Versicherungspflicht; Gesellschafter-Gesellschafter; Minderheitsgesellschaften; keine umfassende Sperrminorität; keine Alleinvertretungsberechtigung
Tatbestand:
Im Streit ist noch, ob der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) vom 1. Januar 2010 an in der gesetzlichen
Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist.
Der 1956 geborene Kläger arbeitete von 1982 bis 1991 als Justitiar und im Anschluss als Rechtsanwalt. Seit dem 1. Januar 2010
ist er für die Beigeladene zu 1), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, als weiterer Geschäftsführer tätig. Grundlage
dieser Tätigkeit ist ein als "Anstellungsvertrag" (AV) überschriebener Vertrag vom 4. Januar 2010. Nach § 1 AV übernimmt der
Kläger seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 auf unbestimmte Zeit.
Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die Geschäfte in voller persönlicher Verantwortung mit der Sorgfalt eines ordentlichen
Kaufmanns nach den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung zu führen und die ihm aufgrund Gesetz, Vertrag und Satzung der
Gesellschaft übertragenen Pflichten zu erfüllen (§ 2 Abs. 1 AV). Er hat bei Geschäften, die in § 10 des Gesellschaftsvertrages
(GV) aufgeführt sind, die vorherige Zustimmung der Gesellschafterversammlung einzuholen (§ 2 Abs. 2 AV). Seine Arbeitskraft
stellt er in den Dienst der Gesellschaft. Er ist im Besonderen für den kaufmännischen Bereich der Gesellschaft zuständig (§
3 Abs. 1 AV). Er ist berechtigt, neben seiner Tätigkeit für die Gesellschaft in angemessenem Umfang als Rechtsanwalt tätig
zu sein (§ 3 Abs. 2 AV). Er erhält als Vergütung ein monatliches Grundgehalt in Höhe von brutto 10.000,00 €, fiktive Arbeitgeberanteile
zur Pflege- und Krankenversicherung, die bei Bestehen der Sozialversicherungspflicht zu zahlen wären. Die Beigeladene zu 1)
übernimmt zudem für den Kläger die Beitragszahlungen für verschiedene Unfall- und Rentenversicherungen (§ 4 Abs. 1 AV). Darüber
hinaus erhält der Kläger nach § 4 Abs. 2 AV unter bestimmten Bedingungen eine erfolgsabhängige Vergütung (Tantieme). Im Fall
einer Erkrankung oder sonstigen unverschuldeten Verhinderung werden die Bezüge des Geschäftsführers für die Dauer von 6 Monaten
fortgezahlt (§ 4 Abs. 4 AV). Er ist nicht an bestimmte Arbeitszeiten gebunden (§ 5 Abs. 1 AV). Nach § 6 Abs. 1 AV hat er Anspruch
auf 25 Arbeitstage bezahlten Urlaub im Geschäftsjahr. Nicht in Anspruch genommener Urlaub ist abzugelten (§ 6 Abs. 2 AV).
Nach § 7 Abs. 1 AV kann der Anstellungsvertrag vom Geschäftsführer mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines Kalenderhalbjahres
gekündigt werden. Das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. Der Geschäftsführer kann nur aus wichtigem
Grund abberufen werden (§ 7 Abs. 2 AV). Nach § 8 Abs. 1 AV bedürfen Änderungen des Anstellungsvertrages zu ihrer Rechtswirksamkeit
der Schriftform sowie der Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
Vom Stammkapital der Beigeladenen zu 1) in Höhe von insgesamt 26.000,00 € halten die weiteren jeweils alleinvertretungsberechtigten
Gesellschafter AG und G G jeweils 12.999,00 €. (Geschäftsanteile mit den Nummern 00.001 bis 25.998) Der Kläger übernahm eine
Stammeinlage von 2,00 € (Geschäftsanteile mit den Nummern 25.999 und 26.000). Das entspricht einem aufgerundeten Anteil von
0,01%. Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 4. Januar 2010 wurde der Kläger zum neuen (weiteren) Geschäftsführer
der Beigeladenen zu 1) mit Wirkung vom 1. Januar 2010 bestellt. Nach diesem Beschluss vertritt der Kläger die Gesellschaft
gemeinschaftlich mit einem Prokuristen oder einem weiteren Geschäftsführer. Nach § 9 Abs. 1 GV vom 14. Dezember 2009 soll
mindestens einmal im Halbjahr eine Gesellschafterversammlung stattfinden. Nach § 9 Abs. 6 GV ist die Gesellschafterversammlung
beschlussfähig, wenn mindestens 100 % des Stammkapitals anwesend bzw. vertreten sind. Ist dies nicht der Fall, so ist unverzüglich
eine neue Gesellschafterversammlung einzuberufen, die dann ohne Rücksicht auf das vertretene Stammkapital beschließen kann.
§ 10 GV hat folgenden Wortlaut:
Beschlüsse der Gesellschafterversammlung
1. Folgende Angelegenheiten bleiben einem einstimmigen Beschluss der Gesellschafterversammlung vorbehalten:
a) Zustimmung zu einer Verfügung über Geschäftsanteile der Gesellschaft;
b) Kapitalerhöhungen unter partiellem oder vollständigem Ausschluss des Bezugsrechts;
c) Bestellung und Abberufung eines Geschäftsführers;
d) Änderung des Gesellschaftsvertrages einschließlich Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen;
e) Maßnahmen im Sinne des Umwandlungsgesetzes;
f) Einziehung von Geschäftsanteilen;
g) Auflösung der Gesellschaft;
h) Fortsetzung der aufgelösten Gesellschaft;
i) Abschluss, Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen (§§ 292 ff. AktG);
j) Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen;
k) Feststellung des - jährlich vor Beginn eines jeden Geschäftsjahres vorzulegenden - Wirtschaftsplanes - bestehend aus dem
Umsatzplan, dem Personalplan, dem Investitionsplan, dem Finanzplan und dem Ergebnisplan sowie Änderungen der vorgenannten
Pläne und außerplanmäßigen Investitionen;
l) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten;
m) Aufnahme neuer und Aufgabe bestehender Geschäftszweige, Erwerb, Errichtung und Aufhebung von Tochtergesellschaften und
Zweigniederlassungen;
n) Verträge der Gesellschaft mit Dritten, soweit sie die Gesellschaft länger als 3 Jahre binden oder zu Leistungen im Wert
von mehr als 50.000,00 € im Einzelfall oder von mehr als 200.000,00 € pro Geschäftsjahr verpflichten;
o) Aufnahme von Krediten über 100.000,00 €; Vereinbarung von Kreditlinien und Kontokorrent- und Wechselkrediten sowie Änderung
einer solchen Vereinbarung; Gewährung von Krediten außerhalb des normalen Geschäftsverkehrs;
p) Gewährung von Sicherheiten für Dritte, insbesondere Übernahme von Bürgschaften und Garantien;
q) Erteilung und Widerruf von Prokuren und Handlungsvollmachten für den gesamten Geschäftsbetrieb bzw. Geschäftsfelder.
2. Folgende Angelegenheiten bleiben einem mit einfacher Mehrheit zu fassenden Beschluss der Gesellschafterversammlung vorbehalten:
a) Feststellung des Jahresabschlusses und Beschlussfassung über die Gewinnverwendung;
b) Entlastung der Geschäftsführer;
c) Verträge zwischen der Gesellschaft und Gesellschaftern und mit diesen verbundenen Unternehmen (§§ 15 ff. AktG) oder mit Geschäftsführern oder deren Angehörigen (§
15 AO);
d) Wahl des Abschlussprüfers.
3. Bei einer Beschlussfassung über die Abberufung eines geschäftsführenden Gesellschafters als Gesellschafter ist der betroffene
Gesellschafter stimmberechtigt.
Über die Verwendung des Jahresergebnisses (Summe aus Jahresüberschuss und Gewinnvortrag abzüglich Verlustvortrag) entscheidet
die Gesellschafterversammlung (§ 12 Abs. 1 GV). An den Gewinnausschüttungen nehmen allein die Geschäftsanteile mit den Nummern
00.001 bis 25.998 teil (§ 12 Abs. 2 GV).
Am 12. Februar 2010 stellte die Beigeladene zu 1) bei der Beklagten einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen
Status des Klägers.
Nach Anhörung des Klägers und der Beigeladenen zu 1) stellte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen zu 1) und dem Kläger
mit Bescheid vom 12. April 2010 in der Gestalt des Bescheides vom 21. September 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 27.
Dezember 2010 fest, dass der Kläger abhängig beschäftigt sei und Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass nach der Gesamtwürdigung aller
zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwögen. Aufgrund
seines Kapitaleinsatzes von 0,01 % des Gesamtkapitals und dem daraus resultierenden Stimmrechtsanteil sei es dem Kläger nicht
möglich, die Geschicke der Firma maßgeblich zu beeinflussen. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trüge er kein Unternehmerrisiko.
Dies sei aber für eine selbständige Tätigkeit kennzeichnend. Zwar sei er aufgrund der vom Geschäftserfolg abhängigen Zahlung
von Tantiemen indirekt am Gewinn der Gesellschaft beteiligt, eine Kürzung bzw. den Wegfall der Bezüge bei schlechter Geschäftslage
müsse er jedoch nicht befürchten. Hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsortes und der Ausübung der Tätigkeit sei dem Kläger
eine weitgehende Gestaltungsfreiheit belassen worden. Trotzdem bleibe die Arbeitsleistung fremdbestimmt, da sie sich in eine
der Gesellschafterversammlung vorgegebenen Ordnung des Betriebes eingliedere. Der Kläger könne nicht verhindern, dass sein
Anstellungsvertrag zu seinen Ungunsten geändert werde. Angesichts der Zahlung fester Bezüge trüge er kein unternehmerisches
Risiko.
Auf die hiergegen gerichtete Klage des Klägers vom 31. Januar 2011 hat das Sozialgericht die Entscheidung der Beklagten mit
Urteil vom 25. März 2014 aufgehoben und festgestellt, dass für die vom Kläger bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 1. Januar
2010 ausgeübte Tätigkeit keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Kläger ausnahmsweise,
trotz seines nur sehr geringen Anteils am Gesellschaftsvermögen von 0,01 % wegen des im Gesellschaftsvertrages vereinbarten
Einstimmigkeitserfordernisses über eine Sperrminorität verfüge und damit die Rechtsmacht besitze, ihm unliebsame Weisungen
der Beigeladenen zu 1) abzuwenden. Nach § 10 Abs. 1 GV könnten die wesentlichen Angelegenheiten der Gesellschaft nur durch
einen einstimmigen Beschluss der Gesellschafterversammlung gefasst werden. Auch wenn der Kläger im Hinblick auf § 10 Abs.
2 GV nicht über eine umfassende Sperrminorität verfüge, könne er jedoch sehr wohl die Geschicke der Beigeladenen zu 1) maßgeblich
beeinflussen und ihm unliebsame Entscheidungen in aller Regel verhindern.
Gegen das ihr am 1. April 2014 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 23. April 2014, die sie auf
die Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung beschränkt hat.
Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, dass der Kläger nach den für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung maßgeblichen,
nicht wirksam abbedungenen vertraglichen Regelungen des Gesellschaftsvertrages nicht die Rechtsmacht besitze, seine Geschäftsführertätigkeit
weisungsfrei auszuüben. Er stehe insofern in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Der Geschäftsführervertrag enthalte
Regelungen, die regelmäßig für abhängig beschäftigte leitende Angestellte getroffen würden. So sei er verpflichtet, die Geschäfte
in voller persönlicher Verantwortung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns und nach den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung
zu führen. Nach § 2 Abs. 2 AV würde die Geschäftsführertätigkeit durch den Einsatz von zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäften
nach § 10 des Gesellschaftsvertrages zusätzlich eingeschränkt. Jedenfalls habe der Kläger keine umfassende Rechtsmacht, ihm
unliebsame Weisungen der Gesellschaft abzuwenden. Er könne lediglich Beschlüsse verhindern, welche die in § 10 Abs. 1 GV genannten
Angelegenheiten beträfen. Für alle weiteren Entscheidungen der Gesellschafterversammlung bestünde keine Sperrminorität. Insbesondere
seien somit alle Entscheidungen der Gesellschafterversammlung zum täglichen Geschäft von einem Gestaltungsrecht des Klägers
ausgenommen. Gerade der Zusammenhang mit den Regelungen des § 2 AV, nach denen die Geschäfte nach den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung
zu führen seien, belege hier das Weisungsrecht. Eine Bestimmung der Geschicke der Gesellschaft durch den Kläger sei aufgrund
der fehlenden Rechtsmacht des Klägers nicht möglich.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. März 2014 insoweit aufzuheben, als das Sozialgericht ihren Bescheid vom 12. April
2010 in der Gestalt des Bescheides vom 21. September 2010 sowie des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2010 über das
Bestehen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung aufgehoben
und festgestellt hat, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1) nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, dass er nach dem GV eine umfassende Sperrminorität habe. Der in § 10 Abs. 1 GV aufgeführte Katalog von Angelegenheiten
umfasse alle für die Tätigkeit und Veränderung der Gesellschaft maßgeblichen Belange. Über diese könne von den Gesellschaftern
der Beigeladenen zu 1) nur dann ein wirksamer Beschluss gefasst werden, wenn auch er der Beschlussvorlage zustimme. Er habe
seine Tätigkeit auch tatsächlich weisungsfrei ausgeübt. So habe er in seiner Verantwortung als geschäftsführender Gesellschafter
entscheidend die Geschicke der Gesellschaft in dem in Eigenverwaltung geführten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beigeladenen
zu 1) gelenkt. Das Insolvenzverfahren habe am 7. Februar 2014 aufgehoben werden können, weil ein von ihm maßgeblich gestalteter
Insolvenzplan von der Gläubigerversammlung angenommen und vom Insolvenzgericht bestätigt worden sei.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze
nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen
haben.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§
124 Abs.
2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).Die Beteiligten haben sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt.
Die zulässige Berufung ist begründet. Das Sozialgericht hat den Bescheid der Beklagten insoweit zu Unrecht aufgehoben und
festgestellt, dass der Kläger nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig
ist. Der Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat
zu Recht festgestellt, dass der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die Beigeladene zu 1) in der Zeit
vom 1. Januar 2010 in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig ist.
Der Eintritt von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestimmt sich im vorliegenden Fall nach §
1 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI). Danach sind u. a. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, versicherungspflichtig. Entsprechendes bestimmt
§ 25 Abs. 1 Satz Drittes Buch Sozialgesetzbuch für das Recht der Arbeitsförderung. Die danach erforderliche Beschäftigung
wird in §
7 Abs.
1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IV) definiert. Beschäftigung ist danach die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere im Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für
eine Beschäftigung sind nach §
7 Abs.
1 Satz 2
SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist eine Versicherungspflicht
begründende abhängige Beschäftigung von einer selbstständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
(BSG) ist eine Beschäftigung gegeben, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer
Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit
einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit
insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist
die selbstständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit
über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine
abhängige Beschäftigung oder Selbstständigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung
des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (vgl. Urteil des BSG vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R - juris RdNr. 16).
Bei der Feststellung des Gesamtbildes kommt den tatsächlichen Verhältnissen nicht voraussetzungslos ein Vorrang gegenüber
den vertraglichen Abreden zu. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so
wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis
der Beteiligten so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich auch aus ihrer gelebten Beziehung
erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus
gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formalen Vereinbarung vor, soweit
eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist,
solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher
unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen
Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert
wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist.
Diese Grundsätze sind auch im vorliegenden Fall maßgebend, weil der Kläger im streitigen Zeitraum nicht in seinem eigenen,
sondern in einem fremden Betrieb tätig war. Er war bei der Beigeladenen zu 1), einer GmbH, tätig. Die GmbH ist eine juristische
Person des Privatrechts. Sie ist eine eigenständige Rechtspersönlichkeit. Sie muss deshalb unabhängig von den als Gesellschafter
dahinterstehenden juristischen oder natürlichen Personen und deren verwandtschaftlichen oder wirtschaftlichen Beziehungen
betrachtet werden (Urteil des BSG vom 29. August 2012 - B 12 R 14/10 R -, juris RdNr. 18).
Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer oder mitarbeitender Gesellschafter im Rahmen einer
Beschäftigung oder selbstständig ausgeübt wurde, ist zunächst die der Tätigkeit zugrunde liegende vertragliche Vereinbarung.
Dies war der als "Anstellungsvertrag" überschriebene Vertrag vom 4. Januar 2010. Dieser Vertrag spricht für ein gewolltes
Beschäftigungsverhältnis. Der Vertrag enthält eine Vielzahl typischer Regelungen eines Arbeitsverhältnisses, eine Kündigungsvorschrift,
ins Einzelne gehende Regelungen über eine feste monatliche Vergütung und Regelungen über einen Urlaubsanspruch sowie über
die Fortzahlung der Bezüge im Falle einer Erkrankung. Allesamt Regelungen, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger an der Beigeladenen zu 1) lediglich mit einem Anteil von 0,01 % am Stammkapital
beteiligt war. Bei der Beurteilung einer Abhängigkeit oder Selbstständigkeit eines mitarbeitenden Gesellschafters einer GmbH
stellt das Ausmaß der Teilhabe am Stammkapital ein wesentliches Kriterium zur Beurteilung seiner Einflussmöglichkeiten auf
die Geschicke der Gesellschaft dar. Der Alleingesellschafter einer GmbH steht zur Gesellschaft in keinem Beschäftigungsverhältnis,
selbst wenn er für diese eine untergeordnete Tätigkeit nach Weisungen verrichtet. Verfügt der Gesellschafter, der als Geschäftsführer
tätig ist, mindestens über die Hälfte des Stammkapitals und besitzt er damit einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung
der Gesellschaft, liegt grundsätzlich kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor (Seewald in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht
[Std.: 82. EL. 2014], §
7 SGB VI RdNr. 89 ff.). Verfügt der Gesellschafter über weniger als 50 v. H. des Stammkapitals, stellt dieser Umstand in der Regel
ein Indiz dafür dar, dass er abhängig beschäftigt ist. Das Indiz kann aber durch besondere Umstände entkräftet werden, so
dass auch bei einem unter 50 v. H. liegenden Anteil Selbstständigkeit möglich ist. Allerdings wird der mitarbeitende Gesellschafter
bei diesem Kapitalanteil in der Regel an Entscheidungen der Gesellschafterversammlung, die er nicht endgültig beeinflussen
kann und durch die ihm Weisungen erteilt werden, gebunden sein, so dass auch in diesem Fall von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis
auszugehen ist.
Hiervon abweichend können Gesellschafter, die alle gleichberechtigt sind und insbesondere maßgebliche Entscheidungen im Konsens
treffen müssen, selbstständig sein (Seewald aaO.). Entsprechendes gilt für einen Gesellschafter, der weniger als 50 v. H.
des Stammkapitals hält, wenn er über eine Sperrminorität verfügt, kraft derer er ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafterversammlung
verhindern kann. Dabei muss sich die Schutzklausel auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft und nicht nur auf einige bedeutende
beziehen (Seewald aaO.).
An diesen Maßstäben gemessen war der Kläger vom 1.Januar 2010 an nicht selbstständig tätig. Er ist lediglich mit einem Anteil
in Höhe von 0,01 % am Stammkapital der Beigeladenen zu 1) beteiligt und er verfügt auch nicht über eine umfassende Sperrminorität.
Der Gesellschaftsvertrag vom 14. Dezember 2009 enthält dabei keine Regelung, nach der sich das Stimmengewicht in der Gesellschafterversammlung
richtet. Es gilt deshalb die gesetzliche Regelung des § 47 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG). Danach erfolgen die zu treffenden Bestimmungen durch Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 47 Abs. 1 GmbHG). Jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt dabei eine Stimme (§ 47 Abs. 2 GmbHG). Der Kläger hat daher in der Gesellschafterversammlung entsprechend seinem Stimmanteil lediglich zwei Stimmen.
Aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses in § 10 Abs. 1 GV kann Kläger mit diesen Stimmen lediglich Beschlüsse über die
in dieser Norm enumerativ aufgezählten Angelegenheiten verhindern. Aufgrund des Mehrheitsprinzips in § 10 Abs. 2 GV kann er
aber Beschlüsse der Gesellschafterversammlung über die in dieser Norm enumerativ aufgezählten Angelegenheiten nicht verhindern.
Hierzu gehören unter anderem auch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung über die Gewinnverwendung und über die Entlastung
der Geschäftsführer. Der Kläger kann also beispielsweise nicht verhindern, dass die weiteren Gesellschafter einen seinen Ansichten
und Interessen widersprechenden Beschluss über die Verwendung des Gewinns treffen. Er selbst hat nach § 12 Abs. 2 GV keinen
Anspruch auf Gewinnausschüttung.
Er selbst ist lediglich indirekt am Gewinn der Beigeladenen zu 1) beteiligt. Er hat nach § 4 Abs. 2 AV Anspruch auf eine erfolgsabhängige
Tantieme. Dabei handelt es sich aber um eine typische Entlohnungsform für leitende Angestellte. Bei der entscheidenden unternehmerischen
Frage, wie ein Gewinn verwendet werden soll, ob Investitionen getätigt oder der Gewinn an die Gesellschafter ausgeschüttet
werden soll, hat er kein Mitspracherecht. Ebenso kann er nicht verhindern, dass die weiteren Gesellschafter sich gegenseitig
entlasten, ihm dieses aber versagen.
Im vorliegenden Fall ist zudem bedeutsam, dass nach dem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 4. Januar 2010 der Kläger
die Gesellschaft gemeinschaftlich mit einem Prokuristen oder einem weiteren Geschäftsführer vertritt. Anders als die weiteren
beiden Gesellschafter-Geschäftsführer, die die Gesellschaft allein vertreten können, ist der Kläger damit nicht in der Lage,
auch nur ein Rechtsgeschäft für die Gesellschaft rechtsverbindlich abzuschließen. Abgesehen davon, dass er für Geschäfte,
die in § 10 Abs. 1 GV enumerativ aufgezählt sind, sowieso der Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedarf, bedeutet dies,
dass er selbst für Geschäfte unterhalb dieser Schwelle regelmäßig der Zustimmung eines weiteren Geschäftsführers (eines weiteren
Gesellschafters) oder eines Prokuristen bedarf. Damit hat der Kläger nicht einmal die rechtliche Befugnis, auch nur über den
Kauf eines Bleistiftes für die Beigeladene zu 1) allein zu entscheiden.
Damit korrespondiert die Regelung in § 2 Abs. 1 AV, nach der der Kläger die Geschäfte nach den Beschlüssen der Gesellschafterversammlung
zu führen hat. Die Gesellschafterversammlung kann damit dem Kläger jedenfalls für Geschäfte der vorgenannten Art konkrete
Vorgaben machen. Der Kläger hat damit nicht die Rechtsmacht, alleinverantwortlich rechtsverbindliche Entscheidungen für die
Beigeladenen zu 1) zu treffen.
Soweit der Kläger vorträgt, dass er tatsächlich weisungsfrei gehandelt habe, führt dieses Vorbringen nicht zu dem Ergebnis,
dass er selbständig ist. Konkrete Handlungsanweisungen werden gerade bei Diensten höherer Art regelmäßig nicht, jedenfalls
aber nur in einem sehr eingeschränkten Umfang erteilt. Das Direktions- und Weisungsrecht des Arbeitgebers reduziert sich insoweit
zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess (Urteil des BSG vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 12/05 R -, zitiert nach juris). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben,
weil sie in einer von anderer Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebes aufgehen, der Betroffene also in den Betrieb eingegliedert
ist. Bezeichnend ist es insoweit, dass der Kläger nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AV "im besonderen für den kaufmännischen Bereich
der Gesellschaft zuständig ist." Auch in dem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers
vom 5. Februar 2010 hat er angegeben, Geschäftsführer mit der Zuständigkeit für den "kfm. Bereich" zu sein. damit ist er im
Organisationsgefüge der Beigeladenen zu 1) für einen konkreten Aufgabenbereich zuständig und somit in eine vorgegebene Ordnung
eingegliedert.
Im Übrigen ist nicht entscheidend, ob dem Kläger tatsächlich Weisungen erteilt worden sind. Entscheidend ist der rechtliche
Bestand einer Rechtsmacht, mit der er verhindern kann, dass ihm Weisungen erteilt werden. Wollte man anders entscheiden, gäbe
es Fälle der "Schönwetterselbständigkeit" in denen erst nach Beendigung der Tätigkeit anhand des bisherigen Ausbleibens von
Weisungen festgestellt werden könnte, ob es sich um eine selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung gehandelt hat.
Das stünde indessen im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses
bereits bei Aufnahme der Tätigkeit und damit im Voraus feststehen sollte (BSG Urt. v. 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R, zitiert nach juris).
Die Kostenentscheidung ergeht nach §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 und Nr.
2 SGG liegen nicht vor.