Tatbestand
Der Kläger begehrt aufgrund der Folgen seines Arbeitsunfalles eine Verletztenrente von der Beklagten.
Der am xxxxx 1967 geborene Kläger befand sich zum Unfallzeitpunkt am 2. Oktober 2012 in seinem Pkw auf dem Weg zur Arbeit.
Nach der Schilderung gegenüber dem Durchgangsarzt Dr. A. am 2. Oktober 2012 habe der Kläger bei einer Geschwindigkeit von
160 km/h einem Gegenstand auf der Autobahn ausweichen wollen, sei ins Schleudern gekommen, habe sich nicht überschlagen und
sei seitlich auf die Leitplanke gefallen. Der Durchgangsarzt diagnostizierte eine HWS-Distorsion sowie eine leichte Kontusion
des linken Kniegelenkes. Der Neurostatus sei unauffällig gewesen. In der Röntgenaufnahme der Halswirbelsäule in zwei Ebenen
vom gleichen Tag hätten sich keine traumabedingte Fehlhaltung und kein Hinweis auf eine diskoligamentäre Verletzung gezeigt.
Der tschechische Arzt Dr. V. der Neurologischen Ambulanz – Poliklinik P1 beschrieb nach einer Untersuchung des Klägers am
4. Oktober 2012, dass die Schwindelgefühle des Klägers subjektiv andauerten, er schlecht schlafe, Angstgefühle in der Nacht
habe und Kopfschmerzen. Der Kläger befand sich in den nächsten Wochen wiederholt dort in Behandlung. Die auf dem CT vom 9.
Oktober 2012 festgestellten hypodensen Herde wurden eher als eine ältere Erscheinung gewertet. Auf dem Kontroll-CT seien keine
Merkmale einer frischen traumatischen Veränderung des Schädelskeletts zu erkennen. Der Kläger klagte durchgehend über Schmerzen
im Nacken mit Projektion in den Kopf, schlechten Schlaf und Schwindelgefühle. Diagnostiziert wurde ein zervikokraniales Syndrom,
eine posttraumatische Stressstörung, ein Zustand nach einem Unfall mit einer Hochgeschwindigkeitsverletzung der Halswirbelsäule
und einer Distorsion der Halswirbelsäule.
Im Rahmen einer Nachuntersuchung am 4. Februar 2013 berichtete der Kläger gegenüber dem Durchgangsarzt Dr. B. über Schwindel,
Bewegungsunsicherheit, Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen seit dem Unfall sowie über einen Tinnitus in beiden Ohren.
Der Kläger sei seit dem Arbeitsunfall arbeitsunfähig und mittlerweile auch gekündigt. Auf den mitgebrachten Röntgenbildern
zeige sich im nachträglich angefertigten MRT kein Hinweis auf Verletzungen im Bereich der Halswirbel-, Brustwirbelsäule oder
des Myelons. Im CT vom 9. Oktober 2012 zeige sich eine Hypodensität fronto-basal rechts, wohl eine alte Postkontusionsläsion
mit kleinem Knochendefekt der Augenhöhle und somit ein Verdacht auf einen Zustand nach Fraktur der rechten Augenhöhle. Der
Kläger habe bereits 1994 einen schweren Unfall erlitten und sei damals zu 100 % in der Erwerbsfähigkeit gemindert gewesen.
Aus den aktuellen CT- und MRT-Aufnahmen lasse sich die langanhaltende Beschwerdesymptomatik nicht erklären.
Im neurologischen Zusatzgutachten vom 6. Mai 2013 erklärte Dr. M. nach Untersuchung des Klägers, dass sich zum Gutachtenzeitpunkt
keine Traumafolgen mehr nachweisen ließen. Gegenwärtig bestünden eine mittelschwere Depression sowie ein Spannungskopfschmerz.
Ein Zusammenhang der Depression mit dem Unfall im Sinne einer Unfallfolge könne nicht aufgezeigt werden. Vielmehr schienen
hier die Kündigung des Arbeitsplatzes und die damit einhergehende veränderte Lebenssituation eine große Rolle zu spielen.
Der Kopfschmerz sei am ehesten auch im Rahmen der Depression zu sehen. Ein Zusammenhang mit dem Unfall könne nicht ausgeschlossen
werden, die Unfallanamnese und die durchgeführten Untersuchungen seien aber nicht als ausreichend begründet anzusehen, um
den Kopfschmerz als Unfallfolge anzusehen. Die vom Kläger beklagte Anosmie sei am ehesten auf das Schädel-Hirn-Trauma aus
dem Jahre 1994 zurückzuführen. Weder der beschriebene Unfallmechanismus noch die Ergebnisse der durchgeführten Diagnostik
und die Berichte der initial behandelnden Kollegen seien geeignet, die vom Versicherten angegebenen Defizite zu erklären.
Der im CCT beschriebene alte postkontusionelle Defekt lasse sich nicht mit dem Unfall vom 2. Oktober 2012 erklären.
Der Gutachter Dr. K., Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, erklärte in seinem Zusammenhangsgutachten vom 22. Juli 2013,
dass der Kläger bei dem angeschuldigten Unfallereignis lediglich eine Halswirbelsäulen-Zerrung sowie eine Knieprellung links
erlitten habe. Die in der Kernspintomografie beschriebenen Veränderungen der Halswirbelsäule seien vorbestehend, ebenso die
Veränderungen im Bereich des Schädels. Diese seien Unfallfolge aus dem Jahr 1994. Die in der Halswirbelsäule beschriebenen
Neuroforameneinengungen könnten sich nicht innerhalb von acht Monaten entwickeln. Ebenso sei die Bandscheibenprotrusion nicht
als Unfallfolge zu sehen. Der Gutachter ging davon aus, dass der Kläger auf der Autobahn bei ca. 160 km/h verunfallte und
dabei gegen eine Leitplanke fuhr.
Die Beklagte erließ am 14. August 2013 einen Bescheid über die Ablehnung einer Rente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung.
Unfallbedingt bestünden bei dem Kläger eine ohne Funktionseinschränkung ausgeheilte Halswirbelsäulen-Zerrung sowie Knieprellung
links mit unfallbedingter Behandlungsbedürftigkeit bis zum 27. November 2012 und unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum
13. November 2012. Nicht auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden könnten Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule aufgrund
degenerativer Veränderungen, ein Schädel-Hirn-Trauma aus dem Jahre 1994 mit nachfolgender Tracheotomie sowie verbliebenem
Spannungskopfschmerz, eine mittelschwere Depression, ein Handgelenksbruch rechts 1994, degenerative Veränderungen im linken
Kniegelenk im Sinne eines Innen- und Außenmeniskusschadens sowie ein Knorpelschaden mit Arthroskopie vom 6. Juni 2013.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und erklärte, dass er aufgrund des Unfalles unter andauernden Schwindelanfällen,
Bewegungsunsicherheiten, Konzentrationsstörungen, depressiven Gefühlen und Kopfschmerzen leide. Der tschechische Arzt Dr.
T.n habe in seinem Gutachten vom 28. November 2013 geäußert, dass keine Vorschäden mehr aus dem Jahre 1994 stammen könnten.
Die Befunde, insbesondere eine „Whiplash“-Verletzung seien typisch für die nach einem HWS-Trauma erlittenen Verletzungen.
Beigefügt war eine Übersetzung eines Schreibens von Dr. S1, der eine zervikogenes und zentrales Schwindelgefühl aufgrund eines
Whiplash-Syndroms und einen Zustand nach Gehirnkommotion nach Untersuchung am 1. Oktober 2013 diagnostizierte. Weiter war
ein Schreiben vom 28. November 2013 von Dr. T. beigefügt, dass eine posttraumatische schwere Störung der Funktion der C-Wirbelsäule
mit Irritation und zervikovestibulärer Symptomatik und ein Zustand nach Whiplash-Verletzung vorlägen. Die Veränderungen der
Halswirbelsäule beruhten nicht auf dem Unfall im Jahre 1994. Bei der Nachuntersuchung im Jahr 1998 seien keine Einschränkungen
der Wirbelsäule beobachtet worden, die eine Behandlung erfordert hätten. Nach dem Autounfall am 2. Oktober 2012 habe es sich
evident um eine Verletzung Typ Whiplash gehandelt, wobei es zu mehrmaligen Beschädigungen in den weichen Geweben oder im Bindegewebe
oft ohne Anzeichen auf den Knochen komme. Diese Beschädigungen seien trügerisch in der Hinsicht, dass die Beschwerden mit
der progressiven Heilung der oben angegebenen Traumata oft progredierten, und zwar Monate oder Jahre.
Im Rahmen eines HNO-ärztlichen Gutachtens vom 6. August 2014 erklärte der Gutachter Dr. S., dass ein Zusammenhang zwischen
den vom Kläger beklagten Beschwerden und dem Unfallereignis auf HNO-ärztlichem Fachgebiet nicht nachweisbar sei und eine Minderung
der Erwerbsfähigkeit (MdE) nicht bestehe. Die aktuelle otoneurologische Abklärung zeige eine symmetrische pancochleäre Innenohrschwerhörigkeit,
der vestibuläre Befund sei unauffällig, Geruch und Geschmack seien nicht nachweisbar. Die symmetrische Perzeptionsschwerhörigkeit
sei sicher unfallunabhängig, ein möglicherweise ursächliches Trauma im Bereich des Schädels oder eine knöcherne Verletzung
lägen nicht vor. Die beklagten Ohrgeräusche seien im Rahmen der Innenohrschwerhörigkeit zu sehen, am ehesten durch das Trauma
akzentuiert. Für die beklagten Schwindelbeschwerden lasse sich im vestibulären System keine hinreichende Ursache finden. Auch
hier fehle ein entsprechendes Verletzungsmuster im Bereich des knöchernen Schädels oder im Bereich des Gehirns. Die beklagte
Riechstörung sei zum Beispiel mit dem Unfallereignis von 1994 mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma zu vereinbaren. Für ein aktuelles
Geschehen fehle ebenfalls das Verletzungsmuster, zum Beispiel im Sinne eines frontalen oder okzipitalen stumpfen Schädel-Hirn-Traumas
oder aktueller traumatischer Veränderungen im Bereich der Schädelbasis.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2014 zurück. Auch der nunmehr im Widerspruchsverfahren
gehörte Gutachter habe die Einschätzung der Vorgutachter bestätigt und keine frischen mit dem Unfall vom 2. Oktober 2012 zu
vereinbarenden Verletzungen erkannt. Zwar habe der Kläger weitere Berichte tschechischer Ärzte sowie eine Stellungnahme der
Versicherung eingereicht, wonach die bestehenden Gesundheitsstörungen als Folgen des Versicherungsfalles vom 2. Oktober 2012
gewertet worden seien. Die abgeleiteten Schlüsse könnten jedoch nicht nachvollzogen werden. Gutachten und ärztliche Bescheinigungen,
die nicht unter Beachtung der für die gesetzliche Unfallversicherung geltenden Grundsätze erstellt worden seien, könnten für
die Festsetzung einer Entschädigung grundsätzlich nicht herangezogen werden.
Der Kläger hat am 27. November 2014 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Der Unfall habe sich ereignet, als er mit einer
Geschwindigkeit von 160 km/h im angeschnallten Zustand frontal auf ein auf der Fahrbahn befindliches Kantholz aufgefahren
sei, welches zuvor ein Transporter verloren habe. Das Kantholz sei unter dem Fahrzeug des Klägers stecken geblieben, was zu
einer unvorhergesehenen abrupten Entschleunigung des Fahrzeugs und zur Öffnung des Airbags geführt habe. Das Fahrzeug sei
ins Schleudern geraten und an der Seitenleitplanke gestoppt. Alle Begutachtungen und Untersuchungen hätten die andauernden
Beschwerden von Schwindel, Kopf-, Nacken-, Schulter- und Rückenschmerzen, Tinnitus, verminderte Hörleistung, Gleichgewichtsstörungen,
Koordinationsstörungen, ständige Müdigkeit sowie Schlafstörungen und der Verlust des Riech- und Geschmackssinnes bestätigt.
Die Gutachten bestätigten zudem eindeutig eine MdE um wenigstens 20 v. H. Der durch die tschechischen Fachärzte festgestellte
Gesundheitszustand dürfe nicht anders bewertet werden, als dies in den Begutachtungen der deutschen Ärzte erfolgt sei. Schließlich
habe man sich im Fakultätskrankenhaus P. bei den Untersuchungen des sogenannten „Tetrax Balance Assessment“ bedient, also
eines speziell für Schleudertraumata entwickelten Gerätes.
Der Kläger hat zudem eine aus der tschechischen Sprache übersetzte Stellungnahme von Dr. B1 vom 5. Januar 2015 eingereicht.
Das Gutachten im Verwaltungsverfahren sei nur auf die Ausschließung der offensichtlichen traumatischen Änderungen an den Knochen
aus der Sicht eines Traumatologen gerichtet gewesen. Es sei keine genauere Analyse des Unfallprozesses vorgenommen worden,
deshalb werde nicht einmal differentialdiagnostisch das Whiplash-Syndrom erwogen, das häufig bei Autounfällen vorkomme. Dr.
T. komme dagegen zur Diagnose einer Whiplash-Verletzung mit Hilfe des Geräts „Tetrax Balance Assesment“. Bis zu dem Unfall
habe der Kläger trotz einer Dauertracheotomie beschwerdefrei gelebt. Diagnostisch handele es sich um ein Whiplash-Syndrom
mit schwerer Dysfunktion der Halswirbelsäule und organischer Störung der Stimmung und Persönlichkeit, differentialdiagnostisch
könne auch eine posttraumatische Stressstörung erwogen werden.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass ausweislich der Sachverhaltsschilderung des Klägers gegenüber der Polizei am 11.
November 2012, dieser auf der Autobahn auf der rechten Fahrspur mit 120 km/h und kurz vor einem Rastplatz über ein Holzteil
gefahren sei. Dieses Kantholz habe sich unter dem Fahrzeug verkeilt, wodurch beide Frontairbags ausgelöst und die Ölwanne
beschädigt worden sei. Der Kläger habe das Fahrzeug noch bis zum Rastplatz weitergefahren und es dort abgestellt. Der Kläger
sei bei dem Unfall leicht verletzt worden und habe vor Ort über Kopf- und Knieschmerzen links geklagt. Der in der Akte der
Staatsanwaltschaft beschriebene Unfallhergang und die weiteren beschriebenen Umstände sprächen eindeutig gegen ein erhebliches
Trauma der Halswirbelsäule am Unfalltag. Der Kläger habe angegeben, dass er das Holzteil gesehen und dann eine Bremsung eingeleitet
habe. Dabei komme es automatisch zu einer willentlichen Anspannung der Nackenmuskulatur und damit zu einer muskulär kontrollierten
Bewegung des Kopfes.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines chirurgischen Gutachtens von Dr. D. vom 28. April 2017 nach Aktenlage.
Dieser hat ausgeführt, dass bei dem Kläger eine abgeheilte Distorsion der Halswirbelsäule nach einer Beschleunigungsverletzung
vom 2. Oktober 2012 vorliege sowie unklare psychische Veränderungen im Sinne einer Belastungsreaktion. Hinsichtlich des Knieschadens,
welcher am 2. Oktober 2012 gesichert im Sinne einer Prellung worden sei, hätten die Befunde keine zusätzlichen Informationen
auf eine unfallbedingte Veränderung im Zusammenhang mit einer später durchgeführten Meniskusoperation gezeigt. Anhand von
CT- und MRT-Aufnahmen könne eine alte Hirnschädigung rechts fronto-basal mit Einschluss der Augenhöhle bestätigt werden. Ebenso
sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch die vom Kläger angegebene Riechstörung aufgrund dieses Unfalles von 1994 verursacht
worden sei, da bei dem jetzigen Unfall keinerlei zentrale Schädigungen aufgetreten seien, weder im knöchernen noch im Gehirnbereich.
Ein technisches Zusatzgutachten sei nicht erforderlich, da die verkehrstechnische Analyse aufgrund der großen Bandbreite der
Verletzungsmöglichkeiten bei mehreren Insassen in einem verunglückten Fahrzeug keine zusätzlichen Informationen bringe. Hier
gebe es neben tödlich Verletzten auch nicht selten ein oder mehrere Personen, die dann unverletzt geblieben seien. Somit ergebe
sich, dass die durch die Abbremsung des PKW einwirkende Kraft keinen Zusammenhang aufzeige mit den eingetretenen Verletzungen.
Bei dem Tetrax-Gerät handele es sich um ein interaktives Balancesystem, das die Position des Fußdruckzentrums während des
aufrechten Stehens berechne. Es werde damit der Stabilitätsfaktor sowie der Sturzindex ermittelt. Das Ergebnis könne funktionelle
Störungen im vestibulären System aufzeigen oder auch Störungen der Empfindungen im Beinbereich im Zusammenhang mit der zentralen
Verarbeitung. Weiterhin könne es auch Hinweise für Klein- und Großhirnstörungen geben. Primär sei dieses Instrument relativ
verlässlich für die Beantwortung der zur Diskussion stehenden Fragen mit den prozentualen Angaben einer nahezu 60% zentralen
Schädigung und einer nahezu 40% wirbelsäulenbedingten Einschränkung. Hier sei die psychiatrische und neurologische Situation
im Vordergrund zu sehen. Ein Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen sei weiter abklärungsbedürftig. Wesentlich sei hier, dass
keine organischen Schäden aufgetreten seien, so dass dadurch möglicherweise auch ein Zusammenhang mit der alten Traumaverarbeitung
von 1994 vorliegen könne.
Die von dem Kläger eingereichte psychiatrische Stellungnahme von Dr. R. vom 31. August 2018 hat eine ausführliche Schilderung
der Befunde enthalten und ist ohne weitere Kausalitätserwägungen zu dem Schluss gekommen, dass alle aus dem psychiatrischen
Bereich beschriebenen Beschwerden mit dem Unfall vom 2. Oktober 2012 zusammenhingen. Als Diagnosen wurden eine posttraumatische
Stressstörung, eine gemischte Angst- und depressive Störung, eine organische Störung der Stimmung, eine organische emotionale
Unstabilität und eine organisch bedingte Störung der Persönlichkeit genannt.
Das Gericht hat weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr. N. nach Aktenlage auf neurologisch-psychiatrischem
Fachgebiet vom 4. November 2019. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass zum Unfallzeitpunkt eine Kopfverletzung
ausdrücklich nicht erwähnt worden sei. Der Kläger habe offenkundig auch anlässlich der Erstversorgung keine Anhaltspunkte
für eine psychische Traumatisierung gezeigt. Es hätten zudem keine Hinweise auf eine Prellmarke am Kopf oder eine andere craniale
Verletzung bestanden. Vor diesem Hintergrund könne eine substantielle Hirnläsion als Folge des Ereignisses vom 2. Oktober
2012 weitestgehend ausgeschlossen werden. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung sei nicht zu stellen, da
bereits das sogenannte A-Kriterium, nämlich das Erleben einer schweren lebensbedrohlichen Verletzung, nicht zu bestätigen
sei. Auch seien die weiteren Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung, nämlich das beständige Wiedererleben des
traumatischen Ereignisses in Form von eindringlich und als belastend wahrgenommenen Erinnerungen, traumatischen Albträumen,
dissoziativen Reaktionen oder markanten physiologischen Reaktionen, wenn der Kläger einem Reiz ausgesetzt sei, welcher in
Bezug zum traumatischen Erlebnis stehe, nicht beschrieben. Der Kläger berichte selbst über Veränderungen und Belastungen im
psychosozialen und sozioökonomischen Bereich. Die Symptomatik sei depressiv. Diese Depressivität sei aber nicht unfallursächlich
zu interpretieren, sondern stehe mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit nach dem Unfall eingetretenen Veränderungen
in den Lebensumständen des Klägers. Die von den behandelnden Ärzten in der tschechischen Republik beschriebenen Erwägungen
zur Unfallkausalität könnten nicht nachvollzogen werden. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestehe eine angstgetönte
depressive Störung. Auf neurologischem Fachgebiet hätten eine Anosmie, Hypgeusie sowie ein subjektiv geschilderter nach rechts
gerichteter Schwankschwindel ohne organisches Korrelat sowie ein Tinnitus bei Schwerhörigkeit vorgelegen. Lediglich die inzwischen
folgenlos abgeheilte HWS-Distorsion sei als Folge des Arbeitsunfalles vom 2. Oktober 2012 anzusehen. Die Diagnose eines Whiplash-Injury/HWS-Schleudertraumas
bezeichne letztlich nur den Verletzungsmecha-nismus, welcher zu der abgeheilten HWS-Distorsion geführt habe. Die HWS-Distorsion
sei nicht mit knöchernen oder ligamentären Veränderungen einhergegangen. Bleibende strukturelle Veränderungen seien nicht
zu erwarten gewesen und bestünden folgerichtig auch nicht. Ohne entsprechende strukturelle Veränderungen sei auch eine Entwicklung
der vom Kläger vorgetragenen Beschwerden durch das Whiplash-Injury/HWS-Schleudertrauma nicht wahrscheinlich zu machen.
Auf Kritik des Klägervertreters hat Dr. N. in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 29. Februar 2020 ergänzt, dass die sogenannte
„Tetrax-Untersuchung“ nicht geeignet sei, einen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den vorgetragenen Beschwerden des
Klägers zu beweisen. Er wies noch einmal darauf hin, dass die bisherigen Untersuchungen keinerlei Anhalt für eine vestibuläre
Schädigung und auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer substantiellen Hirnverletzung gezeigt hätten. Auch habe es
keinerlei Hinweise auf eine frische Schädigung im Zentralnervensystem, weder Blutungen noch frische Kontusionsherde noch sogenannte
“shearing injuries“ gegeben. Bei fehlendem Nachweis einer Schädigung des zentralen Nervensystems in Zusammenhang mit dem Ereignis
vom 2. Oktober 2012 könne der geschilderte Schwindel nicht in einen wahrscheinlichen Kausalzusammenhang mit dem Unfallereignis
gebracht werden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. August 2020 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer
Rente aus der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund der Folgen seines anerkannten Arbeitsunfalls vom 2. Oktober
2012, da die Folgen des Versicherungsfalls keine MdE, insbesondere nicht in rentenberechtigendem Grade, bedingten. Der Kläger
habe bei seinem Unfall vom 2. Oktober 2012 eine HWS-Distorsion sowie eine leichte Kontusion des linken Kniegelenkes erlitten,
welche seine Erwerbsfähigkeit auf Dauer nicht in rentenberechtigender MdE, d.h. um wenigstens 20 v. H. mindere. Es lägen keine
weiteren plausiblen medizinischen Anhaltspunkte für weiterhin bestehende Gesundheitsstörungen auf chirurgischem, neurologischem
oder gar psychiatrischem Fachgebiet vor. Insbesondere könne eine rentenberechtigende MdE aufgrund der von den tschechischen
Ärzten festgestellten psychischen oder neurologischen Gesundheitsstörungen wie eine Depression, Schwindel, Bewegungsunsicherheit,
Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen und eine sogenannte „Whiplash“-Verletzung nicht angenommen werden, da diese nicht mit
hinreichender Wahrscheinlichkeit durch das Unfallereignis und die daraufhin festgestellten Verletzungen verursacht worden
seien.
Vorliegend sprächen mehr Umstände gegen die Annahme einer depressiven Erkrankung aufgrund einer „Whiplash“-Verletzung. Insbesondere
sei der vom Gericht bestellte Chirurg Dr. D. in seinem Sachverständigen-Gutachten zu dem nachvollziehbaren Ergebnis gekommen,
dass die bei dem Kläger initial diagnostizierte HWS-Distorsion folgenlos ausgeheilt sei. Die von Dr. T. auf den Unfall bezogene
„Whiplash“-Verletzung mit bleibenden Schäden auch auf psychiatrischem und neurologischem Gebiet lasse sich nicht nachvollziehen.
Insbesondere sprächen die zeitnah zum Unfall gefertigten CT- und MRT-Aufnahmen gegen die Annahme weiterer traumatischer Verletzungsfolgen
an der Halswirbelsäule, weil keine frischen Schädigungen auf diesen Aufnahmen erkennbar gewesen seien. Auch der Gutachter
Dr. S. habe in seinem HNO-ärztlichen Gutachten vom 6. August 2014 plausibel darauf hingewiesen, dass ein entsprechendes Verletzungsmuster
des knöchernen Schädels oder im Bereich des Gehirns nicht dargestellt werden könne. Ebenso habe Dr. K. in seinem Gutachten
vom 22. Juli 2013 nachvollziehbar erklärt, dass die in der Kernspintomographie beschriebenen Veränderungen ausschließlich
degenerativer Natur seien und sich keine Verletzungszeichen gefunden hätten, die durch das Unfallereignis vom 2. Oktober 2012
hervorgerufen sein könnten. Soweit vorliegend daher keine weiteren traumatischen Verletzungszeichen aufgezeigt werden könnten,
könnten die im Nachhinein festgestellten Gesundheitsstörungen auch nicht ursächlich mit dem eigentlichen Unfallereignis und
der (einfachen) Folge einer HWS-Distorsion in Zusammenhang gebracht werden.
Gegen das ihm am 27. August 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. November 2020 Berufung eingelegt. Der Gesundheitszustand
des Klägers sei im Hinblick auf die festgestellte Diagnose des Whiplash-Syndroms nicht hinreichend gewürdigt worden. Es habe
von keinem Gutachter eine ausreichende Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Tetrax-Untersuchung – einem Gerät, das gerade
zur Identifizierung des Whiplash-Syndroms entwickelt und gebaut worden sei – stattgefunden. Das Tetrax-Gerät messe und bewerte
die Stabilität der aufrechten Körperhaltung, die Verteilung der Masse auf vier Flächen, die Geschwindigkeit des Körpers und
Synchronisierung der Fußsohlenbewegung. Auch sei das Gerät imstande, einen Kausalzusammenhang zwischen konkreten Beschwerden
und einem konkreten Unfallgeschehen zu bestätigen. Bei einem Whiplash-Syndrom stehe nicht die Existenz eines physischen Verletzungsbildes,
sondern die Art und Weise des Mechanismus des konkreten Unfallhergangs im Vordergrund. Im ersten Arztbericht sei fehlerhaft
von einem seitlichen Aufprall berichtet worden. Der frontale Aufprall respektive ein abrupter Geschwindigkeitsabfall des Fahrzeugs
erkläre das Whiplash-Syndrom. Die tschechischen Ärzte hätten persönlichen Kontakt zum Kläger gehabt, die deutschen Gutachter
hingegen nur die Dokumentation. Dr. S. habe zwar eine persönliche Untersuchung des Klägers vorgenommen, aber nicht mit dem
Tetrax-Gerät, das allein ein Whiplash-Syndrom diagnostizieren könne.
Der Kläger trägt weiter vor, dass der Holzklotz so plötzlich aufgetaucht sei, dass er nicht habe bremsen können. Das Auto
sei allein aufgrund des verkeilten Holzklotzes zum Stehen gekommen. Der Kläger wisse auch nicht mehr, wie er es nach dem Unfall
noch zur Raststätte geschafft habe. Das Whiplash-Syndrom setze auch nicht stumpfe Kopfschmerzen, eine schwere Gehirnerschütterung
oder gar Bewusstlosigkeit voraus. Für den Kläger sei es auch sehr wohl zu einer lebensbedrohlichen Situation durch den Unfall
gekommen, das A-Kriterium sei erfüllt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. August 2020 aufzuheben und den Bescheid vom 14. August 2013 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 23. Oktober 2014 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger aufgrund der Folgen seines
Arbeitsunfalls vom 2. Oktober 2012 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte erwidert, den selbst eingeholten und den vom Sozialgericht eingeholten Gutachten zu folgen. Außerdem sei davon
auszugehen, dass hier eine muskulär kontrollierte Bewegung des Kopfes vorgelegen habe, weil der Kläger das Holzteil gesehen
und das Fahrzeug abgebremst habe, so dass es nur zu einer gedämpften Bewegung des Kopfes gekommen sei. Der staatsanwaltschaftlichen
Ermittlungsakte sei auch zu entnehmen, dass sich der Klotz auf der Raststätte, die der Kläger noch angefahren habe, noch unter
dem Fahrzeug befunden habe. Entsprechend sei auch nicht vermerkt, dass der Kläger durch den Holzkeil abrupt zum Stehen gekommen
sei. Den Gutachten der Ärzte der tschechischen Republik fehlten umfängliche Ausführungen zum ursächlichen Zusammenhang. Die
Tetrax-Untersuchung werde zur Differenzierung von Schwindelerscheinungen eingesetzt. Sie könne keine Aufschlüsse über den
ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 2. Oktober 2012 und den Beschwerden des Klägers geben. Zu berücksichtigen
seien ferner die bereits vor dem Unfall bestehenden Gesundheitsschäden. Hinsichtlich der Erkrankungen auf neurologisch-psychiatrischem
Fachgebiet fehle es an einem nachgewiesenen Erstschaden. Auch eine posttraumatische Belastungsstörung habe nicht vorgelegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte sowie die Sitzungsniederschrift
vom 19. Januar 2022 ergänzend Bezug genommen.
Bei dem Kläger liegt entsprechend der Gutachten von Dr. D. und Dr. N. lediglich eine abgeheilte HWS-Distorsion als Unfallfolge
vor. Eine MdE begründet dies nicht. Weitere Erkrankungen des Klägers sind nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf das
Unfallereignis zurückzuführen. Die HWS-Distorsion ist laut Gutachter nicht mit knöchernen oder ligamentären Veränderungen
einhergegangen. Bleibende strukturelle Veränderungen lagen nicht vor. Auch eine substantielle Hirnläsion als Folge des Ereignisses
vom 2. Oktober 2012 konnte ausgeschlossen werden. Anhand von CT- und MRT-Aufnahmen ließ sich lediglich eine alte Hirnschädigung
rechts fronto-basal mit Einschluss der Augenhöhle nach einem Unfall im Jahr 1994 bestätigen. Ebenso ist damit die Wahrscheinlichkeit
hoch, dass auch die vom Kläger angegebene Riechstörung auf den Unfall von 1994 und nicht auf das hier streitgegenständliche
Unfallereignis zurückzuführen ist, da keine zentralen Schädigungen im knöchernen oder Gehirnbereich aufgetreten sind.
Ohne strukturelle Veränderungen sind auch die Entwicklung der vom Kläger vorgetragenen Beschwerden durch ein Whiplash-Syndrom
bzw. eine HWS-Distorsion, insbesondere die Schwindelbeschwerden, nicht wahrscheinlich zu machen. Auch hat Dr. N. überzeugend
darauf hingewiesen, dass mit der sogenannten „Tetrax-Untersuchung“ ein Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den vorgetragenen
Beschwerden nicht im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit bewiesen werden kann. Ohne Nachweis von frischen Schädigungen
im Zentralnervensystem bzw. den knöchernen oder ligamentären Strukturen ist ein Zusammenhang zum Unfallgeschehen nicht herzustellen.
Auch im psychiatrischen Bereich liegen keine weiteren Unfallfolgen vor. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung
liegt schon deshalb nicht vor, weil das sogenannte A-Kriterium, nämlich das Erleben einer schweren lebensbedrohlichen Verletzung,
nicht bestätigt werden kann. Aber auch die weiteren Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung, nämlich das beständige
Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Form von eindringlich und als belastend wahrgenommenen Erinnerungen, traumatischen
Albträumen, dissoziativen Reaktionen oder markanten physiologischen Reaktionen, wenn der Kläger einem Reiz ausgesetzt wird,
welcher in Bezug zum traumatischen Erlebnis steht, sind ärztlicherseits nach dem Unfall nicht dokumentiert. Ein entsprechender
Erstschaden ist nicht nachgewiesen. Ebenso ist die beim Kläger bestehende depressive Symptomatik nicht unfallursächlich, sondern
steht mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit Veränderungen in den Lebensumständen des Klägers.
Die vom Kläger eingereichten Stellungnahmen tschechischer Ärzte beschränken sich lediglich auf die Feststellung, dass der
Kläger vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sei und nunmehr mit dem Tetrax-Balance-System die beklagten Schwindelbeschwerden
nachgewiesen werden konnten. Zur Prüfung der Unfallursächlichkeit enthalten sie jedoch keine weiteren Ausführungen. Die subjektive
Angabe vorheriger Beschwerdefreiheit vermag keine hinreichende Kausalität zu begründen. Dr. D. hat zutreffend darauf hingewiesen,
dass auch eine verkehrstechnische Analyse keine zusätzlichen Informationen bringe, da aus der einwirkenden Kraft nicht auf
die Schwere der Verletzungen zurückgeschlossen werden könne.