11.2011, mit
dem der Klägerin ihr RLV für das Quartal 1/2012 mitgeteilt wurde, ohne Rechtsmittelbelehrung erging und damit bei Erlass des Honorarbescheides vom
14.7.2012 noch mit dem Widerspruch angefochten werden konnte. Damit ist nicht zu erwarten, dass die von der Klägerin begehrte
Entscheidung geeignet ist, in künftigen Revisionsverfahren die Rechtseinheit zu erhalten oder zu sichern oder die Fortbildung
des Rechts zu fördern (zu dieser Anforderung vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
b) Nichts anderes gilt, soweit die Klägerin weiterhin die folgenden Fragen für grundsätzlich bedeutsam hält:
"2. Schließt begründeter Härtefallantrag Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X aus?
Schließt ein begründeter, zeitgleich mit der Widerspruchserhebung gestellter Härtefallantrag eines Vertragsarztes einen Kostenerstattungsanspruch
nach § 63 SGB X aus, wenn der Härtefallantrag zu einer die Beschwer des Widerspruchs abhelfenden Verwaltungsentscheidung führt?
bzw.
Kann ein vom Vertragsarzt mit dem Widerspruch gegen die Honorarabrechnung gleichzeitig geltend gemachter Härtefallantrag
den Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X entfallen lassen, wenn der Härtefallantrag zu einer die Beschwer des Widerspruchs abhelfenden Verwaltungsentscheidung führt?"
Ob der Umstand, dass ein Härtefall erst gemeinsam mit der Einlegung des Widerspruchs gegen den einschlägigen Honorarbescheid
geltend gemacht wird, einen Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X entfallen lässt, etwa unter dem Aspekt der fehlenden Kausalität zwischen der Einlegung des Rechtsbehelfs und der begünstigenden
Entscheidung der Behörde (vgl hierzu zB die auch von der Klägerin zitierte Senatsentscheidung vom 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 13 RdNr 16 mwN), hängt ebenfalls von der konkreten Ausgestaltung des Honorarverteilungsmaßstabs sowie den Umständen des Einzelfalls ab.
Soweit den von der Klägerin formulierten Fragen auch zu entnehmen sein sollte, dass sie geklärt wissen will, ob es an einer
ursächlichen Verknüpfung im Rechtssinne zwischen der Einlegung des Widerspruchs und der begünstigenden Entscheidung der Behörde
allein deswegen fehlt, weil diese Entscheidung in einem gesonderten Verfahren - hier: Antrag auf Härtefallentscheidung des
Vorstandes - getroffen wird, so ist die Frage nicht klärungsbedürftig. Denn diese lässt sich aus der schon vorliegenden Rechtsprechung
zu § 63 SGB X klar beantworten. So ist bereits geklärt, dass maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit ein Widerspruch
erfolgreich oder erfolglos war, ein Vergleich des mit dem Widerspruch Begehrten und des Inhalts der das Vorverfahren abschließenden
Sachentscheidung (hier: Neufestsetzung des RLV für das Quartal 1/2012 mit 64.458,15 Euro durch den Bescheid vom 13.11.2012 und Nachberechnung des Honorars am 27.6.2013)
ist (BSG Urteil vom 24.9.2020 - B 9 SB 4/19 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 31 RdNr 15 mwN). Andererseits ist es nach der stRspr des BSG nicht ausreichend, dass allein zeitlich nach Einlegung des Widerspruchs eine dem Widerspruchsführer begünstigende Entscheidung
der Behörde ergeht; vielmehr wird verlangt, dass zwischen Widerspruch und Widerspruchserfolg auch eine ursächliche Verknüpfung
im Rechtssinne besteht (BSG aaO RdNr 17 mwN). Insofern ist jedoch geklärt, dass weder eine Rechtsänderung zugunsten des Widerspruchsführers noch eine entscheidungserhebliche
Änderung der tatsächlichen Verhältnisse während des Widerspruchsverfahrens den kausalen Zusammenhang entfallen lassen, da
der Widerspruchsführer durch seinen Widerspruch die Bestandskraft der ablehnenden Verwaltungsentscheidung (§
77 SGG) verhindert und damit eine Ursache im Rechtssinne für die stattgebende Entscheidung gesetzt hat (BSG aaO RdNr 21 f; BSG Urteil vom 13.10.2010 - B 6 KA 29/09 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 13 RdNr 18 f).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §§
154 ff
VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des von ihr ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§
154 Abs
2 VwGO).
4. Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der von der Klägerin begehrten (abgerundeten) Kostenerstattung (§
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 1
SGG iVm §
63 Abs
2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG).