Feststellung der unfallversicherungsrechtlichen Zuständigkeit für einen Integrationsbetrieb für Garten- und Landschaftsbau
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Überweisung an die Beigeladene.
Die Klägerin ist eine im Jahre 2001 als Integrationsprojekt gemäß §
132 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) gegründete gemeinnützige GmbH. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die Schwarzwaldwerkstatt D. - Gemeinnützige Werkstätten
und Wohnheime für behinderte Menschen GmbH. Die Klägerin ist vom Finanzamt F. mit Bescheid vom 22.02.2002 von der Gewerbesteuer
aufgrund von Gemeinnützigkeit befreit worden.
Im Gesellschaftsvertrag der Klägerin ist unter § 2 Nr. 1 geregelt, dass Aufgabe und Zweck der Gesellschaft die Einrichtung,
Unterhaltung und der Betrieb von Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte ist, deren Eingliederung in eine sonstige Beschäftigung
auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund von Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht möglich ist. In § 2 Nr. 2 des Vertrages
ist festgelegt, dass der Schwerpunkt der Arbeitsplätze im Fachbereich Landschaftsbau/ -pflege angeboten wird. Aus §
4 ergibt sich, dass die Gesellschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne der
Abgabenordnung verfolgt. Die Gesellschaft ist selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
Im Juli 2002 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten zur gesetzlichen Unfallversicherung an. Dabei gab sie an, bei ihrem
Unternehmen handele es sich um einen Integrationsbetrieb für Garten- und Landschaftsbau.
Mit Bescheid vom 09.08.2002 stellte die Beklagte ihre unfallversicherungsrechtliche Zuständigkeit für die Klägerin fest und
veranlagte das Unternehmen in die Gefahrtarifstelle 17 als Werkstätten für Gefährdetenhilfe und die Gefahrklasse 8,00. Aktuell
ist die Klägerin bei der Beklagten unter der Gefahrklasse 9,68 (Beschäftigungs-/Qualifizierungsprojekte, Integrationsunternehmen)
veranlagt.
Im Juli 2005 stellte die Klägerin bei der Beklagten erstmals einen Antrag auf Überweisung an die Beigeladene zum 01.01.2006.
Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 02.08.2005 mit, dass eine unrichtige Feststellung der Zuständigkeit
nicht erkennbar sei und eine Überweisung an einen anderen Träger nicht in Betracht komme. Die Beklagte selbst sei regelmäßig
der zuständige Unfallversicherungsträger für gemeinnützige Gesellschaften im Rahmen der Wohlfahrtspflege. Das Schreiben enthielt
keine Rechtsbehelfsbelehrung.
Mit Schreiben vom 15.01.2013 beantragte die Klägerin erneut ihre Überweisung an einen anderen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der Schwerpunkt ihrer Arbeitsplätze liege im Fachbereich Garten- und Landschaftsbau. Auch würden dort die meisten Umsätze
erzielt. Irrelevant sei hierbei, dass es sich um ein gemeinnütziges Unternehmen handele. Maßgeblich für die Veranlagung sei
vielmehr das tatsächliche Unternehmensprofil und hierbei der konkrete Marktauftritt. Erneut teilte die Beklagte der Klägerin
mit Schreiben vom 26.03.2013, wiederum ohne Rechtsbehelfsbelehrung, mit, dass die Zuständigkeit der Beklagten bestehen bleibe.
Die Klägerin legte hiergegen am 05.04.2013 Widerspruch ein.
Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin auf, mitzuteilen, ob seit der Aufnahme Änderungen in den Unternehmensverhältnissen,
insbesondere des Gesellschaftszwecks, eingetreten seien. Erst danach werde sie über den Antrag der Klägerin entscheiden. Laut
den ihr vorliegenden Unterlagen betreibe die Klägerin ein Unternehmen der Wohlfahrtspflege. Denn ein Integrationsunternehmen
zeichne sich durch die Besonderheit aus, dass wirtschaftliche Ziele verfolgt werden und gleichzeitig dauerhaft auf einem großen
Anteil (25 bis 50 %) seiner Arbeitsplätze Menschen mit Behinderungen beschäftigt seien. Integrationsunternehmen zählten zu
den Instrumenten des
SGB IX zur dauerhaften beruflichen Integration behinderter Menschen.
Mit Antwortschreiben vom 09.08.2013 teilte die Klägerin mit, dass sich in ihren maßgeblichen Verhältnissen nichts geändert
habe. Sie wies jedoch darauf hin, dass ihre Konkurrenzunternehmen aus ihrem Gewerbezweig durch die Beigeladene in einer wesentlich
niedrigeren Gefahrklasse veranlagt würden. Somit liege eine verdeckte Benachteiligung von behinderten Menschen im Vergleich
zu nicht behinderten Menschen vor, die sachlich nicht gerechtfertigt sei. Es seien keine Anzeichen ersichtlich, dass ein Integrationsunternehmen
eine höhere Unfallgefahr aufweise als ein vergleichbarer Betrieb mit deutlich weniger oder ohne schwerbehinderte Mitarbeiter.
Mit Bescheid vom 26.08.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Überweisung an die Beigeladene ab. Unternehmenszweck sei nicht
der Betrieb eines Unternehmens im Bereich Garten- und Landschaftsbau, sondern der Betrieb eines Unternehmens zur Beschäftigung
schwerbehinderter Menschen.
Die Klägerin erhob hiergegen am 10.09.2013 Widerspruch. Bei der Beschäftigung und Integration schwerbehinderter Menschen handele
es sich um einen Sekundärzweck, der für die steuerrechtliche Einordnung als ein steuerbegünstigter Zweckbetrieb bedeutsam
sei. Für die am tatsächlichen Unfallrisiko orientierte Zuständigkeit spiele dies jedoch keine Rolle. Es komme allein darauf
an, was am Arbeitsplatz tatsächlich geschehe und welche Tätigkeiten im Unternehmen ausgeführt würden. Die Art und das Ausmaß
des in einem Betrieb herrschenden Unfallrisikos hänge nämlich maßgeblich vom Sachgegenstand des Unternehmens ab. Dagegen sei
der im Handelsregister und der Satzung des Unternehmens verlautbarte gemeinnützige Zweck unfallversicherungsrechtlich bedeutungslos.
Darüber hinaus stelle die falsche Einreihung der behinderten Mitarbeiter in den Gefahrtarif und die sachfremde Sammeltarifstelle
17 eine mittelbare Benachteiligung behinderter Menschen dar. Die Veranlagung verstoße damit gegen nationales und europäisches
Recht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Feststellung der Zuständigkeit
sei von Anfang an rechtmäßig erfolgt, denn die Klägerin sei ein Unternehmen der Wohlfahrtspflege, für das die Beklagte gemäß
§§
121,
122 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VII) i. V. m. §
3 Abs.
1 Nr.
1 ihrer Satzung zuständig sei, soweit sich nicht die Zuständigkeit eines Unfallversicherungsträgers der öffentlichen Hand ergebe.
Zu den Unternehmen der Wohlfahrtspflege gehörten auch Einrichtungen und Dienste zur Hilfe für Menschen mit Behinderung oder
psychischer Erkrankung sowie Hilfe für Personen in besonderen sozialen Situationen. Etwas anderes ergebe sich nicht für Unternehmen,
welche nach Art und Gegenstand Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen schafften, demnach die Teilhabe schwerbehinderter
Menschen am Arbeitsleben ermöglichten. Genau dies leisteten Integrationsunternehmen. Nicht alle Integrationsunternehmen seien
selbst Mitglied in einem Spitzenverband der Wohlfahrtspflege, wohl aber die ausgliedernden Einrichtungen. Alle Integrationsunternehmen
wiesen unter Art und Gegenstand des Unternehmens wohlfahrtspflegerische Zwecke aus, so auch der Gesellschaftsvertrag der Klägerin.
Dieser sehe vor, dass sie für Menschen, die durch ihre Behinderungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht eingegliedert
werden könnten, Arbeitsplätze schaffe. Auch der eigene Internetauftritt der Klägerin lasse erkennen, dass bei ihr die Beschäftigung
und Integration von schwerbehinderten Menschen im Zentrum stehe. Indes komme eine Überweisung wegen einer von Anfang an unrichtigen
Feststellung der Zuständigkeit nur dann in Betracht, wenn die Feststellung der Zuständigkeit den Zuständigkeitsregelungen
eindeutig widerspreche oder das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Beide Merkmale
seien vorliegend nicht erfüllt. Es liege auch keine Benachteiligung der Integrationsunternehmen gegenüber gewerblichen Unternehmen
vor, denn aufgrund ihres Unternehmenszwecks seien diese mit jenen nicht vergleichbar. Bei einem Integrationsunternehmen sei
der Betrieb eines Garten- und Landschaftsbaubetriebs ein mögliches Mittel zur Erfüllung des Gesellschaftszwecks, nämlich der
Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen. Bei einem rein gewerblichen Unternehmen werde der Zweck allein durch den Betrieb
eines Garten- und Landschaftsbaubetriebs erfüllt. Dem stehe nicht entgegen, dass Integrationsunternehmen auch Gewinne erwirtschaften
könnten, allerdings sei der Gesellschaftszweck nicht in erster Linie darauf ausgerichtet. Auch ein Verstoß gegen ein Benachteiligungsverbot
liege nicht vor. Werde nämlich eine Benachteiligung der Integrationsunternehmen gegenüber anderen gewerblichen Unternehmen
angenommen, würde dies bedeuten, dass es nicht mehr darauf ankäme, ob ein Unternehmen die Teilhabe von schutzbedürftigen Menschen
als Hauptzweck anstrebe. Sowohl Unternehmen des Gesundheitswesens als auch Unternehmen der Wohlfahrtspflege seien auf dem
Gebiet der Unfallversicherung dadurch gekennzeichnet, dass sich ihre Angebote an gesundheitlich beeinträchtigte und unterstützungsbedürftige
Menschen richteten. Gerade für diese Personengruppe habe der Gesetzgeber eine besondere Schutzbedürftigkeit gesehen und ihr
die Durchführung der Unfallversicherung zugeordnet. Außerdem seien im Unfallversicherungsrecht die Unternehmer beitragspflichtig,
so dass sich eine Benachteiligung nicht entnehmen lasse. Die Beklagte sei außerdem besonders geeignet, Präventionsmaßnahmen
für Integrationsunternehmen anzubieten und durchzuführen.
Hiergegen hat die Klägerin am 23.12.2013 bei dem Sozialgericht (SG) Reutlingen Klage erhoben. Mit Beschluss vom 04.02.2014 hat das SG die S. für L., F. und G. - L. B. - beigeladen. Die Klägerin hat vorgetragen, das System der gewerbsspezifischen Gliederung
bezwecke die Bildung homogener Gefahrengemeinschaften als Grundlage für eine effektive Erfüllung von Hauptzielen der gesetzlichen
Unfallversicherung. Hierzu zähle unter anderem die Prävention von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Die Unfallversicherung
habe außerdem die Wettbewerbsneutralität durch die gleichmäßige Belastung von konkurrierenden Unternehmen zu gewährleisten.
Die Beigeladene besitze das notwendige Spezialwissen für ihr Unternehmen, in dem die meisten Mitarbeiter in der Landschaftspflege
und im Landschaftsbau eingesetzt seien. Indessen werde sie ohne Rücksicht auf den jeweiligen Gewerbezweig unter dem Dach der
Beklagten mit anderen Integrationsunternehmen in einer artfremden Berufsgenossenschaft veranlagt, und zwar zu Beiträgen, die
das branchenübliche Niveau erheblich übersteigen würden. Zur Rechtfertigung dieser Praxis beziehe sich die Beklagte auf eine
extensive Auslegung des Begriffes "Wohlfahrtspflege". Zu den Arbeiten, die in ihrem Unternehmen durchzuführen seien, gehöre
das Mähen von Rasen und Wiesen, das Jäten der Beete, das Abmulchen, Düngen, Vertikulieren, Schneiden und Roden, Säen, Gießen
und Pflanzen. Dabei würden folgende Gerätschaften und Maschinen eingesetzt: Rasenmäher, Aufsitzmäher, Freischneider, Balkenmäher,
Motorheckenscheren, Motorsägen, Vertikulierer und Motorhacken. Überdies liege mittelbar eine Benachteiligung der behinderten
Menschen vor, die in dem Unternehmen der Klägerin beschäftigt seien. Dadurch sei sie in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt.
Es liege somit ein Verstoß gegen Art.
3 Abs.
3 Satz 2
Grundgesetz (
GG), gegen §§ 7 Abs. 1, 2 und 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie gegen Abs. 12 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung
und Beruf (RL 2007/78 EG) vor.
Das SG hat mit Urteil vom 09.02.2015 die Klage abgewiesen und entschieden, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen
hat. Im Urteil hat das SG außerdem den Streitwert endgültig auf 5.000,00 € festgesetzt. Das SG hat zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Überweisung lägen nicht vor. Es bestehe weder ein eindeutiger
Widerspruch gegen geltende Zuständigkeitsregelungen noch führe das Festhalten an dem Bescheid zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten.
Es liege nahe, dass die Beklagte für die Klägerin der zuständige Unfallversicherungsträger nach den Zuständigkeitsregelungen
sei. Für die Beantwortung dieser Rechtsfrage müsse die Frage der tatsächlichen Zuständigkeit gar nicht endgültig feststehen.
Denn selbst wenn die Beklagte nicht zuständig wäre, könne von einem eindeutigen Widerspruch gegen die Zuständigkeitsregeln
nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Denn die Klägerin sei ein Integrationsunternehmen und falle damit unter die Wohlfahrtspflege.
Dies spreche aufgrund der traditionellen Zuständigkeitsverteilung für eine Mitgliedschaft bei der Beklagten, auch wenn die
Klägerin ihren Gesellschaftsgegenstand mit einer landwirtschaftlichen Tätigkeit konkret umsetze. Im Übrigen müsse sich die
Klägerin fragen lassen, weshalb sie eine Anmeldung bei einem angeblich völlig unzuständigen Träger vorgenommen habe. Unternehmensinteressen
hinsichtlich der Beitragshöhe gehörten überdies nicht zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten. Daher könne sich die Klägerin
auch nicht auf Wettbewerbsnachteile berufen. Die Klägerin habe außerdem keine konkreten Versäumnisse bei der Unfallverhütung
vorgetragen. Solche seien auch nicht ersichtlich. Die Beklagte sei seit vielen Jahrzehnten für viele Behinderteneinrichtungen
zuständig. Dabei würden auch Tätigkeiten versichert, die im G.- und L. ausgeübt werden. Ob die Beigeladene eventuell in noch
qualifizierterer Weise zu einer Prävention im Stande wäre, sei unbeachtlich. Die Klägerin könne im Übrigen aus den im Hinblick
auf eine behindertenspezifische Diskriminierung angeführten Normen keine eigenen Rechte ableiten, so dass offen bleiben könne,
ob tatsächlich eine solche Diskriminierung vorliege. Eine mittelbare Diskriminierung sei schon deswegen fraglich, weil es
verschiedene Nachteilsausgleiche gebe. Da die Klägerin in Bezug auf die Beigeladene den Prozess veranlasst habe, entspreche
es der Billigkeit, auch der Beigeladenen einen Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten dem Grunde nach zuzusprechen. Da nicht
erkennbar sei, wie hoch die erstrebte Jahresersparnis bei fiktiver Zuständigkeit der Beigeladenen sei, sei der Auffangstreitwert
von 5.000,00 € festzusetzen.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 19.02.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.03.2015 bei dem Landessozialgericht
Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung ihre Ausführungen aus dem Klageverfahren wiederholt und vertieft.
Bei ihrer Anmeldung im Jahr 2002 sei ihr nicht bewusst gewesen, dass für die Zuständigkeit nicht der ideelle Zweck, sondern
der sachliche Unternehmensgegenstand maßgeblich sei. Lediglich drei Personen ihrer achtköpfigen Belegschaft seien schwerbehindert.
Die schwerbehinderten Menschen würden in ihrem Unternehmen einen schlechteren Versicherungsschutz erhalten. Des Weiteren würden
die höheren Beiträge zu einem sinkenden Lohnniveau und somit zu einer Gefährdung der Arbeitsplätze führen. Das SG habe fehlerhaft offen gelassen, ob eine behindertenspezifische Diskriminierung vorliege. Das SG habe ihr außerdem zu Unrecht die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auferlegt. Die Klägerin hat sich zeitgleich gegen
die Festsetzung des Streitwerts im erstinstanzlichen Verfahren gewehrt und vorgetragen, dass eine Festsetzung auf 20.000,00
€ für beide Instanzen angemessen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 9. Februar 2015 und den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2013 in Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2013 aufzuheben und diese zu verurteilen, sie an die Beigeladene zu überweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt ergänzend vor, die Klägerin sei kein normales landwirtschaftliches Unternehmen. Zweck des Unternehmens sei es nicht,
mit dem L. Umsätze und Gewinne zu generieren, sondern schwerbehinderte Menschen in Arbeit und Gesellschaft zu integrieren.
Nur vor diesem Hintergrund habe die Klägerin ihren gemeinnützigen Status erlangen können. Der Begriff des Integrationsunternehmens
sei in §
132 SGB IX geregelt, somit in einem der Sozialgesetzbücher. Integrationsunternehmen seien in aller Regel durch Ausgliederung aus einer
Werkstatt für behinderte Menschen entstanden und von Wohlfahrtskonzernen beherrscht. Sie passten somit in das typische Zuständigkeitsportfolio
der Beklagten. Die Gemeinnützigkeit unterstreiche die wohlfahrtspflegerische Ausrichtung eines Unternehmens. Zumindest ein
eindeutiger Verstoß gegen Zuständigkeitsregeln bestehe nicht. Alle gewerblichen Berufsgenossenschaften hielten die Beklagte
für den zuständigen Versicherungsträger bei Integrationsunternehmen. Die Beklagte sei überdies für alle Versicherten zuständig,
welche durch Diskriminierungsverbote geschützt seien. Die höheren Beiträge seien Ergebnis der bezweckten Privilegierung benachteiligter
Personen beim Versicherungsschutz und nicht einer Benachteiligung. Die Beklagte müsse sich mit eigenem Personal im Hinblick
auf die Prävention breit aufstellen oder die Zusammenarbeit und Unterstützung anderer Unfallversicherungsträger suchen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie schließt sich jedoch inhaltlich den Ausführungen des SG an.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten der ersten und zweiten Instanz sowie auf die Verwaltungsakte der
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß §
144 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand der Klage ist ausschließlich der Bescheid der Beklagten vom 26.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 19.11.2013. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte erstmals über den Antrag der Klägerin auf Überweisung entschieden. Das
vorangegangene Schreiben vom 26.03.2013, gegen das die Klägerin ebenfalls Widerspruch erhoben hatte, ist - wie sich aus dem
Wortlaut und der fehlenden Rechtsmittelbelehrung ergibt - lediglich als Informationsschreiben ohne regelnden Inhalt und somit
nicht als Verwaltungsakt gemäß § 35 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) einzuordnen.
Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage erhobene Klage ist gemäß §
54 Abs.
1, Abs.
4 SGG statthaft. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Überweisung ihres Unternehmens an die Beigeladene.
Gemäß §
136 Abs.
1 Satz 4
SGB VII überweist ein Unfallversicherungsträger das Unternehmen dem zuständigen Unfallversicherungsträger, wenn die Feststellung
der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig war oder sich die Zuständigkeit für ein Unternehmen ändert.
Die Feststellung der Zuständigkeit war nach §
136 Abs.
2 Satz 1
SGB VII von Anfang an unrichtig, wenn sie den Zuständigkeitsregelungen eindeutig widerspricht oder das Festhalten an dem Bescheid
zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten führen würde. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt dagegen
gemäß §
136 Abs.
2 Satz 2
SGB VII vor, wenn das Unternehmen grundlegend und auf Dauer umgestaltet worden ist.
Die oben genannten Vorschriften verdrängen dabei die allgemein anwendbaren Regelungen des SGB X zur Bestandskraft und Rücknahme von Verwaltungsakten (Diel in: Hauck/Noftz,
SGB VII, Stand April 2014, § 136 Rn. 25) oder modifizieren diese zumindest (BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 8/04 R <[...]>).
Im vorliegenden Fall kommt allein die Alternative der anfänglichen Unrichtigkeit in Betracht. Denn das Vorliegen einer Änderung
in den Unternehmensverhältnissen hat die Klägerin mit Schreiben vom 09.08.2013 an die Beklagte ausdrücklich verneint. Anhaltspunkte
für eine Änderung sind auch sonst nicht ersichtlich.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer anfänglichen Unrichtigkeit liegen jedoch nicht vor. Weder kann ein eindeutiger Widerspruch
gegen Zuständigkeitsregeln angenommen werden noch würde das Festhalten an der aktuellen Zuständigkeit zu schwerwiegenden Unzuträglichkeiten
führen.
Von einem eindeutigen Widerspruch zu den Zuständigkeitsregelungen ist hierbei nur ausnahmsweise auszugehen. Die strengen Voraussetzungen
der Überweisung zur Korrektur einer unrichtigen Zuständigkeitsfeststellung dienen der Wahrung des Katasterfriedens und der
Katasterstetigkeit (ständige Rechtsprechung, zuletzt BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 20/07 R). Sie berücksichtigen, dass das Gesamtregelwerk über die Zuständigkeiten der Berufsgenossenschaften nicht immer eindeutige
Zuständigkeitsfeststellungen ermöglicht (vgl. Ricke in: Kasseler Kommentar,
SGB VII, Stand September 2015, §
122 Rn. 3 m. w. N. zur Verfassungsmäßigkeit). Zudem wird der allgemeinen Bestandskraft von Verwaltungsakten Rechnung getragen.
Zweifelsfälle bedingen hierbei keine offensichtliche Unrichtigkeit (Ricke, a.a.O. § 136 Rn. 18a). Vielmehr ist ein eindeutiger
Widerspruch nur dann anzunehmen, wenn die Unrichtigkeit auf grobem Verstoß des Unfallversicherungsträgers gegen seine Ermittlungs-
und Prüfungspflicht beruht, z.B. in Form von unterlassener Prüfung der Betriebsverhältnisse oder bloßer Zuständigkeitsfeststellung
auf Verdacht (BSG, Urteil vom 28.11.1961, 2 RU 36/58 <[...]>). Somit genügt für die Annahme einer anfänglichen Unrichtigkeit nicht lediglich ein bloßer Irrtum über die sachliche
Zuständigkeit. Erforderlich ist stattdessen ein grober Rechtsverstoß bei der Eingliederung in die geschaffene Organisation
der Berufsgenossenschaften (BSG vom 28.11.1961, a.a.O.).
Ein solcher grober Rechtsverstoß kann vorliegend nicht erkannt werden. Maßgeblich für die rechtliche Bewertung ist das zum
Zeitpunkt der erstmaligen Eingliederung geltende Recht. Demzufolge war die Beklagte für Unternehmen im Bereich der Wohlfahrtspflege
sachlich zuständig.
Gemäß §
122 Abs.
1 Satz 1
SGB VII kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die sachliche Zuständigkeit
der gewerblichen Berufsgenossenschaften nach Art und Gegenstand des Unternehmens unter Berücksichtigung der Prävention und
der Leistungsfähigkeit der Berufsgenossenschaften und die örtliche Zuständigkeit bestimmen. Soweit jedoch nichts anderes bestimmt
ist, bleibt gemäß §
136 Abs.
2 SGB VII jede Berufsgenossenschaft für die Unternehmensarten sachlich zuständig, für die sie bisher zuständig war, solange - wie hier
der Fall - eine nach Absatz 1 erlassene Rechtsverordnung die Zuständigkeit nicht anders regelt. Absatz 2 stellt somit klar,
dass die bisherigen sachlichen Zuständigkeiten der gewerblichen Berufsgenossenschaften bestehen bleiben.
Da die
Reichsversicherungsordnung (
RVO) keine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung enthielt und Artikel 4 § 11 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) von 1963 lediglich bestimmte, dass jeder Träger der Unfallversicherung
für die Unternehmen zuständig ist, für die er bisher zuständig war, muss für die Beantwortung dieser Frage auf sonstige Rechtsquellen
vor 1963 zurückgegriffen werden (vgl. auch BSG, Urteil vom 04.08.1992, 2 RU 5/91 <[...]>).
Durch den Beschluss des Bundesrates des Deutschen Reiches vom 22.05.1885 wurden 55 gewerbliche Berufsgenossenschaften gebildet,
benannt und ihnen bestimmte Industriezweige zugewiesen. Aufgrund von Artikel 38 des Dritten Gesetzes über Änderungen in der
Unfallversicherung vom 20. Dezember 1928 (RGBl I S. 405) wurde die Verordnung über Träger der Unfallversicherung vom 17. Mai
1929 (RGBl. I S. 104) erlassen, in der Zuständigkeitsregelungen insbesondere für die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst
und Wohlfahrtspflege enthalten sind.
Hiernach gehören dieser Berufsgenossenschaft an die Betriebe und Tätigkeiten, die nach § 537 Abs. 1 Nr. 4 b der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) der Unfallversicherung unterliegen. Dies sind auch die in der W. tätigen Personen. Der Begriff der W. ist im
SGB VII nicht definiert. Nach ständiger Rechtsprechung umfasst der Begriff die planmäßige, zum Allgemeinwohl ausgeübte unmittelbare
Hilfe für gesundheitlich, sittlich oder wirtschaftlich gefährdete Menschen (BSG, Urteil vom 26.06.1985, 2 RU 79/84 <[...]>). Die Beigeladene dagegen war nach §
123 Abs.
1 SGB VII (in der bis 27.11.2003 gültigen Fassung) unter anderem zuständig für Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft einschließlich
des Garten- und Weinbaues (Nr. 1) sowie der Park- und Gartenpflege (Nr. 4).
Die Einordnung in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten kann vor diesem Hintergrund nicht als grober Rechtsverstoß bezeichnet
werden.
Bei der Prüfung der erstmaligen Eingliederung hatte die Beklagte zunächst auf den Gesellschaftsvertrag zurückzugreifen. In
diesem ist ausgeführt, dass Aufgabe und Zweck der Gesellschaft ausschließlich und unmittelbar die Einrichtung, Unterhaltung
und der Betrieb von Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte ist, deren Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht möglich
ist. Zudem ist im Gesellschaftsvertrag geregelt, dass die Gesellschaft nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche, sondern
ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke verfolgt. Des Weiteren hält der Vertrag fest, dass der
Schwerpunkt der Arbeitsplätze im Fachbereich Landschaftsbau/ -pflege angeboten wird. Zudem verfolgt die Gesellschaft dem Vertrag
zufolge ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne der
Abgabenordnung. Gewinne sind entweder zur Verstärkung des Betriebskapitals oder für sonstige Gesellschaftszwecke zu verwenden. Die Klägerin
gab im Anmeldeformular im Juli 2002 überdies an, dass es sich bei ihrem Unternehmen um einen Integrationsbetrieb für Garten-
und Landschaftsbau handele. Sie teilte außerdem mit, dass die Einrichtung als gemeinnützig im Sinne der
Abgabenordnung anerkannt sei. Hierzu legte die Klägerin nach ausdrücklicher Aufforderung der Beklagten den Freistellungsbescheid des Finanzamts
F. vom 22.02.2002 vor. Zudem war von der Beklagten zu berücksichtigen, dass ein Integrationsprojekt, wenn es sich um ein Integrationsunternehmen
und somit um ein rechtlich und wirtschaftlich selbständiges Unternehmen wie vorliegend bei der Klägerin handelt, nicht nur
eine rein ideelle Zwecksetzung vorliegt, sondern das Unternehmen daneben noch erwerbswirtschaftliche Zwecke verfolgt (vgl.
Schröder in: Hauck/Noftz,
SGB IX, Stand September 2001, §
132 Rn. 11).
Somit bestimmen sich Art und Gegenstand des klägerischen Unternehmens einerseits aus dem ideellen Zweck, folglich einer Gemeinnützigkeit.
Denn Zielgruppe des Unternehmens sind arbeitslose, schwerbehinderte und somit wirtschaftlich gefährdete und gesundheitlich
betroffene Menschen. Das Unternehmen der Klägerin enthält somit Elemente der Wohlfahrtspflege. Andererseits sind Integrationsprojekte
als wettbewerbsorientierte Marktteilnehmer Teil des allgemeinen Arbeitsmarktes (vgl. Schröder, a.a.O. Rn. 18). Vorliegend
tritt die Klägerin im Bereich des Landschaftsbaus am Arbeitsmarkt auf. Demzufolge wird das Unternehmen auch in Fachbereichten
tätig, für welche die Beigeladene zuständig ist.
Integrationsunternehmen weisen somit einen hybriden Charakter auf, so dass die Beklagte eine Gewichtung vorzunehmen hatte.
Dass die Beklagte hierbei das größere Gewicht auf die Wohlfahrtspflege gelegt hat, stellt insbesondere unter Berücksichtigung
des Inhalts des Gesellschaftsvertrags und der dort geregelten eindeutigen Zweckbestimmung keinen groben Rechtsverstoß dar.
Eine bloße Feststellung der Zuständigkeit auf Verdacht ohne Durchführung von weiteren Ermittlungen liegt demzufolge nicht
vor.
Klarstellend ist anzumerken, dass es im vorliegenden Rechtsstreit, der zum Gegenstand die Überweisung nach einer bestandskräftigen
Zuordnung hat, nicht der gerichtlichen Prüfung unterliegt, ob die Einordnung der Klägerin als Unternehmen der Wohlfahrtspflege
auch tatsächlich mit dem materiellen Recht übereinstimmt (zur sachlichen Zuständigkeit der Beklagten für Integrationsunternehmen
vgl. auch SG Augsburg, Urteil vom 12.06.2014, S 4 U 281/13 <[...]>).
Schließlich liegen auch keine schwerwiegenden Unzuträglichkeiten vor. Schwerwiegende Unzuträglichkeiten, welche die Zugehörigkeit
zur formal zuständigen Berufsgenossenschaft als unbillige Härte erscheinen lassen, können in Umständen gesehen werden, welche
geeignet sind, im Aufbau und in der Durchführung der gesetzlichen Unfallversicherung selbst Schwierigkeiten hervorzurufen
(BSG vom 28.11.1961, a.a.O). Eine Beitragsbelastung dagegen stellt keine Unzuträglichkeit dar (BSG, a.a.O; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.01.1994, L 7 U 2362/91). Insbesondere kommen, wie auch vorliegend von der Klägerin eingewandt, Unzuträglichkeiten bei der Unfallverhütung in Betracht
(BSG vom 18.11.1961, a.a.O.). Hierfür sind im vorliegenden Fall jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Beklagte hat nachvollziehbar
darauf hingewiesen, dass sie in Präventionsangelegenheiten die Zusammenarbeit mit anderen Unfallversicherungsträgern sucht
und darüber hinaus eigene Erfahrungen mit Arbeitsvorgängen im L.- und G. hat. Dieser Vortrag wird auch bestätigt durch die
Angaben der Beklagten auf ihrer Website (https://www.bgw-online.de/DE/Arbeitssicherheit-Gesundheitsschutz/ Gefaehrdungsbeurteilung/Rehabilitation-
und-Werkstaetten-interaktiv/Garten- und Landschaftsbau/ Garten- und-Landschaftsbau_node.html), auf der sie ausdrücklich über
Gefahren im Garten- und Landschaftsbau etwa zu den Themen Lärm, Infektionen bei Außenarbeitsplätzen oder kraftbetriebene Maschinen
aufklärt und konkrete Schutzmaßnahmen empfiehlt. Überdies hat die Klägerin auch keine konkreten Missstände auf dem Gebiet
der Unfallverhütung angesprochen. Zudem finden nach dem Vortrag der Klägerin keine hochtechnisierten Arbeitsabläufe statt
oder kommen landwirtschaftliche Großfahrzeuge wie Mähdrescher oder Traktoren zum Einsatz, so dass bereits deswegen davon auszugehen
ist, dass das Präventionsangebot der Beklagten genügt. Außerdem ergibt sich aus der Vorschrift des §
131 SGB VII (Zuständigkeit eines Unfallversicherungsträgers bei verschiedenartigen Bestandteilen eines Unternehmens), dass in der Praxis
ein Unfallversicherungsträger auch für ihn fremde Arbeitsbereiche zuständig werden kann und hierbei den gesamten Unfall- und
Versicherungsschutz übernimmt. Letzten Endes kann eine schwerwiegende Unzuträglichkeit bereits durch die deutliche Reduzierung
der Zahl von Berufsgenossenschaften im Wege von Fusionen - und somit durch die Tendenz zur Auflösung homogener Gefahrengemeinschaften
- nur schwer begründet werden (Diel in: Hauck/Noftz, a.a.O., Rn. 32).
Eine schwerwiegende Unzuträglichkeit lässt sich auch nicht wegen Verstoß gegen nationale, insbesondere verfassungsrechtliche
oder europäische Diskriminierungsverbote begründen.
Gemäß Art.
3 Abs.
3 Satz 2
GG darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Eine Benachteiligung liegt nicht nur bei Regelungen und Maßnahmen
vor, die die Situation des Behinderten wegen seiner Behinderung verschlechtern. Vielmehr kann eine Benachteiligung auch bei
einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt gegeben sein, wenn dieser nicht
durch eine auf die Behinderung bezogene Förderungsmaßnahme hinlänglich kompensiert wird. Wann ein solcher Ausschluss durch
Förderungsmaßnahmen so weit kompensiert ist, dass er nicht benachteiligend wirkt, lässt sich nicht generell und abstrakt festlegen.
Ob die Ablehnung einer vom Behinderten erstrebten Ausgleichsleistung und der Verweis auf eine andere Entfaltungsalternative
als Benachteiligung anzusehen sind, wird regelmäßig von Wertungen, wissenschaftlichen Erkenntnissen und prognostischen Einschätzungen
abhängen. Nur aufgrund des Gesamtergebnisses dieser Würdigung kann darüber befunden werden, ob eine Maßnahme im Einzelfall
benachteiligend ist (BVerfGE 96, 303).
Eine unmittelbare Benachteiligung ist bereits deshalb nicht ersichtlich, weil im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht die
Beiträge ausschließlich den Arbeitgeber und nicht die vom Schutzbereich des Art.
3 Abs.
3 Satz 2
GG betroffenen behinderten Menschen (vgl. Leibholz/Rinck/Hesselberger in: Leibholz/Rinck,
Grundgesetz, Stand September 2015, Art.
3 Rn. 5000 ff.) belasten.
Auch eine mittelbare Benachteiligung behinderter Menschen ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Soweit sich die Klägerin
darauf beruft, dass ihre Arbeitnehmer nicht die qualitativ gleichen Präventionsdienste angeboten bekommen wie wirtschaftlich
ähnlich agierende Unternehmen, die keinen integrativen Charakter haben, ist hierzu bereits ausgeführt worden, dass von einer
minderwertigen Prävention durch die Beklagte gerade nicht auszugehen ist.
Die Klägerin trägt weiterhin sinngemäß vor, dass die höheren Beiträge bei der Beklagten gegenüber einer Versicherung bei der
Beigeladenen mittelbar an die schwerbehinderten Menschen weitergegeben werden durch Gefährdung des Lohnniveaus und der Arbeitsplätze.
Auch hiermit lässt sich keine schwere Unzuträglichkeit begründen. Denn die Beitragshöhe ist abhängig von der Veranlagung,
die gerade nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, nicht jedoch von der allgemeinen (zumindest formellen) Zuständigkeit
der Beklagten.
Aus denselben Gründen kommt ein Verstoß gegen das AGG oder die Richtlinie 2000/78 EG nicht in Betracht. Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden. Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine Verletzung
vertraglicher Pflichten, § 7 Abs. 3 AGG. Gemäß § 1 AGG ist Ziel des Gesetzes, Benachteiligungen aus Gründen der u. a. Behinderung zu verhindern oder zu beseitigen. Nach Absatz
12 der Richtlinie 2000 / 78 EG sollte jede unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen (...) einer Behinderung in den
von der Richtlinie abgedeckten Bereichen gemeinschaftsweit untersagt werden. Eine europarechtskonforme Auslegung des §
136 Abs.
2 SGB VII nach dem Grundsatz des "effet utile" ist somit ebenfalls nicht erforderlich.
Daher war die Berufung zurückzuweisen.
Das Verfahren ist nach §§ 197a Abs. 1 Satz 1, 183 Satz 2 Gerichtskostengesetz (GKG) gerichtskostenpflichtig, die Kostenentscheidung besteht auf §§
154 Abs.
2,
162 Abs.
3 Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO). Hiernach war die Kostenentscheidung des SG abzuändern. Im Falle eines erfolglos eingelegten Rechtsmittels bleibt die Kostenregelung der Vorentscheidung grundsätzlich
gültig. Jedoch ist das Rechtsmittelgericht zu einer Abänderung oder Ergänzung der Kostenentscheidung der Vorinstanz befugt
( Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage, §
197a Rn. 12 m.w.N.). Die Klägerin hat mit der Berufung ausdrücklich auch die Kostenentscheidung des SG angegriffen, soweit dieses - nicht im Tenor, aber ausweislich der Entscheidungsgründe - die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen für erstattungsfähig erklärt hat. Gemäß §
162 Abs.
3 VwGO sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden
Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die Auferlegung von Kosten des Beigeladenen auf den unterliegenden Beteiligten entspricht
nach gefestigter Rechtsprechung (BSG, Beschluss vom 19.07.2006, B 6 KA 33/05 B <[...]>) nur dann der Billigkeit, wenn der Beigeladene erfolgreich Anträge gestellt hat und somit ein eigenes Prozessrisiko
eingegangen ist. Die Beigeladene hat jedoch, wie vom SG zutreffend dargelegt, auch in der ersten Instanz keinen Antrag gestellt. Die Klägerin hat daher die erste Instanz betreffend
lediglich die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen sind jedoch von dieser selbst zu tragen. Hiernach war die Kostenentscheidung des SG abzuändern.
Da die Beigelade auch im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt hat und somit kein Prozessrisiko eingegangen ist, kann
sie auch insoweit keine Kostenerstattung verlangen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GKG. In Verfahren vor den Gerichten unter anderem der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert
nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen, § 52 Abs. 1 GKG. Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist gemäß § 52 Abs. 3 GKG ein Streitwert von 5.000,00 € anzunehmen. Bei einem Streit um den zuständigen Unfallversicherungsträger für ein Unternehmen
nach §§
121 ff.
SGB VII ist der dreifache Jahresbeitrag des Unfallversicherungsträgers, gegen dessen Zuständigkeit sich das klagende Unternehmen
wendet, mindestens aber der vierfache Auffangstreitwert zugrunde zu legen (BSG, Beschluss vom 28.02.2006, B 2 U 31/05 R). Dies gilt auch bei einem Rechtstreit über einen Überweisungsanspruch (vgl. SG Augsburg, a.a.O.). Denn auch hier ist eine
langfristige Bedeutung anzunehmen, die insbesondere in den jahrelang zu erbringenden Präventionsleistungen, einschließlich
der damit einhergehenden Überwachung und Beratung, zu sehen ist. Da sich der letzte jährliche Beitrag der Klägerin auf 4.441,90
€ belief, die Beitragsbelastung im Falle der Zuständigkeit der Beigeladenen somit niedriger wäre und damit der vierfache Mindeststreitwert
in Höhe von 20.000,00 € nicht erreicht wird, ist dieser Betrag als endgültiger Streitwert festzusetzen für beide Rechtszüge.
Die Streitwertfestsetzung durch das SG war dementsprechend zu ändern (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG).
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 und
2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu. Eine grundsätzliche Bedeutung ist
dann anzunehmen, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen
der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich - Klärungsbedürftigkeit - und deren Klärung
auch durch das Revisionsgericht zu erwarten ist - Klärungsfähigkeit (Leitherer a.a.O. § 160 Rn. 6). Hiernach liegt keine über
den Einzelfall hinaus klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeinem Interesse vor, ungeachtet der von der Beklagten vorgetragenen
Vielzahl bundesweit erhobener Klagen von Integrationsunternehmen und -projekten. Denn es obliegt der tatrichterlichen (Einzelfall-)
Würdigung, ob ein solches Unternehmen nach seinem jeweiligen Gesellschaftsvertrag, dem dort genannten Gesellschaftszweck,
seiner Organisation bzw. dem (primären) Tätigkeitsfeld als Unternehmen der Wohlfahrtspflege nachträglich wegen grober Rechtswidrigkeit
der erstmaligen Eingliederung die Überweisung in die Zuständigkeit einer anderen Berufsgenossenschaft verlangen kann. Gleiches
gilt für die Frage, ob der Verbleib in einer Berufsgenossenschaft mit schwerwiegenden Unzuträglichkeiten verbunden ist.