Tatbestand
Die Klägerin wendet sich dagegen, dass der Beklagte gegenüber der DAK G. einen Erstattungsanspruch geltend macht.
Die Klägerin stand und steht beim Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Ausweislich der vom Beklagten übersandten Zahldaten wurden der Klägerin im Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. Dezember
2016 monatlich 833,14 Euro gezahlt und im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 31. März 2017 monatlich 864,11 Euro. Anfang
März 2017 teilte die Krankenversicherung der Klägerin, die DAK G., dem Beklagten mit, dass die Klägerin rückwirkend ab dem
29. September 2016 Anspruch auf Krankengeld habe. Der Beklagte machte daraufhin mit Schreiben vom 10. März 2017 gegenüber
der DAK G. einen Erstattungsanspruch nach § 103 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für von ihm im Zeitraum vom 1. Oktober 2016 bis zum 31. März 2017 an die Klägerin erbrachte Leistungen in Höhe von insgesamt
5.091,75 Euro geltend und führte dabei aus, die Bewilligungsentscheidung gegenüber der Klägerin sei bereits aufgehoben worden.
Eine Zweitschrift des Schreibens übersandte der Beklagte an die Klägerin zur Kenntnisnahme. Tatsächlich waren keine Aufhebungsentscheidungen
gegenüber der Klägerin ergangen.
Gegen die ihr übersandte Zweitschrift erhob die Klägerin am 12. April 2017 Widerspruch. Entgegen der Ausführungen in dem Schreiben
sei eine Bewilligungsentscheidung gegenüber ihr, der Klägerin, nicht aufgehoben worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober
2017 verwarf der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unzulässig. Bei dem Schreiben vom 10. März 2017 handele es sich
nicht um einen Verwaltungsakt, weshalb das Widerspruchsverfahren hiergegen nicht eröffnet sei. Zudem sei die Klägerin an den
nach §§ 102 ff. SGB X begründeten Rechtsbeziehungen zwischen den Sozialleistungsträgern nicht beteiligt, ihr stünden innerhalb dieser daher auch
keine Mitwirkungsrechte zu. Ganz am Ende des Widerspruchsbescheids, unter der Rechtsbehelfsbelehrung und der Unterschrift
der zuständigen Mitarbeiterin des Beklagten stand folgender „Nachsatz“: „Es trifft zu, dass im vorliegenden Fall die Bewilligungsentscheidungen
nicht aufgehoben wurde, da Leistungen nur bis zum 31.03.2017 bewilligt waren und dementsprechend keine Aufhebung ab 01.04.2017
erforderlicher war. Aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X erfolgt keine Aufhebung für den Erstattungszeitraum“.
Die Klägerin hat am 27. November 2017 Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben. Sie hat vorgetragen, sie sei an dem Erstattungshandeln
zwischen den Behörden zwar nicht beteiligt, davon aber betroffen. Außerdem sei der Erstattungsbetrag möglicherweise unrichtig
ermittelt worden, sie halte ihn für zu hoch.
Das Sozialgericht hat am 17. Januar 2020 einen Erörterungstermin durchgeführt und im Anschluss daran die Beteiligten zur beabsichtigten
Entscheidung im Wege des Gerichtsbescheides angehört. Das Anhörungsschreiben vom 7. Februar 2020 wurde an die damalige Prozessbevollmächtigte
der Klägerin, Rechtsanwältin Dr. T., übersandt, die hierauf am 6. März 2020 antwortete. Am 9. April 2020 hat Rechtsanwältin
Dr. T. dem Sozialgericht mitgeteilt, dass sie die Klägerin nicht mehr vertrete.
Die DAK G. hat mit Schreiben an Frau Dr. T. vom 15. April 2020 mitgeteilt, von dem der Klägerin für den Zeitraum vom 29. September
2016 bis zum 31. März 2017 zustehenden Krankengeld insgesamt 3.501,40 Euro an den Beklagten auf dessen Erstattungsanspruch
gezahlt zu haben. Dieses Schreiben hat Frau Dr. T. an das Sozialgericht weitergeleitet.
Mit Gerichtsbescheid vom 28. August 2020 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die
Klage sei unzulässig. Es fehle an eigenen Rechten der Klägerin, deren Durchsetzung sie mit der Klage erreichen könne. Die
Erstattungsbeziehung zwischen dem Beklagten und der DAK G. betreffe die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten, sie habe
sich insoweit vielmehr an die DAK G. zu halten.
Am 10. September 2020 hat die Klägerin Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Sie trägt vor, sie habe keine Möglichkeit
gehabt, zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid Stellung zu nehmen, da sie aufgrund der Mandatsbeendigung ihrer
Prozessbevollmächtigten nicht mehr anwaltlich vertreten gewesen sei. Das Sozialgericht habe fälschlich mit Frau Dr. T. verhandelt,
nicht mit ihr. Bereits im Oktober 2016 habe der Beklagte Erstattungsansprüche gegenüber der DAK G. geltend gemacht. Die Erstattung
werde hier zu Unrecht verlangt. Die Voraussetzungen des § 103 SGB X lägen nicht vor, da kein Aufhebungsbescheid ihr gegenüber ergangen sei. Sie habe einen Anspruch darauf, dass der Beklagte
es unterlasse, wahrheitswidrig zu behaupten, es gäbe einen solchen Aufhebungsbescheid. Die DAK G. müsse sich auf die Aussagen
des Beklagten verlassen können. Der Beklagte habe behauptet, sie, die Klägerin, schulde im ca. 5.000,- Euro. Mit seiner wahrheitswidrigen
Behauptung, es gebe einen Aufhebungsbescheid, habe der Beklagte einen Betrug begangen, diese Straftat habe das Gericht aufzuklären.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 8. September 2022 wörtlich beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 28. August 2020 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen nach §
159 SGG i.V.m. §
546 ZPO (? Laie).
Sowie hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, seine unwahre Behauptung, es gäbe keinen Aufhebungsbescheid gegenüber der DAK zu widerrufen
und zu erklären, dass es zu keiner Zeit einen Aufhebungsbescheid für die streitigen Zeiten 2016/2017 bezüglich der Gewährung
von Leistungen nach dem SGB II gegeben hat,
das Gericht möge erkennen, dass die Norm § 103 SGB X hier nicht einschlägig ist und von der Erstattungspflichtigen nur beachtet wurde aufgrund des falschen Dokuments mit der
unwahren Aussage, es gäbe einen Aufhebungsbescheid und damit die Erstattung rückgängig zu machen ist und
dass die Akte paginiert werde und vorher vom Beklagten keiner mehr Einsicht nimmt, damit nicht nachträglich ein Bescheid eingeführt
werden kann.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Anträge abzuweisen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat die Berufung mit Beschluss vom 8. Juni 2021 der Berichterstatterin zur Entscheidung
mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
In der mündlichen Verhandlung am 8. September 2022 hat die Klägerin einen Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts gestellt,
der durch Beschluss abgelehnt wurde. Sodann hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ein Ablehnungsgesuch gegen die
Berichterstatterin gestellt, welches unter dem Aktenzeichen L 4 SF 15/22 AB D geführt wurde. Mit Beschluss vom 26. September 2022 hat der Senat das Ablehnungsgesuch für nicht begründet erklärt.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin mit Schreiben vom 12. September 2022 ausgeführt, sie benötige erneut
Akteneinsicht. Ihr sei in der mündlichen Verhandlung eine Schriftsatzfrist gewährt worden.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet gem. §
153 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter. Die Entscheidung konnte in dieser Besetzung und unter Mitwirkung
der Berichterstatterin ergehen, da das Ablehnungsgesuch der Klägerin durch Beschluss vom 26. September 2022 zurückgewiesen
wurde.
Der Senat war auch durch den Antrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, ihr einen Notanwalt beizuordnen, nicht an
einer Entscheidung gehindert bzw. nicht veranlasst, den Rechtsstreit zu vertagen. Der Antrag ist durch Beschluss in der mündlichen
Verhandlung abgelehnt worden. Die Beiordnung eines Notanwalts erfolgt nach §
202 SGG i.V.m. §
78b Abs.
1 Zivilprozessordnung (
ZPO), wenn eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, die Partei einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet
und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diese Voraussetzungen lagen
hier nicht vor. Die Vertretung durch einen Anwalt ist nur dann im Sinne von §
78b ZPO geboten, wenn ein Zwang der Parteien zur Vertretung durch einen Rechtsanwalt besteht (vgl. Althammer in: Zöller,
ZPO, §
78b Rn. 2). Das ist im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht nicht der Fall, die Klägerin kann das Verfahren hier auch
ohne Anwalt führen.
Schließlich war der Klägerin vor einer Entscheidung auch nicht erneut Akteneinsicht zu gewähren. Die ihr in der mündlichen
Verhandlung eingeräumte Schriftsatzfrist bezog sich allein auf die Begründung des Ablehnungsgesuchs, nicht aber auf weiteren
Vortrag zur Sache. Im Vorfeld der mündlichen Verhandlung (die neben diesem noch drei weitere Verfahren der Klägerin umfasste)
waren mit der Klägerin insgesamt vier Termine zur Akteneinsicht vereinbart worden, von denen sie drei auch wahrgenommen hat.
Sie hatte damit ausreichend Gelegenheit, sich mit dem Inhalt der Akten vertraut zu machen.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Hauptantrag, den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid aufzuheben und den
Rechtsstreit an das Sozialgericht zurückzuverweisen, kann keinen Erfolg haben. Zutreffend hat das Sozialgericht entschieden,
dass eine Klage gegen den Beklagten mit dem Ziel, dessen Erstattungsanspruch gegen die DAK G. entgegenzuwirken, nicht zulässig
ist. Der vom Beklagten geltend gemachte Erstattungsanspruch betrifft allein das Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten und
der DAK G., nicht aber das Verhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin. Soweit die Klägerin vorträgt, der Beklagte
mache ihr gegenüber eine Forderung in Höhe von ca. 5.000,- Euro geltend, irrt sie, der Beklagte ist zu keinem Zeitpunkt mit
einer solchen Forderung direkt an die Klägerin herangetreten. Von der Erstattungsforderung, die der Beklagte gegenüber der
DAK G. geltend macht, ist die Klägerin (lediglich) mittelbar betroffen: Soweit die DAK G. der Erstattungsforderung des Beklagten
nachgekommen ist, hat sich dadurch die Auszahlung des Krankengeldes an die Klägerin reduziert. Wenn die Klägerin der Auffassung
ist, dass ihr von der DAK G. (aus diesem oder aus einem anderen Grund) zu wenig Krankengeld gezahlt wurde, so kann und muss
sie dies gegenüber der DAK G. geltend machen, nicht aber gegenüber dem Beklagten. Ist die Entscheidung des Sozialgerichts
zutreffend, so besteht kein Anlass für eine Zurückverweisung gem. §
159 SGG.
Soweit die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung ausführt, der erstinstanzliche Gerichtsbescheid sei erlassen worden, ohne
dass sie zuvor angehört worden sei, vermag dies an der Unbegründetheit der Berufung nichts zu ändern. Im Übrigen trifft dies
aber auch nicht zu. Nachdem das Sozialgericht am 17. Januar 2020 einen Erörterungstermin u.a. in diesem Rechtsstreit durchgeführt
hatte, bei dem sowohl die Klägerin persönlich als auch ihre damalige Prozessbevollmächtigte Rechtsanwältin Dr. T. anwesend
waren, hat das Sozialgericht am 7. Februar 2020 eine Anhörung zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid unter
Setzung einer Stellungnahmefrist von fünf Wochen versandt. Dieses Schreiben ging zu Recht allein an Frau Dr. T., da das Mandatsverhältnis
zum damaligen Zeitpunkt noch bestand. Frau Dr. T. hat sich gegenüber dem Sozialgericht auch noch innerhalb der gesetzten Stellungnahmefrist
geäußert. Erst am 9. April 2020 und damit deutlich nach Fristablauf hat Frau Dr. T. das Ende des Mandatsverhältnisses mitgeteilt.
Der Gerichtsbescheid erging wiederum deutlich später, nämlich erst am 28. August 2020. Die Klägerin hatte also ausreichend
Gelegenheit sich zu äußern, sei es durch Frau Dr. T., sei es nach Ende des Mandatsverhältnisses selbst. Die Beiordnung eines
neuen Anwalts/einer neuen Anwältin hat die Klägerin erstinstanzlich nicht beantragt.
Auch die erstmals in der mündlichen Verhandlung formulierten Hilfsanträge können – unabhängig von der Frage, ob sie überhaupt
zulässig zum Gegenstand des hiesigen Verfahrens gemacht werden können – der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Das Begehren
der Klägerin, den Beklagten zum Widerruf einer Behauptung bzw. zur Abgabe einer Erklärung zu verpflichten, läuft schon deshalb
ins Leere, weil der Beklagte im Widerspruchsbescheid bereits mitgeteilt hat, dass es keine Aufhebung der Bewilligungen für
den Erstattungszeitraum gab. Der Widerspruchsbescheid und damit auch diese Erklärung liegen der Klägerin seit langem vor.
Der auf eine Paginierung der Akte gerichtete Antrag bezieht sich offensichtlich auf die Akten des Beklagten, da die Gerichtsakte
bereits durchgängig paginiert ist. Die Aktenführung – und damit auch die Entscheidung über die Paginierung – liegt insoweit
allein beim Beklagten und entzieht sich einer Entscheidung des Gerichts. Soweit die Klägerin begehrt, „das Gericht möge erkennen,
dass die Norm § 103 SGB X hier nicht einschlägig ist und von der Erstattungspflichtigen nur beachtet wurde aufgrund des falschen Dokuments mit der
unwahren Aussage, es gäbe einen Aufhebungsbescheid und damit die Erstattung rückgängig zu machen ist“ ist die Frage, warum
die DAK G. den Erstattungsanspruch des Beklagten (teilweise) erfüllt hat, eine reine Tatsachenfrage und einer Feststellung
durch das Gericht nicht zugänglich. Im Übrigen gelten die obigen Ausführungen: Wenn die Klägerin der Auffassung ist, die DAK
G. habe ihr aufgrund der Erstattungsforderung des Beklagten zu wenig Krankengeld ausgezahlt, so möge sie dies gegenüber der
DAK G. geltend machen.
Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass sich aus den vorliegenden Unterlagen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der vom
Beklagten geltend gemachte Erstattungsanspruch tatsächlich nicht oder nur in geringerer Höhe besteht. Zwar dürfte hierfür
tatsächlich nicht § 103 SGB X als Rechtsgrundlage in Betracht kommen (kein nachträgliches Entfallen des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II, da das Krankengeld erst nachträglich rückwirkend bewilligt wurde und damit im betreffenden Zeitraum nicht als bereites Mittel
zur Verfügung stand), wohl aber § 104 SGB X, der den Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers regelt. Unstreitig hat die DAK G. der Klägerin
rückwirkend für die Zeit ab dem 29. September 2016 Krankengeld gewährt, welches gegenüber den Leistungen nach dem SGB II vorrangig ist. Der Beklagte hat gegenüber der DAK G. geltend gemacht, er habe der Klägerin im Zeitraum vom 1. Oktober 2016
bis zum 31. Dezember 2016 monatlich 838,14 Euro gezahlt und im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis zum 31. März 2017 monatlich
864,11 Euro, insgesamt also 5.091,75 Euro. Dies deckt sich mit den vom Beklagten an das Sozialgericht übersandten Auszahlungsübersichten
und die Klägerin ist dem auch nicht entgegengetreten. Aus dem Schreiben der DAK G. vom 15. April 2020 geht hervor, dass diese
von dem der Klägerin zustehenden Krankengeld für den Zeitraum von Oktober 2016 bis einschließlich März 2017 insgesamt 3.501,40
Euro an den Beklagten gezahlt hat, also nicht mehr (sondern sogar weniger), als die Klägerin vom Beklagten erhalten hatte
und von diesem im Erstattungswege geltend gemacht worden war.
Die Kostenentscheidung ergeht nach §
193 Abs.
1 SGG und ergibt sich aus der Entscheidung in der Sache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nr.
1 oder 2
SGG nicht vorliegen.