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LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.02.2013 - 2 SF 1495/12
Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer im sozialgerichtlichen Verfahren
1. Eine allgemein gültige Zeitvorgabe, wie lange ein (sozialgerichtliches) Verfahren höchstens dauern darf, um nicht als unangemessen lang zu gelten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch sonst ist die generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren unangemessen lange dauert - insbesondere als feste Jahresgrenze -, angesichts der Unterschiedlichkeit der Verfahren nicht möglich (vgl. BVerfG stattgebender Kammerbeschluss vom 20. Juli 2000 - 1 BvR 352/00 -, NJW 2001, 214).
2. Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG zu beurteilen (vgl. auch BT-Drs. 17/3802, S. 1, 15). Als Maßstab nennt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (vgl. insoweit auch EGMR, Urteil vom 24. Juni 2010, Beschwerde Nr. 21423/07, Rdnr. 32; Urteil vom 8. Juni 2006 Nr.75529/01 Rdnr. 128; Urteil vom 21. April 2011 Nr. 41599/09 Rdnr. 42; BVerfG Beschluss vom 27. September 2011 - 1 BvR 232/11 - Rdnr. 16 in [...]).
3. Wer den Umstand, dass das Gericht ein eine höchstrichterlich bereits mehrfach geklärte Rechtsfrage betreffendes Verfahren zu Gunsten anderer vordringlicher Verfahren zurück stellte, zum Anlass nimmt, wegen überlanger Verfahrensdauer einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen, missbraucht das Klagerecht auf Entschädigung (vgl. EGMR Urteil vom 19. Januar 2010, Beschwerde Nr. 22051/07, hinsichtlich eines Klageverfahrens über einen Anspruch über lediglich 7,99 €).
4. Eine besondere Bedeutung für den Kläger kann dann nicht angenommen werden, wenn diese jetzt erstmals im Verfahren auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer behauptete besondere Bedeutung (hier die angeblich beabsichtigte verfassungsrechtliche Prüfung durch das BVerfG) an keiner Stelle im Ausgangsverfahren geltend gemacht wurde und auch nicht ansatzweise ein erkennbares wirkliches Interesse an der Klärung der Rechtsfrage tatsächlich bestanden hat. Dies erst recht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits mehrfach höchstrichterlich geklärt ist.
5. Wenn eine gesetzliche Neuregelung ständige Rechtsprechung kodifiziert, werden dadurch nicht per se schwierige Rechtsfragen aufgeworfen. Die gesetzliche Regelung in § 198 GVG nimmt gerade die schon langjährige ständige Rechtsprechung des EGMR wie auch des BVerfG und des BSG zu den Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch und den Prüfkriterien zur Frage, wann ein Verfahren unangemessen lange gedauert hat, auf. D.h. mit anderen Worten, bei der Prüfung zur Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer sind gerade keine neuen schwierigen Rechtsfragen zu lösen, sondern ist vielmehr eine ständige und gefestigte Rechtsprechung anzuwenden.
1. Eine allgemein gültige Zeitvorgabe, wie lange ein (sozialgerichtliches) Verfahren höchstens dauern darf, um nicht als unangemessen lang zu gelten, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Auch sonst ist die generelle Festlegung, ab wann ein Verfahren unangemessen lange dauert - insbesondere als feste Jahresgrenze -, angesichts der Unterschiedlichkeit der Verfahren nicht möglich.
2. Ob der Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Entscheidung seines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit verletzt wurde, ist im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK sowie des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG zu beurteilen (vgl. auch BT-Drs. 17/3802, S. 1, 15). Als Maßstab nennt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
3. Wer den Umstand, dass das Gericht ein eine höchstrichterlich bereits mehrfach geklärte Rechtsfrage betreffendes Verfahren zu Gunsten anderer vordringlicher Verfahren zurück stellte, zum Anlass nimmt, wegen überlanger Verfahrensdauer einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen, missbraucht das Klagerecht auf Entschädigung.
4. Eine besondere Bedeutung für den Kläger kann dann nicht angenommen werden, wenn diese jetzt erstmals im Verfahren auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer behauptete besondere Bedeutung (hier die angeblich beabsichtigte verfassungsrechtliche Prüfung durch das BVerfG) an keiner Stelle im Ausgangsverfahren geltend gemacht wurde und auch nicht ansatzweise ein erkennbares wirkliches Interesse an der Klärung der Rechtsfrage tatsächlich bestanden hat. Dies erst recht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits mehrfach höchstrichterlich geklärt ist.
5. Wenn eine gesetzliche Neuregelung ständige Rechtsprechung kodifiziert, werden dadurch nicht per se schwierige Rechtsfragen aufgeworfen. Die gesetzliche Regelung in § 198 GVG nimmt gerade die schon langjährige ständige Rechtsprechung des EGMR wie auch des BVerfG und des BSG zu den Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch und den Prüfkriterien zur Frage, wann ein Verfahren unangemessen lange gedauert hat, auf. D.h. mit anderen Worten, bei der Prüfung zur Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer sind gerade keine neuen schwierigen Rechtsfragen zu lösen, sondern ist vielmehr eine ständige und gefestigte Rechtsprechung anzuwenden. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Normenkette:
GVG § 198ff
,
EMRK Art. 6 Abs. 1
,
GG Art. 19 Abs. 4
,
GG Art. 20 Abs. 3
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 18.500,00 € festgesetzt.

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