Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1958 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie hat keinen Beruf erlernt und war in Deutschland zuerst als
Wäscherin und dann von April 1974 bis Dezember 1996 als Chemiearbeiterin tätig. Seit 01.10.1997 arbeitet sie durchgehend in
Teilzeit, zehn Stunden pro Woche, als Reinigungskraft.
Am 14.04.2008 stellte die Klägerin aufgrund von Arthrosen, hohem Blutdruck und einer Schmerzstörung einen Antrag auf Rente
wegen Erwerbsminderung; verschiedene ärztliche Befundberichte waren beigefügt. Die Beklagte forderte den Reha-Entlassungsbericht
der Fachklinik O. über einen stationären Aufenthalt vom 30.11.2006 bis zum 21.12.2006 an und beauftragte den Facharzt für
physikalische und rehabilitative Medizin Dr. G. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser stellte nach ambulanter Untersuchung
am 26.08.2008 als Diagnosen eine depressive Entwicklung mit Zeichen der Verkörperlichung, Bluthochdruck ohne feststellbare
Ursache und wiederkehrende Beschwerden des Halte- und Stützapparates ohne funktionelle Beeinträchtigung fest. Die körperlichen
Missempfindungen würden den psychiatrisch therapeutischen Zugang erschweren. Eine ambulante psychiatrisch/neurologische Therapie
sei unbedingt notwendig. Die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung von qualitativen Einschränkungen
mindestens sechs Stunden pro Tag ausüben, auch die Tätigkeit als Reinigungskraft erscheine leistbar.
Im Widerspruchsverfahren gegen den ablehnenden Bescheid vom 04.07.2008 zog die Beklagte einen Befundbericht des behandelnden
Nervenarztes Dr. H. bei und beauftragte den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. mit der Erstellung eines weiteren
Gutachtens. Dieser führte aus, dass sich außer einem eindeutigen Bluthochdruck ein internistisch und neurologisch vollständig
unauffälliger Befund ergeben habe. Auch psychisch liege kein pathologischer Befund, keinesfalls ein tiefergehend depressiver,
vor. Bzgl. des Bluthochdrucks sei eine intensivierte Therapie notwendig, die ansonsten bestehenden Befindlichkeitsstörungen
hätten kein organisches Korrelat, so dass von einer undifferenzierten Befindlichkeitsstörung auszugehen sei. Eine zeitliche
Leistungsminderung lasse sich in keiner Weise begründen. Die Tätigkeit als Reinigungskraft sei ebenfalls vollschichtig möglich.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 06.02.2009 hat die Klägerin am 17.02.2009 Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Das SG hat im vorbereitenden Verfahren Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. E. (Hausarzt), Dr. W. (HNO), Dr. M. (Orthopäde)
und Dr. H. (Nervenarzt) eingeholt und die Internistin und Rheumatologin Dr. F. mit der Erstellung eines Fachgutachtens beauftragt.
Dr. F. hat u.a. eine beginnende Fingergelenks-Polyarthrose, ein chronisches Wirbelsäulensyndrom bei leichter Fehlstatik und
mäßigen degenerativen Veränderungen ohne Hinweise auf eine radikuläre Symptomatik, eine beginnende Pangonarthrose rechts mit
akutem Kniegelenkserguss, eine somatoforme Schmerzstörung sowie eine schwer einstellbare Hypertonie diagnostiziert und die
vollschichtige Leistungsfähigkeit sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch als Reinigungsfrau bestätigt. Sie hat ausgeführt,
dass die neu hinzugekommenen Fingergelenks-Polyarthrosen noch zu keiner Funktionseinschränkung der Fingergelenke geführt hätten.
Aufgrund der schwer einstellbaren Hypertonie könnten Tätigkeiten unter Zeitdruck, im Akkord, am Fließband oder in Schichtarbeit
nicht mehr erfolgen, als Folge der arthrologischen Probleme sollen körperliche Schwerarbeit sowie Tätigkeiten in einseitiger
kyphotischer Beugehaltung, überwiegend im Stehen und Gehen, sowie verbunden mit häufigem Heben und Tragen von Lasten ohne
mechanische Hilfsmittel vermieden werden.
Mit Gerichtsbescheid vom 30. Oktober 2009 hat das SG unter Bezugnahme auf dieses Gutachten die Klage abgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin am 24.11.2009 Berufung eingelegt und zur Begründung Atteste von Dr. E. und Dr. M. übersandt.
Der Senat hat die Fachärztin für Orthopädie und Rheumatologie Dr. D. mit der Erstellungen eines Gutachtens beauftragt. Dr.
D. hat in ihrem Gutachten vom 05.02.2010 festgestellt, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin seit der Vorbegutachtung
nicht wesentlich verändert habe. Sie gehe von einem Fibromyalgiesyndrom aus. Die Klägerin könne unter Beachtung qualitativer
Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich tätig sein. Die Wegefähigkeit sei gegeben, weitere Gutachten seien nicht
erforderlich.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat den Facharzt für Orthopädie, physikalische und rehabilitative Medizin Dr. C. mit der
Erstellung eines Fachgutachtens nach §
109 SGG beauftragt. Dr. C. hat ein funktionelles Schmerzsyndrom mit Beschwerden im ganzen Körper und deutlich verminderter körperlicher
Belastbarkeit sowie Störungen der groben Kraft vor allen Dingen in den Händen und Fingern festgestellt. Der Zustand habe sich
seit den Vorgutachten nicht wesentlich verändert. Es seien noch leichte Tätigkeiten im Wechselrhythmus unter Beachtung qualitativer
Einschränkungen zumutbar. Diese Tätigkeiten seien unter sechs Stunden täglich möglich. Nicht sicher abschätzen könne er, ob
auch sechs Stunden täglich möglich seien, ggf. müsse hier eine ärztlich kontrollierte Belastungserprobung erfolgen. Auf Nachfrage
des Senats hat er mitgeteilt, dass er ohne ärztliche Belastungserprobung von einem Leistungsvermögen unter sechs Stunden ausgehe.
Die Beklagte hat sich dem Gutachten von Dr. C. nicht angeschlossen und eine Stellungnahme von Prof. Dr. L. vorgelegt. Prof.
Dr. L. hat darauf hingewiesen, dass sich eine richtungsweisende Änderung nicht eingestellt habe und dem Gutachten von Dr.
C. nicht zu entnehmen sei, dass angepasste Tätigkeiten nicht auch sechs Stunden täglich möglich seien.
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 30. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides
vom 4.Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. Februar 2009 zu verurteilen, der Klägerin ab 1. Mai 2008 Rente
wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Dem Senat liegen zur Entscheidung die Verwaltungsakten der Beklagten, sowie die Klageakten beider Rechtszüge vor. Auf deren
Inhalt, insbesondere auf die vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten, wird zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 04.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.02.2009, mit dem
die Beklagte es abgelehnt hat, der Klägerin auf deren Antrag vom 14.04.2008 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Das
SG hat zu Recht mit Gerichtsbescheid vom 30.10.2009 die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch
auf eine Rente wegen Erwerbsminderung gemäß §
43 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (
SGB VI).
Gemäß §
43 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (Absatz 1) bzw. voller Erwerbsminderung (Absatz 2),
wenn sie teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre
Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte nach §
43 Absatz
1, Satz 2
SGB VI, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte nach §
43 Absatz
2, Satz 2
SGB VI, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen
Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein bzw. gemäß §
43 Absatz
2 Satz 3
SGB VI Versicherte nach §
1 Satz 1 Nr.
2 SGB VI, die wegen Art und Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und Versicherte, die
bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung
in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich
erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Absatz 3).
Nach dem in der Sozialgerichtsakte enthaltenen Versicherungsverlauf vom 04.03.2009 hat die Klägerin zweifellos die Wartezeit
von fünf Jahren erfüllt sowie zumindest zum Zeitpunkt der Antragstellung die erforderliche Beitragsdichte und damit die versicherungsrechtlichen
Voraussetzungen.
Nach dem Ergebnis der umfangreichen Beweisaufnahme in der ersten und zweiten Instanz steht für den Senat fest, dass die Klägerin
noch in der Lage ist, sechs Stunden am Tag leichte Tätigkeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen auszuüben.
Sie ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert i.S.v. §
43 SGB VI.
Im Vordergrund stehen eine Schmerzerkrankung und ein Bluthochdruckleiden. Beide Krankheitsbilder sind jedoch nicht so ausgeprägt,
dass ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen begründet werden kann; qualitative Einschränkungen sind zu beachten.
Bei der Untersuchung durch Dr. F. war die Klägerin in psychischer Hinsicht voll orientiert, sie war kooperativ und kommunikativ
bei einem überwiegenden leidenden Eindruck, aber auch heiter und mitteilsam. Eine tiefergreifende depressive Symptomatik konnte
ausgeschlossen werden. Das Gangbild war unauffällig. Bei der Beugung der Wirbelsäule traten lediglich endgradig Schmerzen
auf, der Schulter- und Nackengriff war gut durchführbar, sämtliche Gelenke der oberen Extremitäten, der Hüfte und Knie waren
aktiv und passiv frei beweglich. Dr. D. beschreibt die Klägerin als in einem altersentsprechenden Zustand, in psychischer
Hinsicht bei der Beschwerdeschilderung depressiv und klagsam. Wesentliche Funktionseinschränkungen konnte Dr. D. ebenfalls
nicht feststellen. Die Klägerin entkleidete sich ohne wesentliche Schwierigkeiten, die Beweglichkeit war nicht eingeschränkt,
die Muskulatur in Schultern, Ober- und Unterarmen, Ober- und Unterschenkeln seitengleich und kräftig entwickelt. Die Fingergelenksbeweglichkeit
war bei Beugung und Streckung frei, der Faustschluss vollständig möglich, die grobe Kraft nicht gemindert und die Sensibilität
in Takt. Dem von der Klägerin geklagten Ganzkörperschmerz fehlen aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse somit jegliche objektive
Befunde. Dies hat auch der behandelnde Nervenarzt Dr. H. in seinem Befundbericht vom 18.03.2009 eindrucksvoll geschildert.
So führt er aus, dass das subjektive Krankheitsempfinden der Klägerin zwar nicht wegdiskutiert werden könne, diesem jedoch
der Krankheitswert fehle.
Der zweifellos vorliegende Bluthochdruck ohne feststellbare Ursache besteht schon seit Jahren und bedarf dringend einer Therapie,
wobei die Compliance bezüglich der regelmäßigen Medikamenteneinnahme der Klägerin fraglich ist, wie Dr. F. ausführt.
So ist für den Senat das von Dr. F. und Dr. D. festgestellte Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für zumindest
leichte Tätigkeiten überzeugend. Das seit Jahren vorliegende Schmerzsyndrom und auch der Bluthochdruck bedingen lediglich
qualitative Einschränkungen. So ist es der Klägerin nicht mehr möglich, in einseitiger Körperhaltung, im Freien unter Einfluss
von Kälte, Nässe und Zugluft, im Akkord am Fließband oder in Schicht zu arbeiten, Lasten über 10 kg zu tragen oder Tätigkeiten
verbunden mit Zwangshaltungen und mit vermehrtem Anspruch an die nervliche Belastbarkeit auszuüben. Schwere grob manuelle
Tätigkeiten sind aufgrund der Fingergelenksarthrose ebenfalls nicht mehr möglich.
Aus diesen Erwägungen schließt sich der Senat nicht den Ausführungen von Dr. C. in seinem Gutachten vom 29.07.2010 an, auch
wenn er die Schwierigkeiten der Begutachtungen von Schmerzpatienten gut beschreibt. Er hat keine Veränderungen gegenüber den
Vorgutachterinnen festgestellt und schildert die Klägerin ebenfalls in einem guten Allgemeinzustand. Das Gangbild war mäßig
flott und sicher, die Muskulatur am gesamten Körper gut ausgebildet und bei Beobachtung von Spontanbewegungen konnte er deutlich
bessere Bewegungsumfänge erkennen. Er geht daher von gewissen Verdeutlichungstendenzen aus. Zudem scheint er sich seiner Leistungseinschätzung
auf unter sechs Stunden auch nicht sicher, da er die genaue Festlegung von einer kontrollierten Belastungserprobung abhängig
macht.
Auch eine sog. Summierung bzw. eine schwere spezifische Leistungseinschränkung, die zur Pflicht der Benennung einer Verweisungstätigkeit
führen würde, liegen nicht vor. Beachtlich ist, dass die von Dr. D. erstmalig festgestellte Fingergelenksarthrose noch zu
keinen gravierenden Einschränkungen führt. Es liegen als einziges Zeichen wenig ausgeprägte Heberdenknötchen an den Endgelenken
der Langfinger vor. Die Fingergelenke sind jedoch reizlos und frei beweglich. Die Klägerin ist daher im Moment lediglich nicht
in der Lage, schwere grob manuelle Arbeiten auszuführen, so dass eine schwere spezifische Leistungseinschränkung nicht vorliegt.
Zu keinem anderen Ergebnis führen die Ausführungen von Dr. C., der zwar, etwas weitergehend als Dr. D., Störungen der groben
Kraft in den Händen und Fingern und eine Griffsunsicherheit beschreibt, dies jedoch lediglich auf die Angabe der Klägerin
stützt, dass ihr ab und zu Dinge aus den Händen fallen, und nicht auf objektive Befunde.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 30. Oktober 2009 war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gemäß §
193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Klägerin mit ihrer Klage auch im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision gemäß §
160 Abs.
2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.