Anspruch auf Gewährung von Witwenrente; Vermutung einer Versorgungsehe
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Witwenrente.
Die 1961 geborene Klägerin schloss am 20. März 2007 die Ehe mit dem 1946 geborenen Versicherten. Der Versicherte bezog seit
April 1997 insbesondere aufgrund eines Zustands nach Herzinfarkt mit Herzkranzgefäßerkrankung und eingeschränkter Herzleistungsbreite,
einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit beider Beine, degenerativen Wirbelsäulensyndromen und Gelenkverschleißerscheinungen
an Knie und Hüfte beidseits eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der Versicherte ist am am 6. April 2007 in K., Tschechien,
verstorben.
Mit Antrag vom 30. April 2007 begehrte die Klägerin Witwenrente nach dem verstorbenen Versicherten. In dem Antrag machte sie
geltend, eine Versorgungsehe läge nicht vor, da der Versicherte plötzlich und unvermutet gestorben sei. Sie sei seit 28 Jahren
mit dem Versicherten zusammen gewesen und habe sehr viele Jahre mit ihm zusammengelebt. Vor Jahren hätten sie beschlossen
zu heiraten und seit langem Vorbereitungen hierfür getroffen. Leider sei die Eheschließung als solche aus Zeitgründen nicht
früher möglich gewesen.
Die Beklagte holte einen Befundbericht des praktischen Arztes B. vom 31. Juli 2007 ein. Hieraus ergibt sich, dass der Versicherte
seit mehr als 3 Monaten aufgrund eines Leberkarzinoms arbeitsunfähig sei. Die letzte Untersuchung sei am 30. März 2007 erfolgt.
Hier habe ein Ikterus (Gelbsucht) vorgelegen. Aus einem beigefügten Bericht des Krankenhauses K. über einen stationären Aufenthalt
des Versicherten vom 28. März bis 6. April 2007 ergibt sich, dass er wegen GIT-Komplikationen im terminalen Stadium eines
generalisierten Leberkarzinoms aufgenommen worden sei. Der Zustand des Versicherten sei ikterisch. Gehen und Stehen seien
aufgrund des Gesamtzustandes nicht untersucht worden. Der Tod sei unter Anzeichen des Leberversagens, der Enzephalopathie
und Gesamterschöpfung des Organismus durch die maligne Erkrankung eingetreten.
Der medizinische Dienst der Beklagten erklärte hierzu, dass das frühzeitige Ableben des Versicherten am 20. März 2007 vorhersehbar
gewesen sei.
Der Antrag wurde daraufhin mit angefochtenem Bescheid vom 8. August 2007 abgelehnt. Die gesetzliche Vermutung, der alleinige
oder überwiegende Zweck der Eheschließung sei die Begründung eines Hinterbliebenenrentenanspruchs gewesen, sei nicht widerlegt.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, die Klägerin und der Versicherte hätten sich bereits seit Anfang
1979 gekannt. Sie seien zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten seit 28 Jahren ein Paar gewesen. Sie hätten bereits im Juni
1985 eine gemeinsame Wohnung in A-Stadt, A-Straße. 1, bezogen und in dieser Wohnung gemeinsam bis 2003 gelebt. Im Jahr 2003
sei dann der Umzug erneut in die gemeinsame Wohnung in der S-Straße. 10a in A-Stadt erfolgt. Die Eheschließung sei bereits
seit ca. 2 Jahren geplant gewesen. Die Eheschließung habe zunächst in Tschechien stattfinden sollen. Es seien bereits diverse
Vorbereitungen getroffen worden, insbesondere die Menübesprechung für die geplante Hochzeitsfeier in einem Restaurant bei
K ... Aufgrund familiärer Umstände sei dann von einer Heirat in Tschechien abgesehen und stattdessen eine Eheschließung in
A-Stadt geplant worden. Aufgrund dieser Umstände sei die gesetzliche Vermutung des §
46 Abs.
2 a SGB VI widerlegt. Zum Zeitpunkt der Hochzeitsvorbereitungen hätten keinerlei Anhaltspunkte für die Besorgnis eines vorzeitigen Ablebens
des Versicherten bestanden. Die Eheringe seien durch den Versicherten bereits im Winter 2006/2007 in Tschechien bestellt und
von diesem bereits am 19. Januar 2007 bezahlt worden. Zu diesem Zeitpunkt habe keine Kenntnis von Erkrankungen bestanden,
die über diejenigen hinaus gingen, die der Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab April 1997 zu Grunde lagen. Es
wurde eine Rechnung über ein Paar goldene Eheringe eines Goldschmieds aus P. vom 19. Januar 2007 vorgelegt.
Die von der Beklagten schriftlich angehörte Zeugin R. S. sagte aus, dass der Versicherte und die Klägerin schon lange heiraten
wollten. Der Zeuge D. G. erklärte, die Hochzeit sei schon lange geplant gewesen.
Der Widerspruch wurde daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2008 zurückgewiesen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung
am 20. März 2007 habe ein so schweres Krankheitsbild vorgelegen, das mit dem laetalen Ausgang der Erkrankung gerechnet werden
musste. Der Tod sei nicht plötzlich und unvermutet eingetreten. Das Vorliegen einer gemeinsamen Haushaltsführung in einer
eheähnlichen Beziehung reiche nicht aus, um die Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Es sei auch zu berücksichtigen,
dass beide Ehepartner im Zeitraum vom 1. Juli 2003 bis 15. März 2007 in unterschiedlichen Wohnungen angemeldet gewesen seien.
Der Umstand, dass eine Hochzeitsplanung schon seit mehreren Jahren erfolgt und letztlich erst eine Woche vor dem Tod tatsächlich
geheiratet worden sei, spreche ebenfalls für die Vermutung einer Versorgungsehe.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Erneut ist darauf verwiesen worden, der Versicherte habe bereits im Herbst 2006 in Tschechien Eheringe in Auftrag
gegeben, die am 19. Januar 2007 gegen Quittung abgeholt worden seien. Eine Kopie der Quittung ist vorgelegt worden. Während
der Hochzeitsvorbereitungen sowie zum Zeitpunkt der Eheschließung am 20. März 2007 habe die Klägerin keinerlei Kenntnis von
dem beim Versicherten vorliegenden Krebsleiden gehabt. Der Versicherte habe gegenüber der Klägerin zu keinem Zeitpunkt den
Verdacht geäußert, dass eine schwere Erkrankung vorliegen könnte. Die Klägerin habe bis zum völlig überraschenden Versterben
ihres Ehemanns am 6. April 2007 keine Kenntnis von dessen tatsächlichem Gesundheitszustand gehabt. Es seien bereits diverse
Hochzeitsvorbereitungen in Tschechien getroffen worden, insbesondere eine Menübesprechung anlässlich der geplanten Hochzeitsfeier
im Restaurant R ... Die Klägerin hat ein Angebot des Hotels R. vom 19. Februar 2006 über die Preiskalkulation für die geplante
Hochzeitsfeier vorgelegt.
Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass am unteren Ende des ausgestellten Quittungsbelegs maschinenschriftlich 04/2007 vermerkt
sei. Der Quittungsblock sei also erst im April 2007 gedruckt worden, so dass sich der Verdacht aufdränge, dass die Quittung
über den Kauf der Eheringe erst nach dem Tod des Versicherten ausgestellt worden sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass
bereits Zusammensetzung und Kosten eines Hochzeitsmenüs abgeklärt worden seien, obwohl noch kein Termin beim Standesamt vereinbart
und noch nicht einmal die Vorfrage geklärt war, ob sämtliche Formalitäten eingehalten seien.
Das SG hat einen Befundbericht von Dr. M., Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin des Kreiskrankenhauses K., vom 29. Oktober
2008 beigezogen. Hieraus ergibt sich, dass der Versicherte zunächst vom 1. bis 6. März 2007 stationär aufgenommen worden ist.
Hierbei ist erstmals die Diagnose gestellt worden. Der Versicherte ist informiert und therapiert entlassen worden. Das zweite
Mal ist er am 28. März 2007 aufgenommen worden und am 6. April 2007 verstorben. Seit dem Erstellen der Diagnose während des
ersten Aufenthalts ist sein Zustand systematisch schlechter geworden, was für diese Art von Krebsleiden ganz typisch ist.
Die Klägerin hat ein Originalhochzeitsfoto vom 20. März 2007 vorgelegt. Die Ringe seien bereits am 19. Januar 2007 bezahlt
worden. Allerdings handele es sich bei dem Beleg nach Angaben der Klägerin um ein Duplikat, da der Originalbeleg nicht mehr
auffindbar gewesen sei. Zum Beweis für die Frage, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung keine Kenntnis von dem
konkreten Gesundheitszustand des Versicherten hatte, wurde Dr. M. als Zeuge benannt.
Dr. M. hat auf Anfrage des SG mitgeteilt, er könne nicht beantworten, wann die Klägerin erstmals von der Diagnose erfahren habe. Sie sei jedoch nicht dabei
gewesen, als er den Versicherten über seine Diagnose informiert habe.
Vor dem SG hat die Klägerin am 23. September 2009 erklärt, sie habe von der Krebserkrankung des Versicherten erfahren, als dieser das
zweite Mal im Krankenhaus in Tschechien aufgenommen worden sei. Es müsse also am 28. März 2007 gewesen sein. Dr. M. habe mit
ihr ein Gespräch geführt, in dem er die Diagnose mitgeteilt habe. Auf ihre Frage, wie viel Zeit der Versicherte noch zu leben
habe, habe Dr. M. gesagt, dies sei schwierig zu beurteilen. Es könnten Tage, Wochen oder Monate sein. Da sie nicht geglaubt
habe, dass es so schnell zu Ende gehe, sei sie dann am 28. März nach B-Stadt zur Arbeit gefahren. Sie hätten sich geeinigt,
Ostern zusammen zu verbringen. Deshalb sei sie am 5. April nach Tschechien gefahren. Ihr Mann sei völlig überraschend für
sie nicht ansprechbar gewesen und am nächsten Tag gestorben. Aufgrund der Schwierigkeiten, die nötigen Unterlagen zu besorgen,
sei seit Herbst 2006 geplant gewesen, in Deutschland zu heiraten. Die Hochzeit sei in kleinem Rahmen zuhause gefeiert worden.
Die Zeugin S. hat angegeben, sie sei mit der Klägerin und dem Versicherten gut nachbarschaftlich bekannt gewesen. Sie habe
den Versicherten einige Tage vor der Hochzeit gesehen. Ihr sei nichts Besonderes an ihm aufgefallen. Die Hochzeit sei in Tschechien
geplant gewesen. Die Eheleute hätten dann aber erzählt, es sei zu kompliziert mit der Abwicklung der Papiere. Sie hätten dann
deshalb die Pläne geändert und in Deutschland geheiratet. Der Zeuge G. hat erklärt, er habe den Versicherten ca. 14 Tage vor
seinem Tod gesehen. Er habe nicht gewusst, dass der Versicherte an einer Krebserkrankung leide. Er sei schon lange krank gewesen.
14 Tage vor seinem Tod sei ihm nichts besonderes am Versicherten aufgefallen. Der Versicherte habe ihm schon jahrelang erzählt,
dass er Heiratsabsichten habe. Er könne aber nicht mehr genau sagen, ob er von konkreten Heiratsvorbereitungen gesprochen
oder nur allgemein von dieser Absicht erzählt habe.
Die Standesbeamtin B. der Gemeinde A-Stadt hat auf Anfrage des SG mitgeteilt, dass die Anmeldung zur Eheschließung von ihr am 19. März 2007 entgegen genommen worden sei.
Nach der eidesstattlichen Erklärung der Frau J. T. hat sie mit dem Versicherten Anfang des Sommers 2006 über die geplante
Hochzeit mit der Klägerin gesprochen. Der Versicherte und die Klägerin hätten vorgehabt, in dem Gemeindeamt in B. die Ehe
miteinander zu schließen und ein Hochzeitsessen in dem hiesigen Hotel R. zu veranstalten. Da Eheschließungen in B. nicht möglich
seien, habe sie dem Versicherten empfohlen, sich an das städtische Amt in J. zu wenden. Dort habe sich der Versicherte dann
auch informiert und die notwendigen Unterlagen abgeholt. Im Herbst 2006 habe sie mit dem Versicherten noch mal über dieses
Thema gesprochen. Er habe erklärt, es sei leider nicht möglich, seine Pläne zu realisieren und die Hochzeit in Tschechien
zu veranstalten. Die tschechischen Behörden würden eine erhebliche Menge an Schriftstücken verlangen, deren Beschaffung sehr
kompliziert sei und er werde somit die Hochzeit doch in Deutschland organisieren müssen. Dies habe dem Versicherten sehr leid
getan, denn der Versicherte und die Klägerin hätten in Tschechien viele Freunde gehabt und die Hochzeit wäre auch finanziell
günstiger gewesen.
Der Magistrat der Stadt J. hat mitgeteilt, dass keine Notizen oder Unterlagen aufbewahrt werden würden, falls lediglich Informationen
über eine Eheschließung eingeholt worden seien. Eine Eheschließung des Versicherten und der Klägerin habe in J. nicht stattgefunden.
Der von der Klägerin benannte Zeuge W. S. hat ausgesagt, er sei bei der Eheschließung am 19. März 2007 anwesend gewesen. Der
Versicherte habe bei der Eheschließung wie immer ausgesehen. Ihm sei bekannt gewesen, dass der Versicherte eine Sozialrente
habe, denn dieser habe seit Jahren unter Kreislaufkrankheiten und Krankheiten mit rheumatischem Ursprung gelitten. Ihm sei
nicht bekannt, ob die Klägerin von der Krebserkrankung des Versicherten Kenntnis hatte. Die Zeugin D. S. hat erklärt, sie
sei bei der Eheschließung ebenfalls anwesend gewesen. Sie habe keine Kenntnis über die Gesundheit des Versicherten gehabt
und ob die Klägerin von der Krankheit des Versicherten gewusst habe. Sie spreche kein Deutsch und sei zu Besuch bei ihrem
Mann gewesen. Sie habe von ihrem Mann nur gewusst, dass der Versicherte seit Jahren eine Invalidenrente bezogen habe.
Das SG hat von Dr. B. die dort über den Versicherten vorliegenden medizinischen Unterlagen beigezogen.
In der mündlichen Verhandlung am 11. Februar 2011 hat das SG die Standesbeamtin B. uneidlich einvernommen. Die Zeugin hat angegeben, bei der Trauung habe sie beim Versicherten eine auffällige
gelbe Gesichtsfarbe registriert. Davon abgesehen sei es eine normale Trauung gewesen. Die Anmeldung zur Eheschließung sei
einen Tag vor der Hochzeit durch die Klägerin erfolgt.
Mit Urteil vom selben Tag hat das SG die Klage abgewiesen. Das SG sei nicht überzeugt, dass die Versorgungsabsicht keine überwiegende Rolle bei der Eheschließung gespielt habe. Beim Versicherten
sei von einer überwiegenden Versorgungsabsicht auszugehen, da er Kenntnis von seiner lebensbedrohlichen Erkrankung gehabt
habe. Die überwiegenden Beweggründe der Klägerin hätten nicht abschließend geklärt werden können. Es gebe zahlreiche Momente,
die gegen eine überwiegende Versorgungsabsicht sprächen, jedoch mindestens ebenso viele, die für eine solche sprechen würden.
Der Klägerin sei bei der Eheschließung jedenfalls klar gewesen, dass sich eine ernsthafte Veränderung im Gesundheitszustand
des Versicherten ergeben habe (zunehmende Müdigkeit, gelbe Hautfärbung beim Kläger, Angabe, über die Diagnose beim ersten
Krankenhausaufenthalt nicht sprechen zu wollen). Die schriftlichen Angaben des Ehepaares S. seien nicht glaubwürdig, da die
Standesbeamtin und Zeugin B. sich an eine gelbe Hautfarbe erinnert habe. Die Heirat am 20. März 2007 sei ein sehr spontaner
Entschluss gewesen und habe nicht den seit Herbst 2006 laufenden Planungen für eine Hochzeit in Deutschland entsprochen. Zu
einem konkreten Hochzeitstermin und der tatsächlichen Trauung sei es erst gekommen, nachdem die Diagnose gestellt worden sei.
Auch die kurze Zeitspanne zwischen Trauung und Tod spreche für eine Versorgungsehe. Die objektive Beweislast für die Annahme,
es sei nicht der überwiegende Zweck der Heirat gewesen, einen Witwenrentenanspruch zu begründen, treffe die Klägerin. Von
dem Vorliegen der Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung sei das SG jedoch nicht überzeugt.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und vorgetragen, es sprächen mehr Anhaltspunkte gegen eine überwiegende Versorgungsabsicht
als für eine solche. Auch seien die festgestellten inneren Umstände zu berücksichtigen. Die Klägerin und der Versicherte hätten
eine langjährige Lebens- und Einstandsgemeinschaft geführt. Der Versicherte habe seit vielen Jahren eine Rente wegen voller
Erwerbsminderung bezogen. Daher sei für die Klägerin keine Veränderung seines ohnehin schon immer beeinträchtigten Gesundheitszustandes
erkennbar gewesen. Auch sei die Klägerin bei der Diagnoseeröffnung in der Klinik in K. nicht anwesend gewesen. Die subjektiven
Motive der Klägerin für die Eheschließung seien nicht ausreichend gewürdigt worden. Die Klägerin habe den Versicherten nämlich
aus Liebe geheiratet und habe die langjährige Beziehung auch formell besiegeln wollen.
In der mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2013 vor dem Senat hat die Klägerin u.a. erklärt, sie habe ihren Ehemann sehr
geliebt. Dieser sei in der Vergangenheit häufig krank gewesen. Er sei 2001 und 2002 jeweils wegen Gefäßkomplikationen im Krankenhaus
gewesen. Die Anmeldung zur Eheschließung sei vom Eintreffen einer Abstammungsurkunde aus M. (W.) abhängig gewesen. Die Eheschließung
sei in Deutschland im kleineren Kreis erfolgt, da die für Tschechien geplante größere Feier in Deutschland zu teuer gewesen
wäre.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8.
August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Februar 2008 zu verurteilen, ihr antragsgemäß Witwenrente zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 8. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 20. Februar 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Gewährung von großer Witwenrente gemäß §
46 Abs.
1,
2 Nr.
2 Sechstes Buch des Sozialgesetzbuchs (
SGB VI). Einem Anspruch auf Gewährung der großen Witwenrente steht §
46 Abs.
2a SGB VI entgegen. Danach haben Witwen keinen Anspruch auf Witwenrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei
denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende
Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Angesichts der Hochzeit am 20. März 2007 und dem Tod des Versicherten am 6. April 2007 liegt nur eine kurze Ehedauer i.S.d.
§
46 Abs.
2a SGB VI vor. Eine Rentengewährung kommt damit nur in Betracht, wenn die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe widerlegt ist. Dies
ist nach Auffassung des Senats nicht der Fall.
§
46 Abs.
2a SGB VI enthält eine gesetzliche Vermutung, mit der unterstellt wird, dass beim Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach
der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung war. Diese gesetzliche Vermutung ist allerdings widerlegbar.
Die Widerlegung der Rechtsvermutung erfordert nach §§
202 Sozialgerichtsgesetz (
SGG), 292
Zivilprozessordnung (
ZPO) den vollen Beweis des Gegenteils (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 1, §
46 SGB VI RdNr. 46b, m.w.N.).
Die gesetzliche Vermutung ist widerlegt, wenn Umstände vorliegen, die trotz kurzer Ehedauer nicht auf eine Versorgungsehe
schließen lassen. Besondere Umstände sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles, die nicht schon von der Vermutung
selbst erfasst und geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen (BSGE 25, 272). Es sind vor allem solche Umstände von Bedeutung, die auf einen von einer Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund schließen
lassen. Hierbei hat eine Gesamtwürdigung aller Umstände zu erfolgen. Dabei kommt es auf die (ggf. auch voneinander abweichenden)
Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 13 R 55/08 R = BSGE 103, 99 - 106). Es reicht grundsätzlich aus, wenn für einen Ehegatten die Versorgungsabsicht keine Rolle spielte, gleich, ob dies
der Versicherte oder der überlebende Ehegatte war (Kasseler Kommentar, a.a.O., Rdnr. 46c). Die Annahme einer anspruchsausschließenden
Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung
und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe
insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Besondere Umstände, die die Vermutung
einer Versorgungsehe zu widerlegen vermögen, können nur solche sein, die eindeutig darauf schließen lassen, dass die Ehe nicht
zumindest überwiegend aus Gründen der Versorgung geschlossen wurde. Die Darlegung allgemeiner, bei einer Heirat regelmäßig
mitentscheidender Gesichtspunkte wie der Wunsch, nicht mehr allein sein zu wollen, und die Absicht, eine Lebensgemeinschaft
auf Dauer zu begründen oder die Anmietung einer entsprechenden Wohnung rechtfertigt nicht die Annahme besonderer Umstände
im Sinne des Gesetzes (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.1.1972, L 8 V 202/71 - zu § 38 Abs. 2 BVG -).
Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 5. Mai 2009 klargestellt, dass dem Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung
eine gewichtige Bedeutung zukommt. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer äußerer Umstand
ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, hinsichtlich dessen bisher kein gesundheitliches Risiko eines
bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt eingetreten ist. Hingegen ist bei Heirat eines zum Zeitpunkt der Eheschließung
offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidenden Versicherten in der Regel der Ausnahmetatbestand des §
46 Abs.
2a SGB VI nicht erfüllt. Zwar ist bei einer schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis
der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet zumindest gleichwertig aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet
worden ist. Mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit steigt jedoch der Grad
des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die zu einer Widerlegung
der gesetzlichen Vermutung führen (BSG, a.a.O).
Der Versicherte wurde am 1. März 2007 zur stationären Behandlung im Krankenhaus K. aufgenommen. Bei ihm wurde ein diffus wachsendes
hepatozelluläres Karzinom des rechten Lappens mit Invasion in die umliegenden Strukturen, Metastasen im Leber-Parenchym, Leberhilus-
und mediastinalen Ganglien diagnostiziert. Der Versicherte wurde dort über seine Diagnose informiert. Zum Zeitpunkt der Eheschließung
drei Wochen später war ihm damit bekannt, dass er an einer lebensbedrohlichen Krankheit leidet, die ein erhebliches Risiko
für ein baldiges Ableben in sich birgt.
Nach Auffassung des Senats kann auch nicht die Rede davon sein, dass das Ableben des Versicherten rund 2 Wochen nach der Eheschließung
für die Klägerin ein unerwartetes Ereignis war. Nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen war der Versicherte zum Zeitpunkt
der Hochzeit bereits auch für Dritte erkennbar hochgradig multimorbide. Ausweislich des Befundberichts vom 6. März 2007 erfolgte
die Aufnahme, weil der Versicherte sich nicht gut fühlte, gelb geworden sei, ca. 10 kg abgenommen habe und unter dyspeptischen
Beschwerden litt. Der Versicherte hatte also erheblich an Gewicht verloren und litt unter einer auch für Dritte deutlich erkennbaren
Gelbfärbung der Haut (Ikterus). Dies ergibt sich für den Senat nicht nur aus dem Befundbericht des Krankenhauses K., sondern
auch aus den Angaben der Standesbeamtin B ... Auch auf dem Hochzeitsfoto lässt sich eine Gelbfärbung der Haut erkennen. Die
entgegenstehenden schriftlichen Angaben des Ehepaars S. sind angesichts dessen auch für den Senat nicht plausibel. Zwar hatte
der Versicherte auch vor Auftreten der Krebserkrankung eine Reihe von Gesundheitsstörungen insbesondere in Bezug auf das Herz-Kreislaufsystem.
Diese unterscheiden sich aber in ihren Auswirkungen deutlich von den oben wiedergegebenen Anzeichen eines Leberkarzinoms,
führen insbesondere nicht zu einer Gelbfärbung der Haut.
Die Behauptung der Klägerin, über die Diagnose von ihrem Ehemann nicht informiert worden zu sein, ist für den Senat darüber
hinaus ebenfalls nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zutreffend. Die angegebenen Zeugen konnten zum Kenntnisstand
der Klägerin keine Angaben machen. Ein nachvollziehbarer Grund für das Verschweigen eines derart bedeutsamen Umstands durch
den Versicherten gegenüber der Klägerin, mit der er seit vielen Jahren in einer eheähnlichen Beziehung lebte, ist gerade im
Hinblick auf den Entschluss des Versicherten, die Klägerin zu heiraten, nicht ersichtlich. In Bezug auf den Zeitpunkt der
Kenntniserlangung hat die Klägerin darüber hinaus widersprüchliche Angaben abgegeben. Im Rahmen des Schriftsatzes zum SG vom 4. Juli 2008 wurde für die Klägerin geltend gemacht, sie habe bis zum völlig überraschenden Versterben ihres Ehemanns
am 6. April 2007 in keiner Weise über dessen tatsächlichen Gesundheitszustand Bescheid gewusst. In der mündlichen Verhandlung
am 23. September 2009 beim SG hat die Klägerin dann aber erklärt, sie habe von der Krebserkrankung des Versicherten erfahren, als er das zweite Mal im
Krankenhaus in Tschechien aufgenommen worden sei, das müsse der 28. März 2007 gewesen sein. Die Glaubwürdigkeit der Angaben
der Klägerin werden durch derartige Unstimmigkeiten erschüttert.
Die von der Klägerin vorgetragenen weiteren (äußeren und inneren) Umstände, die ausschlaggebend für die Hochzeit gewesen sein
sollen, können den Senat nicht mit der dafür erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit davon überzeugen,
dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe beider Ehegatten insgesamt gesehen zumindest gleichwertig sind.
Ein besonderer, gegen eine Versorgungsehe sprechender Umstand liegt nicht darin, dass die Klägerin und der Versicherte schon
seit 28 Jahren ununterbrochen in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt haben. Dieser Umstand spricht nach Auffassung des Senats
vielmehr eher umgekehrt dafür, dass alleiniger oder überwiegender Zweck der Ehe war, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen.
Denn einem langjährigen Zusammenleben "ohne Trauschein" liegt die langjährige bewusste Entscheidung zu Grunde, eben nicht
zu heiraten und damit nicht den vielfältigen gesetzlichen Regelungen, die für Eheleute gelten, zu unterliegen. Auch die geltend
gemachte Liebe zwischen den Beteiligten ist kein durchschlagender gegen die Versorgungsehe sprechender Grund. Die zwischen
den Beteiligten vorliegende Liebe war fast 28 Jahre kein ausreichender Grund für den Versicherten und die Klägerin, den Bund
der Ehe einzugehen. Es ist nicht ersichtlich, warum dieser innere Umstand rund 2 Wochen vor dem Ableben des Versicherten und
nach Auftreten einer lebensbedrohlichen Erkrankung plötzlich ein derartiges Gewicht haben sollte.
Auch in den geltend gemachten langjährigen Heiratsabsichten kann der Senat keinen besonderen Umstand erkennen, der zu einer
Widerlegung der Versorgungsvermutung führen würde. Die Klägerin hat im Rentenverfahren erklärt, schon vor Jahren hätten Heiratsabsichten
bestanden. Langjährige Heiratsabsichten können nur dann die Vermutung der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend
konkret sind und sich als die konsequente Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht
darstellen (Bayer. Landessozialgericht, Urteil vom 23. Juli 2003, L 2 U 360/01). Von einer konsequenten Verwirklichung von langjährigen Heiratsplänen kann hier nicht die Rede sein. Von der Klägerin wurde
kein überzeugender Grund dafür genannt, warum der Versicherte und die Klägerin angesichts einer seit bereits vielen Jahren
bestehenden Heiratsabsicht nicht bereits deutlich früher geheiratet haben. Auch die im Jahr 2006 stattgehabten Bemühungen
des Versicherten um eine Hochzeit in Tschechien waren in keiner Weise konsequent. Zwar ist es für den Senat nachvollziehbar,
dass von den Heiratsabsichten in Tschechien Abstand genommen wurde, als die damit verbundenen Schwierigkeiten zu Tage getreten
sind. Warum aber dann nicht unverzüglich in Deutschland geheiratet worden ist, ist nicht erklärlich. Gerade die Tatsache,
dass nach Auftreten der lebensbedrohlichen Krebserkrankung sehr schnell mit einer Vorlaufzeit von nur einem Tag und ohne Durchführung
einer nennenswerten Hochzeitsfeier vom Versicherten und der Klägerin die Ehe geschlossen worden ist, lässt die vom Gesetzgeber
grundsätzlich unterstellte Vermutung als sehr viel näher liegend erscheinen, dass die Ehe "im Angesicht des nahenden Todes"
noch schnell geschlossen worden ist, damit die langjährige Lebenspartnerin zumindest eine Versorgung erhält. Der Umstand,
dass eine Hochzeitsfeier in Deutschland teurer ist als in Tschechien, kann nicht plausibel erklären, dass eine solche praktisch
überhaupt nicht stattgefunden hat. Angesichts der vorgetragenen langjährigen Heiratsabsichten ist auch nicht erklärlich, dass
die noch fehlende Abstammungsurkunde von einer deutschen Behörde nicht bereits wesentlich früher beschafft worden ist. Schließlich
ist ein Erwerb der Eheringe vor dem Auftreten der Krebserkrankung nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit
nachgewiesen. Hiergegen spricht die Verwendung des Quittungsblocks mit dem Aufdruck 4/2007 bei einer Unterschrift am 19. Januar
2007.
Im Übrigen weist der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück und sieht insoweit von einer
weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§
153 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz -
SGG).
Die Kostenentscheidung (§
193 SGG) beruht auf dem Umstand, dass die Klägerin auch in zweiter Instanz erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. §
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.