Anspruch auf Sozialhilfe; Erstattungsanspruch des örtlichen Sozialhilfeträgers gegenüber dem überörtlichen Sozialhilfeträger;
Beiladung des Hilfebedürftigen im Erstattungsstreit
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin oder der Beklagte für die Erbringung von Leistungen der Sozialhilfe
an Herrn L. F. (F.) zuständig ist und ob der Klägerin gegenüber dem Beklagten ein Erstattungsanspruch hinsichtlich der an
F. gewährten Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zusteht.
F. leidet unter Multipler Sklerose in fortgeschrittenem Stadium mit Dysarthrie (Sprachkoordinationsstörung mit unverständlicher
Sprache bis auf einsilbige Wörter). Er ist schwerst pflegebedürftig und in allen Dingen des Lebens auf fremde Hilfe angewiesen.
Hierfür reicht seine Rente in Höhe von 725,96 EUR monatlich bei einer Warmmiete von 378,67 EUR pro Monat nicht aus. Er bezog
von der Klägerin Wohngeld in Höhe von 90,00 EUR monatlich und Hilfe zur Pflege. Die Pflege erfolgt ambulant im betreuten Wohnen.
Daneben wurde in unterschiedlichem Umfang (zunächst 3 Tage, zuletzt 1 Tag pro Woche) Tagespflege in einer teilstationären
Einrichtung in Anspruch genommen. Der tägliche Pflegeaufwand beträgt ca. 9 Stunden. Neben der Hilfe zur Pflege werden seit
Februar 2007 Betreuungs- und Assistenzleistungen erbracht, z.B. Spaziergänge, Einkaufsbummel, Besuche von Veranstaltungen,
Gaststättenbesuche, Behördengänge, Vorlesen u.a. Hierfür wurde der staatlich anerkannte Erzieher M. S. durch die Betreuerin
des Hilfeempfängers vertraglich verpflichtet. Das Gesundheitsamt der Klägerin hat am 21.08.2007 zu dem Bedarf des F. an Leistungen
der Eingliederungshilfe Stellung genommen. Es seien zusätzlich zur häuslichen 24-Std.-Pflege 52 Stunden ambulanter Betreuung
und 8 Stunden monatlich an koordinativen Leistungen durch den betreuenden staatlich anerkannten Erzieher aufgrund der bekannten
Persönlichkeitsstörung (seelischen Behinderung) des Hilfeempfängers erforderlich.
Mit Bescheid vom 19.09.2007 bewilligte die Klägerin dem F. Eingliederungshilfe im Rahmen des betreuten Wohnens für maximal
52 Stunden ambulanter Betreuung monatlich sowie weitere 8 Stunden, beides zusätzlich zu der bereits bewilligten 24-Stunden-Betreuung.
Hierbei wurde der Hilfebedürftige nach dem so genannten Arbeitgebermodell durch von ihm beauftragte Pflegekräfte versorgt.
Ab April 2008 wurde statt eines Sozialpädagogen eine gerontopsychiatrisch ausgebildete Pflegekraft verpflichtet, um die Leistungen
der Eingliederungshilfe zu erbringen.
Ab April 2008 erfolgte die Versorgung des F. im Rahmen eines persönlichen trägerübergreifenden Budgets unter Einbeziehung
des Krankenversicherungsträgers.
Nach Auffassung der Klägerin handelt es sich bei diesen Betreuungs- und Assistenzleistungen um Eingliederungshilfe, wohingegen
der Beklagte davon ausgeht, dass es sich dabei um aktivierende Pflege handele.
Bis zum 31.12.2007 erbrachte die Klägerin für F. Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII in eigener Zuständigkeit. Daneben gewährte der Beklagte seit 01.01.2005 teilstationäre Hilfe zur Pflege (Tagespflege bis
zu 3 Tage wöchentlich in der Sozialstation "helfende Hände"). Seit 01.01.2008 ist nach klägerischer Auffassung der Beklagte
aufgrund der Neufassung des Art. 82 AGSG für alle Leistungen nach dem 6. Kapitel SGB XII zuständig und somit auch für sämtliche an F. erbrachten Leistungen.
Mit Schreiben vom 14.03.2008, 09.04.2008 und 18.08.2008 lehnte der Beklagte seine Zuständigkeit ab. Nach Meinung des Beklagten
handele es sich bei den für F. erbrachten Leistungen nicht um Eingliederungshilfe, sondern ausschließlich um Hilfe zur Pflege.
Aufgrund des hohen Unterstützungsbedarfes in der Behandlungs- und Grundpflege stehe bei F. eindeutig die Pflege im Vordergrund.
Ein darüber hinausgehender bedeutsamer Bedarf an Eingliederungshilfe könne daher nicht festgestellt werden.
Mit Schreiben vom 31.03.2008 und 20.05.2008 stellte die Klägerin ihre abweichende rechtliche Beurteilung dar; insbesondere
wies sie auf den gesetzgeberischen Willen hin, wonach die Hilfe aus einer Hand per Änderung des Art. 82 des Gesetzes zur Ausführung
des Sozialgesetzes, GVBl Nr. 26 vom 08.12.2006, S. 942 in der Fassung des zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung
der Sozialgesetze, GVBl Nr. 29 vom 27.12.2007, S. 979 (AGSG) im Vordergrund stand. Tätigkeiten und Hilfestellungen für F.
seien in nicht unerheblichem Umfang der Eingliederungshilfe zuzuordnen.
Unter dem 18.03.2009 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Sie hat die Klage insbesondere damit begründet, dass Hilfe zur Pflege in jedem Falle einen pflegerischen Bezug
der Verrichtung erfordere; gehe es ausschließlich um eine Maßnahme der allgemeinen Unterhaltung und Zerstreuung, den im gleichen
Umfang auch gesunde Leistungsempfänger haben, seien nicht die §§ 61 ff SGB XII, sondern vielmehr die Eingliederungshilfe gemäß § 54 ff SGB XII einschlägig.
Der Beklagte hat ausgeführt, dass nicht die Milderung der Behinderung oder die Eingliederung in die Gesellschaft als Leistungen
für F. im Vordergrund stehen, sondern vielmehr die Hilfe zur Pflege. Es seien auch keine weitergehenden Ziele der Eingliederungshilfe
mehr erreichbar, als sie mit Maßnahme der aktivierenden Pflege nicht auch erreicht werden könnten. Zudem könne keine Eingliederungshilfe
vorliegen, wenn eine Besserung des Zustandes unerreichbar sei. Zudem müsse auf den Schwerpunkt der Maßnahmen abgezielt werden,
so dass im vorliegenden Fall eindeutig Hilfe zur Pflege geleistet werde.
Mit Urteil vom 24.03.2010 hat das SG den Beklagten verpflichtet, der Klägerin die für den Zeitraum ab 01.01.2008 bis zur rechtskräftigen Entscheidung für F. gewährten
Leistungen nach dem SGB XII zu erstatten und ab 01.07.2008 in Höhe von 4 v. H. zu verzinsen. Des Weiteren hat es den Beklagten verpflichtet, ab Rechtskraft
der Entscheidung die Leistungen nach dem SGB XII für F. in eigener Zuständigkeit zu erbringen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er macht weiterhin geltend, der Hilfeempfänger erhalte nicht Eingliederungshilfe,
sondern Hilfe zur Pflege. Auch habe sich sein Zustand verschlechtert, so dass davon auszugehen sei, dass die Pflege im Verhältnis
zu anderen Betreuungs- und Assistenzleistungen an Gewicht gewonnen habe. Die vom Sozialgericht zugrunde gelegten Aktivitäten
seien der aktivierenden Pflege zuzuordnen und ein Bedarf an Eingliederungshilfe sei nicht nachgewiesen beziehungsweise spezifiziert.
Zur Hilfe zur Pflege gehöre auch die psychosoziale Betreuung. Außerdem bezweifelt die Beklagte, dass der Hilfeempfänger am
betreuten Wohnen teilnehme. Das sei nur der Fall, wenn der Hilfeempfänger die wichtigsten Alltagsverrichtungen allenfalls
mit sporadischer Unterstützung und ansonsten selbstständig vornehmen könne. Außerdem sei aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
zu folgern, dass betreutes Wohnen nicht vorliege, wenn vorliegend medizinische oder pflegerische Betreuung erfolge.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei § 108 SGB X nicht auf Erstattungsansprüche zwischen Sozialhilfeträgern anwendbar. Das SG habe daher zu.U.nrecht Verzugszinsen zugesprochen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.03.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.03.2010 zurückzuweisen.
Der Beklagte ziehe aus den zitierten Urteilen die falschen Schlussfolgerungen. Vielmehr sei es so, dass das Landessozialgericht
Baden-Württemberg die vom Beklagten zitierten Anforderungen ausdrücklich bezweifle und die Auffassung der Klägerin vertrete.
Auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts trage nicht die Auffassung des Beklagten. Hauptziel und vorrangiger Zweck
der Maßnahme sei nämlich die Erhaltung und Förderung der Selbstbestimmung des Hilfeempfängers und seine Teilhabe am Leben
in der Gemeinschaft. Es treffe nicht zu, dass ein pflegerischer Bedarf die Möglichkeit des betreuten Wohnens ausschließe.
Der Senat hat die Sozialhilfeakten der Klägerin beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen
Akten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Soweit das SG den Beklagten verpflichtet hat, ab Rechtskraft der Entscheidung die Leistungen nach dem SGB XII für F. in eigener Zuständigkeit zu erbringen und die zu erstattenden Leistungen ab 01.07.2008 in Höhe von 4 v. H. zu verzinsen,
ist das Urteil vom 24.03.2010 gegenstandslos, denn die Klägerin hat insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2013
ihre Klage zurückgenommen.
Einer Beiladung des F. bedurfte es nicht. Einer Beiladung der Versicherten bedarf es im Rahmen eines Erstattungsstreits nach
dem SGB X nicht, wenn sie ihre Leistungen erhalten haben und sie diese weder nochmals fordern können noch in Betracht kommt, dass sie
deren Wert zu erstatten haben (BSG vom 10.05.2005, B 1 KR 20/04 R). Das ist hier der Fall. Die Rechte des F. werden durch den Erstattungsstreit nicht berührt (vgl. dazu allgemein auch Becker,
SGb 2011, 84 ff).
Soweit das Urteil vom 24.03.2010 nicht gegenstandslos geworden ist, ist die Berufung nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Beklagten verpflichtet, der Klägerin die für F. gewährten Leistungen nach dem SGB XII zu erstatten.
Die auf Verpflichtung zur Kostenerstattung nur dem Grunde nach gerichtete Klage war in Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz,
dass Erstattungsansprüche im Wege der Leistungsklage geltend zu machen sind, statthaft und zulässig, denn bei öffentlichen
Trägern, die der Gesetzbindung der Verwaltung unterliegen, kann davon ausgegangen werden, dass sie ein rechtskräftiges Urteil
befolgen und eine Vollstreckung der Entscheidung deshalb nicht erforderlich ist, so dass es unschädlich ist, dass der Urteilstenor
nicht vollstreckungsfähig ist, weil ohne weitere Ermittlungen nicht bestimmt werden kann, welchen Betrag der Beklagte schuldet
(vgl. BSG vom 02.07.1965, 5 RKn 20/63). Darüber hinaus ist der Beklagte, der allein Berufungsführer ist, nicht dadurch beschwert, dass das SG ihn nicht zur Zahlung eines bezifferten Geldbetrags verurteilt hat.
Die Klägerin hat nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X Anspruch auf Erstattung ihrer rechtmäßig an den Hilfeempfänger erbrachten Sozialhilfeleistungen. § 105 Abs. 1 SGB X ist auch auf Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialhilfeträgern anwendbar (BVerwG vom 02.06.2005, 5 C 30/04). Die gegenüber dem zweiten Abschnitt des dritten Kapitels des SGB X als speziellere Vorschriften vorrangig anzuwendenden §§ 106 bis 111 SGB XII sind für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Landesrechtliche Sonderregelungen nach § 112 SGB XII bestehen hinsichtlich des geltend gemachten Erstattungsanspruchs nicht. Ein Fall des § 102 SGB X liegt nicht vor, denn die Klägerin hat nicht vorläufig auf Grund gesetzlicher Vorschriften Leistungen an den Hilfeempfänger
erbracht, vielmehr ist im laufenden Leistungsfall aufgrund § 1 Nr. 4 a) und § 2 Abs. 1 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des
Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (GVBl Nr. 29 vom 27.12.2007, S. 979) zum 01.01.2008 ein Zuständigkeitswechsel eingetreten.
Mangels besonderer landesrechtlicher Übergangsvorschriften erfasst dieser Zuständigkeitswechsel auch laufende Leistungsfälle.
Zu Recht ist das SG zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagte allein gemäß Art. 82 Abs. 2 AGSG für die Erbringung von Leistungen nach dem SGB XII an den Hilfeempfänger F. zuständig ist. Dies ergibt sich sowohl aus der grammatikalischen als auch der teleologischen und
der historischen Auslegung dieser Vorschrift.
Nach dem Gesetzeswortlaut gilt § 97 Abs. 4 SGB XII entsprechend, wenn Eingliederungshilfe an Behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen im Sinn des § 53 Abs. 1 und 2 SGB XII durch Betreuung in einer Wohngemeinschaft oder in betreutem Einzelwohnen erbracht wird. Nach § 97 Abs. 4 SGB XII umfasst die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch die sachliche Zuständigkeit für Leistungen, die gleichzeitig
nach anderen Kapiteln zu erbringen sind, sowie für eine Leistung nach § 74 SGB XII. Da für stationäre Leistungen der überörtliche Träger zuständig ist, das heißt in Bayern der örtlich zuständige Bezirk (Art.
82 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AGSG i.V.m. Art. 81 Abs. 1 AGSG), erstreckt sich nach dem eindeutigen Wortsinn die Allzuständigkeit des
überörtlichen Trägers auch auf die Fälle, in denen Eingliederungshilfe an Behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen
in betreutem Einzelwohnen erbracht wird. Wie die Klägerin zu Recht ausführt, lässt sich dem Wortlaut keine Differenzierung
dahingehend entnehmen, es komme darauf an, welche Hilfeart den Schwerpunkt der Maßnahme darstellt.
Die teleologische Auslegung führt zu dem gleichen Ergebnis. Der Gesetzeszweck liegt offenbar darin, Zuständigkeitsstreitigkeiten
zu vermeiden und Leistungen aus einer Hand zur Verfügung zu stellen. Der Gesetzeszweck wäre infrage gestellt, wenn es darauf
ankäme, in welchem Umfang Leistungen der Eingliederungshilfe, der Hilfe zur Pflege, der sozialen Pflegeversicherung und gegebenenfalls
der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, um zu bestimmen, welcher Sozialhilfeträger für die Erbringung von Leistungen
nach dem SGB XII zuständig ist, zumal der anteilige Bedarf in Folge von Änderungen im Gesundheitszustand des Hilfebedürftigen zeitlich variieren
kann.
Auch die historische Auslegung rechtfertigt das gefundene Ergebnis. Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nach
der amtlichen Begründung zu dem Gesetzesentwurf der bayerischen Staatsregierung vom 10.09.2007 (Drucksache 15/8865, S. 12)
die Zuständigkeit für ausnahmslos alle Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung auf die Bezirke als
überörtliche Träger der Sozialhilfe übertragen werden sollte mit der Folge, dass die Bezirke neben ihrer Zuständigkeit für
die teilstationäre und stationäre auch die Zuständigkeit für die gesamte ambulante Eingliederungshilfe erhalten sollten. Hinsichtlich
der ursprünglich vorgesehenen Fassung des Art. 82 Abs. 2 AGSG wurde ausgeführt, die Änderung resultiere zum einen aus der
Neufassung von Abs. 1, zum anderen werde damit die bisher nur für seelisch Behinderte statuierte umfassende Zuständigkeit
der Bezirke auf körperlich und geistig Behinderte ausgedehnt, wenn diese in den genannten ambulanten Wohnformen betreut würden.
Eine weitere Ausdehnung erfahre die Vorschrift zudem durch den ersatzlosen Wegfall des bisherigen Satzes zwei, was bedeute,
dass die Zuständigkeit der Bezirke in den von Abs. 2 genannten Fällen auch die Leistungen der Grundsicherung einschließe.
Zudem werde auf das einschränkende Merkmal der "ambulanten psychiatrischen" Betreuung verzichtet. Hieraus geht in eindeutiger
Weise hervor, dass der hauptsächliche Regelungszweck darin bestand, für den Hilfeempfänger eine einheitliche Zuständigkeit
zu schaffen. Bei der Annahme des Gesetzes ist der Landtag auch dem Änderungsantrag vom 04.12.2007 (Drucksache 15/9458) gefolgt,
der aus dem ursprünglichen Gesetzeswortlaut die Worte "therapeutischen" und "vergleichbar intensiv" gestrichen hat, um Schwierigkeiten
beim Vollzug der Neufassung des Art. 82 Abs. 2 AGSG vorzubeugen. Die beiden gestrichenen Begrifflichkeiten seien zwar im Bereich
der Menschen mit seelischen Behinderungen hinreichend etabliert, im Bereich der Menschen mit geistigen oder körperlichen Behinderungen
aber bisher nicht. Um hier nicht unnötig Abgrenzungs- und Zuständigkeitsfragen aufzuwerfen, sollten diese Begriffe gestrichen
werden. Damit sei eine substantielle Ausdehnung der Sonderzuständigkeit der Bezirke nicht verbunden, denn von der Regelung
würden nur ambulante Wohnformen erfasst, in denen eine Betreuung erfolge. Das lässt erkennen, dass eine klare und eindeutige
Zuständigkeitsregelung gewünscht war, die keinen Anlass für Rechtsstreitigkeiten über ihre Auslegung bietet. Letzteres wäre
aber der Fall, wenn es darauf ankäme, welchen Anteil die Leistungen aus dem Bereich der Eingliederungshilfe gegenüber dem
sonstigen Bedarf des Hilfebedürftigen haben.
Die Voraussetzungen der im vorgenannten Sinn ausgelegten Rechtsgrundlagen liegen im Falle des F. zur vollen Überzeugung des
Senats vor. Zunächst ist festzuhalten, dass der F. im betreuten Wohnen Leistungen nach dem SGB XII erhalten hat. Zwar ist der Begriff "betreutes Wohnen" nicht durch den Normgeber definiert, seine Bedeutung ergibt sich jedoch
sowohl aus seinem Wortlaut als auch aus der gesellschaftlichen Realität, ohne dass hier Auslegungsschwierigkeiten bestünden.
Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 25.08.2011 (BSG vom 25.08.2011, B 8 SO 7/10 R) darlegt, sind ambulante betreute Wohnmöglichkeiten im Sinne des § 98 Abs. 5 SGB XII im Gesetz nicht näher definiert, die Auslegung hat sich allerdings an dem Verweis in § 54 Abs. 1 SGB XII an §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX (d.h. Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten) zu orientieren. Diese Rechtsprechung lässt sich jedoch
auf die landesrechtliche Norm des Art. 82 Abs. 2 AGSG nicht übertragen, da diese (unabhängig vom abweichenden Wortlaut) einen
anderen Regelungszweck verfolgt. Im Rahmen des § 98 Abs. 5 SGB XII geht es nämlich um den Schutz des für den Einrichtungsort zuständigen örtlichen Trägers, während die landesrechtliche Regelung
eine einheitliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers völlig unabhängig von der Regelung des § 98 Abs. 5 SGB XII bezweckt. Anknüpfungspunkt ist deshalb nicht das Vorhalten von spezialisierten Diensten der Eingliederungshilfe, sondern
das praktische Bedürfnis, möglichst Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden und dann, wenn zumindest auch eine Zuständigkeit
des überörtlichen Trägers für einzelne Leistungen besteht, die Zuständigkeit bei diesem zu vereinigen. Dabei entspricht es
der Praktikabilität, nicht auf den Schwerpunkt der Maßnahme abzustellen, zumal diese sich im Krankheitsverlauf ändern kann.
Lediglich dann, wenn überhaupt keine Leistungen der Eingliederungshilfe zu erbringen sind, ist der Anwendungsbereich des Art.
82 Abs. 2 AGSG nicht eröffnet.
Nach diesen Maßgaben nimmt F. an einer Maßnahme des betreuten Wohnens teil. Er wird nämlich in einer selbst angemieteten Wohnung
ambulant betreut, wobei diese Betreuung auch Maßnahmen der Eingliederungshilfe umfasst. Wie zur Überzeugung des Senats bereits
auf der Grundlage des vom Verwaltungsgericht Würzburg eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. J. vom 13.01.2003, das im Wege
des Urkundsbeweises verwertbar ist, feststeht, leidet der Kläger nicht nur an den mit seiner Erkrankung einhergehenden körperlichen
Einschränkungen, insbesondere Bewegungs- und Koordinationsstörungen, sondern an einer organischen Persönlichkeitsstörung (ICD
10: F 07.0), die bei ihm auch zu einer erheblichen seelischen Behinderung geführt hat. Deshalb sind ihm Umstellungen seiner
Lebensbedingungen krankheitsbedingt erschwert, seine Kommunikationsfähigkeit ist eingeschränkt. Wenn auf dieser Grundlage
und nach persönlicher Untersuchung Dr. K. in seiner Eigenschaft als Facharzt für das öffentliche Gesundheitswesen unter sehr
kritischer Würdigung einen sozialpädagogischen Hilfebedarf von 52 Stunden pro Monat und zusätzlich acht Stunden pro Monat
für koordinative Leistungen festgestellt hat, überzeugt dieses angesichts der geschilderten Persönlichkeitsstörung des Hilfeempfängers
ohne weiteres. Auf der Grundlage der seelischen Erkrankung des Klägers lässt sich nämlich ein Verhalten beobachten, das ein
Leben in der Gemeinschaft aufgrund des aggressiven Verhaltens des Leistungsempfängers nahezu unmöglich macht, während durch
die Dokumentation der mit Bescheid vom 19.09.2007 bewilligten Eingliederungshilfe nachgewiesen ist, dass der Hilfeempfänger
von diesen Leistungen in der Art und Weise profitiert, dass er in seiner Gemütslage stabilisiert wird und dadurch zur sozialen
Interaktion, auch der Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen und anderen Elementen des Lebens in der Gemeinschaft befähigt
wird. Der Senat hat deshalb keinen Zweifel daran, dass die mit Bescheid vom 19.09.2007 und den nachfolgenden Bescheiden bewilligte
Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit §
55 SGB IX sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht erfolgt ist. Da die Eingliederungshilfe im Rahmen des so genannten Arbeitgebermodells
durch eine gerontopsychiatrisch fortgebildete Pflegefachkraft erfolgt, wird die Rechtmäßigkeit der bewilligten Eingliederungshilfe
auch nicht durch eine zweckwidrige Mittelverwendung infrage gestellt. Vielmehr ergibt sich aus den Berichten der Pflegekraft
und dem gesamten Akteninhalt, dass der Hilfeempfänger tatsächlich Leistungen der Eingliederungshilfe erhält und davon auch
profitiert.
Soweit der Beklagte einwendet, die Klägerin habe bei den Verhandlungen über ein trägerübergreifendes persönliches Budget die
gesetzliche Bindung an Weisungen des Beklagten nicht beachtet, trifft das nicht zu. Da der Beklagte seine Zuständigkeit für
den Leistungsfall verneint hatte, blieb der Klägerin nichts anderes übrig, als bis zur Klärung der Zuständigkeit die Sozialleistungen
in eigener Verantwortung zu erbringen, da sie letztlich auch bis zum rechtlichen Abschluss dieses Verfahrens die rechtliche
und finanzielle Verantwortung für die Leistungserbringung zu übernehmen hatte. Lediglich wenn die Klägerin im Auftrag des
Beklagten Leistungen erbracht hätte, was nicht der Fall war, wäre sie an dessen Weisungen gebunden gewesen.
Einer erneuten Begutachtung des Hilfeempfängers bedurfte es nicht, da nach den nachvollziehbaren Darlegungen des Prof. Dr.
J. und des Dr. K. mit einer Besserung der seelischen Behinderung des Hilfeempfängers nicht zu rechnen ist. Auch lässt sich
aus den in der Sozialhilfeakte enthaltenen Berichten entnehmen, dass der Hilfeempfänger noch ausreichend verständnis- und
kommunikationsfähig ist, damit Maßnahmen der Eingliederungshilfe ihren Zweck erfüllen können. Anders als der Beklagte meint,
scheiden Maßnahmen der Eingliederungshilfe nicht schon dann aus, wenn mit einer Besserung des Zustandes des Hilfebedürftigen
nicht zu rechnen ist. Dies ergibt sich aus dem Ziel der Eingliederungshilfe, die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu
mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (§
4 Abs.
1 Nr.
1 SGB IX).
Die als weitere Voraussetzung für den Erstattungsanspruch notwendige Kenntnis des Beklagten von dem Leistungsfall (BVerwG
vom 02.06.2005, 5 C 30/04, Leitsatz) war zur Überzeugung des Senats bereits vor dem 01.01.2008 gegeben, denn zum Einen war dem Beklagten der Leistungsfall
spätestens seit 01.01.2005 aufgrund der Gewährung von teilstationären Leistungen bekannt, zum Anderen hat die Klägerin noch
vor dem 01.01.2008 den Beklagten auf insgesamt 8 Leistungsfälle, bei denen ein Zuständigkeitswechsel in Betracht kam, darunter
auch den des Hilfeempfängers, ausdrücklich unter Schilderung des konkreten Sachverhalts hingewiesen.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich, §
160 Abs.
2 Nrn 1 und 2
SGG.