Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf die Anerkennung einer chronisch-atrophischen Rhinitis und einer Hyposmie als
Berufskrankheit (BK) oder als - Wie Berufskrankheit (Wie - BK) streitig.
Der am 1950 geborene Kläger arbeitet seit 1970 bei der Firma S. AG im Transformatorenwerk K. als Montierer für flüssigkeitsgekühlte
Trafos. Er war und ist dabei im Bereich Montage und Reparatur von Transformatoren eingesetzt. Ende 1996, als die Fertigung
von flüssigkeitsgekühlten Transformatoren nach Portugal verlagert wurde, wurde der Kläger im Trockentrafobau bei der Umspannungswicklung
eingesetzt. Bei der Montage und der Reparatur von flüssigkeitsgekühlten Transformatoren hatte der Kläger Kontakt mit Clophen
T 64 N; hierbei handelt es sich um ein Gemisch aus chloriertem Diphenyl und Trichlorbenzol. Mit diesem zur Kühlung der Netztransformatoren
eingesetzten Gemisch hatte der Kläger Umgang von 1970 bis Ende 1983 bzw. bis Ende 1996. Beim Umgang mit diesen Flüssigkeiten
bestand auch Hautkontakt; Absauganlagen existierten nicht. Beim Befüllen der Trafos mittels eines Vakuumofens war der Kläger
auch den durch die Erwärmung der Trafos am Montageplatz entstehenden Ausdünstungen der Kühlflüssigkeit - im Schnitt etwa 4
Stunden pro Arbeitstag - ausgesetzt. Aktenkundig hatte der Kläger von 1970 bis 1976 auch Umgang mit Transformatorenölen. Die
Sicherheitsdatenblätter der verwendeten Transformatorenöle liegen vor. Den halogenisierten Kohlenwasserstoff Methylenchlorid
verwendete der Kläger von 1970 bis 1990 zum Reinigen und Entfetten von Werkstücken von Hand und für die Dichtheitsprüfung
der Kessel. Diesbezüglich liegen die entsprechenden Sicherheitsdatenblätter vor. Mit Waschbenzin hatte der Kläger Umgang bis
1996; hierbei handelt es sich um ein Kohlenwasserstoffgemisch. Es bestand mit diesem Stoff Hautkontakt; Lösemitteldämpfe wurden
nicht abgesaugt. Seit 1996 in der Produktion der Trockentransformatoren hatte der Kläger in geringerem Umfang Umgang mit Waschbenzin;
auch hierbei bestand jedoch teilweise Hautkontakt. Von 1970 bis 1996 hatte der Kläger desweiteren durchschnittlich eine halbe
Stunde pro Arbeitsschicht Umgang mit dem Eindring-Farbstoff MLC-Penetrat FB-93 TU. Hierbei handelt es sich um einen Farbstoff
auf der Basis aliphatischer und aromatischer Kohlenwasserstoffe. Umgang mit Epoxydharzen bestand von 1996 bis Ende 2002, wobei
der "Verguss" unter Luftabsaugung erfolgte. Bei Löt- und Schweißarbeiten, die der Kläger durchschnittlich 2 Stunden pro Woche
- nach anderen Angaben von ihm 3 Stunden pro Woche - durchführte, war er den dabei entstehenden, schleimhautreizend wirkenden
Stoffen, insbesondere Salzsäure und Aldehyde sowie atemwegsreizenden Crackprodukten des Clophens, der Öle und Lösungsmittel
ausgesetzt. Nachdem ursprünglich aufgrund von Angaben der S. AG davon ausgegangen worden war, dass 1,2,4,5-Tetrachlorbenzol
zur Reinigung der zu verbindenden Anschlussteile sowie zum Reinigen von Lecks im Kessel der Trafos eingesetzt worden war,
ergaben Nachermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten (Bericht vom 19. März 2004), dass davon auszugehen ist, dass
aufgrund der Trafo- und Fertigungsvorschriften, in denen die Verwendung dieses Stoffes nicht beschrieben wurde, dieser Gefahrstoff
allenfalls vor 1971, also vor der Einführung von Methylenchlorid zum Einsatz gekommen ist bzw. gar nicht zur Anwendung gekommen
ist. Zusammengefasst war die "Expositionssituation" des Klägers dadurch gekennzeichnet, dass er in unterschiedlicher Frequenz
und Intensität von 1970 bis 1996 gegenüber diversen Halogenkohlenwasserstoff-Gemischen (Clophen, Waschbenzinen, Eindring-Farbstoff)
ausgesetzt war und darüber hinaus von 1970 bis 1990 Expositionen gegenüber Methylenchlorid und - ab 1997 - in geringerer Konzentration
gegenüber Ethanol bestanden hatten. Weiterhin war der Kläger der Einwirkung von Epoxydharzdämpfen, Lötdämpfen und Schweißrauchen
ausgesetzt; exakte Angaben über die Konzentration dieser Gefahrstoffe in der Luft am Arbeitsplatz des Klägers fehlen. Nicht
ausgesetzt bzw. allenfalls bis 1971 ausgesetzt war der Kläger dem Gefahrstoff 1,2,4,5-Tetrachlorbenzol und Trichlorethylen.
Eine Exposition gegenüber PCB ist nicht belegt, wobei der Zeitraum der PCB-Verwendung im Zusammenhang mit Transformatorenölen
vor der Beschäftigungszeit des Klägers in der Transformatorenfertigung in den sechziger Jahren liegt.
Nachdem im Mai 2000 Dr. E. vom werksärztlichen Dienst des Transformatorenwerks Kirchheim der S. AG eine Anzeige über eine
Berufskrankheit (Polyneuropathie) erstattet und die Beklagte Ermittlungen ihres Präventionsdienstes (Bericht nach einem Besuch
vom 14. Januar 2002 und Bericht vom 19. März 2004) veranlasst hatte, fügte die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis des
Klägers bei der AOK K. bei und veranlasste ein Hals-Nasen-Ohren-ärztliches Gutachten bei Prof. Dr. Dr. M. vom Universitätsklinikum
M.. In seinem Gutachten vom 6. April 2005, welches unter Mitarbeit von Dr. B. und Dr. H. erstellt wurde, führte er aus, der
Kläger leide an einer chronischen Rhinitis sowie einer Verminderung des Riechvermögens (Hyposmie). Die Dauer dieser Beschwerden
werde vom Kläger mit ca. 30 Jahren angegeben. Über diesen Zeitraum sei es dann auch zu rezidivierendem Auftreten von Rhagaden
(kleinen Hauteinrissen) im Bereich der Nasenspitze gekommen. Hinweise auf eine allergische Genese oder auf eine chronische
Sinusitis bestünden nicht. Ebenso fehlten Hinweise auf ein vorausgegangenes Trauma oder neurologische oder internistische
Erkrankungen, die eine Beeinträchtigung des Riechsinns verursachen könnten. Als Ursache für die Rhinitis und das eingeschränkte
Riechvermögen sei die berufliche Belastung mit schleimhaut-toxischen Substanzen wahrscheinlich.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete sodann Priv.-Doz. Dr. M. vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin M.
das arbeitsmedizinische Gutachten vom 1. September 2005. Er führte aus, die Diagnose einer arbeitsplatzbezogenen bronchialen
Obstruktion sei nicht gesichert. Aktuell fände sich keine Erhöhung der Atemwegswiderstände bei der Lungenfunktionsprüfung.
Die Anerkennung einer obstruktiven Atemwegserkrankung als BK könne nicht empfohlen werden. Die Belastung mit schleimhautreizenden
Substanzen sei insgesamt sehr hoch gewesen. Dafür sprächen auch die biologischen Wirkungen. Eine länger andauernde Arbeit
unter solchen Bedingungen sei grundsätzlich geeignet, eine chronische toxische Rhinitis und eine toxische Riechstörung zu
verursachen. Die Rhinitis des Klägers sei mit einer beruflichen Verursachung vereinbar. Außerberufliche Ursachen hätten nicht
festgestellt werden können. Dies erhöhe die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung. Eine langjährige und hohe Belastung
gegenüber schleimhautreizenden Substanzen sei im allgemeinen auch geeignet, eine toxische Riechstörung zu verursachen. Dies
gelte auch für Schweißrauche und Lösungsmittelgemische. Auch diesbezüglich seien bei der Begutachtung keine außerberuflichen
Ursachen gefunden worden. Ein Zusammenhang zwischen der Belastung mit schleimhautreizenden Substanzen am Arbeitsplatz und
der Rhinitis bzw. der Hyposmie sei wahrscheinlich. Es werde empfohlen, die Erkrankung entsprechend §
9 Abs.
2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) anzuerkennen.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 äußerte die Staatliche Gewerbeärztin Dr. H., eine BK nach §
9 Abs.
1 SGB VII werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen. Eine entsprechende Berufskrankheitenziffer könne dafür nicht benannt werden, denn
der Versicherte habe mit Gemischen gearbeitet, die nicht in der Berufskrankheitenliste aufgeführt seien. Es werde empfohlen,
die Erkrankung entsprechend §
9 Abs.
2 SGB VII anzuerkennen.
Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) mit Schreiben vom 15. Februar 2006 mit, neue, gesicherte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne des §
9 Abs.
2 SGB VII, dass eine bestimmte Personengruppe aufgrund der besonderen Einwirkungen bei der beruflichen Tätigkeit in erheblich höherem
Grade als die übrige Bevölkerung an Störungen des Geruchssinnes oder einer Rhinitis erkranke, seien hier nicht bekannt. Die
Rhinitiden aufgrund des Kontaktes zu chemisch-irritativ oder toxisch wirkenden Substanzen seien bislang nicht Gegenstand der
Berufskrankheitenliste; es lägen auch keine neuen Erkenntnisse vor, die eine Anerkennung nach §
9 Abs.
2 SGB VII ermöglichten. Insbesondere fehle es an epidemiologischen Erkenntnissen, die die sog. "Gruppentypik" im Sinne dieser Vorschrift
belegten. Im Hinblick auf Geruchsstörungen fänden sich in der arbeitsmedizinischen Fachliteratur Hinweise darauf, dass bestimmte
Berufsnoxen derartige Erkrankungen verursachen könnten. In diesen Publikationen würden vorwiegend Kasuistiken vorgestellt,
die in der Regel nicht den Nachweis erbringen könnten, dass eine bestimmte Personengruppe aufgrund der besonderen Einwirkungen
der beruflichen Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung einem Erkrankungsrisiko ausgesetzt sei.
Mit Bescheid vom 7. März 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Riechstörung als BK nach §
9 Abs.
1 und als Wie - BK nach §
9 Abs.
2 SGB VII ab. Der Kläger leide an einem herabgesetzten Geruchsvermögen, wobei es sich hierbei um keine Erkrankung der Berufskrankheitenliste
handele. Es lägen keine neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vor, dass eine bestimmte Personengruppe durch ihre
beruflich Tätigkeit in erheblich höherem Maß als die übrige Bevölkerung an Geruchsstörungen erkranke. Den hiergegen am 15.
März 2007 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2007 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 2. Januar 2008 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und sich zur Begründung auf das Sachverständigengutachten von Priv.-Doz. Dr. M.gestützt. Die Beklagte ist
der Klage entgegengetreten. Die Voraussetzung einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen beziehe sich auf das allgemeine
Auftreten der Krankheit, nicht dagegen auf die Verursachung der Krankheit durch die gefährdende Tätigkeit. Ob eine Krankheit
in einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftrete als bei der übrigen Bevölkerung
erfordere den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung
derartiger Krankheitsbilder, um mit Sicherheit daraus schließen zu können, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden
Arbeitsleben liege. Von einer "Gruppentypik" als Monteur im Transformatorenbau könne bislang nicht ausgegangen werden.
In dem Klageverfahren beim SG Aktenzeichen: S 1 U 7792/06 hat das SG von Amts wegen das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. K. eingeholt, das zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht wird.
Er hat ausgeführt, dass die Rhinitis und Hyposmie berufsbedingt seien und hat die Anerkennung dieser Erkrankung als Wie -
BK empfohlen.
Auf Antrag des Klägers gem. §
109 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) hat das SG sodann das Sachverständigengutachten von Priv.-Doz. Dr. M. vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin M. eingeholt.
In seinem nach Aktenlage am 23. September 2008 erstatteten Gutachten hat er ausgeführt, die Diagnosen einer Hyposmie und einer
chronischen Rhinitis seien gesichert. Beide Krankheitsbilder seien typische Folgen einer hohen Belastung gegenüber schleimhautreizenden
Substanzen beim Menschen, insbesondere auch nach einer beruflichen Belastung. Es läge eine Vielzahl von Publikationen vor,
bei denen es insgesamt auch eine hinreichende Anzahl epidemiologischer Studien zu beruflich exponierten Personen gäbe und
nicht nur Kasuistiken. Der zeitliche Zusammenhang zwischen Exposition und Erkrankung sei beim Kläger gegeben. Außerberufliche
Krankheitsursachen seien nicht gefunden worden. Diese Tatsache erhöhe die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung.
Listenstoffe aus der Gruppe der BKen 1300 seien nicht entscheidend für die Krankheitsentstehung. Vielmehr habe eine Mischexposition
vorgelegen, insbesondere mit Salzsäuredämpfen. Die Gruppe von Monteuren, die unter den Bedingungen wie der Kläger gearbeitet
hätte, sei im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung unzweifelhaft in einem erheblich höheren Ausmaß schleimhautreizenden Substanzen
ausgesetzt gewesen. Epidemiologische Untersuchungen, die die Effekte einer Exposition vergleichbar der des Klägers auf die
oberen Atemwege beschreibe, seien nicht bekannt. Generell sei aber davon auszugehen, dass die meisten, wenn nicht sogar fast
alle schleimhautreizenden Substanzen bei einem Menschen Riechstörungen und Rhinitiden verursachten, wenn die Einwirkung ausreichend
hoch sei. Der Kläger sei folgenden schleimhautreizenden Stoffen ausgesetzt gewesen: Brandrauchen, die beim Löten entstünden;
Clophen, ein polychloriertes Biphenyl, aus dem beim Erhitzen Salzsäuredämpfe freigesetzt würden, wobei der Kläger über sehr
starke Reizungen von Nase, Augen, Rachen und Haut sowie Atemnot nach dem Einatmen der entstandenen Rauche und Dämpfe berichtet
habe, was den Schluss zulasse, dass die Salzsäurekonzentrationen regelmäßig sehr hoch gewesen sein müssen; Schweißrauchen,
zu denen generell zu konstatieren sei, dass sie in hohen Konzentrationen schleimhautreizend wirkten und schließlich verschiedenen
organischen Lösungsmitteln bzw. Lösungsmittelgemischen, welche - in Abhängigkeit von den Eigenschaften der jeweiligen Substanzen
- mehr oder minder stark schleimhautreizend wirkten. Bei synoptischer Betrachtung handele es sich um eine Mischexposition,
wobei die Einwirkung von Salzsäuredämpfen im Vordergrund stünde. Für diese Substanz sei nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft
gesichert, dass sie beim Menschen nach beruflicher Exposition Riechstörungen und Rhinitiden verursache. Aus medizinsicher
Sicht seien diese wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht neu, sondern seit vielen Jahren gesichert. Nach den plausiblen anamnestischen
Angaben habe die Riechstörung in den 70er Jahren begonnen und sich seit etwa 1985 etwas gebessert. Die Rhinitis dürfte zeitlich
parallel zur Riechstörung verlaufen sein. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätze er für den gesamten Zeitraum ab
Beginn der Erkrankung auf 10 v. H.
Die Beklagte hat noch eine Auskunft der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Abteilung Versicherung und Leistungen,
vom 12. Januar 2009 vorgelegt, wonach keine neuen, gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlägen, dass
bei der beruflichen Tätigkeit, insbesondere der Monteure und der Schweißer, in erheblich höherem Grad als in der übrigen Bevölkerung
die Erkrankungen Rhinitis und Hyposmie aufträten. Gleichwohl werde in der medizinischen Fachliteratur die Verursachung von
Riechstörungen durch Arbeitsstoffe bejaht. Der ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium
für Arbeit und Soziales habe sich mit dieser Thematik noch nicht beschäftigt. Insofern seien die Voraussetzungen für die Anerkennung
einer Wie - BK nach §
9 Abs.
2 SGB VII nicht gegeben.
Mit Urteil vom 26. August 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für die Anerkennung der chronischen Rhinitis und
der Verminderung des Riechvermögens als BK nach §
9 Abs.
1 SGB VII gäbe es keine Rechtsgrundlage. Auch die Anerkennung als Wie - BK komme nicht in Betracht. Neue, gesicherte medizinisch-wissenschaftliche
Erkenntnisse dazu, dass bei der beruflichen Tätigkeit insbesondere von Monteuren und Schweißern in erheblich höherem Grad
als in der übrigen Bevölkerung Erkrankungen in Form von Rhinitis und Hyposmie aufträten, lägen nicht vor. Dabei setzten wissenschaftliche
Erkenntnisse voraus, dass sich eine überwiegende Meinung unter den auf diesem Fachgebiet tätigen Wissenschaftlern gebildet
habe; wenn einzelne Wissenschaftler eine bestimmte Auffassung verträten, reiche dies nicht aus. Eine individuelle Härtefallregelung
oder eine Regelung, die Krankheiten, deren ursächlicher Zusammenhang mit der Berufstätigkeit im Einzelfall nachgewiesen oder
zumindest wahrscheinlich sei, wie eine BK zu entschädigen, sei nicht Zweck des §
9 Abs.
2 SGB VII.
Gegen das den Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 2. September 2009 zugestellte Urteil hat er am 8. September
2009 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Berufung ist nicht begründet worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. August 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2007 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2007 aufzuheben und die Rhinitis und die Hyposmie jeweils als eine Berufskrankheit
bzw. als eine Wie - Berufskrankheit festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat in dem den Kläger betreffenden Berufungsverfahren Aktenzeichen: L 2 U 176/09 von Amts wegen das arbeitsmedizinische Gutachten von Prof. Dr. Dr. Ke. vom 11. April 2010 eingeholt, dass auch zum Gegenstand
dieses Berufungsverfahrens gemacht wird. Er hat ausgeführt, es sei von einer chronischen Rhinitis und einer Hyposmie als berufskrankheitenrelevante
Gesundheitsstörungen auszugehen. In Bezug auf diese Gesundheitsstörungen könne jedoch weder eine besondere Einwirkung noch
eine besondere Gruppentypik identifiziert werden. Der Nachweis eines berufsgruppenspezifisch erhöhten Erkrankungsrisikos sei
nicht geführt. Im Weiteren gibt der Sachverständige den Inhalt des Schreibens des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften
vom 15. Februar 2006 wieder.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte
der Beklagten (2 Bände), die Akte des SG (S 1 U 137/08), die beigezogene Akte des SG (S 1 U 7792/06), die Berufungsakte des Senats (L 2 U 4115/09) und die beigezogene Akte des Senats (L 2 U 176/09) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §
124 Abs.
2 SGG).
Die gem. §§
143,
144 Abs.
1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§
151 Abs.
1 SGG) eingelegt worden.
Die Berufung ist zum Teil auch begründet. Die Hyposmie (vermindertes Riechvermögen) beim Kläger ist nach § 551 Abs. 2
Reichsversicherungsordnung (
RVO) wie eine BK anzuerkennen. Dagegen kann die Hyposmie nicht als eine Erkrankung nach der BK-Liste festgestellt werden. Der
Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung der chronischen Rhinitis als eine Erkrankung nach der BK-Liste bzw. wie eine
BK.
Bezüglich der Anerkennung der chronischen Rhinitis als eine BK nach der
Berufskrankheitenverordnung (
BKV) bzw. als Wie - BK ist die Berufung deshalb unbegründet, weil die Klage dazu schon unzulässig gewesen ist. Die hierauf gerichtete
Feststellungsklage ist unzulässig gewesen, da es insoweit an einer Verwaltungsentscheidung der Beklagten fehlt. Zwar war im
Verwaltungsverfahren vor Erlass des Bescheids vom 7. März 2007 sowohl die Gesundheitsstörung Hyposmie als auch die Gesundheitsstörung
chronische Rhinitis Gegenstand des Verfahrens. Dennoch hat die Beklagte im Bescheid vom 7. März 2007 ausdrücklich nur über
die Anerkennung der Hyposmie entschieden; auch im Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2007 ist Gegenstand der Entscheidung
ausschließlich die Hyposmie; die chronische Rhinitis findet im Widerspruchsbescheid keinerlei Erwähnung. Solange jedoch die
Beklagte nicht über den erhobenen Feststellungsanspruch zur chronischen Rhinitis entschieden hat, kann der Versicherte, außer
bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde, wofür nichts spricht, kein berechtigtes Interesse an einer gerichtlichen Feststellung
haben (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 19/09 R -).
Die Berufung ist auch insoweit unbegründet, als der Kläger die Anerkennung der Hyposmie als eine BK nach einer Listen-Nr.
der
BKV begehrt.
Das klägerische Begehren richtet sich auch nach der Eingliederung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch
zum 1. Januar 1997 noch nach den Vorschriften der
RVO. Das ergibt sich aus der Übergangsregelung §
212 SGB VII, wonach auf Versicherungsfälle, die vor dem 1. Januar 1997 eingetreten sind, das alte Recht anzuwenden ist, da die Riechstörung
schon seit Anfang der 70'er Jahre besteht.
Nach § 551 Abs. 1
RVO gilt als Arbeitsunfall ferner eine BK. BK'en sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit
Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545
RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen,
die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen
durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die
Krankheiten nur dann BK'en sind, wenn sie durch die Arbeit in bestimmten Unternehmen verursacht worden sind.
Das SG und die Beklagte haben zu Recht entschieden, dass die Beeinträchtigung des Geruchssinns des Klägers nicht als eine Erkrankung
der BK-Liste festgestellt werden kann, auch wenn der Kläger der Auffassung ist, dass diesbezüglich eine Listen-BK aus der
Gruppe 1300 in Betracht zu ziehen ist. Nach dem Sachverständigengutachten von Priv.-Doz. Dr. M.- was insoweit bestätigt wird
durch das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Dr. Mann - ist davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als
Monteur im Bereich Montage und Reparatur von Transformatoren bei der S. AG in K. einer Mischexposition der Stoffe Brandrauche,
Clophen mit der Freisetzung von Salzsäuredämpfen, Schweißrauchen und Lösungsmitteln ausgesetzt gewesen war. Eine Feststellung
einer Listenerkrankung insbesondere im Bereich der Gruppe 1300 der Anlage 1 zur BKVO scheitert daran, dass keiner dieser einwirkenden Stoffe als wesentliche Ursache für die Beeinträchtigung des Geruchssinns
auf wissenschaftlich gesicherter Basis isoliert werden kann. Kann demnach einer der einwirkenden Stoffe für sich gesehen nicht
als wesentliche Ursache für die Einschränkung des Geruchssinns mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, kann auch die Anerkennung
einer Listenerkrankung nicht in Betracht gezogen werden. Über die Hyposmie gibt es keine eigene Berufskrankheiten-Ziffer;
eine Rechtsgrundlage hierfür ist somit nicht gegeben.
Die Berufung ist jedoch insoweit begründet, als der Kläger die Anerkennung der Hyposmie als Wie - BK gem. § 551 Abs. 2
RVO begehrt. Nach § 551 Abs. 2
RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung verzeichnet
ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die
übrigen Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind. Es muss auch im Zusammenhang mit einer Feststellung einer BK nach § 551 Abs. 2
RVO feststehen, dass bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung solchen
Einwirkungen ausgesetzt sind, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sind, Krankheiten dieser
Art zu verursachen. Voraussetzungen sind demnach:
1. Es muss eine bestimmte Personengruppe bei ihrer Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung bestimmten
Einwirkungen ausgesetzt sein.
2. Diese Einwirkungen müssen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet sein, Krankheiten solcher Art
zu verursachen.
3. Diese medizinischen Erkenntnisse müssen bei der letzten Ergänzung der Anlage 1 zur BKVO noch nicht in ausreichendem Maße vorgelegen haben oder ungeprüft geblieben sein.
4. Der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der gefährdenden Arbeit muss im konkreten Fall hinreichend wahrscheinlich
sein (vgl. BSG in SozR 2200 § 551
RVO Nr. 18).
Nach der Rechtsprechung des BSG bezieht sich die Voraussetzung einer höheren Gefährdung bestimmter Personengruppen auf das
allgemeine Auftreten der Krankheit, nicht dagegen auf die Verursachung der Krankheit durch die gefährdende Tätigkeit. Ob eine
Krankheit in einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftrete als bei der übrigen Bevölkerung,
erfordere den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung
derartiger Krankheitsbilder, um mit Sicherheit daraus schließen zu können, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden
Arbeitsleben liegt (vgl. BSGE 59 Seite 259/298 m.w.N.). Ist im Ausnahmefall die gruppenspezifische Risikoerhöhung nicht mit
der im allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung derartiger Krankheitsbilder zum Nachweis einer größeren
Anzahl gleichartiger Gesundheitsstörungen zu belegen, da etwa aufgrund der Seltenheit der Erkrankung medizinisch-wissenschaftliche
Erkenntnisse durch statistisch abgesicherte Zahlen nicht erbracht werden können, kann zur Feststellung der generellen Geeignetheit
der Einwirkung spezieller Noxen zur Verursachung der betreffenden Krankheit auch auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus
anderen Staaten sowie auf frühere Anerkennungen entsprechender Krankheiten wie BKen nach § 551 Abs. 2
RVO und damit zusammenhängende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zugegriffen werden (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2002
- B 2 U 20/01 R -). Die gruppenspezifische Risikoerhöhung muss sich in dem Fall letztlich aus Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft
ergeben. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle
Eignung besitzen, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Solche Erkenntnisse liegen in der Regel dann vor, wenn die Mehrheit
der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse
verfügen, zu der selben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es muss sich um gesicherte Erkenntnisse handeln;
nicht erforderlich ist, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner sind. Andererseits reichen vereinzelte
Meinungen einiger Sachverständiger grundsätzlich nicht aus (BSG aaO.).
Die Feststellung einer Wie - BK setzt voraus, dass eine bestimmte Personengruppe durch die Art der versicherten Tätigkeit
in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist. Die Personengruppe darf nicht
vorab nach gesetzesfremden Merkmalen bestimmt werden, sondern ergibt sich durch die nachgenannten Prüfungen. Zuerst ist die
Art der Einwirkungen zu ermitteln, die im Blick auf die vom Versicherten geltend gemachte Krankheit abstrakt-generell als
Ursachen in Betracht kommen können. Dann ist zu klären, ob diese abstrakt-generell einer bestimmten Art einer vom Versicherten
verrichteten versicherten Tätigkeit zuzurechnen sind. Aus dieser Verbindung von krankheitsbezogenen Einwirkungen und versicherter
Tätigkeit ergibt sich die abstrakt-generelle Personengruppe, die sich von der Allgemeinbevölkerung unterscheidet, (vgl. BSG,
Urteil vom 20. Juli 2010 - B 2 U 19/09 R -). An die bestimmte Personengruppe sind keine besonderen Anforderungen hinsichtlich ihrer Größe oder sonstiger charakterisierender
Merkmale zu stellen (z. B. nicht gemeinsamer Beruf; vgl. BSG aaO.).
Die im Falle des Klägers maßgebliche "bestimmte Personengruppe" sind die im Bereich Montage und Reparatur von Transformatoren
Versicherten. Der Kläger war durch seine Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung gegenüber Brandrauchen,
die beim Löten entstanden sind und gegenüber Clophen exponiert, welches beim Löten von Kupferleitungen verbrennt, wobei beim
Erhitzen von Clophen Salzsäuredämpfe freigesetzt werden. Weiterhin war er bei seiner Tätigkeit gegenüber Schweißrauchen exponiert
und schließlich auch verschiedenen organischen Lösungsmitteln bzw. Lösungsmittelgemischen ausgesetzt. Er ist also einer ganzen
Reihe die Nasenschleimhaut reizenden Substanzen bei seiner Tätigkeit in der Montage/Reparatur von Transformatoren gegenüber
exponiert gewesen.
Die Einwirkungen, denen die Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit ausgesetzt ist, müssen abstrakt-generell nach dem
Stand der Wissenschaft die wesentliche Ursache einer Erkrankung der geltend gemachten Art sein. Denn für die Beurteilung des
generellen Ursachenzusammenhangs gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSGE 96, 196 = SozR 4 - 2700 § 8 Nr. 17). Vor der rechtlichen Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursachenart selbst muss auch hier die
naturwissenschaftlich/naturphilosophische Kausalitätsprüfung erfolgen. Dabei ist zu klären, ob nach wissenschaftlichen Methoden
und Überlegungen belegt ist, dass bestimmt Einwirkungen generell bestimmte Krankheiten der vom Versicherten geltend gemachten
Art verursachen. Das ist anzunehmen, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf dem jeweils in Betracht
kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangen.
Zwar gibt es bezüglich einer sich aus mehreren schleimhautreizenden Stoffen zusammengesetzten Mischexposition, der der Kläger
über lange Jahre hinweg ausgesetzt war, keine epidemiologischen Untersuchungen mit Kohorten- oder Fall-Kontroll-Studien. Zur
Überzeugung des Senats steht jedoch fest, dass jeder der einzelnen, die Schleimhaut reizenden Stoffe, denen der Kläger über
lange Jahre seiner beruflichen Betätigung ausgesetzt war, generell geeignet ist, Riechstörungen zu verursachen; hierzu existieren
auch entsprechende wissenschaftliche Studien, die der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M.in seinem Gutachten vom 23. September
2008 angeführt hat. Diese Auffassung des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. M., der sich der Senat anschließt, wird auch gestützt
durch die inhaltlich gleichlautenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. Mann in seinem Gutachten vom 6. April
2005 und den gleichlautenden Ausführungen von Prof. Dr. Kochem in seinem Gutachten vom 17. September 2008. Auch wenn die Wirkungsmechanismen
der einzelnen die Schleimhaut reizenden Substanzen zumindest teilweise auch unterschiedlich sein mögen, verursachen sie jedoch
gleiche oder zumindest ähnliche Effekte an den oberen Atemwegen, sodass auch eine additive Wirkung der einzelnen toxischen
Stoffe, denen der Kläger ausgesetzt war, plausibel ist, wobei jedoch die Einwirkung der Salzsäuredämpfe im Vordergrund steht.
Für diese Substanz ist nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft gesichert, dass sie beim Menschen Riechstörungen verursacht.
Der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. hat - mit entsprechenden Studien belegt - überzeugend die schleimhautreizende Wirkung
von Brandrauchen, die beim Löten entstehen, beschrieben, die generell geeignet sind, Riechstörungen hervorzurufen. Entsprechend
belegt hat er auch die schleimhautreizende Wirkung des Verbrennens von Clophen, das beim Löten von Kupferleitungen gegeben
ist, insbesondere im Hinblick auf die Freisetzung von Salzsäuredämpfen; diese sind generell geeignet, Riechstörungen hervorzurufen.
Weiterhin hat der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. überzeugend und mit entsprechenden wissenschaftlichen Zitaten belegt die
generelle Geeignetheit von Schweißrauchen für die Hervorrufung von Riechstörungen dargelegt. Dabei ist auch zu beachten, dass
im Hinblick auf die dafür zugrundezulegenden hohen Konzentrationen an Schweißrauchen im Bericht des Technischen Aufsichtsdienstes
der Beklagten vom 10. Januar 2002 Grenzüberschreitungen der Messwerte für Gesamtschweißrauche und auch für Chromate festgehalten
sind. Chromate wiederum - auch hierfür hat der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. wissenschaftliche Zitate als Beleg angeführt
- sind in sehr hohen Konzentrationen generell geeignet, Störungen des Riechvermögens bis hin zu vollständigem Verlust des
Riechvermögens (Anosmie) zu verursachen. Auch wenn die Belastung des Klägers gegenüber Chromaten sicherlich deutlich geringer
gewesen ist als beispielsweise bei einem Galvaniseur ist auch dieser Stoff im Rahmen der Mischexposition und der schon angeführten
"additiven" Wirkung ein weiterer Umstand, der die generelle Geeignetheit der toxischen Stoffe zur Herbeiführung einer Riechstörung
erhärtet. Schließlich hat der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. noch die generelle Geeignetheit der organischen Lösungsmitteln
bzw. Lösungsmittelgemischen, denen der Kläger ausgesetzt war, zur Herbeiführung einer Riechstörung durch ihre schleimhautreizende
Wirkung nachvollziehbar und wiederum entsprechend mit wissenschaftlichen Zitaten belegt beschrieben.
Der Senat ist der Auffassung, dass hier ein sog. "Seltenheits-Fall" vorliegt, bei dem zur Feststellung der generellen Geeignetheit
der Einwirkung spezieller Noxen zur Verursachung der betreffenden Krankheit auch auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus
anderen Staaten sowie auf frühere Anerkennungen entsprechender Krankheiten als Wie - BK'en nach § 551 Abs. 2
RVO bzw. §
9 Abs.
2 SGB VII und damit zusammenhängende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen werden kann. Aufgrund der vom Sachverständigen
Priv.-Doz. Dr. M. angeführten Studien, deren Aussagen auch durch die im Verfahren gehörten Sachverständigen Prof. Dr. Dr.
M. und Prof. Dr. K. gestützt werden, ist der Senat davon überzeugt, dass die toxischen Stoffe, denen der Kläger bei seinen
Arbeitsbedingungen in teilweise hohen Konzentrationen über lange Jahre ausgesetzt war, generell geeignet sind, eine Riechstörung
zu verursachen.
Die Erkenntnisse, auf denen diese Einschätzung beruht, sind auch "neu" im Sinn des § 551 Abs. 2
RVO. Grundsätzlich sind medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse nur dann "neu" im Sinne dieser Vorschrift bzw. im Sinne von
§
9 Abs.
2 SGB VII, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über den geltenden gemachten Anspruch feststeht, dass sie bei der letzten Änderung der
BKV noch nicht berücksichtigt wurden. Dies ist stets der Fall, wenn die Erkenntnisse erst nach Erlass der letzten
BKV bzw. etwaiger Änderungsverordnungen bekannt geworden sind. Nicht berücksichtigt vom Verordnungsgeber und somit "neu" sind
aber auch diejenigen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, die trotz Vorhandensein bei Erlass der letzten
BKV oder einer Änderungsverordnung vom Verordnungsgeber entweder nicht zur Kenntnis oder nicht erkennbar geprüft worden sind.
Als neu im diesem Sinne gelten daher solche medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mehr, die nach erkennbarer Prüfung
vom Verordnungsgeber als noch unzureichend bewertet wurden und deswegen eine Aufnahme der betreffenden Krankheit in die BK-Liste
scheitert (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 20/01 R -).
Die Studien, auf die der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M. in seinem Gutachten hingewiesen hat, sind zwar vor der letzten
Änderung der
BKV im Jahre 2009 veröffentlicht worden. Dennoch sind sie als "neu" im Sinne des § 551 Abs. 2
RVO bzw. §
9 Abs.
2 SGB VII zu bewerten. Der Senat stützt sich dabei auf die Aussage des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften vom 15.
Februar 2006 bzw. auf die Aussage der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung - Abteilung Versicherung und Leistung - vom
12. Januar 2009, wonach der ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerim für Arbeit und Soziales
die Fragestellung einer Riechstörung infolge von toxischen Stoffexpositionen bisher nicht erkennbar geprüft habe.
Im konkreten Fall des Klägers ist es auch hinreichend wahrscheinlich, dass seine Hyposmie durch die beruflich bedingte Einwirkung
der toxischen Stoffe (Brandrauche, Clophen/Salzsäuredämpfe, Schweißrauche, Lösungsmittel) verursacht worden ist. Der Kläger
war den toxischen, schleimhautreizenden Stoffen von 1970 bis 1996 und zum Teil darüber hinaus während seiner versicherten
Tätigkeit bei der S. AG K. in zum Teil hohen Konzentrationen ausgesetzt. Diesbezüglich stützt sich der Senat auf die Ermittlungen
des Präventionsdienstes der Beklagten (Bericht vom 14. Januar 2002) und des Technisches Aufsichtsdienstes der Beklagten (Bericht
vom 19. März 2004) und die Arbeitsanamnesen in den Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Dr. Ke., Prof. Dr. Dr. M. und insbesondere
Priv.-Doz. Dr. M. in seinem Gutachten vom 1. September 2005. Von diesen Arbeitsplatzverhältnissen bzw. diesen Ausmaßen der
Schadstoffexpositionen geht der Senat auch deshalb aus, weil sie während des gesamten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren von
keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden sind. Dabei ist im Hinblick auf den Umfang der Schadstoffexposition hervorzuheben,
dass der Kläger zwischen 1970 und 1996 bei der Montage/Reparatur der "Flüssigtransformatoren" durchschnittlich wöchentlich
3 Stunden mit "Widerstandsschweißen oder Hartlöten" beschäftigt gewesen ist. Bei dieser Tätigkeit ist der Kläger zur Überzeugung
des Senats hohen Konzentrationen von Salzsäuredämpfen ausgesetzt gewesen. Insofern schließt sich der Senat den überzeugenden
Ausführungen des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. M. in seinem Sachverständigengutachten vom 23. September 2008 an, der diese
Annahme überzeugend damit begründet hat, dass der Kläger im Zusammenhang mit diesen Arbeiten über sehr starke Reizungen von
Nase, Augen, Rachen und Haut sowie Atemnot nach dem Einatmen der entstandenen Rauche und Dämpfe berichtet hat. Gerade aber
den Salzsäuredämpfen kommt - so der Sachverständige Priv.-Doz. Dr. M.- im Rahmen der "Mischexposition" für die Verursachung
der Geruchsstörung eine herausragende Bedeutung zu. Von der hinreichend wahrscheinlichen Verursachung der Geruchsstörung des
Klägers durch die beruflich bedingte Einwirkung der bei der versicherten Tätigkeit des Klägers gegebenen toxischen Stoffen
ist der Senat im Übrigen auch deshalb überzeugt, weil übereinstimmend die Sachverständigen Prof. Dr. Dr. M., Priv.-Doz. Dr.
M., Prof. Dr. K. und Prof. Dr. Dr. Ke. diesbezüglich keine außerberuflichen Krankheitsursachen eruieren konnten und ein zeitlicher
Zusammenhang zwischen der berufsbedingten Schadstoffexposition und der vorliegenden Hyposmie feststeht. Beide Umstände sind
geeignet, die Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Verursachung der Hyposmie zu erhöhen.
Mithin ist die Hyposmie des Klägers als Wie - BK anzuerkennen. Die MdE ist - hierbei schließt sich der Senat den Ausführungen
des Sachverständigen Priv.-Doz. Dr. M.in seinen Gutachten vom 1. September 2005 und 23. September 2008 an - auf allenfalls
10 v. H. zu schätzen. Priv.-Doz. Dr. M.ist bei dieser Bewertung von den beiden Gesundheitsstörungen Hyposmie und chronische
Rhinitis ausgegangen, wobei jedoch letztere nicht Gegenstand der Anerkennung als Wie - BK ist. Eine Verletztenrente kommt
somit nicht in Betracht, wurde vom Kläger aber auch nicht beantragt.
Die Berufung hat somit teilweise Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 SGG liegen nicht vor.