Tatbestand
Die Klägerin wendet sich in dem vorliegenden Rechtsstreit gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe und die
Rückforderung des überzahlten Betrages.
Die Klägerin erhält seit längerer Zeit mit Unterbrechungen Leistungen von der Beklagten. Vom 01.03.2001 bis zum 04.12.2001
bezog sie Arbeitslosengeld, ab dem 05.12.2001 bis zum 31.12.2001 gewährte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 09.01.2002 rückwirkend
Arbeitslosenhilfe in Höhe von 275,87 DM wöchentlich. Dabei wurde ein Bemessungsentgelt von 650,00 DM wöchentlich zugrunde
gelegt.
Durch einen weiteren Bescheid vom 11.01.2002 (im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils heißt es wohl versehentlich 10.01.2002)
bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosenhilfe ab dem 01.01.2002 in Höhe von 224,70 Euro wöchentlich aufgrund eines
Bemessungsentgelts in Höhe von 650,00 Euro wöchentlich.
Nachdem die Klägerin im November 2002 die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe beantragte, bemerkte die Beklagte, dass bei der
Währungsumstellung von DM auf Euro ein Fehler unterlaufen war dergestalt, dass der frühere DM-Betrag für das Bemessungsentgelt
(650,00 DM) nicht in Euro umgerechnet worden war, sondern dass derselbe Betrag in Euro (650,00 Euro) zugrunde gelegt worden
war. Dies hatte dazu geführt, dass vom 01.01.2002 bis zum 04.12.2002 eine wöchentliche Arbeitslosenhilfe in Höhe von 224,70
Euro anstelle von 140,28 Euro an die Klägerin ausgezahlt wurde. Nach vorheriger Anhörung hob die Beklagte durch Bescheid vom
12.02.2003 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den genannten Zeitraum teilweise auf und forderte den überzahlten Betrag
in Höhe von 4.076,28 Euro zurück. Hiergegen legte die Klägerin am 21.02.2003 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid
vom 12.03.2003 zurückgewiesen wurde. Ein Zustellungsnachweis diesbezüglich befindet sich nicht bei den Akten.
Mit am 02.04.2003 bei dem Sozialgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin gegen die genannten Bescheide Klage erhoben.
Zur Begründung führte sie aus, sie habe die Überzahlung nicht verursacht und habe auch darauf vertrauen dürfen, dass der in
dem Bewilligungsbescheid ausgewiesene Betrag ordnungsgemäß ermittelt worden sei. Sie habe auch weder positive Kenntnis von
der Unrichtigkeit des Bewilligungsbescheides gehabt, noch sei ihr grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen. Sie sei in rechtlichen
Fragen nicht bewandert, die falschen Beträge in Bezug auf Bemessungsentgelt und Auszahlung seien ihr nicht als fehlerhafte
Angaben aufgefallen. Hinzu komme noch, dass sie im Januar 2002 noch die Nachzahlung für den Zeitraum vom 02.12.2001 bis zum
31.12.2001 erhalten habe, es sei also nicht so gewesen, dass plötzlich höhere Beträge ausgezahlt worden seien. Die Klägerin
trägt weiterhin vor, sie sei selbständig tätig und habe kurz vor Erhalt des streitgegenständlichen Bewilligungsbescheides
ihre Umsatzzahlen bezüglich ihrer Tätigkeit dem Arbeitsamt vorgelegt. Sie sei davon ausgegangen, dass die von ihr vorgelegten
Zahlen entsprechend berücksichtigt worden seien und in dem erstellten Bescheid ihren Niederschlag gefunden hätten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.11.2004 abgewiesen. Das Urteil wurde der Klägerin am 03.12.2004 zugestellt.
Mit am 27.12.2004 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Berufung eingelegt und
ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Sie weist darüber hinaus darauf hin, dass die Begründung in dem Urteil
des Sozialgerichts insofern fehlerhaft sei, als dort bezüglich der Bewilligungsbescheide falsche Daten zugrunde gelegt worden
seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 08.11.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12.02.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12.03.2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf die Ausführungen in dem erstinstanzlichen Urteil und trägt darüber hinaus
vor, der Klägerin sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil es vorliegend nicht um rechtliche Fragen gehe, sondern um einen
Fehler, der der Klägerin angesichts der allgemeinen Diskussionen um die Umstellung von DM auf Euro geradezu hätte "ins Auge
springen" müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakten
Bezug genommen, die zum Gegenstand der Beratung gemacht wurden.
Gründe
Die zulässige (§§
143,
144 SGG) sowie form- und fristgerecht (§
151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Der Senat konnte vorliegend gemäß §
153 Abs.
1 i. V. m. §
124 Abs.
2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Berufung war zurückzuweisen, weil das Sozialgericht die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat. Zutreffend ist das
Sozialgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.02.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12.03.2003 rechtmäßig die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe rückwirkend ab 01.01.2002 gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 und Abs. 4 SGB X i. V. m. §
330 Abs.
2 SGB III in der damals gültigen Fassung teilweise aufgehoben hat und die entstandene Überzahlung gemäß § 50 SGB X zurückgefordert hat.
Die Darlegungen der Klägerin in ihrer Berufungsbegründung lassen keine für sie günstigere Betrachtungsweise zu.
Allerdings hat die Klägerin zu Recht beanstandet, dass das Sozialgericht den Sachverhalt insofern unrichtig zugrunde gelegt
hat, als es davon ausgegangen ist, dass der zweite Bescheid, mit dem Arbeitslosenhilfe ab Anfang Januar 2002 bewilligt worden
ist, vom 10.01.2002 stammt, statt - wie es richtig hätte heißen müssen - vom 11.01.2002. Insofern weist die Klägerin auch
zu Recht darauf hin, dass die zeitliche Abfolge des Eingangs des rückwirkenden Bewilligungsbescheides für den Zeitraum vom
05.12.2001 bis zum 31.12.2001 sowie des vorgenannten Neubescheids nicht zutreffen kann und somit die Begründung des Sozialgerichts
Gießen diesen Aspekt betreffend zu beanstanden ist.
Dies führt allerdings entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dazu, dass allein aus diesem Grunde die erstinstanzliche Entscheidung
aufzuheben gewesen wäre. In der übrigen, sich auch ohne den genannten fehlerhaften Aspekt selbst tragenden Begründung des
Sozialgerichts ist nämlich zutreffend ausgeführt worden, dass die Voraussetzungen für die rückwirkende Aufhebung des fehlerhaften
Verwaltungsaktes gemäß § 45 Abs. 4 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vorliegen, da davon auszugehen ist, dass die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes zumindest grob fahrlässig
nicht kannte. Eine positive Kenntnis der Rechtswidrigkeit kann der Klägerin zwar nicht unterstellt werden, da das Sozialgericht
insofern festgestellt hat, die Klägerin habe im Termin zur mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert, ihr sei die Rechtswidrigkeit
des Bescheides nicht aufgefallen. Weder dieser Aspekt noch die Tatsache, dass die Klägerin die Überzahlung nicht etwa durch
falsche Angaben selbst veranlasst hat, führen jedoch dazu, dass die angegriffenen Bescheide aufzuheben gewesen wären, denn
die grob fahrlässige Nichtkenntnis der Rechtswidrigkeit reicht aus.
Eine solche grobe Fahrlässigkeit ist vorliegend auf Seiten der Klägerin gegeben. Sie selbst hat ausgeführt, dass grobe Fahrlässigkeit
vorliegt, wenn - ausgehend von den persönlichen Umständen und Fähigkeiten des einzelnen Betroffenen - die erforderliche Sorgfalt
in besonders schwerer Weise verletzt worden ist (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X) und wenn einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt worden sind.
Genau diese Merkmale treffen auf den vorliegenden Sachverhalt zu. Die Klägerin hätte die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheids
ohne weiteres erkennen können, da diese offensichtlich war.
Unabhängig davon, ob die Klägerin die beiden Bescheide über die Gewährung von Arbeitslosenhilfe, den rückwirkenden und den
aktuellen, direkt an zwei aufeinander folgenden Tagen bekommen hat oder ob, bedingt durch das Wochenende vielleicht 4 oder
5 Tage dazwischen lagen, so wäre aus der Sicht jeder vernünftigen Person davon auszugehen, dass diese beiden Bescheide miteinander
verglichen werden oder dass jedenfalls der neue Bescheid für sich genommen anhand bereits vorhandener Unterlagen besonders
überprüft wird. Dies kann deswegen unterstellt werden, weil der Bescheid für Dezember 2001 noch DM-Beträge aufwies, während
der Bescheid für Januar 2002 bereits Euro-Beträge zeigte. Es ist völlig lebensfremd anzunehmen, dass bei einem solchen historischen
Ereignis wie der Währungsumstellung von DM auf Euro ein Betroffener, dessen Lebensgrundlage von den Zahlungen abhängt, sich
nicht besonders gründlich rückversichert, dass die Umstellungsbeträge korrekt errechnet sind. Schließlich hätte es ja genauso
gut sein können, dass sich die Beklagte zu Ungunsten der Klägerin verrechnet hätte. Ist aber aufgrund der genannten besonderen
Umstände davon auszugehen, dass die Bescheide verglichen wurden oder dass zumindest eine sonstige genaue Prüfung des Euro-Bescheids
stattgefunden hat, so bedeutet es angesichts des offenkundigen Falles grobe Fahrlässigkeit, wenn die Klägerin erklärt, ihr
sei nichts aufgefallen, obwohl es ins Auge hätte springen müssen, dass sich die Bemessungsgrundlage trotz der Euro-Umstellung
nicht verändert hatte (statt 650 DM dann 650 Euro) und dass dies ein offenkundiges Versehen war.
Aber selbst wenn die Klägerin es tatsächlich unterlassen haben sollte, die beiden Bescheide zu vergleichen, so hätte ihr aber
spätestens bei einem Blick auf ihre Kontoauszüge auffallen müssen, dass sie ab Januar fast doppelt so viel Geld bekommen hat,
wie im Monat zuvor. Die Klägerin wird nicht ernsthaft behaupten wollen, dass sie dies nicht hätte bemerken können, zumal durch
die relativ leichte Umrechnung von DM zu Euro ins Auge hätte fallen müssen, dass die neuen Euro-Beträge nur etwa die Hälfte
des vorherigen DM-Betrages ausmachen konnten (vgl. insoweit auch VGH Bad.-Württ. in DVP 1991, 158: ungewöhnlich hohes Maß an sorglosem Verhalten bejaht, wenn ein Hilfeempfänger die Differenz zwischen bewilligten 184 DM
und ausgezahlten 286 DM nicht bemerkt). Die Erklärung der Klägerin, sie sei davon ausgegangen, ihre Verluste aus ihrer selbständigen
Tätigkeit seien bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe berücksichtigt worden, ist völlig abwegig und muss, insbesondere
da die Klägerin einerseits Geschäftsfrau ist und andererseits schon seit längerer Zeit im Leistungsbezug bei der Beklagten
steht, als reine Schutzbehauptung gewertet werden.
Es liegen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin aus in ihrer Person liegenden Gründen die Rechtswidrigkeit
des Bescheides nicht erkennen konnte. Sie ist nach eigenen Angaben selbständig tätig und muss allein schon aus diesem Grund
im Geschäftsleben einigermaßen bewandert sein, ebenso setzt eine solche Tätigkeit normale intellektuelle Fähigkeiten voraus.
Die Annahme, der Klägerin sei allenfalls leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen, geht daher fehl.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des §
160 Abs.
2 Nrn. 1 und 2
SGG nicht vorliegen.