Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Kosten der Unterkunft i. H. v. 100 € pro Monat für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2020.
Der im Haus seiner Eltern wohnende Kläger bezieht - mit geringfügigen Unterbrechungen - seit dem 01.01.2005 von der Beklagten
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Die Eltern sind an dem Grundstück, auf dem sich das Haus befindet, erbbauberechtigt. Jedenfalls bis zum Jahr 2011 bewilligte
die Beklagte dem Kläger Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in wechselnder Höhe von ca. 100 bis 130 €. Im weiteren Verlauf forderte die Beklagte vom Kläger mehrfach die Vorlage der
Belege über die tatsächlich an seine Eltern zu zahlenden Neben- und Wärmekosten an. Der Kläger hatte vorgetragen, er trage
die Heiz- und Nebenkosten des Hauses seiner Eltern zu einem Drittel.
Für die Zeit ab dem 01.01.2020 beantragte der Kläger am 14.11.2019 die Weitergewährung der Leistungen nach dem SGB II. In seinem Antrag gab er an, dass ihm monatliche Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft in Form von Nebenkosten in Höhe
von ca. 60 € und Heizkosten in Höhe von ca. 40 € entstehen würden. Dem Antrag beigefügt war ein Schreiben des Klägers vom
13.11.2019 mit "Hinweisen zum SGB II Antrag vom 14.11.2019". Darin verwies der Kläger für die Belege zu den Wohnungskosten auf die bereits eingereichten Unterlagen
im Antrag auf Leistungen nach dem SGB II vom 30.06.2013. Da die Nachweise für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2020 für die tatsächliche Kosten erst im Jahr
2021 vorgelegt werden könnten und auf dieser Grundlage sowieso immer eine Neuberechnung wegen der schwankenden Verbräuche
und der steigenden Energiekosten erfolgen müsse, könnten auch ältere Nachweise, z.B. aus dem Jahr 2010/2011 zum Ansatz gebracht
werden. Das Jobcenter habe dies bereits in der Vergangenheit so praktiziert und - trotz der vorliegenden aktuellen Belege
- die veralteten Belege von vor zwei Jahren zugrunde gelegt. Zudem könnten die Kosten der Unterkunft mittels einer vorläufigen
Abschlagszahlung von monatlich 100 € erfolgen. Die etwaig zu viel gezahlten Leistungen könnten dann zurückgefordert werden.
Dem Antrag beigefügt war eine Bestätigung der Eltern des Klägers vom 13.11.2019, wonach zwischen ihnen und dem Kläger eine
Vereinbarung nach §
550 BGB bestehe. Diese habe den Inhalt, dass der Kläger sich zu einem Drittel an den entstehenden Heiz- und Nebenkosten zu beteiligen
habe. Es werde darüber hinaus bestätigt, dass diese anteiligen Kosten des Klägers seit dem 01.01.2017 gestundet würden, da
die Beklagte diese nicht mit den entsprechenden Bescheiden bewilligt habe. Als Mitglieder der Gemeinschaft würden sie somit
seit dem 01.01.2017 genötigt, den Anteil des Klägers mitzutragen und würden dementsprechend in Sippenhaft genommen. Der Kläger
erhalte seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II. Von den Eltern seien mehrere Rentabilitätsberechnungen eingereicht und zuletzt durch die Beklagte mit Bescheid vom 25.4.2012
Leistungen i. H. v. 135,12 € endgültig bewilligt worden. Die von dem Kläger benannte Abschlagszahlung von 100 € könne daher
ohne weiteres erfolgen. Nach Erhalt der Zahlungen würden die erst im Jahr 2021 zugehenden Nachweise über die tatsächlichen
Kosten für das Jahr 2020 noch vorgelegt.
Mit Bescheid vom 28.11.2019 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Form des Regelbedarfs für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 31.12.2020 in Höhe von damals 432 € pro Monat. In Bezug auf
die Kosten der Unterkunft erfolgte keine Leistungsbewilligung.
Hiergegen legte der Kläger am 17.12.2019 Widerspruch ein und verwies auf die seinem Antrag beigefügten Unterlagen. Durch den
angefochtenen Bescheid werde er in seinen und seine Eltern in ihren Rechten verletzt. Er verweise dazu auf das Urteil des
Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.05.2013 - B 4 AS 67/12 R - und auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 05.11.2019 - 1 BvL 7/16. Regelleistungen dürften danach nur um max. 30% gesenkt werden und Dritte nicht von Leistungskürzungen berührt werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger wohne im Eigenheim seiner Eltern.
Er habe bislang keinen Mietvertrag vorgelegt und mache auch keine Mietzahlungen geltend. Vielmehr müsse sich der Kläger offenbar
lediglich an den anteiligen Kosten für Nebenkosten und Heizkosten beteiligen. Hierzu habe der Kläger eine Bestätigung vorgelegt,
wonach er sich zu 1/3 an den anfallenden Kosten zu beteiligen habe. Diese Kosten würden seit dem 01.01.2017 gestundet. Es
sei jedoch ein Nachweis erforderlich, welche Abschläge gezahlt werden müssen, um dies dann anteilig zu bewilligen. Eine pauschale
Gewährung von Kosten der Unterkunft und Heizung komme nicht in Betracht, da dies gesetzlich nicht vorgesehen sei. Die Beklagte
sei nur verpflichtet, die tatsächlich nachgewiesenen Kosten zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund komme der Kläger nicht
umhin, die tatsächlich angefallenen Kosten des Hauses nachzuweisen. Bereits in der Vergangenheit sei er regelmäßig aufgefordert
worden, diese Nachweise zu erbringen oder eine Genehmigung zu erteilen, damit die Beklagte die Kosten bei seinen Eltern selbst
erfragen könne. Bisher seien weder Nachweise vorgelegen noch eine Genehmigung erteilt worden. Aus dem Widerspruch, insbesondere
aus den Hinweisen auf die Rechtsprechung, werde geschlossen, dass auch weiterhin keine Bereitschaft dazu bestehe. Es werde
daher aufgrund der konsequenten Nichtvorlage der ohne Probleme erreichbaren Unterlagen, der damit verbundenen Inkaufnahme
der Leistungsversagung/-ablehnung und der fehlenden Konsequenzen aus der ausbleibenden Kostenbeteiligung davon ausgegangen,
dass seinen Eltern gegenüber keine ernsthafte Zahlungsverpflichtung hinsichtlich der geltend gemachten Kosten der Unterkunft
bestehe.
Hiergegen hat der Kläger am 17.01.2020 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Münster erhoben und vorgetragen, der Leistungsbezug sei hinreichend sicher und die Höhe der Bedarfe für Unterkunft und Heizung
von 100 € nachvollziehbar. Dies ergebe sich auch aus der "Bestätigung" seiner Eltern vom 13.11.2019 sowie aus seinem Schreiben
vom selben Tag überschrieben mit "Hinweise zum SGB II Antrag vom 14.11.2019". Diese Unterlagen seien von der Beklagten nicht hinreichend berücksichtigt worden. Auch auf die von
ihm genannten Entscheidung des BSG und des BVerfG sei der Widerspruchsbescheid nicht eingegangen.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 28.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2020 zu verurteilen,
ihm Kosten der Unterkunft und Heizung für das Jahr 2020 in Höhe von monatlich 100 € zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte auf die Ausführungen im Ausgangs- und Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Schon im Hinblick
auf gleichlautende Anträge in vergangenen Zeiträumen seien die entsprechenden Klagen des Klägers abgewiesen worden. Der Sachverhalt
habe sich seither nicht geändert.
Nach Anhörung der Beteiligten mit Schreiben vom 06.01.2021 hat das SG Münster die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.03.2021
abgewiesen. Solange der Kläger sich weigere, belastbare und nachvollziehbare Unterlagen und Belege über die angeblich von
seinen Eltern getätigten Aufwendung vorzulegen, sei von einer anderweitigen Bedarfsdeckung auszugehen.
Gegen den Gerichtsbescheid, dem Kläger zugestellt am 18.03.2021, hat der Kläger am 16.04.2021 Berufung eingelegt. Zur Begründung
verweist er auf die Bestätigung seiner Eltern. Diese würden durch die Ablehnung der Übernahme der monatlichen Abschlagszahlung
in Sippenhaft genommen, was vor dem Hintergrund der genannten Rechtsprechung des BSG und des BVerfG nicht zulässig sei. Vor dem Bescheid vom 28.11.2019 seien zudem weder Aufforderungen, rechtliche Hinweise
noch eine Anhörung erfolgt. Er beantrage neben der Zahlung auch die gesonderte Feststellung, dass die Weigerung der Beklagten,
die Abschlagszahlungen zu übernehmen, rechtswidrig sei. Ein Feststellungsinteresse ergebe sich, weil die Beklagte mit gleicher
Begründung auch die Übernahme für 2021 abgelehnt habe und er zudem eine Schadensersatzklage gegen die Beklagte plane.
Der Kläger beantragt nunmehr mit Schriftsatz vom 12.04.2021 sinngemäß,
1.
die Beklagte unter Abänderung des Gerichtsbescheides des SG Münster vom 15.03.2021 und unter Aufhebung des Bescheides vom
28.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2020 zu verpflichten, ihm die beantragten und von den Vermietern
geforderten Abschlagszahlungen in Höhe von monatlich 100 € für Unterkunft und Heizung zu zahlen.
2.
festzustellen, dass die Beklagte die von den Vermietern geforderten Abschlagszahlungen von monatlich 100 € für Unterkunft
und Heizung zu zahlen hatte und die damit verbundenen Weigerungen der Beklagten rechtswidrig waren,
3.
der Beklagten seine außergerichtlichen Kosten für alle eingelegten Rechtmittel und Rechtsbehelfe (Widersprüche, Klagen usw.)
aufzuerlegen,
4.
sämtliche Zahlungen an ihn bzw. an den Vermieter mit 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass Kosten der Unterkunft nicht nachgewiesen worden seien und verweist auf die Urteile des Landessozialgerichts
Nordrhein-Westfalen vom 16.04.2021.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten
der Beklagten Bezug genommen sowie auf die ebenfalls beigezogenen Vorprozessakten L 21 AS 1012/18, L 21 ASA 939/18 und L 21 AS 1206/19. Diese Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte in der Streitsache entscheiden, obwohl für den Kläger niemand zum Termin erschienen ist, denn der Kläger
ist mit Postzustellungsurkunde, die am 29.12.2021 in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt wurde, geladen und in
der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG Münster hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid
vom 28.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.01.2020 nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beschwert. Er hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Zahlung eines Abschlags von monatlich 100 € für Heiz- und Nebenkosten.
I. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs.
1 S. 1 1. Fall, §
54 Abs.
4, §
56 SGG) statthaft. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit müssen nach §
123 SGG über den (wirklich) erhobenen Anspruch entscheiden, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.
1. Der Senat geht nach dem Vortrag des Klägers und Berücksichtigung des Meistbegünstigungsgrundsatzes mit dem SG davon aus, dass der Kläger bereits im erstinstanzlichen Verfahren zumindest sinngemäß nicht nur die Aufhebung der streitgegenständlichen
Bescheide, sondern auch die Zahlung der von ihm geltend gemachten 100 € als Kosten der Unterkunft und Heizung im Wege der
kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage geltend gemacht hat. Daran ändert nichts, dass der Kläger in der Klageschrift
vom 17.01.2020 den Antrag zunächst nur auf die Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide beschränkt hatte. Der Kläger
hat in seiner Klage weiter ausgeführt, dass "die begehrte Höhe der Leistung von 100 €" nachvollziehbar sei. Der damit einhergehende
Leistungsantrag war damit hinreichend konkretisiert, so dass die erhobene Klage als zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage
zu verstehen und statthaft ist.
2. Die sodann im Berufungsverfahren gestellten Anträge des Klägers waren dabei weiterhin im Wege der Auslegung als statthafte
Anfechtungs- und Leistungsklage zu verstehen.
Soweit der Kläger mit seinem Antrag zu 2. zudem die "Feststellung" begehrt, dass die Beklagte die von den Vermietern geforderten
Abschlagszahlungen zu zahlen hatte und "die damit verbundenen Weigerungen rechtswidrig waren", ist darin kein über den Antrag
zu 1. hinausgehendes Begehren erkennbar. Der Senat musste daher hierüber - auch im Hinblick auf eine etwaige Feststellungsklage
- nicht gesondert entscheiden. Vielmehr geht mit der Prüfung des zu Ziff. 1 gestellten Leistungsantrags auf Gewährung höherer
Leistungen zwangsläufig die Prüfung einher, ob die Leistungsfestsetzung der Beklagten den gesetzlichen Vorgaben entsprach.
Somit ist die vom Kläger im Antrag zu 2. gesondert aufgeführten "Feststellung" zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben bzw.
zur Rechtswidrigkeit der Bescheide schon in der Prüfung des Antrags zu 1. enthalten bzw. Teil der Prüfung des Antrags zu Ziff.
1. Einer gesonderten "Feststellung" einer etwaigen Rechtswidrigkeit bedurfte es daher nicht mehr, so dass die gestellten Anträge
bei verständiger Würdigung insgesamt als (zulässige) Anfechtungs- und Leistungsklage auszulegen waren. Einer gesonderten Entscheidung
bedurfte es auch nicht vor dem Hintergrund, dass die Beklagte die Übernahme von monatlich 100 € als Kosten der Unterkunft
und Heizung auch für den Leistungszeitraum 2021 abgelehnt hat und der Kläger eine Schadensersatzklage beabsichtigt. Denn es
sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte eine vom Gericht im Rahmen der Prüfung der Anfechtungs- und
Leistungsklage festgestellte Rechtswidrigkeit der Ablehnung für die Zukunft nicht beachten würde. Auch für die Vorbereitung
einer Schadensersatzklage wäre dem Kläger mit einer im Rahmen des Antrags zu 1. angenommenen Rechtswidrigkeit der Ablehnung
bereits gedient.
II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG Münster hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger ist durch den Bescheid
vom 28.11.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.01.2020 nicht im Sinne von §
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert. Er hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Zahlung eines Abschlags von 100 € für Heiz- und Nebenkosten im
Jahr 2020.
Leistungsberechtigte Personen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II - wie der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum - erhalten gemäß § 22 Abs. 1 SGB II auch Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Bedarfe für
Unterkunft und Heizung bestehen, wenn die leistungsberechtigte Person einem rechtlich wirksamen und ernsthaften Zahlungsverlangen
des Vermieters ausgesetzt ist. Grundsätzlich ohne Bedeutung ist die Person des Vermieters. Auch unter engen Verwandten können
rechtlich wirksam Mietverträge geschlossen und damit vertragliche Verpflichtungen, wie beispielsweise die Mietzahlungspflicht,
begründet werden. Die mietvertraglichen Vereinbarungen müssen auch nicht in jeder Hinsicht einem sogenannten "Fremdvergleich"
standhalten, d.h. den zwischen Fremden üblichen mietvertraglichen Vereinbarungen entsprechen. Eine wegen verwandtschaftlicher
Verbundenheit beispielsweise verbilligte Wohnraumüberlassung an Angehörige hindert deshalb nicht das Entstehen von Bedarfen
für Unterkunft und Heizung. Entscheidend ist aber, dass trotz verwandtschaftlicher Verbundenheit der Mieter einer ernsthaften
und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung des Vermieters ausgesetzt ist (BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R).
Der Kläger ist jedoch zur Überzeugung des Senats gegenüber seinen Eltern in dem hier streitigen Zeitraum nicht einem wirksamen
und ernsthaften Zahlungsverlangen in Bezug auf die geltend gemachten Nebenkosten ausgesetzt gewesen. Dies ließ sich jedenfalls
nicht nachweisen.
Für den hier streitigen Zeitraum fehlen - ebenso wie für vergangene Zeiträume in den Parallelverfahren L 21 AS 1206/19, L 21 AS 1012/18 und L 21 AS 939/18 - hinreichende Belege oder Nachweise für die tatsächliche Entstehung dieser Kosten im Sinne einer ernsthaften und nicht dauerhaft
gestundeten Zahlungsverpflichtung des Klägers gegenüber seinen Eltern.
Neben der Frage, ob und in welcher Höhe die Kosten überhaupt entstanden sind, erfolgte nach den Angaben der Eltern des Klägers
im Schreiben vom 13.11.2019 eine Stundung der anteiligen Kosten seit dem 01.01.2017, "da" die Beklagte diese Kosten mit den
entsprechenden Bescheiden nicht bewilligt habe. Ein solches Entgegenkommen - mittlerweile über einen Zeitraum von vielen Jahren
- ist als unüblich anzusehen, selbst wenn man hierbei die gelockerten Maßstäbe ansetzt, die nicht in jeder Hinsicht einem
sogenannten "Fremdvergleich" mit nicht verbundenen Dritten entsprechen müssen. Insbesondere wird auf diese Weise eine direkte
Verknüpfung zwischen einem privatrechtlichen Anspruch auf Zahlung der Nebenkosten und dem Anspruch auf Leistungen nach dem
SGB II hergestellt, obwohl der etwaige Anspruch auf Zahlungen privatrechtlich in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Leistungen
des Jobcenters steht. Zudem bleibt unklar, unter welchen weiteren, konkreten Bedingungen eine Stundung vereinbart oder gewährt
worden sein soll, z.B. ob hierzu weitere Kosten in Ansatz gebracht werden oder über welche Dauer eine solche Stundung, ggf.
einseitig oder durch eine zweiseitige Abrede, vereinbart worden ist. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass
sich hinsichtlich der Stundung Änderungen gegenüber dem Vorjahr 2019 ergeben haben. In dem beigezogenen Verfahren L 21 AS 1206/19 hatten die Eltern des Klägers im Schreiben vom 06.04.2021 mitgeteilt, dass "die anteilig zu zahlenden Kosten gestundet werden".
Dies war und ist so zu verstehen, dass eine Stundung weiterhin und damit nach wie vor ohne zeitliche Befristung gewährt wird.
Ausgehend von diesen Angaben hat sich der Senat auch in diesem Verfahren nicht gedrängt gesehen, die Eltern des Klägers noch
als Zeugen zu hören. Vielmehr konnte der Senat diesen schriftsätzlichen Vortrag der Eltern zum Sachverhalt als wahr unterstellen,
zumal auch der Kläger das Bestehen einer Stundungsabrede nicht in Abrede gestellt hat. Im Gegensatz dazu ist nach der Rechtsprechung
des BSG (BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R) aber gerade entscheidend, dass der Mieter trotz verwandtschaftlicher Verbundenheit einer ernsthaften und nicht dauerhaft
gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist. Die Eltern des Klägers dürften aber aufgrund der aktuell fortbestehenden Stundung
rechtlich gegenüber dem Kläger auf unabsehbare Zeit kaum in der Lage sein, diese Forderung einzufordern. Darüber hinaus wäre
im Sinne eines Fremdvergleichs im o.g. Sinne zumindest zu erwarten gewesen, dass eine gewisse Aktivität zur Beitreibung oder
jedenfalls Sicherung oder Dokumentation der über Jahre aufgelaufenen Forderungen entfaltet worden wäre, wie z.B. die Vereinbarung
einer Ratenzahlung oder die Vereinbarung zur Zahlung eines gewissen Anzahlungsbetrages.
In der Gesamtschau genügen daher die zwischen dem Kläger und seinen Eltern getroffenen Vereinbarungen nicht den Anforderungen
an eine ernsthafte Zahlungsverpflichtung im o.g. Sinne. Vor diesem Hintergrund war die Beklagte auch nicht zu der Gewährung
der geltend gemachten Kosten für Unterkunft und Heizung im Jahr 2020 verpflichtet.
Auch aus der vom Kläger zitierten Rechtsprechung des BSG und des BVerfG ergibt sich keine andere rechtliche Bewertung. Das BSG hat in dem Urteil vom 23.05.2013 - B 4 AS 67/12 - entschieden, dass eine Abweichung vom "Kopfteilprinzip" und höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft an die weiteren
Bedarfsgemeinschaftsmitglieder gerechtfertigt sein können, wenn die Sanktion eines SGB II-Trägers gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit dem Wegfall der Leistungen für Unterkunftsaufwendungen verbunden ist.
Parallelen zu dem hier vorliegenden Fall sind nicht erkennbar. Weder lebt der Kläger mit seinen Eltern in einer Bedarfsgemeinschaft
noch hat er seinen Kopfteil an Unterkunftskosten durch eine Sanktion verloren. Vielmehr fehlt es hier nach den obigen Ausführungen
bereits an der ernsthaften Zahlungsverpflichtung, die einen solchen Anspruch überhaupt erst begründen könnte.
Gleiches gilt für die Entscheidung des BVerfG vom 05.11.2019 - 1 BvL 7/16. Das Vorlageverfahren betraf die Frage, ob die Minderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund der Verletzung
der in § 31 Abs. 1 SGB II normierten Mitwirkungsanforderungen nach § 31a Abs. 1, § 31b SGB II mit dem
Grundgesetz vereinbar ist. Schwerpunkt der Entscheidung war die Frage der Verhältnismäßigkeit der konkreten Ausgestaltung der dort geregelten
Sanktionen. Im vorliegenden Verfahren ist jedoch keine Sanktion zur Durchsetzung der Mitwirkungspflichten des § 31 Abs. 1 SGB II streitig. Vielmehr ist der Anspruch des Klägers auf Kosten der Unterkunft und Heizung abgelehnt worden, weil die gesetzlichen
Anspruchsvoraussetzungen - hier insbesondere die ernsthafte Zahlungsverpflichtung - nicht nachgewiesen sind. Der Grundsatz
der objektiven Beweislast, der auch im sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung findet (B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
Kommentar zum
SGG, 13. Auflage 2020, §
103 Rn. 19a mwN), gilt, wenn das Gericht trotz aller Bemühungen bei der Amtsermittlung den Sachverhalt nicht aufklären kann.
Dann trägt derjenige die Beweislast, zu dessen Gunsten das Tatbestandsmerkmal im Prozess wirkt. Dieser Grundsatz begegnet
keinerlei verfassungsrechtlichen Bedenken und war nicht Gegenstand der Entscheidung des BVerfG.
III. Das Begehren des Klägers zu Ziff. 4 seines Antrags, die Beklagte zu einer Verzinsung etwaiger rückständiger Leistungen zu
verpflichten, ist bereits - unabhängig von dem nicht bestehenden Zahlungsanspruch - unstatthaft. Eine Verpflichtung der Beklagten
zur Verzinsung eines Nachzahlungsbetrages kann sich allenfalls aus §
44 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) ergeben, da in Verfahren betreffend Sozialleistungsansprüche vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit keine Prozesszinsen
entsprechend §
291 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB) anfallen (vgl. BSG Urteil vom 13.07.2010 - B 8 SO 10/10 R). Eine Entscheidung der Beklagten über einen Zinsanspruch des Klägers nach §
44 SGB I ist bislang nicht ergangen. Damit ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage nach §
54 Abs.
2 und
4 SGG wegen des Fehlens eines Verwaltungsaktes unzulässig. Der Kläger kann sein Begehren auch nicht in Form einer reinen Leistungsklage
nach §
54 Abs.
5 SGG verfolgen, da zwischen ihm und der Beklagten hinsichtlich des Zinsanspruchs aus §
44 SGB I kein Gleichordnungsverhältnis besteht (vgl. LSG NRW, Urteil vom 12.01.2012 - L 19 AS 1473/11).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
V. Gründe, die Revision zuzulassen (§
160 Abs.
2 SGG), liegen nicht vor.