Kein Anspruch auf Feststellung der Rechtmäßigkeit isolierter behördlicher Ermittlungshandlungen einschließlich ärztlicher
Begutachtung (hier: Gesundheitsfragebogen)
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Umstände einer amtsärztlichen Untersuchung.
Der 1960 geborene Kläger bezieht- zusammen mit seiner Ehefrau und der gemeinsamen 1995 geborenen Tochter - seit Ende 2010
Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Vor dem Zuzug bezogen sie zusammen laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Jobcenter Landshut.
Mit Schreiben vom 05.06.2011 lud der Beklagte den Kläger zu einer Untersuchung zum ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit
am 18.07.2011 ein. Der Kläger erschien zur amtsärztlichen Untersuchung.
Noch am selben Tag erhob er Klage zum Sozialgericht München. Bei der Untersuchung habe sich folgendes ereignet:
Der stellvertretende Geschäftsführer des Beklagten habe sich im Untersuchungsraum aufgehalten und dieses erst nach energischer
Aufforderung von Seiten des Klägers verlassen. Die untersuchende Ärztin habe ihm erst nach Aufforderung Informationen zur
Untersuchung gegeben. Er habe die Ärztin darauf hingewiesen, dass er bei körperlicher Berührung Strafanzeige wegen Körperverletzung,
sexueller Belästigung und lügenhafter falscher Attestierung stellen werde. Er habe auf die Freiwilligkeit seiner Angaben im
Gesundheitsfragebogen verwiesen. Eine Verpflichtung zum Ausfüllen des Fragebogens im Eingliederungsverwaltungsakt sei schlicht
eine Erpressung im Amt. Er selbst habe niemals darauf hingewiesen, voll erwerbsunfähig zu sein. Die Ärztin habe völlig zusammenhangslos
eine psychologische Untersuchung veranlassen wollen. Aufgrund purer Willkür von Seiten des Beklagten sei die Zumutbarkeitsgrenze
deutlich überschritten.
Der Kläger beantragte dem Beklagten die Unkosten des Klägers aufzuerlegen, festzustellen und zu überprüfen, inwieweit Rechtsmissbrauch,
Willkür und Verstöße gegen den Datenschutz vorsätzlich begangen wurden und festzustellen und zu überprüfen, inwieweit hier
der Tatbestand der Erpressung gegeben sei und gegebenenfalls die Klage dem Verwaltungsgericht vorzulegen.
Der Beklagte schilderte den Ablauf der Untersuchung aus seiner Sicht. Der Kläger sei von seiner Ehefrau begleitet worden.
Der stellvertretende Geschäftsführer sei anfänglich nur wegen eventueller verwaltungsrechtlicher Vorfragen anwesend gewesen.
Es habe die Polizei geholt werden müssen, weil der Kläger die Feststellung seiner Personalien verweigert habe. Der Kläger
habe auch das Ausfüllen des Gesundheitsfragebogens verweigert. Eine daraus resultierende Sanktion aus dem Eingliederungsverwaltungsakt
sei anschließend wieder aufgehoben worden. Die Fahrtkosten zur Untersuchung seien im Voraus und in voller beantragter Höhe
an den Kläger gezahlt worden.
Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22.11.2011 ab. Die Klage sei unzulässig. Die Anträge des Klägers
würden sich nicht auf ein konkretes sozialrechtliches Rechtsverhältnis nach §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG beziehen. Eine allgemeine Kontrolle sei in der Sozialgerichtsbarkeit nicht vorgesehen.
Der Kläger hat am 02.12.2011 Berufung eingelegt und sich lediglich auf seine Klageschrift bezogen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 22. November 2011, S 51 AS 2327/11, aufzuheben und festzustellen und zu überprüfen, inwieweit Rechtsmissbrauch, Willkür und Verstöße gegen den Datenschutz vorsätzlich
begangen wurden und festzustellen und zu überprüfen, inwieweit hier der Tatbestand der Erpressung gegeben sei und gegebenenfalls
die Klage dem Verwaltungsgericht vorzulegen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akte des Sozialgerichts und die Akte des Berufungsgerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.
Streitgegenstand sind die beiden Anträge des Klägers. Der weitere erstinstanzliche Antrag des Klägers, dem Beklagten die Unkosten
des Klägers aufzuerlegen, hat keinen Bezug zu der Untersuchung und wäre angesichts der bereits erfolgten Übernahme der Fahrtkosten
sinnfrei. Er ist daher als Antrag gemäß §
193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zu verstehen.
1. Die Prüfung, inwieweit in Zusammenhang mit der ärztlichen Untersuchung vom 18.07.2011 Rechtsmissbrauch, Willkür und Verstöße
gegen den Datenschutz vorliegen, ist vom Sozialgericht zu Recht als unzulässige Klage eingestuft worden. Eine allgemeine gerichtliche
Überprüfung von Amtshandlungen ist vom Gesetz - insbesondere im
Sozialgerichtsgesetz - nicht vorgesehen.
Eine Klageart nach §
54 SGG ist nicht einschlägig. Die hier allein denkbare Feststellungsklage nach §
55 Abs.
1 Nr.
1 SGG ist in der vom Kläger erhobenen allgemeinen Form ebenfalls unzulässig. Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn konkrete
Rechte in Anspruch genommen oder bestritten werden (vgl. Meyer-Ladewig,
Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, §
55 Rn. 5). Der Kläger fühlt sich lediglich allgemein ungerecht behandelt und will diese vermeintliche Ungerechtigkeit vom Sozialgericht
bestätigt sehen. Hierfür ist die Feststellungsklage nicht zulässig. Anzumerken ist ergänzend, dass für ein Fehlverhalten des
Beklagten anlässlich der Untersuchung keinerlei Anhaltspunkte vorliegen. Zum Ausfüllen des Gesundheitsfragebogens wird auf
den nachfolgenden Streitgegenstand verwiesen. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass sich bei der Untersuchung allein der
Kläger ungebührlich verhalten und auch seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllt hat.
2. Der Antrag, zu prüfen, inwieweit bei der ärztlichen Untersuchung vom 18.07.2011 der Tatbestand der Erpressung gegeben sei,
hat das Sozialgericht zu Recht als unzulässig abgewiesen. Das Sozialgericht ist nicht die Staatsanwaltschaft. Anzumerken ist,
dass der Kläger offenkundig den Maßstab strafbaren Verhaltens verkennt. Seine Mitwirkung an der ärztlichen Untersuchung -
auch das Ausfüllen des Gesundheitsfragebogens - ist durch §§
60 ff
SGB I angeordnet. Auf seine Verweigerung der Mitwirkung kann der Beklagte mit einer Versagung von Arbeitslosengeld II reagieren.
Für eine Erpressung von Seiten des Beklagten gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SG ersichtlich sind.