Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung und Entschädigung der bei ihm bestehenden chronischen Bronchitis mit
Lungenüberblähung als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1929 geborene Kläger war nach seinen Angaben zunächst als Feld- und Stallarbeiter in der Landwirtschaft von April 1944
bis September 1949 - unterbrochen durch eine militärischen Dienstzeit von April bis Juni 1945 und durch Tätigkeiten als Steinträger
im Bau in den Jahren 1947 und 1948 - tätig. Ab dem 17. September 1949 bis zum 30. Dezember 1951 arbeitete er im VEB Stahl-
und Walzwerk H, und zwar zunächst als Mauerhelfer in der Abteilung Ofenmaurer, ab Oktober 1949 dann als Arbeiter am "Kisenbahnhof".
Von Januar 1952 bis September 1955 war er Angestellter der Volkspolizei. Ab Oktober 1955 war er erneut im VEB Stahl- und Walzwerk
H beschäftigt, und zwar bis zum 31. Dezember 1972 als Generatorenarbeiter, danach bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Ende Juli 1986 als Hilfsarbeiter und Kranführer. Aufgrund eines 1985 erlittenen Verkehrsunfalls wurde dem Kläger im Jahre
1986 der linke Unterschenkel amputiert mit der Folge, dass er ab Juli (oder August) 1986 Invalidenrente bezog.
Im Mai 1998 zeigte der den Kläger seit Februar 1998 behandelnde Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. S bei der Beklagten
den Verdacht auf das Vorliegen einer BK Nr. 4101 der Anlage zur BKV - Quarzstaublungenerkrankung (Silikose) - an unter Beifügung
eines Untersuchungsberichts vom 09. Mai 1998. Darin wird u. a. ausgeführt, der Kläger klage seit Jahren über anhaltenden Husten
und Luftnotbeschwerden. Die Nikotinanamnese habe 40 Pack-Years ergeben. Der Kläger sei 25 Jahre als Kranführer und Generatorbediener
im Stahlwerk H gegenüber Kohlenstäuben (Koks/Braunkohle/Anthrazit) exponiert gewesen. Bei ihm liege eine chronische Bronchitis
mit mäßiger Obstruktion vor, welche möglicherweise durch die Kohlenstaubexposition verschlimmert worden sei. Im Rahmen der
hierzu von der Beklagten aufgenommenen Ermittlungen gab der Kläger an, seit 1977 an Luftknappheit zu leiden, damals sei eine
chronische Bronchitis festgestellt worden. Die Beklagte holte Befundberichte von Dr. S vom 10. Juni 1998 und der den Kläger
seit 1984 behandelnden Allgemeinmedizinerin Frau A vom 11. Juli 1998 nebst diversen medizinischen Unterlagen sowie eine Stellungnahme
ihres Technische Aufsichtsdienstes (TAD) vom 06. August 1998 ein. Der TAD kam zu dem Ergebnis, für die Tätigkeit als Generatorenarbeiter
von Oktober 1955 bis April 1968 sei erfahrungsgemäß mit Bewertung der Staubgruppe I (AHI, DDR) der zulässige Staubgehalt der
Atemluft überschritten. Der Tätigkeitsabschnitt von 1968 bis 1974 lasse sich nicht näher qualitativ oder quantitativ beschreiben,
jedoch müsse nach Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters des Stahlwerkes (Herrn F), von gelegentlichen massiven Expositionen
ausgegangen werden. Die angeschuldigte Tätigkeit im VEB Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf werde daher als gefährdend i. S. d.
BK Nr. 4101 angesehen.
Anschließend erstattete der Facharzt für Lungenkrankheiten Prof. Dr. K nach Untersuchung des Klägers am 23. Oktober 1998 und
unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Lungenfunktionsprüfung der Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde Frau Dr. B
vom 27. Oktober 1998 unter dem 02. November 1998 ein Zusammenhangsgutachten. Prof. Dr. K führte in dem Abschnitt Eigenanamnese
zu den Rauchgewohnheiten als Ergebnis der Befragung des Klägers auf: "Seit seiner Jugend bis etwa 1985 habe er ca. 40 Zigaretten
täglich geraucht. Beendigung der Rauchgewohnheiten ca. 1985 im Rahmen eines Kuraufenthaltes." Er kam zu dem Ergebnis, beim
Kläger bestehe eine chronische Bronchitis in Verbindung mit Lungenüberblähungen (Emphysem), welche als Folge der langjährigen
massiven inhalativen Rauchgewohnheiten des Klägers seit seiner Jugend bis 1985 anzusehen sei. Röntgenologisch und computertomographisch
seien eindeutige silikotische Veränderungen im Sinne von silikotischen Granulomen und/oder silikotischen Konglomeraten sowie
Schwielenbildungen nicht nachweisbar. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit handele es sich nicht um eine BK Nr. 4101 (Silikose).
Die Beklagte zog noch die Behandlungskartei der Betriebspoliklinik des Hüttenwerkes H bzw. des VEB Stahl- und Walzwerk H bei.
Hieraus ergab sich, dass der Kläger ab 1977 wegen einer chronischen Bronchitis mit Pulmophyllin behandelt wurde und sich vom
24. November bis zum 23. Dezember 1977 (Diagnose: chronische Bronchitis), vom 17. April bis zum 14. Mai 1980 (Diagnose: Emphysembronchitis)
und vom 24. März 1983 bis zum 20. April 1983 (Diagnose: chronische Emphysembronchitis, Gonarthrosen rechts stärker als links)
im Bezirksfachkrankenhaus "R" S zur Kur befand. Mit Bescheid vom 26. Januar 1999, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom
27. April 1999, lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK Nr. 4101 mit der Begründung ab, weder röntgenologisch noch computertomographisch
seien eindeutige silikotische Veränderungen nachweisbar.
Im nachfolgenden Rechtsstreit vor dem Sozialgericht (SG) Potsdam zum Aktenzeichen S 2 U 48/99 verfolgte der Kläger sein Begehren
weiter. Er führte - anwaltlich vertreten - aus, er habe nicht bereits seit seiner Jugend 40 Zigaretten täglich geraucht, sondern
lediglich in den Jahren, in denen er als Kranführer eingesetzt gewesen sei. Das SG veranlasste eine Begutachtung durch den
Arzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Lungen- und Bronchialheilkunde Prof. Dr. H, der den Kläger am 26. April 2000 untersuchte.
In seinem Gutachten vom 31. Mai 2000 führte Prof. Dr. H im Abschnitt allgemeine Anamnese zu den Angaben des Klägers aus: "Vom
16. Lebensjahr bis 1980 Zigarettenraucher gewesen. Teilweise bis 40 Zigaretten/Tag geraucht." Der Sachverständige kam zu dem
Ergebnis, die für eine Silikose erforderliche langjährige und erhebliche Staubexposition sei nach Durchsicht der Akten nicht
zu erkennen. Abgesehen davon fehle es jedoch am typischen Befund einer Silikose. Die im Computertomogramm der Lunge beschriebenen
unspezifischen und geringen fibrotischen Veränderungen seien in keiner Weise als Hinweis auf eine mögliche Silikose zu bewerten.
Die vom Kläger geschilderte Symptomatik sei zwanglos mit einer chronischen Bronchitis vereinbar, die zudem mit einem Lungenemphysem
assoziiert sei. Das Computertomogramm zeige entsprechende Veränderungen des Lungenparenchyms. Der Zusammenhang dieser chronischen
Erkrankung des respiratorischen Systems mit dem langjährigen extremen Zigarettenkonsum liege auf der Hand. Eine Quarzstaublungenerkrankung
(Silikose) sei abzulehnen. Der Kläger legte hierzu eine ärztliche Stellungnahme seines behandelnden Lungenarztes Dr. S vom
10. Juli 2000 vor, der ausführte, nach dem überzeugenden Gutachten liege eine Quarzstaublungenerkrankung nicht vor. Es ergäben
sich jedoch Hinweise auf eine mögliche richtunggebende Verschlimmerung bzw. teilursächliche Rolle von berufsbedingten inhalativen
Schadstoffen bei der Entwicklung der bestehenden chronischen Lungenerkrankung i. S. einer BK Nr. 4302. Das Verfahren endete
durch Klagerücknahme.
Seiner Auffassung folgend zeigte Dr. S bei der Beklagten im Oktober 2000 den Verdacht auf das Bestehen einer BK Nr. 4302 an,
da der Kläger während seiner Tätigkeit als Generatorenarbeiter und Kranfahrer im Stahlwerk H gegenüber Kokereigasen und Kohlenstaub
exponiert gewesen sei. Die Beklagte zog die medizinischen Unterlagen des Verfahrens zur BK Nr. 4101 (Aktenzeichen BK 2.09679.980)
bei und holte eine weitere Stellungnahme ihres TAD (jetzt: Präventionsbezirk) vom 08. Februar 2001 ein. Dieser führte aus,
gemäß den Angaben ihres Zeugen für die Produktionsverhältnisse Herrn F (ehemaliger leitender Mitarbeiter des Betriebes) seien
gefährliche, luftfremde Stoffe nur für die Tätigkeit am Gaserzeuger (Generator) von Oktober 1955 bis April 1968 beschrieben.
Hierbei handele es sich um Belastungen durch Feinstaub und durch Schwefeldioxid (SO2), die jeweils oberhalb der arbeitshygienisch
tolerierten Werte gelegen hätten. Für die Arbeiten der Anlagenbetreuung und Instandhaltung bis zum Dezember 1972 sei nur in
einzelnen Arbeitsschichten von erlittenen massiven Belastungen durch Feinstaub auszugehen. Insgesamt stelle die Tätigkeit
als Generatorenarbeiter von 1955 bis 1972 eine lungenbelastende Tätigkeit dar. Der Kläger wies mit Schreiben seiner Bevollmächtigten
vom 07. November 2000 darauf hin, entgegen des ersten Gutachtens habe er nicht seit seinem 17. Lebensjahr bis einschließlich
1985 40 Zigaretten täglich geraucht. Vielmehr habe er ab seinem 17. Lebensjahr nur vereinzelt geraucht und erst mit der Aufnahme
der Berufstätigkeit knapp ein Päckchen (= 20 Zigaretten) täglich, jedoch nur bis 1980.
Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung durch den Facharzt für pathologische Physiologie/Umweltmedizin Dr. B (von der FILT
Thorax- und Lungendiagnostik GmbH), der den Kläger am 03. April 2001 untersuchte. In seinem Gutachten vom 15. Dezember 2001
führte Dr. B unter dem Punkt Allgemeinanamnese/Rauchen zu den Angaben des Klägers aus: "Ex-Raucher, seit 1980 Nichtraucher,
vorher ca. 35 Jahre Raucher, ca. 20 Zigaretten am Tag, als Kranfahrer ca. 25 - 30/Tag, vermutlich 30 - 40 Pack-Years.". Er
kam zu dem Ergebnis, nach Auswertung der vorliegenden Befunde aus den Jahren ab 1980 sowie seiner eigenen Untersuchung bestehe
beim Kläger eine mittel- bis hochgradige obstruktive Lungenerkrankung mit geringgradigen Emphysemhinweisen bei positiver unspezifischer
bronchialer Reaktivität. Es sei eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) festzustellen. Im November 1982 seien die
Funktionswerte der Atemfunktion noch im Normalbereich gewesen, damals sei der Kläger schon als Kranfahrer tätig und weitgehend
von der inhalativen Exposition gegen Rauchgase befreit gewesen. Der Beginn der chronischen Bronchitis müsse nach Lage der
Akten ca. 1977 angenommen werden. Die obstruktive Komponente der Erkrankung sei erst nach Beendigung der vermuteten Exposition
aufgetreten, Atemnotanfälle seien für die Zeit der beruflichen Tätigkeit nicht beschrieben. Es sei zu vermuten, dass die Atemwegserkrankung
vorwiegend auf den zurückliegenden Nikotinabusus zurückzuführen sei. Dies sei auch die einzig nachgewiesene Exposition, die
von 1945 bis etwa 1980 ununterbrochen vorgelegen habe. Eine BK Nr. 4302 sei nicht gegeben.
Nach Vorlage beim Gewerbearzt bat dieser im Hinblick auf Ermittlungsergebnisse in einem anderen BK-Verfahren betreffend Beschäftigte
im Stahl- und Walzwerk H um ergänzende Stellungnahme sowohl zu den Expositionsdaten als auch durch den Gutachter. So hätten
in den Betriebsakten gefundene Messergebnisse seit dem Jahr 1967 ergeben, dass die mit hoher Temperatur aus den Öfen austretenden
Rauchgase wegen ihres thermischen Auftriebes sich primär in Richtung Hallendecke bewegt hätten und der Kranfahrer in seiner
Kabine davon zuerst betroffen gewesen sei. Im Stahl- und Walzwerk H sei früher Heizöl mit hohem Schwefelgehalt zur Beheizung
der Vorwärmöfen, Blockstoßöfen und SM-Öfen eingesetzt worden, wobei besonders die Blockstoßöfen viele Verbrennungsgase in
die Werkhalle emittiert hätten. Ende der 70ziger Jahre sei die Umstellung auf Erdgas erfolgt, so dass ab diesem Zeitraum auch
keine SO2-Messungen mehr vorgenommen worden seien. Daraufhin führte der Präventionsbezirk der Beklagten in seiner Stellungnahme
vom 19. März 2002 ergänzend aus, der Kläger sei nicht nur während der Arbeit an Gasgeneratoren sondern auch bei seiner Tätigkeit
als Kranführer Schwefeldioxid ausgesetzt gewesen, bis sich die Luftqualität als Folge des Einsatzes von Erdgas ab 1978 verbessert
habe. Insgesamt sei der Kläger von Oktober 1955 bis Dezember 1978 Reizgas, überwiegend Schwefeldioxid, ausgesetzt gewesen.
Da von Dr. B keine ergänzende Stellungnahme mehr zu bekommen war, beauftragte die Beklagte den Arzt für Innere Medizin, Lungen-
und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Dr. S mit einer ergänzenden Stellungnahme, die dieser nach Aktenlage
am 01. September 2002 erstellte. Er kam zu dem Ergebnis, unzweifelhaft sei eine chronisch-obstruktive Bronchitis bei dem Kläger
festzustellen. Dauerhafte bronchopulmonale Symptome im Sinne von Husten, später auch Auswurf und Kurzatmigkeit bei körperlicher
Belastung und Wetterwechsel seien ab Ende der 70iger Jahre aufgetreten (ca. 1977). Im Rahmen der letzten beiden Kurmaßnahmen
seien jeweils typische Auskultationsbefunde beschrieben worden (verlängertes Exspirium, bronchitische Rasselgeräusche). Die
zum jeweiligen Zeitpunkt geschilderten Lungenfunktionsparameter zeigten bereits eine Obstruktion. Nach den in den Akten befindlichen
arbeitstechnischen Daten habe eine erhebliche berufliche Exposition gegenüber Feinstäuben und Schwefeldioxid im Zeitraum von
Oktober 1955 bis Ende 1978 vorgelegen. Als wesentlicher konkurrierender Faktor sei hier das langjährige Zigarettenrauchen
anzusehen, welches für die meisten Lungen- und Bronchialerkrankungen, insbesondere für die COPD, die Ursache Nr. 1 sei. Unter
Zugrundelegung der verschiedenen Angaben des Klägers zum Tabakkonsum ergäben sich etwa 34 bis 35 Packungsjahre. Zudem sei
bei einer Blutuntersuchung im November 1966 beim Kläger der Carboxyhämoglobinwert (CO-Hb) mit 7,9 % bestimmt worden. Auf Grund
der vorliegenden Datenlage sei es nicht möglich, eine strikte Abgrenzung zwischen den beiden Verursachungsquellen vorzunehmen.
Es lägen keine Messdaten vor, die eine berufliche Verschlimmerung der COPD gesondert einschätzen ließe. Angesichts der absoluten
Häufigkeit des Krankheitsbildes und eines sehr bedeutenden konkurrierenden Faktors für die Genese der vorliegenden Erkrankung
könne er unter Berücksichtigung des aktuellen Erkenntnisstandes eine BK Nr. 4302 nicht als hinreichend gesichert ansehen.
Nachdem der Gewerbearzt in seiner Stellungnahme vom 04. November 2002 die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung
der beim Kläger bestehenden chronisch-obstruktiven Atemwegserkrankung als BK Nr. 4302 nicht erfüllt ansah, lehnte die Beklagte
mit Bescheid vom 26. November 2002 die Anerkennung und Entschädigung einer BK Nr. 4302 sowie die Gewährung von Leistungen
nach § 3 BKVO ab. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des Klägers und den bei ihm vorliegenden
Beschwerden lasse sich wegen des erheblichen konkurrierenden Faktors der langjährigen inhalativen Rauchgewohnheiten nicht
mit hinreichender Wahrscheinlichkeit herstellen. Den nicht weiter begründeten Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid
vom 04. Februar 2003 zurück.
Mit der am 13. Februar 2003 vor dem SG Potsdam erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf Anerkennung einer BK Nr. 4302
und Gewährung der ihm danach zustehenden Leistungen (vgl. Antrag im Termin vom 22. Februar 2007) weiterverfolgt. Das SG hat
zunächst einen Befundbericht von Dr. S vom 27. Juli 2003 eingeholt und anschließend den leitenden Arzt der Medizinischen Klinik
Schwerpunkt Kardiologie/Pneumologie des Gemeinschaftskrankenhaus H Dr. Dr. F mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens
beauftragt. Dr. Dr. F hat nach Untersuchung des Klägers am 22. und 23. April 2004 in seinem Gutachten vom 30. Juli 2004 das
Vorliegen einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) bestätigt. Die Frage nach dem Vorliegen einer BK Nr. 4302 hat
der Sachverständige verneint. Es sei von einer parallel vorliegenden Verursachung zweier toxisch wirkender Stoffgemische auszugehen,
zum einen der inhalative Tabakkonsum von mindestens 35 Packungsjahren von der Jugend des Klägers bis 1980 und zum anderen
die inhalativ-toxische Belastung mit Feinstaub und Schwefeldioxid im Zeitraum von Oktober 1955 bis Dezember 1978. Mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit sei der inhalative Tabakkonsum als Ursache für die vorliegende COPD anzunehmen, und zwar gerade auch unter
Berücksichtigung der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung. Der genaue Anteil der beruflichen Belastung an der Genese
der COPD könne nicht abgegrenzt werden. Eine mitverursachende Genese der inhalativen Schadstoffexposition bei der Tätigkeit
im Stahl- und Walzwerk H sei möglich.
Hierzu hat der Kläger eingewandt, die Angaben der Sachverständigen bzw. Gutachter zu seinem Zigarettenkonsum entsprächen nicht
den tatsächlichen Verhältnissen. Bei 35 Packungsjahren müsste er bereits 1945 im Alter von 16 Jahren eine Packung täglich
geraucht haben. Dies sei im Hinblick auf die Preise für Zigaretten und seine finanziellen Möglichkeiten in der Nachkriegszeit
utopisch. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich erst mit Aufnahme der Tätigkeit im H Stahlwerk ab September 1949
gebessert, ab dann habe er angefangen, täglich zu rauchen, jedoch aus finanziellen Gründen und, weil er als Generatorenarbeiter
in diesem Bereich an der Arbeit nicht habe rauchen dürfen, noch keine volle Packung täglich. Es sei von unter 30 Packungsjahren
auszugehen.
Das SG Potsdam hat durch Urteil vom 22. Februar 2007 die Klage abgewiesen. Es sei nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die
beim Kläger vorliegende chronisch-obstruktive Lungenerkrankung durch die im Zeitraum von Oktober 1955 bis Dezember 1978 bestehende
inhalative toxische Belastung mit Feinstaub und Schwefeldioxid verursacht worden sei. Insoweit beziehe sich die Kammer auf
das überzeugende Sachverständigengutachten von Dr. Dr. F vom 30. Juli 2004. Für die Kammer sei nicht nachvollziehbar, aus
welchen Gründen im Nachhinein der Nikotinkonsum nach Ansicht des Klägers nunmehr unter 30 Packungsjahren gelegen haben soll.
Dies sei als reine Schutzbehauptung zu bewerten. Bereits der behandelnde Arzt des Klägers Dr. S habe in seinem Befundbericht
vom 09. Mai 1998 einen Nikotingenuss von 40 Packungsjahren festgestellt. Diese Angabe sei vom Kläger trotz des langjährigen
Laufes der Gerichtsverfahren, insbesondere während des früheren Verfahrens S 2 U 48/99, nicht angegriffen worden. Vielmehr
habe der Kläger seinerzeit gerade wegen der im dortigen Verfahren angesprochenen Raucherproblematik die Klage zurückgenommen.
Eine plausible Erklärung sei er hierfür schuldig geblieben. Die Auffassung von Dr. Dr. F stehe auch im Einklang mit den Gutachten
von Prof. Dr. K Prof. Dr. H, Dr. B und Dr. S. Sämtliche Vorgutachter hätten die haftungsbegründende Kausalität zwischen der
Lungenerkrankung des Klägers und seiner beruflichen Tätigkeit verneint, da vor dem Hintergrund eines langjährigen Nikotinabusus
die Art der berufsbedingten inhalativen Schadstoffexposition nicht als hinreichend für die Induktion einer chronisch-obstruktiven
Lungenerkrankung gehalten werden könne. Auch eine Verschlimmerung des Leidens durch berufliche Einflüsse sei für sie nicht
sicher einschätzbar gewesen.
Gegen das ihm am 07. August 2007 zugestellte Urteil richtet sich der Kläger mit seiner am 29. August 2007 eingelegten Berufung.
Der Zusammenhangsbeurteilung der gehörten Gutachter und Sachverständigen könne nicht gefolgt werden, da diese sowohl bezüglich
Dauer als auch Umfang seines Nikotinkonsums von falschen Annahmen ausgingen.
In einer zur Akte gereichten schriftlichen Erklärung vom 11. Februar 2007 hat der Kläger ausgeführt, er sei Normalraucher
gewesen und habe am 20. Februar 1980 das Rauchen beendet. Vom Rauchen gebe es keine Staublunge. Alle an den Generatoren Arbeitenden
seien vom Betrieb regelmäßig alle zwei Jahre zur Kur geschickt worden, nicht weil sie zuviel geraucht hätten, sondern weil
dort laufend giftige Gase freigesetzt worden seien. Dort habe ein striktes Rauchverbot geherrscht. Feinstäube und Schwefeldioxid
seien in keiner Zigarette zu finden.
In einem mit der Vorsitzenden des Senats am 29. Oktober 2010 nach Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung geführten
Telefonat hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er nur bis 1980 geraucht habe und zwar ca. ein Päckchen pro Tag.
In seiner zur Akten gereichten schriftlichen Erklärung vom 22. November 2010 legt der Kläger nunmehr dar, er habe als 16jähriger
zum ersten Mal eine Zigarette geraucht und dies in der Folgezeit im Freundeskreis wiederholt (ca. eine Zigarette/Woche). Aufgrund
seines niedrigen Einkommens sei er darauf angewiesen gewesen, dass ihm Freunde eine Zigarette abgaben. Öffentlich habe erst
mit 18 Jahren geraucht werden dürfen, die Zigaretten seien nachkriegsbedingt zugeteilt worden, so dass sein regelmäßiger Zigarettenkonsum
erst im Alter von 20 Jahren begonnen habe. Im Stahlwerk H sei ihm das Rauchen auf dem Arbeitsplatz untersagt worden, dort
habe er nur in der Frühstücks- und Mittagspause ein bis zwei Zigaretten rauchen können. Er habe in Schichten gearbeitet, so
dass er unregelmäßig in seiner Freizeit geraucht habe. Der Wochenkonsum habe fünf Schachteln betragen. Auf Ratschlag seines
Hausarztes habe er am 20. Januar 1980 von einem Tag auf den anderen mit dem Rauchkonsum aufgehört, weil dieser seinen ständigen
Husten darauf geschoben habe. Anschließend sei er zu einer Kur geschickt worden, während der er keine Zigarette mehr angerührt
habe.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. Februar 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2002 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 04. Februar 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die bei ihm bestehende chronisch-obstruktive
Lungenerkrankung (COPD) als Berufskrankheit nach der Nr. 4302 der Anlage zur BKV anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf sonstigen Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verfahrensakten des SG Potsdam zu den Aktenzeichen S 2 U 48/99 und S 5 SB 210/05 (das
Verfahren gegen das Landesversorgungsamt Brandenburg betreffend), die Gegen-stand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten mit der Ladung auf diese Möglichkeit
hingewiesen worden sind.
Die frist- und formgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§ 143 SGG), jedoch
unbegründet.
Zu Recht hat das SG Potsdam durch Urteil vom 22. Februar 2007 die vom Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
(§ 54 Abs. 1 SGG) abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom 26. November 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 04. Februar 2003 erweist sich als rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung seiner chronisch-obstruktiven
Lungenerkrankung als BK Nr. 4302 der Anlage zur BKV.
Als Versicherungsfall gilt nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) auch eine BK. BKen sind die Krankheiten,
welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer
versicherten Tätigkeit erleidet (§ 9 Abs. 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten
als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht
sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung
ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden
Tätigkeiten versehen.
Gemäß diesen Vorgaben lassen sich bei einer Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die ggf. bei einzelnen
Listen-BKen einer Modifikation bedürfen: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang)
muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und
die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte
Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender
Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge
genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteile vom 27. Juni 2006 -
B 2 U 20/04 R - in SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Anders als nach
der im Zivilrecht geltenden Adäquanztheorie, nach der jedes Ereignis, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg
entfiele, als Ursache des Erfolges gilt, erfolgt im Sozialrecht die Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen
Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung
zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung
des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolges bzw. des Gesundheitsschadens abgeleitet
werden (vgl. u. a. Urteile des BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - in SozR 4-2700 § 8 SGB VII Nr. 15 und vom 09. Mai
2006 - B 2 U 1/05 R - aaO.). Da es mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben kann, ist für die Entscheidung über die
Wesentlichkeit einer Ursache allein relevant, ob das Unfallereignis bzw. die Einwirkung wesentlich war. Ob eine konkurrierende
Ursache es war, ist unerheblich. Hierbei ist "wesentlich" nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig".
Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den
Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine
Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die
erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts (vgl. BSG in SozR Nr. 27 und Nr. 69
zu § 542 a. F. Reichsversicherungsordnung [RVO]; BSG in SozR Nr. 6 zu § 589 RVO; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 1.5.2). Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im
zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung
und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet
werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften
Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar
war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen
bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Ein
Zusammenhang ist wahrscheinlich, wenn bei Abwägung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Faktoren so stark überwiegen,
dass darauf die Überzeugung des Gerichts gegründet werden kann (vgl. zu allem BSG, Urteil vom 12. April 2005 aaO.).
Von der Nr. 4302 der Anlage zur BKV werden durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen,
die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben
der Krankheit ursächlich waren oder sein können, erfasst.
Nach dem Tatbestand der BK Nr. 4302 muss also der Versicherte auf Grund seiner versicherten Tätigkeit chemisch-irritativ oder
toxisch wirkenden Stoffen ausgesetzt gewesen sein, die ihrerseits eine obstruktive Atemwegserkrankung verursacht haben. Durch
die spezifischen, der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden besonderen Einwirkungen muss eine obstruktive Atemwegserkrankung
entstanden sein (und noch bestehen). Zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen muss ein sachlicher
Zusammenhang und zwischen diesen Einwirkungen und der Erkrankung muss ein (wesentlicher) Ursachenzusammenhang bestehen. Der
Versicherte muss darüber hinaus gezwungen gewesen sein, alle gefährdenden Tätigkeiten aufzugeben. Als Folge dieses Zwangs
muss die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich erfolgt sein. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt eine BK Nr.
4302 nicht vor (vgl BSG, Urteile vom 30. Oktober 2007 - B 2 U 4/06 R - in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 sowie 18. November 2008
- B 2 U 14/07 R - und - B 2 U 14/08 R - jeweils zitiert nach Juris) und ist nicht anzuerkennen.
Unter Zugrundelegung der zuvor genannten Kriterien steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger während seiner
Tätigkeit beim VEB Stahl- und Walzwerk H vom 10. Oktober 1955 (Aufnahme der Tätigkeit als Generatorenarbeiter) bis zum 31.
Dezember 1978, d.h. ca. 23 Jahre, chemisch-irritativ bzw. toxisch wirkenden Stoffen i. S. d. BK Nr. 4302 ausgesetzt gewesen
war. Dies ergibt sich aus den vom TAD bzw. Präventionsbezirk der Beklagten durchgeführten Ermittlungen (vgl. u. a. Stellungnahme
vom 19. März 2002), wonach der Kläger aufgrund der Verbrennung von Braunkohle, Anthrazitkohle und Heizöl bei der Gasherstellung
bzw. Beheizung der diversen Öfen (Vorwärmöfen, Blockstoßöfen, SM-Öfen) gegenüber Verbrennungsgasen, und zwar vor allem in
Form von Schwefeldioxid, exponiert gewesen war.
Des Weiteren leidet der Kläger nach den übereinstimmenden Feststellungen aller in den Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten
Gutachter/Sachverständigen an einer chronisch-obstruktiven Bronchitis (COPD) und damit an einer obstruktiven Atemwegserkrankung
i. S. der BK Nr. 4302. Der Beginn der Erkrankung - chronische Bronchitis - ist wie bereits Dr. B anhand der medizinischen
Unterlagen der Betriebspoliklinik des VEB Stahl- und Walzwerk nachvollziehbar dargelegt hat, im Hinblick auf die dort beschriebene
Symptomatik und den klinisch pathologischen Auskultationsbefund für das Jahr 1977 festzustellen, auch wenn sich die Atemfunktionswerte
bei der 1982 bzw. 1983 durchgeführten Testung noch im Normalbereich befanden.
Der Senat vermochte sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 SGG) jedoch nicht davon zu überzeugen, dass die berufliche
Belastung des Klägers durch Verbrennungsgase (Reizgase), vor allem in Form von SO2, in der Zeit vom 10. Oktober 1955 bis zum
31. Dezember 1978 (ca. 23 Jahre) die rechtlich wesentliche Ursache der seit 1977 bestehenden chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung
ist. Denn der Kläger war (auch nach seinen eigenen - wiederholten - Angaben) vom 16. Lebensjahr (1945) bis vor Antritt der
Kur im Jahre 1980 Zigarettenraucher. Der Senat folgt hierbei der von allen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren gehörten
Gutachtern/Sachverständigen vertretenen Auffassung, dass im Hinblick auf den langjährigen Zigarettenkonsum des Klägers der
beruflichen Belastung mit Reizgasen nicht die wesentliche Bedeutung für die Entstehung der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung
zukommt. Die Gutachter und Sachverständigen Prof. Dr. S, Prof. Dr. H, Dr. B, Dr. S und Dr. Dr. F haben bei ihrer Beurteilung
den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft sowie die in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen und den jeweiligen
Erkenntnisstand zur beruflichen Belastung des Klägers berücksichtigt und ihre Auffassung nachvollziehbar begründet.
Zwar variieren die Angaben des Klägers zum Umfang seines Zigarettenkonsums während der durchgeführten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren,
gleichwohl ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger zumindest in der Zeit von 1949 bis 1980 mindestens ein Päckchen
Zigaretten täglich, phasenweise auch erheblich mehr, geraucht hatte, so dass hier mehr als 31 Pack-Years vorliegen. Bereits
der den Kläger behandelnde Lungenarzt Dr. S hat anhand dessen (noch unbefangenen) Angaben 40 Pack-Years errechnet (vgl. Arztbrief
vom 09. Mai 1998). Die in der Medizin verwendete Größe zur Quantifizierung des Zigarettenkonsums "pack-years" (= Packungsjahre)
wird aus der Anzahl der Raucherjahre multipliziert mit der Anzahl der täglich gerauchten Packungen ermittelt, d.h. 40 Pack-Years
können sowohl einen Zigarettenkonsum von 20 Jahren mit jeweils zwei Packungen pro Tag als auch von 40 Jahren mit einer Packung
pro Tag beschreiben. Hiermit bzw. mit der Einschätzung von Dr. S korrespondieren die im Gutachten von Prof. Dr. H aus dem
Jahr 2000 zitierten Angaben des Klägers, vom 16. Lebensjahr bis 1980 Zigarettenraucher gewesen zu sein und teilweise bis 40
Zigaretten pro Tag geraucht zu haben. Bei der Begutachtung durch Dr. B im Jahre 2001hat der Kläger ebenfalls entsprechende
Angaben gemacht, wenn auch in etwas abgeschwächter Form ("seit 1980 Nichtraucher, vorher ca. 35 Jahre Raucher, ca. 20 Zigaretten
am Tag, als Kranfahrer ca. 25 bis 30/Tag"). Der Senat hat keine Bedenken, die in den zuvor genannten Gutachten zitierten anamnestischen
Angaben des Klägers zum Umfang seines Zigarettenkonsums bei der Zusammenhangsbeurteilung zu Grunde zu legen. So wird aus diesen
differenziert dargestellten Angaben des Klägers deutlich, dass eine intensive Befragung im Rahmen der jeweiligen Begutachtung
stattgefunden hat. Sie stehen im Kern auch mit den späteren Angaben des Klägers (vgl. Schreiben vom 07. November 2000, schriftliche
Erklärung vom 11. Februar 2007, Telefonat mit der Senatsvorsitzenden am 29. Oktober 2010), bis zu seinem 20. Lebensjahr im
geringen Umfang, dann bis 1980 als "Normalraucher" (zumindest) ein Päckchen täglich geraucht zu haben, in Übereinstimmung.
Soweit der Kläger (schriftliche Erklärung vom 22. November 2010) nunmehr bemüht ist, einen geringeren Zigarettenkonsum darzustellen
(vom 16. bis zum 18. Lebensjahr nur eine Zigarette pro Woche, ab dem 20. Lebensjahr regelmäßiger Zigarettenkonsum von fünf
Schachteln pro Woche), vermag dies den Senat nicht zu überzeugen. Auffällig ist, dass mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur
Beendigung des Zigarettenkonsums und zur ersten Dokumentation des Umfanges durch den behandelnden Arzt im Jahre 1998 (40 Pack-Years)
sowie mit zunehmender Verfahrensdauer die vom Kläger genannte Anzahl der im Durchschnitt täglich gerauchten Zigaretten schrumpft.
Die aufgrund seiner Tätigkeit nachvollziehbare frühere Angabe, als Kranführer (d.h. in der Zeit von 1973 bis 1980) mehr Zeit
zum Rauchen gehabt und zeitweise bis zu zwei Päckchen pro Tag geraucht zu haben (so bei Prof. Dr. H und ähnlich bei Dr. B),
verleugnet er nunmehr und stellt auf ein Rauchverbot bei der Arbeit (an den Generatoren) ab (vgl. schriftliche Erklärung vom
22. November 2010). Des Weiteren verdrängt der Kläger, dass er nicht durchgehend von 1949 (20. Lebensjahr) bis 1980 beim VEB
Stahl- und Walzwerk H als Generatorenarbeiter gearbeitet hatte, sondern von 1952 bis 1955 als Angestellter der Volkspolizei
tätig war (mit wohl hinreichender Gelegenheit zum Rauchen bei der Arbeit) und ab 1973 phasenweise neben der Kranführertätigkeit
auch andere Hilfsarbeitertätigkeiten ausgeführt hatte.
Die im Gutachten von Prof. Dr. K zitierten Angaben des Klägers, 40 Zigaretten täglich seit seiner Jugend bis 1985 geraucht
zu haben, berücksichtigt der Senat nicht bei seiner Beurteilung. Hierbei dürfte es sich um ein Missverständnis oder einen
Übertragungsfehler seitens des Gutachters handeln, denn ein derart hoher Zigarettenkonsum bereits in den Jugendjahren des
Klägers ist im Hinblick auf die von ihm geschilderten Bedingungen der frühen Nachkriegszeit eher unwahrscheinlich.
Hinsichtlich der Frage der Verursachung der beim Kläger bestehenden chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung ist zudem Folgendes
zu berücksichtigen:
Bei der chronisch-obstruktiven Bronchitis (COPD) handelt es sich um eine Erkrankung, bei der eine bronchiale Obstruktion durch
eine chronische Bronchitis (vermehrte Schleimsekretion; nach WHO: Husten und Auswurf über mindestens drei Monate im Jahr in
zwei aufeinander folgenden Jahren) und/oder ein Lungenemphysem besteht (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall
und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 1060; A. Gillissen/E. W. Schmidt, "Die chronische Bronchitis und ihre Folgen Therapie
- Prognose - Versicherungsmedizinische Aspekte" in VersMed 1996, S. 200 ff). Es ist ein weit verbreitetes Krankheitsbild,
welches vorwiegend nach dem 40. Lebensjahr auftritt; Hauptrisikofaktor für die Entstehung und Persistenz der Erkrankung ist
das inhalative Rauchen von Zigaretten (vgl. Frank Richling, COPD Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen, Thieme Verlag 2006,
Abschnitt 4 Risikofaktoren und Pathogenese; Psychrembel, Klinisches Wörterbuch, 257. Aufl., S. 218; zu den Auswirkungen des
Rauchens: www.lungenaerzte-im-netz.de, herausgegeben (hrsg.) von der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin
[DGP] und dem Bundesverband der Pneumologen e. V. [BdP]; A. Gillissen/E. W. Schmidt, "Die chronische Bronchitis und ihre Folgen
Therapie - Prognose - Versicherungsmedizinische Aspekte" in VersMed 1996, S. 200 ff). So enthält der Zigarettenrauch weit
über 1.000 verschiedene Stoffe, von denen viele toxisch wirken (vgl. Frank Richling, COPD Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen,
aaO.; "COPD und Rauchen" in AOK-Curaplan COPD, veröffentlicht unter www.aok.de). Bereits das regelmäßige Rauchen von wenigen
Zigaretten täglich wirkt sich nachhaltig negativ auf die Lungenfunktion aus. So sinkt das Ausatmenvolumen in der ersten Sekunde
(FEV1) stärker ab als bei Nichtrauchern; Studien haben ergeben, das der jährliche Verlust des Ausatmungsvolumens bei Nichtrauchern
36 ml, bei Rauchern in Abhängigkeit von der Zahl der täglich gerauchten Zigaretten dagegen 44 ml (1 - 4 Zigaretten täglich),
46 ml (5 - 15 Zigaretten täglich) bzw. 54 ml (16 - 20 Zigaretten täglich) beträgt (vgl. zu den Auswirkungen des Rauchens:
www.lungenaerzte-im-netz.de, hrsg. von der DGP und dem BdP).
Ebenso wie das Inhalieren von Zigarettenrauch kann aber auch eine langjährige Gas- (insbesondere SO2-) und Staubinhalation
mit bronchialbaumgängigen Partikelgrößen isoliert eine COPD auslösen oder bei Kombination mit Nikotinkonsum den Krankheitsverlauf
beschleunigen (vgl. Frank Richling, COPD Chronisch-obstruktive Lungenerkrankungen, aaO.).
Vergegenwärtigt man sich im vorliegenden Fall des Klägers, dass eine - wenn auch anfänglich noch geringe - außerberufliche
Belastung durch Zigarettenkonsum von 1945 bis 1980 und nur zeitweise parallel dazu von 1955 bis Ende 1978 eine berufliche
Belastung durch Verbrennungsgase (insbesondere Schwefeldioxid) vorgelegen hat, so kann die Einschätzung der im vorliegenden
Verfahren gehörten Gutachter und Sachverständigen nur geteilt werden. Zu bedenken ist, dass hier dem Zigarettenkonsum schon
im zeitlichen Umfang eine überragende Bedeutung zukommt. Zudem erhöht jeglicher Zigarettenkonsum das Risiko, eine COPD zu
entwickeln. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger erheblich geraucht hat, ergeben sich auch aus dem 1966 festgestellten CO-Hb-(das
an Hämoglobin - roter Blutfarbstoff - gebundene Kohlenmonoxid) Wert von 7,9%, der bei Rauchern bei 8% (bei Nichtrauchern bei
1%) liegt. Raucher nehmen beim Inhalieren von Tabakrauch neben anderen Gasen Kohlenmonoxid auf (zur Ermittlung der CO-Belastung:
in www.bgbau.de). Kohlenmonoxid wird nicht als Noxe im Sinne der BK Nr. 4302 (wohl aber für andere Erkrankungen) beschrieben
(vgl. Rudolf Barrot, "Was sind Gefahrstoffe im Sinne der BK 4302?" in ErgoMed 1998 S. 272 ff.; V. van Kampen, A.B. Czuppon,
M. Butz, X. Baur, "Atemwegreizende Arbeitsstoffe: Kennzeichnung und Berufskrankheiten-Geschehen" in Zentralblatt für Arbeitsmedizin
48 (1998) S. 34 ff). Bei dieser Sachlage kann die erst zu einem späteren Zeitpunkt beginnende berufliche Belastung des Klägers
durch Reizgase, die zudem noch vor Aufgabe des Zigarettenkonsums endete, weder zeitlich noch umfangsmäßig mit der inhalativen
Belastung durch Zigarettenkonsum gleich gewichtet werden. Dies hat auch der von der Beklagten angehörte staatliche Gewerbearzt
in seiner abschließenden Stellungnahme vom 04. November 2002 zum Ausdruck gebracht, der das Vorliegen einer BK Nr. 4302 mit
der Begründung ablehnte, dass der langjährige Nikotinabusus des Klägers nach aller Erfahrung und unstreitiger wissenschaftlicher
Beweisführung - allein - als ausreichend angesehen werden könnte, die Atemwegserkrankung zu verursachen.
Ein Ursachenzusammenhang zwischen der beruflichen Belastung mit Reizgas und der beim Kläger bestehenden chronisch-obstruktiven
Lungenerkrankung i. S. einer (richtunggebende) Verschlimmerung kann vorliegend ebenfalls nicht festgestellt werden. Schließlich
liegt der Beginn der Erkrankung im Jahr 1977, die Reizgasbelastung endete bereits 1978 während der Zigarettenkonsum des Klägers,
der während der Tätigkeit als Kranfahrer besonders intensiv war, noch bis ins Jahr 1980 andauerte.
Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.