Erforderlichkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe in dem Klageverfahren
vor dem Sozialgericht. Die Beschwerdegegnerin hatte mit Bescheid vom 9. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 19. Juli 2010 die Gewährung von Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung abgelehnt, nachdem der Medizinische Dienst
der Krankenversicherung (MDK) in dem Gutachten vom 25. Februar 2010 zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Voraussetzungen
einer Pflegestufe nicht gegeben seien. Der zeitliche Bedarf in der Grundpflege betrage lediglich 11 Minuten, in der hauswirtschaftlichen
Versorgung 43 Minuten. Der MDK hatte diese Einschätzung im Widerspruchsverfahren in dem Gutachten vom 8. Juni 2010 bestätigt
(Zeitaufwand Grundpflege: 28 Minuten; Zeitaufwand Hauswirtschaft: 45 Minuten).
Mit Klageerhebung hat die Beschwerdeführerin auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung der Prozessbevollmächtigten
beantragt. Das Sozialgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 6. September 2010 abgelehnt. Der anhängige Rechtsstreit sei
tatsächlich und rechtlich einfach gelagert, der Sachverhalt liege klar und leicht überschaubar auf der Hand. Hierfür erscheine
eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht erforderlich, zumal auch die Beschwerdegegnerin nicht anwaltlich vertreten
sei.
Im weiteren Verlauf hat das Sozialgericht medizinische Unterlagen beigezogen und einen Befundbericht des Allgemeinarztes Dr.
O. eingeholt, der auf eine bestehende Demenz mit Verschlimmerungstendenz hingewiesen hat.
Die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe hat die Beschwerdeführerin mit dem hohen Alter und der bestehenden,
fortschreitenden Demenz begründet. Die Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 24. November
2010 mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin in der Zwischenzeit aufgrund des schlechten gesundheitlichen Zustandes in einem
Seniorenheim lebe, nachdem sie längere Zeit im Bezirkskrankenhaus in B-Stadt stationär behandelt worden sei. Es sei bei der
Beschwerdegegnerin ein Antrag auf temporäre Pflegestufe in Form eines Eilantrags gestellt worden. Deshalb werde die Klage
zurückgenommen. Gleichzeitig werde Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt. Es sei nachgewiesen, dass die
Beschwerdeführerin aufgrund der bestehenden Demenz mittlerweile in keinster Weise mehr in der Lage sei, alleine zu leben und
Sachverhalte und rechtliche Konsequenzen zu überblicken. Aus diesem Grund sei Prozesskostenhilfe zu bewilligen gewesen.
II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Wie sich aus dem Schriftsatz vom 24. November 2010 ergibt, richtet sich die Beschwerde trotz inzwischen erfolgter Klagerücknahme
weiterhin gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe im Klageverfahren, wenn es heißt: "Aus diesem Grund war Prozesskostenhilfe
zu bewilligen.". Eine Beschwerde ist noch möglich, wenn das erstinstanzliche Verfahren in der Hauptsache wie hier durch Klagerücknahme
erledigt ist (vgl. auch: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
73 a Rdnr. 12 c).
Nach §
73 a Sozialgerichtsgesetz (
SGG) i. V. m. §§
114 Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe. Voraussetzungen sind die Glaubhaftmachung der
Bedürftigkeit, des Ausschlusses der Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung und eine hinreichende Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten
Rechtsverfolgung. Ist, wie im sozialgerichtlichen Verfahren, eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben,
wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch
einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§
121 Abs.
2 ZPO).
Vorliegend ist eine laufende Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin und damit verbunden eine Erhöhung
des Hilfebedarfs im Sinne der §§
14,
15 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB XI) eingetreten. Diese Entwicklung wird bereits in den beiden Gutachten des MDK erkennbar und zeichnete sich auch im Klageverfahren
ab. Der Allgemeinarzt Dr. O. bestätigte in dem Befundbericht eine Verschlimmerungstendenz. Die Beschwerdeführerin hat angegeben,
nach einem stationären Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus nun in einem Seniorenheim zu leben. Da für eine gerichtliche Entscheidung
über das Vorliegen der Voraussetzungen der Gewährung von Leistungen im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage
(§
54 Abs.
1, 4
SGG) der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung entscheidend ist, hätte das Sozialgericht diese Entwicklung berücksichtigen
müssen. Demgemäß hat es auch bereits aktuelle medizinische Unterlagen beigezogen und einen Befundbericht eingeholt. Da insoweit
von Amts wegen eine weitere medizinische Sachverhaltsaufklärung erforderlich gewesen wäre, ist vom Vorliegen einer hinreichenden
Erfolgsaussicht der Klage auszugehen.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Klagerücknahme, da diese nur im Hinblick auf den Neuantrag bei der Beschwerdegegnerin
erfolgt ist. Der Neuantrag ist vor dem Hintergrund der offensichtlich eingetretenen erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes
und dem Bedarf nach einer zügigen Neuverbescheidung durch die Beschwerdegegnerin zu sehen.
Der Antrag scheitert schließlich auch nicht daran, dass der Rechtsstreit einfach gelagert und die Sach- und Rechtslage klar
überschaubar sei, wie dies das Sozialgericht angenommen hat. Eine Beiordnung der Rechtsanwältin kommt, da die Beschwerdegegnerin
nicht anwaltlich vertreten ist, nur in Betracht, wenn die Beiordnung erforderlich ist (§
121 Abs.
2 ZPO). Zwar genügen regelmäßig Schwierigkeiten nur im medizinischen und nicht auch im rechtlichen Bereich für die Annahme der
Erforderlichkeit nicht, jedoch ist auch die Fähigkeit der Antragstellerin, sich vor Gericht auszudrücken, zu berücksichtigen.
Ist diese wie vorliegend aufgrund ihrer Erkrankung hilfebedürftig und aufgrund ihres hohen Alters nicht in der Lage, sich
ohne Einschränkungen schriftlich und mündlich zu äußern, ist vom Vorliegen der Erforderlichkeit auszugehen (BVerfG vom 18.12.2001,
Az. 1 BvR 391/01; vom 22.06.2007, NJW-RR 2007, 1713).
Auch die weiteren Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, insbesondere die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin,
sind erfüllt. Aufgrund der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist eine Ratenzahlung nicht anzuordnen.
Der Beschluss des Sozialgerichts war daher aufzuheben, Prozesskostenhilfe zu gewähren und die Prozessbevollmächtigte beizuordnen.
Soweit die Beschwerdeführerin zuletzt auch beantragte, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist
der Antrag abzulehnen. Prozesskostenhilfe ist grundsätzlich für das Prozesskostenhilfeverfahren selbst nicht zu gewähren (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
aaO., Rdnr. 2 b mit weiteren Nachweisen). Dies gilt auch für das Beschwerdeverfahren (so z.B. auch Bayer. Landessozialgericht,
Beschluss vom 15.09.2010, Az.: L 7 AS 612/10 B PKH; LAG Hamm, Beschluss vom 19.12.2003, Az.: 4 Ta 605/03). Es handelt sich insoweit um ein gesondertes Verfahren zur Prüfung, ob die Rechtsverfolgung finanzieller Unterstützung bedarf;
das Verfahren dient nicht unmittelbar der "Rechtsverfolgung" im Sinne von §
114 S. 1
ZPO (Bayer. Landessozialgericht, aaO.; Beschluss vom 07.05.2010, Az.: L 17 U 133/10 B PKH; BGH, NJW 1984, 2106).
Eine Entscheidung zur Tragung der außergerichtlichen Kosten unterbleibt wegen §
73 a Abs.
1 S. 1
SGG in Verbindung mit §
127 Abs.
4 ZPO.
Dieser Beschluss ist gemäß §
177 SGG unanfechtbar.