Gründe
I.
Streitig ist ein Erstattungsanspruch in Höhe von 7.568,90 Euro für Leistungen gegenüber einer Hilfeempfängerin in der Zeit
vom 06.11.2013 bis 30.04.2014.
Bei der Leistungsberechtigten O (geb. am 00.00.1992, im Folgenden: Leistungsberechtigte) sind ein Grad der Behinderung von
100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche "G" (erhebliche Beeinträchtigung
der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr), "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und "H" (Hilflosigkeit) festgestellt.
Sie verbrachte ihre ersten zwei Lebensjahre im Krankenhaus, bis sie ab dem 13.07.1995 bei ihren Pflegeeltern S und D in U
untergebracht wurde. Ihre Pflegeeltern sind zugleich ihre gesetzlichen Betreuer. Das Jugendamt der Stadt U leistete bis zum
05.11.2013 Jugendhilfe in Form von Vollzeitpflege (Bescheid vom 22.11.2012). Bereits mit einem Schreiben vom 25.08.2010 meldete
das Jugendamt der Stadt U beim Kläger (vorsorglich) einen Erstattungsanspruch an und machte geltend, es handele sich um Eingliederungshilfeleistungen,
die nach § 10 Abs. 4 S. 2 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) den Leistungen der Jugendhilfe vorgingen.
Am 29.04.2013 beantragten die Pflegeeltern der Leistungsberechtigten beim Jugendamt der Stadt U die Fortführung der Hilfe
für junge Erwachsene nach den §§ 33, 41 SGB VIII für die Zeit ab Vollendung des 21. Lebensjahres, dem 06.11.2013. Die Stadt U leitete diesen Antrag nach §
14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (
SGB IX) am 06.05.2013 an den Kläger weiter, bei dem er am 10.05.2013 einging. Zur Begründung führte die Stadt U aus, bei der Leistungsberechtigten
liege eine geistige Behinderung vor. Die Ziele der Jugendhilfe, insbesondere die Persönlichkeitsentwicklung und die Befähigung
zur eigenständigen Lebensführung, seien auch durch eine Verlängerung der Jugendhilfe nicht zu erreichen. Auf Anfrage übersandte
die Stadt U dem Kläger verschiedene Unterlagen betreffend die Leistungsberechtigte und den bisherigen Betreuungsumfang.
Mit Bescheid vom 28.10.2013 bewilligte der Kläger der Leistungsberechtigten Leistungen für den Zeitraum vom 06.11.2013 bis
zum 30.04.2014 für Vollzeitpflege nach § 41 SGB VIII i.V.m. § 33 SGB VIII in Höhe von monatlich 1.297 Euro. In dieser Höhe hatte die Stadt U zuvor Hilfen nach dem SGB VIII bewilligt.
Mit Schreiben vom 07.11.2013 teilte der Kläger dem Jugendamt der Stadt U mit, dass er den im August 2010 geltend gemachten
Erstattungsanspruch ablehne und gleichzeitig einen eigenen Erstattungsanspruch für die ab dem 06.11.2013 gewährten Leistungen
anmelde. Für Leistungen nach § 54 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) sei der örtliche Träger der Sozialhilfe und nicht der überörtliche Träger zuständig. Es handele sich bei der Hilfe zur Erziehung
in Vollzeitpflege weder um stationäre noch um teilstationäre Eingliederungshilfe im Sinne des § 2 Abs. 1 der Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes Nordrhein-Westfalen (AV-SGB XII NRW), sodass die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers unter keinem Gesichtspunkt gegeben sei.
Mit Schreiben vom 14.11.2013 teilte die Stadt U dem Kläger mit, örtlicher Träger der Sozialhilfe sei der Beklagte.
Mit Schreiben vom 23.01.2014 machte der Kläger den Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gegenüber dem Beklagten geltend.
Der Beklagte lehnte den Erstattungsanspruch mit Schreiben vom 07.02.2014 ab. § 54 Abs. 3 SGB XII greife nur bei Kindern und Jugendlichen, nicht aber bei jungen Erwachsenen. Auch liege eine Gleichartigkeit der Leistungen
i.S.d. § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII nicht vor. Es handele sich ausschließlich um Leistungen der Jugendhilfe nach § 41 SGB VIII. Ein entsprechender Antrag auf Kostenerstattung sei beim zuständigen Jugendamt zu stellen.
Am 08.04.2014 beantragte die Leistungsberechtigte beim Kläger die Weitergewährung von Leistungen bis zum 31.10.2015. Diesen
leitete der Kläger mit Schreiben vom 08.04.2014 an das Jugendamt der Stadt U weiter. Er verwies dabei auf den geltend gemachten
Erstattungsanspruch vom 07.11.2013. Die Stadt U reichte den Antrag mit Schreiben vom 17.04.2014 an den Kläger zurück, weil
sie für die streitgegenständlichen Leistungen wegen des Alters der Leistungsberechtigten nicht mehr Reha-Trägerin im Sinne
des Gesetzes sein könne.
Mit Bescheid vom 02.06.2014 lehnte das Jugendamt der Stadt U einen Antrag der Leistungsberechtigten vom 26.05.2014 auf Gewährung
von Leistungen der Hilfe zur Erziehung nach § 33 SGB VIII i.V.m. § 41 SGB VIII ab. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 22.11.2012 sei mitgeteilt worden, dass die Hilfeleistung nach den Vorschriften des
SGB VIII mit der Vollendung des 21. Lebensjahres kraft Gesetzes ende. Eine neue Gewährung von Leistungen nach Vollendung des 21. Lebensjahres
scheide aus. Die Leistungsberechtigte ersuchte das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf um einstweiligen Rechtsschutz, mit dem
sie eine einstweilige Verpflichtung des Jugendamtes der Stadt U erreichen wollte. Zugleich erhob sie verwaltungsgerichtliche
Klage gegen die Stadt U, zu der der Kläger beigeladen wurde (Az.: 19 K 4032/14). Das VG Düsseldorf teilte dem Kläger in einem Schreiben vom 02.07.2014 mit, dass Eingliederungshilfeleistungen nach dem
SGB XII wegen der Behinderung der Leistungsberechtigten Vorrang haben dürften. Es werde eine einvernehmliche Lösung angeregt. Der
Kläger meinte, er sei sachlich nicht zuständig. Es bestehe ein Anspruch auf Weiterführung der Hilfe zur Erziehung in der bis
zum 05.11.2013 gewährten Form. Das VG Düsseldorf lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 25.07.2014 ab. Ein Anspruch der Leistungsberechtigten
auf Hilfe zur Erziehung scheitere daran, dass eine erkennbare Verbesserung der Persönlichkeitsentwicklung und der Fähigkeit
zur eigenverantwortlichen Lebensführung nicht zu erwarten sei. Die Hilfeform der Vollzeitpflege in Pflegefamilien könne dagegen
dem offenen Leistungskatalog der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. §
55 Abs.
2 SGB IX ohne weiteres zugeordnet werden. Da die Leistungsberechtigte einen Antrag auf Erbringung von Eingliederungshilfe nicht gestellt
habe, verbiete sich eine gerichtliche Prüfung.
Mit Schreiben vom 08.07.2014 machte der Kläger gegenüber der Stadt U erneut einen Erstattungsanspruch für den Zeitraum vom
06.11.2013 bis 30.04.2014 geltend. Weder der überörtliche noch der örtliche Träger der Sozialhilfe seien für die an die Pflegefamilie
erbrachten Leistungen zuständig. Ein Anspruch der Leistungsberechtigten nach § 54 Abs. 3 SGB XII auf Eingliederungshilfe in Form der weiteren Unterbringung in der Pflegefamilie gegen den örtlichen Sozialhilfeträger bestehe
aufgrund der Volljährigkeit der Leistungsberechtigten nicht. Die Leistungsberechtigte habe einen Anspruch auf Weiterführung
der Hilfe zur Erziehung in der bis zum 05.11.2013 gewährten Form gegen das Jugendamt.
Mit Schreiben ihrer Pflegeeltern vom 19.08.2014 beantragte die Leistungsberechtigte erneut die Gewährung von Eingliederungshilfe
bei der Stadt U. Sie, die Leistungsberechtigte, lebe bei den Pflegeeltern in Vollzeitpflege und die Hilfe müsse daher noch
bis zum geplanten Wechsel in eine betreute Wohneinrichtung Ende des Jahres 2015 verlängert werden. Diesen Antrag leitete die
Stadt U am 26.08.2014 an den Kläger weiter.
Der Kläger teilte der Leistungsberechtigten mit Schreiben vom 01.09.2014 mit, dass ihr Antrag erneut von der Stadt U gemäß
§
14 SGB IX an ihn weitergeleitet worden sei. Im September 2014 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er werde Leistungen der Eingliederungshilfe
erbringen.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen wies die zwischenzeitlich eingelegte Beschwerde der Leistungsberechtigten
gegen den Beschluss des VG Düsseldorf vom 25.07.2014 mit der Begründung zurück, es fehle jedenfalls an einem Anordnungsgrund,
da der Kläger plane, Leistungen der Eingliederungshilfe zu erbringen (Beschluss vom 08.10.2014).
Mit Bescheid vom 22.10.2014 erbrachte der Kläger gegenüber der Leistungsberechtigten Eingliederungshilfe zum selbstständigen
Wohnen für die Zeit vom 19.08.2014 bis längstens zum 31.12.2015; er bewilligte auch Assistenzleistungen und Leistungen zur
Haushaltshilfe.
Mit seiner am 27.12.2017 vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhobenen Klage hat der Kläger einen Erstattungsanspruch i.H.v. 7.568,90 Euro für den Zeitraum vom 06.11.2013 bis 30.04.2014
gemäß §
14 Abs.
4 SGB IX geltend gemacht. Er habe als zweitangegangener Träger dem Antrag entsprochen und die weitere Betreuung in der Pflegefamilie
sichergestellt. Er sei für die Erbringung der Leistungen sachlich nicht zuständig gewesen. Wegen der geistigen und körperlichen
Behinderung der Leistungsberechtigten habe diese einen gemäß § 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII vorrangigen Anspruch auf Hilfen nach §§ 53 ff. SGB XII, für welchen er, der Kläger, nach § 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII nicht zuständig sei. Auch sei die Unterbringung in einer Pflegefamilie keine (teil-)stationäre Maßnahme im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AV-SGB XII NRW. Die gewährten Leistungen stellten auch keine ambulanten Hilfen zur Ermöglichung eines selbstständigen Wohnens im Sinne
des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AV-SGB XII NRW dar, sodass der Kläger unter keinem Gesichtspunkt zuständig sei. Weder lebe die Leistungsberechtigte in einer eigenen
Wohnung, noch habe die Hilfe im Streitzeitraum der Vorbereitung auf ein selbstständiges Wohnen außerhalb der Häuslichkeit
der Pflegeeltern gedient. Bei den streitbefangenen Leistungen handele es sich um eine Rehabilitationsleistung zur Teilhabe
am Leben in der Gemeinschaft. Sachlich zuständiger Träger sei hierfür der Beklagte in seiner Funktion als örtlicher Sozialhilfeträger.
Der Kläger hat auf ein Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 20.02.2019 (L 4 SO 4/16) verwiesen, aus dem
sich ergebe, dass es sich bei der Betreuung eines volljährigen Menschen mit Behinderung nicht um eine Eingliederungshilfeleistung
handele.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm die von ihm für den Zeitraum 06.11.2013 bis 30.04.2014 im Hilfefall O erbrachten Aufwendungen
in Höhe von 7.568,90 Euro zu erstatten.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, der Kläger sei als überörtlicher Träger für Leistungen zum selbstständigen Wohnen im Rahmen
der §§ 53 ff. SGB XII nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AV-SGB XII zuständig. Er sei hiernach für alle Leistungen für Leistungsberechtigte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben außerhalb
einer (teil-)stationären Einrichtung zuständig, die mit dem Ziel geleistet werden, selbstständiges Wohnen zu ermöglichen.
Aus der "Rahmenvereinbarung NRW über die Leistungen der Eingliederungshilfe und die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer
Schwierigkeiten nach dem SGB XII" ergebe sich, dass auch in der Herkunftsfamilie eines Menschen mit Behinderung derartige Leistungen gewährt werden könnten.
Zwar seien im streitigen Zeitraum noch keine Leistungen zum selbstständigen Wohnen erbracht worden. Es sei jedoch nicht nachgewiesen,
dass ein entsprechender Unterstützungsbedarf nicht schon vorhanden gewesen sei. Nur knapp vier Monate nach dem Ende des Zeitraums,
für den der Kläger die Erstattung von Kosten begehre, habe dieser damit begonnen, Leistungen des ambulanten Wohnens zu gewähren.
Dass die Leistungsberechtigte aufgrund ihres Alters nicht zum Personenkreis nach § 54 Abs. 3 SGB XII gehört habe, könne nicht dazu führen, dass der Kläger die von ihm erbrachte Leistung dem offenen Leistungskatalog des § 54 SGB XII zuordne und somit eine Zuständigkeit des örtlichen Trägers herbeiführe.
Nach Einverständnis der Beteiligten hinsichtlich der Entscheidung der Kammer durch Urteil ohne mündliche Verhandlung hat das
SG Köln die Klage mit Urteil vom 08.10.2021 abgewiesen. Bei den streitgegenständlichen Leistungen handele es sich nicht um
Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, für deren Erbringung der Beklagte als örtlicher Träger der Sozialhilfe
zuständig gewesen wäre. Unabhängig davon, ob die Weiterleitung des Antrages nach §
14 Abs.
4 SGB IX zulässig gewesen sei, seien die Leistungen mit Bescheid vom 28.10.2013 nach § 41 SGB VIII i.V.m. § 33 SGB VIII bewilligt worden. Die Leistungen seien dementsprechend genauso hoch wie die zuvor vom Jugendamt der Stadt U bewilligten Leistungen.
Warum es sich bei den bewilligten Leistungen gleichwohl tatsächlich um Rehabilitationsleistungen zur Teilhabe am Leben in
der Gemeinschaft gehandelt haben solle, sei nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass nach dem Beschluss des VG Düsseldorf
ein Anspruch der Leistungsberechtigten auf Leistungen der Jugendhilfe nicht mehr gegeben gewesen sei, reiche insoweit nicht
aus. Für den späteren Bewilligungsabschnitt sei sodann Eingliederungshilfe zum selbstständigen Wohnen bewilligt worden. Nach
Auffassung der Kammer wäre diese bereits für den im davor liegenden Verfahren streitigen Zeitraum in Betracht gekommen. Die
Planung für den Auszug der Leistungsberechtigten aus dem Haushalt der Pflegeeltern habe bereits im September 2013 begonnen,
sodass Leistungen zum selbstständigen Wohnen zur Vorbereitung des Auszugs bereits schon ab diesem Zeitpunkt in Betracht gekommen
wären. Die Zielsetzung, dass die Leistungsberechtigte nicht in der Pflegefamilie verbleibe, sei letztlich bereits zu der Zeit
gegeben gewesen, als die erstmalige Bewilligung durch den Kläger erfolgt sei. Die erbrachten Leistungen könnten bei dieser
Sachlage nicht nachträglich als Rehabilitationsleistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft qualifiziert werden, für
deren Erbringung der Beklagte zuständig gewesen wäre.
Gegen das ihm am 19.10.2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.11.2021 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung
eingelegt. Er ist der Ansicht, die Berufung müsse wegen grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz zu obergerichtlichen Entscheidungen
zugelassen werden. Das SG Köln sei mit der Einordnung, dass es sich bei den streitgegenständlichen Leistungen nicht um Leistungen
zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft handele, für die der Beklagte als örtlicher Träger zuständig gewesen wäre, von dem
Urteil des LSG NRW vom 19.10.2015 (L 20 SO 255/12) abgewichen. Das SG Köln habe entgegen der vorgenannten LSG-Entscheidung
bei der rechtlichen Einordnung der Leistungen ausschließlich auf die Bezeichnung dieser durch den Kläger abgestellt. Es komme
aber nicht darauf an, wie die Leistung bezeichnet und später abgerechnet werde, sondern allein auf den tatsächlichen Inhalt
der erbrachten Betreuungsleistungen. Zudem liege eine Divergenz zu einem Urteil des LSG NRW vom 28.11.2019 (L 9 SO 478/17)
insoweit vor, als dass das SG Köln darauf abgestellt habe, dem Grunde nach wäre bereits für den streitgegenständlichen Zeitraum
ein Anspruch auf Eingliederungshilfe "in Betracht gekommen". Das SG Köln habe hier nicht die im Urteil des LSG NRW angeführten
Bewertungskriterien zugrunde gelegt, sondern danach gefragt, ob ein Anspruch auf Eingliederungshilfe zum selbstständigen Wohnen
in Betracht gekommen wäre, anstatt danach zu fragen, welche Leistung tatsächlich erbracht worden sei. Es liege auch eine grundsätzliche
Bedeutung vor, da das Urteil des SG Köln im Widerspruch zur Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vom 20.02.2019 (L 4 SO 4/16)
stehe. Das LSG Rheinland-Pfalz habe entschieden, dass es sich bei der Unterbringung in einer Pflegefamilie weder um eine stationäre
oder teilstationäre Einrichtung handele, noch die Leistungen das Ziel des selbstständigen Wohnens verfolgt hätten.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des SG Köln vom 08.10.2021 zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, eine Divergenz zu den vom Kläger genannten Urteilen liege nicht vor. Das SG Köln habe zum einen nicht
ausschließlich auf die Bezeichnung der Leistungen durch den Kläger abgestellt. Zum anderen sei die Frage einer rechtlich richtigen
Subsumtion nicht im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde zu diskutieren. Es liege auch keine grundsätzliche Bedeutung aufgrund
einer Abweichung vom Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vor. Das SG Köln sei der dortig aufgeführten Vorgehensweise zur Bestimmung
der Leistung gefolgt, es habe lediglich abweichend subsumiert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten der Beteiligten verwiesen.
Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der Entscheidung gewesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Beschwerde ist gemäß §
145 Abs.
1 S. 1
Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Nach §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen
Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro nicht übersteigt und nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen
für mehr als ein Jahr betroffen sind (§
144 Abs.
1 S. 2
SGG). Das ist hier der Fall. Der Wert des Beschwerdegegenstandes im Erstattungsstreit zwischen den Beteiligten in ihrer Eigenschaft
als juristische Personen des öffentlichen Rechts beträgt 7.568,90 Euro und es ist keine wiederkehrende oder laufende Leistung
für mehr als ein Jahr betroffen.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Die Berufung ist nicht gemäß §
144 Abs.
2 SGG zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des §
144 Abs.
2 Nrn. 1-3
SGG erfüllt sind. Danach ist die Berufung nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil
von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf
dieser Abweichung beruht (Nr. 2), oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht
wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach §
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG besteht nicht. Eine solche wäre nur anzunehmen, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Natur
aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts
zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, §
144 Rn. 28). Ist lediglich ein tatsächlicher, individueller Sachverhalt zu beurteilen, so fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung
(LSG NRW Beschluss vom 26.03.2010, L 6 B 110/09 AS NZB, Rn. 15, juris). Eine Rechtsfrage ist auch dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich unmittelbar aus dem Gesetz
beantworten lässt oder höchstrichterlich bereits entschieden ist (vgl. BSG Beschluss vom 15.09.1997, 9 BVg 6/97, Rn. 6, juris; LSG NRW Beschluss vom 07.10.2011, L 19 AS 937/11 NZB, Rn. 17, juris). Die unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall hat keine grundsätzliche Bedeutung, denn insoweit ermangelt
es der erforderlichen Breitenwirkung (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 2. Auflage 2022, §
144 SGG (Stand: 15.06.2022), Rn. 35). Darüber hinaus kann sich aber eine grundsätzliche Bedeutung aus der Abweichung von der Entscheidung
eines LSG eines anderen Bundeslandes ergeben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, §
144, Rn. 30; vgl. auch die Gesetzesbegründung: BT-Drucks. 12/1217, S. 52).
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache kann vorliegend bereits deshalb nicht angenommen werden, weil die hier maßgebliche
Rechtsfrage, wann wohnbezogene Leistungen grundsätzlich als Eingliederungshilfeleistungen eingestuft werden können, von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits beantwortet worden ist. Nach Auffassung des BSG ist hierbei ein "weites Verständnis" geboten, so dass Leistungen des ambulant-betreuten Wohnens nicht auf unmittelbar wohnungsbezogene
Hilfen, z.B. Hilfe zum Sauberhalten der Wohnung, beschränkt werden können. Der behinderte Mensch soll vielmehr dazu befähigt
werden, alle wichtigen Alltagsverrichtungen in seinem Wohn- und Lebensbereich möglichst selbstständig vorzunehmen. Es genügt
danach mithin, ist aber auch erforderlich, dass durch die geleistete Hilfe das selbstständige Leben und Wohnen ermöglicht
werden soll, in dem z.B. einer Isolation bzw. Verwahrlosung, einer relevanten psychischen Beeinträchtigung oder einer stationären
Unterbringung entgegengewirkt wird, die mit einer Übernahme der Gesamtverantwortung für die gesamte Lebensführung des behinderten
Menschen durch die Einrichtung einhergeht, damit der behinderte Mensch durch den Verbleib in der eigenen Wohnung einen Freiraum
für die individuelle Gestaltung seiner Lebensführung erhält (BSG Urteile vom 30.06.2016, B 8 SO 7/15 R, juris Rn. 19; und vom 25.08.2011, B 8 SO 7/10 R, Rn. 15, juris).
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich ferner nicht aus einer etwaigen Abweichung des SG Köln von dem Urteil
des LSG Rheinland-Pfalz vom 20.02.2019 (L 4 SO 4/16). Das LSG Rheinland-Pfalz hat zur Bewertung der Leistungen die in der
Pflegefamilie erbrachten Hilfeleistungen untersucht und anhand der o.g. höchstrichterlich entwickelten Kriterien bewertet,
ob diese hauptsächlich mit dem Ziel der Ermöglichung eines selbstständigen Wohnens erbracht worden sind. In dem dortigen Einzelfall
hat das LSG Rheinland-Pfalz sodann das Ziel der Hilfe zum selbstständigen Wohnen verneint. Diese Vorgehensweise hat im vorliegenden
Fall auch das SG Köln gewählt, ist nur - nach Auswertung der Umstände des Einzelfalls - zu einem anderen Ergebnis gekommen.
Diese unterschiedlichen Subsumtionsergebnisse begründen keine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Zur Klärungsbedürftigkeit der
Rechtsfrage müssen die abstrakte Klärungsfähigkeit, das heißt die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung, und die konkrete
Klärungsfähigkeit, also die Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage, hinzutreten. Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall
richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (BSG Beschlüsse vom 26.06.1975, 12 BJ 12/75, Rn. 2, juris; vom 07.10.2014, B 14 AS 55/14 B, Rn. 2, juris; und vom 26.05.2014, B 9 V 1/14 B, Rn. 8, juris). Insbesondere hinsichtlich Tatsachenfragen kann über §
144 Abs.
2 Nr.
1 SGG keine Klärung verlangt werden (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, §
144 Rn. 29).
Der Berufungszulassungsgrund des §
144 Abs.
2 Nr.
2 SGG (Divergenz) ist hier nicht gegeben. Eine Divergenz liegt nur vor, wenn ein SG in der angefochtenen Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz des
LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung ist nicht schon
dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des SG nicht den Kriterien entspricht, die diese Gerichte aufgestellt haben, sondern erst dann, wenn es diesen Kriterien widersprochen,
also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Eine eventuelle Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall begründet keine
Divergenz (BSG Beschluss vom 05.10.2010, B 8 SO 61/10 B, Rn. 11, juris). Bei der Frage, ob eine Abweichung von einer Entscheidung des LSG
zu bejahen ist, beschränkt sich die Prüfung auf das zuständige Berufungsgericht (Jungeblut in BeckOK Sozialrecht, 65. Edition,
Stand: 01.06.2022, §
144 SGG, Rn. 40).
Es genügt dabei nicht, dass das anzufechtende Urteil nicht den Kriterien entspricht, die ein höherinstanzliches Gericht aufgestellt
hat, etwa wenn das SG einem aufgestellten Rechtssatz folgen will, diesen indes missversteht, ihn in seiner Tragweite verkennt oder sonst Vorgaben
der obergerichtlichen Rechtsprechung im Einzelfall nicht übernimmt (BSG Beschlüsse vom 29.11.1989, 7 BAr 130/88, Rn. 7, juris; und vom 27.01.1999, B 4 RA 131/98 B, Rn. 10, juris). Erforderlich ist vielmehr, dass es die höherinstanzliche Rechtsprechung infrage stellt und ihr bewusst
einen eigenen Rechtssatz entgegensetzt (BSG Beschlüsse vom 25.10.2019, B 9 SB 40/19 B, Rn. 8, juris; vom 24.07.2019, B 5 R 31/19 B, Rn. 51, juris; und vom 16.02.2017, B 9 V 48/16 B, Rn. 23, juris). Auf das Bewusstsein des SG mit dem aufgestellten Rechtssatz von höhergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen, kommt es dabei aber nicht an (Senatsbeschluss
vom 28.02.2022, L 12 AS 18/22 NZB, Rn. 20 f., juris, m.w.N.).
Das SG Köln ist hier - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht von der Rechtsprechung des LSG NRW im Urteil vom 19.10.2015
(L 20 SO 255/12) abgewichen. Darin hat das LSG NRW u.a. ausgeführt, dass für die Erfassung von Leistungen als Eingliederungshilfe
ohne Bedeutung sei, dass sie in der Vergangenheit durchgehend als "Hilfe zum Lebensunterhalt" bezeichnet und so abgerechnet
worden seien. Maßgebend sei nicht die (fehlerhafte) Bezeichnung, sondern allein der tatsächliche Inhalt der erbrachten Betreuungsleistungen.
Das SG Köln ist von diesem Rechtssatz nicht abgewichen. Es hat die durch den Kläger mit Bescheid vom 28.10.2013 bewilligten
Leistungen nicht ausschließlich aufgrund deren vermeintlich falscher Bezeichnung als "Leistungen nach §§ 41, 33 SGB VIII" bewertet. In den Entscheidungsgründen sind keinerlei Ausführungen ersichtlich, die auf eine derartige Beurteilung der Rechtslage
schließen lassen würden. Vielmehr begründet das SG Köln die Einordnung mit der Tatsache, dass die Leistungen in selbiger Höhe
wie die zuvor durch das Jugendamt der Stadt U bewilligten Leistungen erbracht wurden. Zudem führt es an, dass keine Gründe
für eine anderweitige rechtliche Einschätzung der Leistungen ersichtlich seien. Hieraus ergibt sich, dass das SG Köln durchaus
auch andere Aspekte in die Beurteilung der Leistung einbezogen hat, allerdings keine rechtlichen Anhaltspunkte erblickt hat,
welche eine anderweitige Beurteilung hätten begründen können. Ob diese Einschätzung rechtlich fehlerhaft ist, ist - wie erwähnt
- keine Frage der Nichtzulassungsbeschwerde. Fehler der Rechtsanwendung sind für sich allein kein Zulassungsgrund für die
Berufung (vgl. BSG Beschluss vom 25.10.2016, B 9 V 43/16 B, Rn. 6, juris).
Es liegt auch keine Divergenz im Sinne des §
144 Abs.
2 Nr.
2 SGG zu dem Urteil des LSG NRW vom 28.11.2019 (L 9 SO 478/17) vor. Das LSG NRW nimmt in dieser Entscheidung Bezug auf die oben
angeführten Bewertungskriterien des BSG hinsichtlich des ambulant betreuten Wohnens, bei denen das BSG betont, dass es für die rechtliche Beurteilung nicht auf die beabsichtigten, sondern auf die tatsächlich erbrachten Leistungen
bzw. Hilfen ankomme (BSG Urteil vom 30.06.2016, B 8 SO 7/15 R, Rn. 20, juris). Soweit der Kläger meint, dass das SG Köln von den Kriterien des LSG
NRW und des BSG abweiche, wenn es danach frage, ob ein Anspruch auf Eingliederungshilfe zum selbstständigen Wohnen "in Betracht gekommen
wäre", anstatt danach zu fragen, welche Leistungen tatsächlich erbracht worden seien, kann er damit keine Divergenz begründen.
Das SG Köln weicht insoweit nicht von einem Rechtssatz des LSG NRW oder des BSG ab. Mit der Wendung "in Betracht gekommen wäre" spekuliert das SG Köln nicht darüber, ob die Hilfe geleistet worden ist oder
nicht. Vielmehr wird die tatsächlich erbrachte Hilfe dahingehend ausgelegt, dass sie als Vorbereitung zum selbstständigen
Wohnen anzusehen sei. Dies wird deutlich anhand der Ausführungen des SG Köln dazu, dass eine Überforderung der Leistungsberechtigten
ausgeschlossen werden und der Auszug daher frühestens ein Jahr nach dem Ausbildungsbeginn erfolgen sollte sowie zunächst eine
geeignete Wohnform gefunden werden musste. Ob das Subsumtionsergebnis zutreffend ist, ist - wie erwähnt - für die Frage der
Divergenz nicht entscheidend.
Schließlich ist ein relevanter Verfahrensmangel im Sinne des §
144 Abs.
2 Nr.
3 SGG nicht ersichtlich. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass es sich um einen Verfahrensmangel handelt, welcher der Beurteilung
des Berufungsgerichts unterliegt; der Verfahrensmangel muss geltend gemacht werden, tatsächlich vorliegen und entscheidungserheblich
sein. Die Geltendmachung ist auch bei von Amts wegen zu beachtenden Mängeln erforderlich (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, §
144 Rn. 36, §
145 Rn. 4). Auch ein offensichtlicher, aber nicht gerügter Mangel führt nicht zu einer Zulassung (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke,
jurisPK-
SGG, 2. Auflage 2022, §
144 SGG (Stand: 15.06.2022), Rn. 47). Ferner ist wiederum zu verdeutlichen, dass ein Fehler, der den Inhalt der Entscheidung beträfe,
keinen Verfahrensmangel darstellte, da ein solcher dem materiellen Recht zuzurechnen wäre (BSG Beschluss vom 25.04.2001, B 11 AL 27/01 B, Rn. 2, juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 13. Auflage 2020, §
144 Rn. 34a). Die Ermittlung des Sachverhalts betreffende Mängel des Verfahrens (§
103 SGG) können nur dann einen für die Zulassungsentscheidung beachtlichen Verfahrensmangel bilden, wenn sich das SG von seiner Rechtsauffassung her hätte gedrängt fühlen müssen, (weitere) Ermittlungen anzustellen (Wehrhahn in: Schlegel/Voelzke,
jurisPK-
SGG, 2. Auflage 2022, §
144 SGG (Stand: 15.06.2022), Rn. 45). Solche Verfahrensmängel hat der Kläger nicht geltend gemacht.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar (§
177 SGG).
Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil des Sozialgerichts rechtskräftig (§
145 Abs.
4 S. 4
SGG).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
197a Abs.
1 S. 1 Teils. 1
SGG i.V.m. §§
63 Abs.
2 S. 1, 52 Abs. 3 S. 1, 47 Abs. 1 S. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Die Beschwerde an das BSG ist auch insoweit ausgeschlossen (§§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 3 S. 3 GKG).