Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung wegen der Länge der Verweildauer des Patienten.
Die Klägerin betreibt ein nach §
108 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch (
SGB V) zugelassenes Krankenhaus. Die Beklagte ist der Krankenversicherer des Versicherten S.R., geboren am xxxxx 1992 (im Folgenden:
Versicherter).
Der zum Behandlungszeitpunkt 23-jährige Versicherte wurde in der Zeit vom 3. bis 5. September 2015 wegen Harnsteinen und Harnwegsobstruktion
(drittgradiger Harnaufstau) sowie Unterbauch- und Flankenschmerzen im Hause der Klägerin behandelt. Der Versicherte traf am
3. September 2015 um 17.24 Uhr per Selbsteinweisung im Klinikum der Klägerin ein. Die an diesem Tag durchgeführte Notfalldiagnostik
(chirurgische Vorstellung und Vorstellung beim Urologen sowie CT-Diagnostik mit Festlegung des weiteren Vorgehens) war gegen
22:00 Uhr beendet. Der alkoholisierte, aber dann schmerzfreie Versicherte wurde sodann auf die Station gebracht. Die Operation
(Einlage eines Splints) erfolgte am nächsten Tag, dem 4. September 2015. Der Versicherte wurde am 5. September 2015 entlassen.
Die von der Klägerin übermittelte Rechnung in Höhe von 1.867,68 € beglich die Beklagte zunächst. Die Beklagte beauftragte
den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung des Behandlungsfalles. Der MDK-Gutachter Dr. U.
führte in seinem Gutachten vom 5. Januar 2016 aus, dass die stationäre Behandlung nicht für den gesamten Zeitraum erforderlich
gewesen sei. Er äußerte die Auffassung, dass die Intervention am Aufnahmetag hätte erfolgen müssen und eine Entlassung dann
bereits am 4. September 2015 möglich gewesen wäre.
Die Klägerin widersprach der Einschätzung des MDK mit Schreiben vom 22. Februar 2016. Es habe keine Situation vorgelegen,
die eine umgehende, nächtliche Operation zwingend erforderlich gemacht hätte. Die Beklagte hatte bereits am 4. Dezember 2017
den vollen Rechnungsbetrag verrechnet, zahlte dann aber am 5. Dezember 2017 auf Basis des MDK-Gutachtens unter Abzug eines
Behandlungstags einen Betrag in Höhe von 1.112,79 € an die Klägerin.
Am 5. Januar 2018 hat die Klägerin mit dem Ziel Klage vor dem Sozialgericht erhoben, die restlichen Behandlungskosten von
der Beklagten erstattet zu bekommen. Zur Begründung betonte sie, dass eine umgehende nächtliche Operation nicht zwingend erforderlich
gewesen sei und der Patient daher nach Aufklärung und Ausnüchterung am Folgetag operiert worden sei.
Die Beklagte hat sich hingegen weiterhin auf das Gutachten des MDK berufen.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines fachchirurgischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. K.. Dieser
stellt in seinem Gutachten vom 19. Juni 2019 fest, dass der Verdacht auf eine Abgangsenge des Harnleiters rechts mit balloniertem
Nierenbecken bestanden habe. Es habe die Indikation zur Entlastung der Niere zwecks Urinabfluss durch Einlage eines Splints
bestanden. Die Ursache des Urinstaus sollte sekundär, also außerhalb des stationären Aufenthalts geklärt werden. Nach Einlage
eines Splints könne es zu Problemen, wie z.B. einer Blutung, kommen. Auch sei es sinnvoll im Verlauf durch Ultraschall zu
kontrollieren, ob der Urin richtig aus der Niere ablaufe. Insofern spreche nichts gegen einen Behandlungstag. In dem vorliegenden
Fall gebe es allerdings Besonderheiten. Es handle sich um einen Fall mit aufgeschobener Dringlichkeit. Ein Notfalleingriff
habe nicht durchgeführt werden müssen. Allerdings schicke man Patienten mit einer derartigen Veränderung im Sinne des Nierenaufstaus
normalerweise nicht mehr nach Hause, sondern drainiere bzw. operiere innerhalb weniger Stunden. Der Sachverständige hat weiter
ausgeführt, dass es theoretisch möglich gewesen wäre, den schmerzfreien Versicherten um 22:00 Uhr zu entlassen und ihn am
Morgen nüchtern wiederaufzunehmen oder ihn in der Nacht zu operieren. Für einen sog. Eingriff mit aufgeschobener Dringlichkeit
(bei dem noch keine akute Notfallsituation vorliege) stünden nachts jedoch in einer Klinik nicht die entsprechenden Mittel
zur Verfügung. Der Sachverständige hat offengelassen, zu wessen Lasten dies gehe.
Die Klägerin hat zu dem Gutachten Stellung genommen und erwidert, dass sie keinen Einfluss darauf habe, zu welchem Zeitpunkt
die Patienten zu ihr kämen. Des Weiteren hat sie darauf hingewiesen, dass, wenn der Versicherte am 3. September 2015 ambulant
geführt – also nach Hause geschickt – und am Folgetag wiederaufgenommen worden wäre, möglicherweise die beiden Fälle zusammenzuführen
wären, wobei eine Rechnung in gleicher Höhe entstanden wäre.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. August nach mündlicher Verhandlung abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt,
die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Gleichordnungsverhältnis nach §
54 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) erhobene Leistungsklage sei statthaft (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R, juris) und auch im Übrigen zulässig.
Sie sei jedoch unbegründet. Die Klägerin habe keinen Vergütungsanspruch in Höhe von 754,89 € gegen die Beklagte.
Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entstehe – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit der Inanspruchnahme
der Leistung durch den Versicherten. Der aus §
109 Abs.
4 Satz 3
SGB V resultierenden Behandlungspflicht des Krankenhauses stehe ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen
Ermächtigung in den §§ 16, 17, 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) nach Maßgabe der
Bundespflegesatzverordnung (BPfV) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträgern festgelegt werde sowie dem am 1. Januar
2003 in Kraft getretenen Vertrag Allgemeine Bedingungen Krankenhausbehandlung vom 19. Dezember 2002 zwischen der Hamburgischen
Krankenhausgesellschaft e.V. und u.a. der Beklagten (Vertrag nach §
112 SGB V). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG entstehe die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt werde
und im Sinne von §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V erforderlich sei (vgl. BSG, Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R, juris).
Vorliegend habe die vollstationäre Krankenhausbehandlung in einem zugelassenen Krankenhaus stattgefunden. Sie sei nach der
Überzeugung der Kammer jedoch aus medizinischen Gründen nicht in vollem Umfang erforderlich gewesen.
Nach §
39 Abs.
1 Satz 2
SGB V sei eine stationäre Behandlung erforderlich, wenn das Behandlungsziel nicht durch vor- und nachstationäre oder ambulante
Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden könne. Die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung sei
weiter davon abhängig, dass die Behandlung primär dazu diene, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung
zu verhüten oder die Krankheitsbeschwerden zu lindern (vgl. §
27 Abs.
1 SGB V). Die Krankenkasse sei dann nicht mehr leistungspflichtig, wenn der Versicherte keiner ärztlichen Behandlung mehr bedürfe,
sondern aus anderen Gründen, etwa wegen Hilflosigkeit, Pflegebedürftigkeit, zur Verwahrung oder zum Schutz der Öffentlichkeit
im Krankenhaus behalten und dort untergebracht werde. Die Krankenkasse schulde eine stationäre Krankenhausbehandlung nur dann,
wenn der Gesundheitszustand des Patienten sie aus medizinischen Gründen erfordere (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 25.09.2007 – GS 1/06, juris), wobei die Frage, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig sei, gerichtlich grundsätzlich
in vollem Umfang nachprüfbar sei.
In seiner Entscheidung vom 13. November 2012 (vgl. B 1 KR 27/11 R, juris) habe das BSG betont, dass das Regelungssystem des
SGB V Ansprüche auf eine erforderliche Kranken-hausbehandlung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach objektiven Kriterien
begründe. Dies bedeute, dass die Krankenhausbehandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müsse und das Maß des
Notwendigen nicht überschreiten dürfe. Nur unter diesen Voraussetzungen schulde die Krankenkasse dem Versicherten eine Krankenhausbehandlung
und dem Leistungserbringer korrespondierend die vereinbarte Vergütung. Über die Erforderlichkeit der Behandlung habe allein
die Krankenkasse und im Streitfall das Gericht zu entscheiden, ohne dass diese an die Einschätzung des Krankenhauses oder
seiner Ärzte gebunden seien.
Es sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der Versicherte grundsätzlich einer stationären Behandlung seiner Erkrankung
bedurft habe. Streitig sei alleine, wie lange diese Behandlung erforderlich gewesen sei.
Nach Würdigung des MDK-Gutachten wie auch des Gutachtens des gerichtlich bestellten Sachverständigen sei die Kammer zu der
Überzeugung gelangt, dass die stationäre Durchführung der Behandlung im Sinne von §§
27 Abs.
1,
39 Abs.
1 SGB V medizinisch nicht über den gesamten Zeitraum erforderlich und damit zu Recht von der Beklagten nicht vollständig bezahlt
worden sei.
Die streitgegenständliche stationäre Behandlung sei nur für zwei, nicht aber für drei Tage erforderlich gewesen. Die Erforderlichkeit
der Krankenhausbehandlung hänge davon ab, ob der Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung gehabt habe. Ob dies der
Fall sei, richte sich allein nach medizinischen Erfordernissen (BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 1 KN 1/07 KR R; juris). Dies ergebe sich schon aus den Aufgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung.
Nach §
1 Satz 1
SGB V habe die Krankenversicherung als Solidarge-meinschaft die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen
oder ihren Gesundheitszustand zu bessern. Für andere Risiken müssten die Krankenkassen nicht einstehen. Für die Frage, ob
eine stationäre Behandlung medizinisch erforderlich sei, komme es dabei nur auf die Umstände des konkret betroffenen Versicherten
an (LSG Hamburg, Urteil vom 26. März 2015 – L 1 KR 42/13 –, Rn. 16, juris).
Nach den Ausführungen des Sachverständigen hätte der Versicherte theoretisch bereits in der Nacht vom 3. auf den 4. September
2015 operiert bzw. am 3. September 2015 um 22:00 Uhr entlassen und ambulant geführt werden können. Es seien keine medizinischen
Gründe in der Person des Versicherten vorhanden gewesen, die einer zügigen Operation entgegengestanden hätten. Allein aufgrund
der Tatsache, dass es sich bei dem Versicherten um keinen akuten Notfall gehandelt habe, sei nachts nicht operiert worden,
da zu diesem Zeitpunkt bei der Klägerin nur Ärzte für akute Notfälle zur Verfügung gestanden hätten. Dies sei allerdings kein
Grund, der seine Ursache in der gesundheitlichen Situation des Versicherten gehabt habe. Auch wenn die Krankenhäuser weder
verpflichtet noch in der Lage seien, für derartige Situationen organisatorische Vorkehrungen zu treffen, führe dies nicht
dazu, diese Risiken der Gesetzlichen Krankenversicherung aufzubürden, da es hierfür an einer gesetzlichen Grundlage fehle
(vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 26. März 2015 – L 1 KR 42/13 –, juris, und Sächsisches LSG, Urteil vom 18. Dezember 2019 – L 1 KR 22/16 –, juris zur Verlegung einer geplanten Operation auf den Folgetag wegen unvorhersehbarer Notfälle). Medizinische Gründe in
der Person des Versicherten, die gegen eine Entlassung am 3. September 2015 um 22:00 Uhr sprächen, lägen ebenfalls nicht vor.
Der Pflegedokumentation sei zu entnehmen, dass der Versicherte zu diesem Zeitpunkt beschwerdefrei und die Vitalzeichen unauffällig
gewesen seien. Relevante Schmerzmittel seien am 3. September 2015 nicht verordnet worden.
Schließlich könne offenbleiben, ob bei zwischenzeitlicher Entlassung des Versicherten am 3. September 2015 und Wiederaufnahme
am Folgetag Kosten in gleicher Höhe entstanden wären. Die Höhe eines Vergütungsanspruchs bemesse sich nach dem tatsächlichen
Sachverhalt und nicht nach den fiktiven Kosten, die bei einem anders gelagerten Verlauf entstanden wären (vgl. LSG Hamburg,
a.a.O.).
Das Urteil wurde der Klägerin am 2. September 2020 zugestellt. Am 24. September 2020 hat sie die vorliegende Berufung erhoben.
Zur Begründung betont sie, dass Krankenhäuser nicht im 3-Schicht-Betrieb operieren könnten. Fordere man dies, wären die Kosten
stationärer Behandlungen deutlich höher, dafür bestünde schon nicht das notwendige Personal, und das fordere und wolle auch
niemand. Überdies hätte die Beklagte nichts eingespart, hätte die Klägerin sich so verhalten, wie von ihr gefordert. Bei Entlassung
in der Nacht wegen Schmerzfreiheit wäre die Behandlung als abgebrochene stationäre Behandlung vollstationär mit der DRG L64B
und am Folgetag wäre die operative Versorgung dann mit der DRG L64A abzurechnen gewesen. Beide Fälle wären nach § 2 Abs. 1
Fallpauschalenvereinbarung (FPV) zusammenzuführen gewesen. Dann aber hätte sich ebenfalls die DRG L64A ohne Abschlagstag ergeben.
Der Klägervertreter hat mit der Berufung zunächst versehentlich den Betrag von 1.867,68 € verlangt. Dieser Betrag hat demjenigen
entsprochen, den er vor dem Sozialgericht eingeklagt hatte, bis sich herausgestellt hatte, dass die Beklagte bereits einen
Betrag von 1.112,79 € auf die fragliche Rechnung bezahlt hatte. Daraufhin hat die Klägerin nurmehr einen Betrag von 754,89
€ streitig gestellt und die Klage in Höhe der Differenz zurückgenommen. Vor Festsetzung des vorläufigen Streitwerts hat der
Senat im Rahmen der Eingangsverfügung aufgeklärt, dass die Klägerin tatsächlich nur den Differenzbetrag von 754,89 € hat weiterverfolgen
wollen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat den in die Berufung aufgeführten Betrag daher auch unmittelbar mit der
Begründung korrigiert, es sei ihm ein Schreibfehler unterlaufen. Der vorläufige Streitwert ist deshalb auch nur in dieser
Höhe festgesetzt worden.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts vom 24. August 2020 zu verurteilen, 754,89 € nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozent seit dem 5. Dezember 2017 an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung wiederholt sie ihre Ausführungen vor dem Sozialgericht und betont, dass der stationäre Aufenthalt nach Meinung
des MDK und des Sachverständigen um einen Tag hätte verkürzt werden können. Fiktive Behandlungsverläufe seien hier nicht Streitgegenstand,
es komme auf den tatsächlichen Sachverhalt an. Es kämen hier auch andere Verläufe in Betracht: ambulante Behandlung am 3.
und OP am 4.9. oder abgebrochene stationäre Behandlung am 3.9., die überdies mglw. nicht in Betracht komme, wenn schon klar
gewesen sei, dass der Patient am 3.9. nicht mehr operiert werde.
Der Senat hat den Sachverständigen um ergänzende Begutachtung gebeten, insbesondere zu der Frage, ob die Diagnostik auch ambulant
am 3.9.2015 hätte erfolgen können. Der Sachverständige hat ergänzt, dass die späte Aufnahme des Versicherten zu dem konkreten
Ablauf geführt habe. Ein Notfall, der zwingend noch am selben Tag hätte operiert werden müssen, habe nicht vorgelegen. Die
sog. Dienstmannschaft des Krankenhauses stehe am Abend und in der Nacht nur für echte Notfälle bereit. Fälle der aufgeschobenen
Dringlichkeit seien dadurch gekennzeichnet, dass eine Behandlung zwar innerhalb einiger Stunden erfolgen müsse, aber nicht
sofort. Deshalb sei es Usus, die Dienstmannschaft nicht mit Eingriffen zu blockieren, die nicht unmittelbar sofort erforderlich
seien. Diese aufgeschobenen Dringlichkeitsfälle würden dann am Folgetag in der Tagesschicht durchgeführt. Hier sei aber fraglich,
ob eine Verschiebung praktikabel gewesen wäre. Aus Ex-ante-Sicht wäre es schwierig gewesen, zu beurteilen, ob – ggf. auch
starke – Schmerzen nachts wieder aufgetreten wären und dann eine sofortige Operation notwendig geworden wäre oder ob es deshalb
zu Kreislaufproblemen hätte führen können. Sowohl aus Fürsorge- wie auch aus Sicherheitsgründen schicke man einen solchen
Patienten nicht in der Nacht nach Hause. Der Arzt wisse nicht, was passiere, denn an sich wäre der Patient sofort zu operieren
gewesen. Alleine aufgrund der Personalsituation werde der Eingriff verschoben und das auch nur so weit, wie dies zu vertreten
sei. Wie dies aus Kostensicht zu beurteilen sei, sei Sache der Juristen. Hier hätte man aus Ex-post-Sicht den Patienten ambulant
diagnostizieren und am Folgetag zur OP aufnehmen können. Aus ex ante-Sicht sei das aber nicht so sicher gewesen. Es sei absolut
die Regel, dass in Krankenhäusern Tages- und Spätschichten operierten, eine Nachtschicht gäbe es hingegen nicht, sondern nur
einen Bereitschaftsdienst für Notfälle. Auf entsprechende Nachfrage des Gerichts hat der Sachverständige noch ergänzt, dass
es in diesem Fall möglich gewesen wäre, dass erhebliche Krämpfe mit starken Schmerzen aufgetreten wären. Dies hätte dann mglw.
bedeutet, dass ein vollständiger Harnaufstau vorliege. Es habe ja bereits ein drittgradiger Aufstau bestanden. Es hätten auch
bereits Bakterien im Nierenbecken eine Entzündung hervorrufen können, die wiederum zu einer Urosepsis hätten führen können.
Das würde eine schwere und lebensbedrohliche Krankheit darstellen. Eine Aussage dazu, mit welcher prozentualen Wahrscheinlichkeit
dies eintrete, könne der Sachverständige nicht treffen. Es bestehe aber dieses Risiko. Wären in der Nacht Fieber oder Krämpfe
aufgetreten, hätte man sofort drainiert, um einen septischen Zustand zu verhindern. Alleine dieses Risiko reiche aus und es
sei so hoch, dass es nicht wegdiskutiert werden könne. Könne man den Eingriff nach der Diagnose aber noch 2, 3 oder 4 Tage
verschieben (wie z.B. bei einer Speichenfraktur), dann wäre eine zwischenzeitliche Entlassung angezeigt gewesen. Patienten,
bei denen der Eingriff nur wegen der geringen Personalstärke auf den Folgetag verschoben werde, würde man wegen der bestehenden
Risiken nicht nach Hause schicken, um im Falle der Fieberentwicklung oder einer neuen Kolik sofort handeln zu können, dies
dann mit dem nächtlichen Bereitschaftsdienst.
Vor dem Hintergrund der ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen hat der Senat bei der Beklagten die Abgabe eines Anerkenntnisses
angeregt. Die Beklagte hat hingegen einen Vergleichsvorschlag vom Gericht erbeten und dabei betont, dass die Klägerin zunächst
einen höheren Klagantrag gestellt habe. Überdies hat sie die sozialmedizinische Bewertung des Falles erneut problematisiert
und bewertet.
Der Senat hat daraufhin am 20. Januar 2022 über den Rechtsstreit mündlich verhandelt. Auf Anregung des Senats hat der Prozessbevollmächtigte
der Klägerin dort den Zinsantrag um einen Tag auf die Zeit seit dem 5. Dezember 2017 reduziert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Krankenakte der Klägerin und die
Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben und zur Grundlage der Entscheidung gemacht worden
sind.
Sie hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung
des von ihr nach Korrektur eingeklagten Betrages.
Ohne, dass die Entscheidung hierauf fußt, sind die Anmerkungen der Klägerin, dass die Kosten bei einer kurzfristigen Entlassung
über Nacht, wenn überhaupt, dann auch nur wenig niedriger gewesen wären, interessant. Stellt man das Risiko einer schweren
Erkrankung wie die Urosepsis ins Verhältnis dazu, dass die Beklagte allenfalls einen geringen Betrag eingespart hätte, wenn
der Versicherte zwischenzeitlich entlassen worden wäre, wird deren Kritik an der Entscheidung der Krankenhausärzte, den Versicherten
über Nacht stationär zu versorgen, umso weniger nachvollziehbar.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.