Zulässigkeit einer isolierten Feststellungsklage im sozialgerichtlichen Verfahren auf Feststellung eines Gesundheitsschadens
als Folge eines Arbeitsunfalles
Tatbestand
Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung einer Ruptur der Supraspinatussehne rechts als Unfallfolge.
Der am 1952 geborene Kläger ist als selbständiger Unternehmer der Fa. Q. Estrichbau bei der Beklagten versichert. Am 26.02.2007
gegen 11.30 Uhr erlitt er auf einer Baustelle einen Unfall, als er bei einer Silomischpumpe durch Rütteln des Schlauches eine
Verstopfung lösen wollte. Dabei schlug ihm der Schlauch gegen den Körper, wodurch er nach hinten fiel und noch versuchte,
sich mit der rechten Hand abzustützen. Nach seinen weiteren Angaben in der Unfallanzeige vom 20.03.2007 spürte er dann einen
starken Schmerz im Schulterbereich und konnte seinen Arm fast nicht mehr bewegen.
Am 27.02.2007 stellte sich der Kläger bei Prof. Dr. R. vor. Dieser fand eine leichte Abduktionseinschränkung bei einer im
Übrigen frei beweglichen Schulter rechts. Beim Lift off-Test war der Befund rechts schlechter als links; beim Palm up-Test
zeigte sich ein seitengleicher Befund. Ein Druckschmerz zeigte sich weder über dem Acromioclaviculargelenk noch über dem Sulcus
der langen Bizepssehne. Die röntgenologische Untersuchung der Schulter ergab keine sichtbaren knöchernen Verletzungen (vgl.
Durchgangsarztbericht vom 28.02.2007). Zum Ausschluss einer Rotatorenmanschettenruptur riet Prof. Dr. R. zu einer Kernspin-Untersuchung
(MRT), die am 06.03.2007 durchgeführt wurde. Dabei zeigten sich eine breite komplette Ruptur der distalen Supraspinatussehne
mit Lückenbildung bis zu 4 cm, ein geringer Erguss, eine etwas aktivierte AC-Gelenksarthrose mit Impingement sowie degenerative
Veränderungen auch der distalen Subscapularissehne und der proximalen Bizepssehne. Am 18.04.2007 wurde in der Park-Klinik
Manhagen eine arthroskopische Dekompression und Rotatorenmanschettenrekonstruktion durchgeführt (vgl. Operationsbericht des
Dr. J. , Bl. 91 der VerwA). Anschließend war der Kläger bis 13.07.2007 arbeitsunfähig und nahm sodann seine Tätigkeit wieder
auf.
Die Beklagte zog Akten über zwei im November 2004 und Oktober 2005 erlittene Arbeitsunfälle mit Beteiligung der rechten Schulter
bzw. des rechten Oberarms bei, insbesondere die Befunde der Kernspintomographien des rechten Schultergelenks vom 29.11.2004
(Zeichen einer Tendinose bzw. Teilruptur der Supraspinatussehne im ventralen Anteil sowohl im Bereich eines caudalen Osteophyten
des lateralen Claviculaendes als auch im Ansatzbereich am Humeruskopf, Zeichen einer Teilathrophie des Musculus supraspinatus
sowie einer Tendovaginitis des langen Bizepskopfes, kein Anhalt für eine komplette Rotatorenmanschettenruptur) und vom 07.11.2005
(mäßiggradige Zeichen einer Arthrose des AC-Gelenks mit Impingement-Syndrom des Musculus supraspinatus durch einen kaudalen
Osteophyten des lateralen Claviculaendes). Darüber hinaus holte die Beklagte die Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. M.
ein, der den Unfallmechanismus zwar für geeignet erachtete, eine Verletzung der Rotatorenmanschette zu verursachen, jedoch
einen Zusammenhang des Rotatorenmanschettendefekts mit dem Unfall verneinte, da im MRT vom 07.03.2007 keine frischen Verletzungszeichen
zu finden gewesen seien.
Mit Bescheid vom 23.07.2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 26.02.2007 als Arbeitsunfall ab und führte
zur Begründung aus, dass bei dem MRT vom 06.03.2007 keine frischen Verletzungsfolgen, sondern hauptsächlich degenerative Veränderungen
gefunden worden seien, weshalb ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der Ruptur der Supraspinatussehne
nicht hinreichend wahrscheinlich sei.
Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte das Zusammenhangsgutachten des Prof. Dr. S. , Orthopädische Universitätsklinik
H. , ein, der ausführte, der ausgeprägte Vorschaden, der klinische Befund einen Tag nach dem Unfallereignis sowie der kernspintomographische
Befund mit nur geringer Ergussbildung, degenerativen Veränderungen und weit retrahiertem Sehnendefekt spreche so stark gegen
einen Unfallzusammenhang, dass die Rotatorenmanschettenverletzung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ohnehin auf Grund des
Vorschadens in absehbarer Zeit auch bei jeder alltäglichen Verrichtung in dieser Form eingetreten wäre. Als unfallbedingt
sah er lediglich eine Prellung und Zerrung der rechten Schulter an.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2009 half die Beklagte den Widerspruch ab und anerkannte das Ereignis vom 26.02.2007 als
Arbeitsunfall. Weiter stellte sie unter Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen fest, unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit
und Behandlungsbedürftigkeit hätten bis 26.03.2007 vorgelegen. Sie stützte sich dabei auf das Gutachten des Prof. Dr. S. .
Am 16.03.2009 hat der Kläger dagegen beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben und sich im Wesentlichen gegen die Auffassung des Gutachters gewandt, auf Grund des vorhandenen Vorschadens
wäre die eingetretene Verletzung in absehbarer Zeit auch bei jeder alltäglichen Verrichtung eingetreten. Hiergegen spreche,
dass er trotz der entsprechenden Vorschäden über längere Zeit hinweg ohne große Beeinträchtigungen seiner Arbeit habe nachgehen
können.
Das SG hat das Gutachten des Priv. Doz. Dr. S. , Oberarzt im Department Orthopädie und Traumatologie des Universitätsklinikums F.
, eingeholt, der den Kläger im Juli 2009 untersucht hat. Der Sachverständige hat angesichts des klinischen Erstbefundes, der
wegen der fehlenden Pseudoparalyse nicht dem Befund einer typischen traumatischen Rotatorenmanschettenruptur entspreche, der
fehlenden frischen Verletzungszeichen im Kernspintomogramm (keine Kontusionszeichen im Sinne eines Bone bruise, kein massiver
Gelenkserguss), der erheblichen Retraktion der Rotatorenmanschette im Umfang von 4 cm, die auch athroskopisch beschrieben
worden sei, der stark degenerativen Rissränder und der darüber hinaus vorhanden gewesenen Ruptur der langen Bizepssehne, die
als wichtiger Stabilisator des Schultergelenks gelte, die Auffassung vertreten, dass es sich bei der erlittenen Rotatorenmanschettenruptur
um das Ende einer degenerativen Zerstörung gehandelt habe und unfallbedingt lediglich von einer Prellung der rechten Schulter
ausgegangen werden könne. Auf Antrag des Klägers gemäß §
109 des
Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) hat das SG darüber hinaus das Gutachten des Dr. W. , Chefarzt der MediClin S. Klinik in Bad P./G., auf Grund Untersuchung des Klägers
im November 2009 nebst ergänzender Stellungnahme eingeholt. Der Sachverständige hat es für durchaus möglich erachtet, dass
der Sturz durch die Abstützung mit dem rechten Arm einen Abriss der Rotatorenmanschette ausgelöst haben könnte. Zuvor habe
der Kläger ein Jahr ohne ärztliche Behandlung oder Medikamente ohne Beeinträchtigung des rechten Schultergelenks voll in seinem
Beruf arbeiten können. Komplett gegen eine degenerative Rotatorenmanschettenruptur spreche das operative Ergebnis. Denn bei
einem degenerativ veränderten Sehnengewebe sei eher ein schlechteres Ergebnis zu erwarten gewesen. Der Kläger habe jedoch
die volle Kraft und den vollen Bewegungsumfang wieder erhalten und habe keinerlei Beschwerden. Dass wegen der Vorschädigung
eine tagesübliche Tätigkeit im Freizeitbereich zu einem Abriss der Rotatorenmanschette geführt hätte, sei nicht glaubhaft.
Vielmehr sei die breite Ruptur der Rotatorenmanschette auf das Sturzereignis zurückzuführen.
Mit Urteil vom 06.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf die Gutachten des Prof. Dr. S. und des Priv. Doz. Dr. S. gestützt. Das Gutachten
des Dr. W. hat es nicht für überzeugend erachtet.
Gegen das seinen Bevollmächtigten am 04.01.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.01.2011 beim Landessozialgericht (LSG)
Berufung eingelegt. Er hat das Senatsurteil vom 24.03.2005 (richtig: 12.11.2009), L 10 U 3951/08 vorgelegt und geltend gemacht, das SG habe in diesem Sinne keine zweistufige Prüfung vorgenommen. Unstreitig sei, dass der Sturz vom 26.02.2007 die naturwissenschaftliche
Ursache der Verletzung sei. Darüber hinaus sei offensichtlich, dass die Krankheitsanlage nicht so stark oder so leicht ansprechbar
gewesen sei, dass auch jedes andere alltägliche Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Er sei am Tag
nach dem Unfall untersucht worden und der Durchgangsarzt habe eine Verletzung der Rotatorenmanschette nicht ausgeschlossen.
Auch anlässlich der Kernspintomographie im Jahr 2005 hätten sich keine Hinweise auf eine Rotatorenmanschettenruptur ergeben.
Bei der Operation seien auch nicht hauptsächlich degenerative Veränderungen gefunden worden. Schließlich sei es in einem gewissen
Alter selbstverständlich, dass degenerative Veränderungen vorhanden seien. Dies führe nicht dazu, dass eine Rotatorenmanschettenruptur
immer degenerativ verursacht worden sei. Vorerkrankungen hätten im Übrigen die Bizepssehne, nicht aber die Rotatorenmanschette
betroffen. Auch der Operateur Dr. J. gehe davon aus, dass eine degenerativ vorgeschädigte Rotatorenmanschette durch den Sturz
gänzlich eingerissen sein könne. Schließlich spreche das gute operative Ergebnis gegen eine degenerative Veränderung der Rotatorenmanschette.
Nach der Operation habe er nämlich wieder die volle Kraft bekommen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 06.10.2010 aufzuheben und als Folge des Unfalls vom 26.02.2007 eine Ruptur der
Supraspinatussehne festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig und den Sachverhalt, der dem vom Kläger herangezogenen Senatsurteil zu
Grunde lag, mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Beteiligten einen Teilvergleich geschlossen, wonach die Feststellung
im Widerspruchsbescheid betreffend die zeitliche Begrenzung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit
gegenstandslos ist.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der
Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §
153 Abs.
1 SGG form- und fristgerecht und gemäß den §§
143,
144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig; sie ist jedoch - soweit der Senat noch zu befinden hat - nicht begründet.
Nicht mehr Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage einer zeitlichen Begrenzung unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit.
Wegen der insoweit dem Widerspruchsausschuss fehlenden sachlichen Zuständigkeit für eine derartige erstinstanzliche Entscheidung
(vgl. BSG, Urteil vom 30.03.2004, B 4 RA 48/01 R und Urteil vom 18.10.2005, B 4 RA 21/05 R) haben die Beteiligten durch den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschlossenen Teilvergleich, wonach die Feststellung
im Widerspruchsbescheid betreffend die zeitliche Begrenzung der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit
gegenstandslos ist, diesen Streit durch Beseitigung der den Kläger belastenden Regelung beendet.
Mit diesem Teilvergleich entfällt zugleich jegliche Beschwer des Klägers in Bezug auf die ergangenen Bescheide. Mit dem Bescheid
vom 23.07.2007 lehnte die Beklagte ursprünglich die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ab (so der Verfügungssatz, also die
Entscheidung der Behörde in Form eines Verwaltungsaktes, vgl. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -), weil - so die Begründung des Bescheides - die im MRT festgestellte Ruptur der Supraspinatussehne nicht mit Wahrscheinlichkeit
durch den Unfall verursacht worden sei. Dem Widerspruch half die Beklagte mit dem Widerspruchsbescheid ab, indem sie das Ereignis
vom 26.02.2007 als Arbeitsunfall anerkannte (so der Verfügungssatz), wenn auch - so die Begründung der Entscheidung - nur
in Bezug auf die angenommene Prellung und unter Aufrechterhaltung der Auffassung, dass kein ursächlicher Zusammenhang zwischen
dem Unfallereignis und der Ruptur der Supraspinatussehne bestehe. Als weiteren Verfügungssatz enthielt der Widerspruchsbescheid
nur noch die Feststellung zeitlich beschränkter unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit, die mit dem
Teilvergleich - als Verfügungssatz - gegenstandslos geworden ist. Im Ergebnis half damit der Widerspruchsbescheid dem Widerspruch
gegen den Bescheid vom 23.07.2007 mit dem dortigen einzigen Verfügungssatz Ablehnung eines Arbeitsunfalles in vollem Umfang
ab. Soweit in den Bescheiden Ausführungen zum ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und der Ruptur der Supraspinatussehne
enthalten sind, handelt es sich um bloße Begründungselemente, die nicht Teil der eigentlichen Entscheidung, des Verfügungssatzes
sind. Damit ist der Kläger durch diese Bescheide nicht beschwert, so dass er auch keine zulässige Anfechtungsklage diesbezüglich
erheben kann. Einen derartigen Anfechtungsantrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung folgerichtig auch nicht mehr
gestellt.
Der Kläger begehrt vielmehr die gerichtliche Feststellung der Ruptur der Supraspinatussehne als Gesundheitsschaden in Gefolge
des anerkannten Arbeitsunfalles. Nach §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG kann mit der Klage die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung die Folge eines Arbeitsunfalles ist. Eine
solche Feststellung einer Unfallfolge begehrt der Kläger allerdings nicht. Denn die Ruptur der Supraspinatussehne wäre - einen
ursächlichen Zusammenhang hier unterstellt - nicht Folge des Unfalles, sondern der dem Begriff des Unfalles immanente Primärschaden
oder Gesundheitserstschaden (s. zur Unterscheidung von Gesundheitserstschaden und Unfallfolge BSG Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 16/11 R, Rdnr. 19). Allerdings hat das Bundessozialgericht die Regelung des §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG - ohne Problematisierung - auf die Feststellung von Gesundheitserstschäden erweitert (BSG, Urteil vom 24.07.2012, B 2 U 23/11 R, Rdnr. 14).
Diese Feststellungsklage ist zulässig. Insbesondere scheitert deren Zulässigkeit nicht daran, dass kein korrespondierender,
die Ruptur der Supraspinatussehne als Gesundheitserstschaden - durch Verfügungssatz - ablehnender und damit insoweit anfechtbarer
Verwaltungsakt vorliegt. Zwar erfordert die Feststellungklage grundsätzlich eine vorherige Verwaltungsentscheidung und die
gegen sie gerichtete Anfechtungsklage (BSG, Urteil vom 27.06.2006, B 2 U 77/06 R in SozR 4-1500 § 55 Nr. 4). Regelfall ist also eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage, nur in dieser Kombination
ist die Feststellungsklage im Regelfall zulässig (BSG, Urteil vom 27.06.2006, a.a.O.). Denn das für eine solche Feststellungsklage notwendige Feststellungsinteresse liegt nur
vor, wenn zuvor ein entsprechendes Verwaltungsverfahren durchgeführt wurde (u.a. BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 22/03 R und Urteil vom 27.06.2006, a.a.O. für unterschiedliche Versicherungsfälle; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage §
55 Rdnr. 3b).
Indessen gilt dies - wie in der Entscheidung des BSG vom 27.06.2006 (a.a.O.) auch angedeutet (im Regelfall) - nicht ausnahmslos. Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom
15.03.2012, L 10 U 945/10), dass eine ausdrückliche, förmliche Entscheidung des Unfallversicherungsträgers über jede einzelne als Unfallfolge behauptete
Gesundheitsstörung nicht erforderlich ist (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 15.02.2005, B 2 U 1/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 12 für den Fall einer allgemeinen Leistungsablehnung durch den Unfallversicherungsträger, weil kein
Versicherungsschutz bestanden habe, für die nachfolgend erhobenen Klagen auf Feststellung des Vorliegens eines Arbeitsunfalles
und von Unfallfolgen sowie auf BSG, Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 für mittelbare Unfallfolgen in Gefolge ärztlicher Maßnahmen anlässlich eines Unfalles, über die
die Behörde gerade keine ausdrückliche Entscheidung getroffen, sondern lediglich eine Ausheilung der unfallbedingten Primärverletzung
festgestellt hatte). Ausreichend ist vielmehr, dass sich der Versicherungsträger in dem Verwaltungsverfahren mit der Frage
nach dem Vorliegen von Unfallfolgen befasste. Nichts anderes kann hinsichtlich der zur Anerkennung begehrten Gesundheitserstschäden
gelten. Wie aus der Begründung des Bescheides vom 23.07.2007 und des Widerspruchsbescheides zu entnehmen ist, befasste sich
die Beklagte in umfassender Weise mit der Frage, ob die Ruptur der Supraspinatussehne mit Wahrscheinlichkeit auf das Ereignis
vom 26.02.2007 zurückzuführen ist. Dies genügt für die Annahme eines berechtigten Interesses an der gerichtlichen Feststellung
dieser Ruptur als Gesundheitserstschaden nach §
55 Abs.
1 Nr.
3 SGG. Eine ausdrückliche vorherige formelle Entscheidung des Unfallversicherungsträgers (i.S. § 31 SGB X) ist dann nicht erforderlich. Die somit vom Kläger erhobene isolierte Feststellungsklage ist zulässig.
Indessen ist die Feststellungsklage nicht begründet. Der Senat teilt die Auffassung des SG, dass die Ruptur der Supraspinatussehne beim Kläger nicht ursächlich auf den in Rede stehenden Arbeitsunfall zurückzuführen
ist.
Wie der Senat bereits in seinem auch vom Kläger herangezogenen Urteil vom 12.11.2009 ausgeführt hat, gilt im Bereich der gesetzlichen
Unfallversicherung wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden
die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis
und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das
Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund
nicht ursächlich. Kann dagegen das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele (conditio
sine qua non), ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden
wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die
wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist
und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des
Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge
geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens
muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden
Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O. auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen
Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt
nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang
zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss.
Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche
Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr
führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende
Umstände auszuschließen.
Anders als in dem bereits erwähnten Senatsurteil vom 12.11.2009 weisen vorliegend keine hinreichenden Indizien auf eine akute
traumatische Schädigung der Supraspinatussehne in Form einer Läsion durch das in Rede stehende Ereignis hin. Denn Hinweise
auf eine akute Substanzschädigung der Supraspinatussehne in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang ergeben sich weder aus den
vom erstuntersuchenden Arzt erhobenen Befunden noch durch die unmittelbar danach durchgeführte bildgebende Diagnostik in Form
von Röntgenaufnahmen, die keine knöchernen Verletzungen zeigten, und auch nicht aus der am 06.03.2007 erfolgten Kernspintomografie.
So fand Prof. Dr. R. , der den Kläger am Tag nach dem Unfall untersuchte, lediglich eine leichte Abduktionseinschränkung im
rechten Schultergelenk, im Übrigen aber eine frei bewegliche Schulter. Ein Zustand, wie er vom Kläger im Rahmen seiner Unfallmeldung
vom 20.03.2007, also rund vier Wochen nach dem Unfall beschrieben wurde (er habe den Arm fast nicht mehr bewegen können),
wurde von dem Durchgangsarzt am Folgetag des Unfalls damit jedenfalls nicht objektiviert. Wie der gerichtliche Sachverständige
Priv. Doz. Dr. S. in Übereinstimmung mit dem von der Beklagten im Verwaltungsverfahren hinzugezogenen Gutachter Prof. Dr.
S. schlüssig und überzeugend ausgeführt hat, ist ein Befund, wie ihn Prof. Dr. R. erhob, mit einem frischen Sehnenriss nicht
in Einklang zu bringen. Vielmehr wäre als typischer Befund eines frischen Sehnenrisses eine Pseudoparalyse zu erwarten, also
die Unfähigkeit, den Arm aktiv anheben zu können oder jedenfalls ein ähnlich schwer wiegender Befund. Gegen einen traumatischen
Riss der Supraspinaturssehne anlässlich des Ereignisses vom 26.02.2007 spricht auch der Befund der zeitnah am 06.03.2007 durchgeführten
Kernspintomographie. Hierbei wurde zwar eine komplette Ruptur der distalen Supraspinatussehne objektiviert, jedoch zeigten
sich - wie Priv. Doz. Dr. S. und Prof. Dr. S. übereinstimmend ausgeführt haben - keine Hinweise für frische Verletzungen.
So fanden sich weder Kontusionszeichen im Sinne eines Bone bruise noch ein massiver Gelenkserguss, was bei einer frischen
und vor allem kompletten Ruptur jedoch zu erwarten gewesen wäre. Auch die bereits im MRT vom 06.03.2007 nachgewiesene Lücke
im Bereich der Supraspinatussehne von 4 cm ist - so Priv.Doz. Dr. S. - nur mit einem chronischen Schaden zu vereinbaren.
Da sich somit keine hinreichenden Hinweise auf eine akute traumatische Schädigung der Supraspinatussehne finden, ist eine
solche unwahrscheinlich.
Dem steht nicht entgegen, dass die am Verfahren beteiligten Ärzte den konkreten Unfallmechanismus in Form eines Sturzes auf
den nach hinten gestreckten Arm übereinstimmend für geeignet erachtet haben, die beim Kläger objektivierte Läsion herbeizuführen.
Denn die Aussage, dass ein konkreter Ereignisablauf grundsätzlich geeignet war, eine bestimmte Schädigung zu verursachen,
besagt nicht gleichzeitig, dass ein an sich möglicher Schaden auch tatsächlich eintrat. Wie bereits dargelegt, liegen beim
Kläger entsprechende Hinweise gerade nicht vor.
Demgegenüber ist - wie der Sachverständige Priv. Doz. Dr. S. überzeugend dargelegt hat - hinreichend belegt, dass beim Kläger
im Bereich der Rotatorenmanschette bereits Jahre vor dem Unfall erhebliche degenerativ bedingte Vorschäden vorgelegen haben.
So wurden wegen früher bereits aufgetretenen Schulterbeschwerden rechtsseitig schon im November 2004 und im November 2005
Kernspintomographien durchgeführt. Ausweislich des entsprechenden Befundberichts vom 30.11.2004 erfolgte die seinerzeitige
Untersuchung bereits wegen des Verdachts auf eine Teilruptur der Supraspinatussehne, der sich dann auch bestätigte. So wurde
eine Teilruptur der Supraspinatussehne mit Teilathrophie des Musculus supraspinatus objektiviert sowie ferner eine Akromioclaviculargelenksarthrose
mit einem knöchernen Impingement durch einen Osteophyten an der lateralen Clavicula. Auch bestand damals bereits eine Tendovaginitis
des langen Bizepssehnenkopfes. Wie dem Arthroskopiebericht des Dr. J. zu entnehmen ist, hat sich intraoperativ - wie bereits
im zuvor angefertigten MRT - darüber hinaus eine mit 4 cm beschriebene erhebliche Retraktion der Rotatorenmanschette gezeigt,
die - so Priv. Doz. Dr. S. ausdrücklich und wie bereits erwähnt - lediglich bei chronischen Veränderungen nachzuweisen ist.
Gerade auch die Ausdehnung der Läsionen der Rotatorenmanschette auf mehrerer Anteile stellt sich nach den weiteren Ausführungen
des Sachverständigen Priv. Doz. Dr. S. als Hinweis für einen länger bestehenden Schaden dar. Schließlich liegt als Vorschaden
auch eine Ruptur der langen Bizepssehne vor, die bereits im Dezember 2005 objektiviert wurde. Eine Ruptur der Bizepssehne
führt - so Priv. Doz. Dr. S. - zu einer erheblichen Mehrbelastung des schulterstabilisierenden Apparates, insbesondere der
Rotatorenmanschette. Der damit zweifellos bestehende erhebliche Vorschaden mit einer langsamen Zerstörung lässt sich nach
den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Priv. Doz. Dr. S. über die letzten Jahre hinweg sehr gut verfolgen und
wird gerade auch durch den intraoperativen Befund des Dr. J. mit einer weit retrahierten Rotatorenmanschette und stark degenerativen
Rissrändern bestätigt. Für den Senat ist vor diesem Hintergrund ohne Weiteres nachvollziehbar, dass Priv. Doz. Dr. S. die
zuletzt objektivierte Rotatorenmanschettenruptur als das Ende einer degenerativen Zerstörung beurteilt hat.
Nach alledem ist nicht hinreichend wahrscheinlich, dass der erlittene Unfall naturwissenschaftliche Ursache der Ruptur der
Supraspinatussehne ist.
Die von Dr. W. vertretene gegenteilige Auffassung, auf die sich der Kläger stützt, überzeugt schon deshalb nicht, weil der
Sachverständige sich schon nicht mit den jeweils für und gegen einen Unfallzusammenhang sprechenden Kriterien auseinandergesetzt
hat. So hat er in seine Überlegungen erkennbar weder den klinischen Erstbefund am Unfallfolgetag einbezogen noch diskutiert,
dass im MRT vom 06.03.2007 keine frischen Verletzungszeichen dokumentiert sind. Soweit er ausgeführt hat, dass der Unfallmechanismus
nicht gegen eine traumatische Sehnenruptur spreche, trifft dies zwar zu, jedoch kann dieser Gesichtspunkt - wie bereits dargelegt
- nicht als Indiz dafür herangezogen werden, dass der Unfall den später objektivierten Schaden auch tatsächlich verursachte.
Soweit Dr. W. das positive operative Ergebnis in den Mittelpunkt seiner Argumentation gerückt hat, räumt der Senat zwar ein,
dass sich dieses mit der erreichten vollen Beweglichkeit und Kraft als ausgesprochen günstig darstellt, da deutlich degenerativ
verändertes Sehnengewebe nicht in jedem Fall ein derart gutes Operationsergebnis erwarten lässt. Jedoch lässt sich dieses
gute Operationsergebnis - entgegen der Auffassung von Dr. W. - nicht als ausschlaggebendes Argument dafür heranziehen, dass
die Rotatorenmanschettenruptur beim Kläger unfallbedingt und nicht degenerativ bedingt aufgetreten ist. Zum einen sind die
vorbestehenden degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette durch bildgebende Verfahren sowie insbesondere auch den
Operationsbericht des Dr. J. zweifelsfrei dokumentiert, und zwar insbesondere auch eine bereits mehr als zwei Jahre vor dem
Unfall aufgetretene Teilruptur der nunmehr vollständig ruptierten Supraspinatussehne. Zum anderen hat auch Dr. W. nicht dargelegt,
dass Zeichen einer akuten Läsion vorlagen.
Nach alledem hat es das SG zu Recht abgelehnt, eine Supraspinatussehnenruptur als Folge des Arbeitsunfalls vom 26.02.2007 festzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger hinsichtlich der Teilaufhebung des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2009 und damit in
geringem Umfang erfolgreich war.
Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.