Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Feststellungen im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit
zu einem Zusatzversorgungssystem.
Der 1954 geborene Kläger erlangte ausweislich des Zeugnisses der Agraringenieurschule F vom 15. September 1978 die Berechtigung
zur Führung der Berufsbezeichnung Meliorationsingenieur. Ab dem 1. September 1978 bis mindestens zum 30. Juni 1990 war er
beim VEB Meliorationsbau M tätig, und zwar zunächst als Bauleiter, dann vom 1. April 1981 bis zum 28. Februar 1989 als Meister
und ab 1. März 1989 bis zum 30. Juni 1990: erneut als Bauleiter. Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung zahlte
der Kläger nicht; er erhielt auch keine schriftliche Zusage über eine Zusatzversorgung.
Mit Bescheid vom 7. Juli 2006 stellte die Beklagte die Zeit vom 1. September 1978 bis zum 31. März 1981 und vom 1. März 1989
bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech)
mit den dabei erzielten Entgelten fest. Die Beschäftigungszeit vom 1. April 1981 bis zum 28. Februar 1989 könne dagegen nicht
als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech festgestellt werden, weil der Kläger während dieser Zeit nicht ingenieurtechnisch beschäftigt
gewesen sei. Dagegen legte der Kläger am 2. August 2006 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, die Meistertätigkeit
sei einer Technikertätigkeit gleichzusetzen. Aus den Funktionsplänen für Meister und Bauleiter sei ersichtlich, dass die Aufgabenbereiche
nahezu gleich gewesen seien. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2006 mit der
Begründung zurück, die Tätigkeit als Meister stelle keine ingenieurtechnische Tätigkeit dar. Der Kläger sei als Meister unter
seiner Qualifikation beschäftigt gewesen.
Mit der am 12. Oktober 2006 beim Sozialgericht Magdeburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, als Meister habe er auch Leistungen erbracht, die denen eines Ingenieurs
entsprochen hätten, z.B. Bauleitertätigkeiten. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Juli 2007 abgewiesen und zur Begründung darauf verwiesen, dass es der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) zur fiktiven Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem nicht folge.
Gegen den am 19. Juli 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 17. August 2007 Berufung eingelegt. Er bekräftigt
seine Ansicht, dass er nach der Rechtsprechung des BSG auch während der Zeit, in der er mit der Bezeichnung Meister beschäftigt
gewesen sei, einen Anspruch auf die Einbeziehung in die AVItech habe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12. Juli 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung
ihres Bescheides vom 7. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006 auch die Zeit vom 1. April
1981 bis zum 28. Februar 1969 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz mit
den entsprechenden Entgelten festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 12, Juli 2007 zurückzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, der Kläger sei als Meister nicht entsprechend seiner Qualifikation als Meister (gemeint wohl:
Ingenieur) beschäftigt gewesen.
Der Senat hat den Beteiligten Auszüge aus der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR sowie aus dem Statistischen Betriebsregister
der DDR übersandt. Darüber hinaus hat er die Beteiligten darauf hingewiesen, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung die
Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem nur möglich ist, wenn zu Zeiten der DDR eine entsprechende schriftliche Versorgungszusage
erteilt worden ist.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und
der anschließenden Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten
wird ergänzend auf den Inhalt dieser Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat sieht nur aus Ermessenserwägungen - wegen der langen Verfahrensdauer und dem Interesse der Beteiligten an einer
baldigen Erledigung des Rechtsstreits - davon ab, den Gerichtsbescheid des SG aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Nach §
159 Abs.
1 Nr.
2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen,
wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Norm ist gegeben, wenn ein Verstoß
gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift vorliegt. Wesentlich ist dieser Verfahrensmangel, wenn die Entscheidung
des Sozialgerichts darauf beruhen kann (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl. § 159 Rdnr. 3, 3 a m. w. N.). Hier hat das SG verfahrensfehlerhaft durch den Kammervorsitzenden als Einzelrichter mittels Gerichtsbescheid ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen
Richter (§
12 Abs.
1 Satz 2 Regelung 2
SGG) entschieden, obwohl die Voraussetzungen des §
105 Abs.
1 Satz 1
SGG nicht vorlagen. Dadurch hat es den Kläger seinem gesetzlichen Richter i. S. des Art.
101 Abs.
1 Satz 2
Grundgesetz (
GG) entzogen, nämlich der Kammer in voller Besetzung (§
12 Abs.
1 Satz 1 i. V. m. §
125 SGG), Die vom Gesetz bestimmte Mitwirkung ehrenamtlicher Richter ist ein tragender Grundsatz des sozialgerichtlichen Verfahrens,
der in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist (BSG, Urteil vom 16. März 2006 - B4 RA 59/04 R -, SozR 4-1500
§
105 Nr.
1). Nach §
105 Abs.
1 Satz 1
SGG ist der Erlass eines Gerichtsbescheides nur dann möglich, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder
rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Bei der Frage, ob ein besonders schwieriger Fall vorliegt, steht
dem Sozialgericht ein Beurteilungsspielraum zu (BSG, aaO.; Pawlak in Hennig,
SGG, §
105 Rdnr. 40). Das Landessozialgericht kann im Allgemeinen nur prüfen, ob die Grenzen dieses Spielraums überschritten sind. Dies
ist hier der Fall, denn das SG ist bewusst von der ihm bekannten Rechtsprechung des BSG abgewichen, wonach eine fiktive Einbeziehung möglich ist. Zwar ist
das SG nicht an die höchstrichterliche Rechtsprechung gebunden. Allerdings lag dann eine besondere Schwierigkeit rechtlicher Art
vor, die eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid unzulässig machte. Aus o. g. Ermessenserwägungen sieht der Senat jedoch
von einer Zurückverweisung an das SG ab.
Die Berufung ist unbegründet, weil der Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
20. September 2006 jedenfalls insoweit rechtmäßig ist, als die Beklagte die Feststellung der Zeit vom 1. April 1981 bis zum
28. Februar 1989 (streitgegenständlicher Zeitraum) als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen
Intelligenz abgelehnt hat. Der Kläger ist diesbezüglich nicht im Sinne der §§
157,
54 Abs.
2 Satz 1
SGG beschwert.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem festgesteift werden. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des §
1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech,
Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen
im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung
oder (3.) nach Art, 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002
- B 4 RA 31/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 11).
Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist
er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug
einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Falle nicht stattgefunden.
Im Ergebnis kommt es nicht darauf an, dass der Senat nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG folgt, wonach
die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (siehe unter I.), da auch
die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen (II.).
I. Der Senat ist zum einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 9.
April 2002 - B 4 RA 31/01 R - SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 12). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die
durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum anderen ist der Senat der Ansicht, dass, wenn die Annahme des BSG tatsächlich zutreffen sollte und
mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist, zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die
behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre, im Übrigen hätte das BSG wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs"
keine erweiternde Auslegung vornehmen dürfen, sondern eine konkrete Normenkontrolle an das Bundesverfassungsgericht gemäß
Art.
100 Abs.
1 des Grundgesetzes (
GG) veranlassen müssen. Denn die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats
die sich aus Art.
20 Abs.
2 und
3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom BSG vorgenommene Interpretation nicht hergibt. Es ist deshalb schon nicht möglich, die. bei einem unklaren oder nicht
eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 10 EG 1/08 R - juris, Rdnr. 19). Auch für eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie fehlt es - wie noch auszuführen sein
wird - an der erforderlichen Regelungslücke.
In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung
oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 9. April
2002 - B 4 RA 31/01 R - aaO., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten, (siehe. BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139;
II A, IVA; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen.
Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch
unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405,
S. 113). Aus der weiteren Gesetzesbegründung ist jedoch ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die
Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung
von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den
Bund beziehen (aaO., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei
der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine
darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).
Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R - aaO., S. 12), In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung
zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt
im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, aaO., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem1
(BTDrs, 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem".
Der Gesetzgeber ging auch, soweit erkennbar, nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405,
S, 77), Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung
wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an,
dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.
Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (über den Wortlaut hinaus) lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom
9. April 2002 - B 4 RA 31/01 R - aaO., S, 12).
Art.
3 Abs.
1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das
Grundrecht wird indes verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl
zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung
rechtfertigen könnten (z.B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - 1 BvR 1921/04 u.a. - juris, Rdnr. 36).
Für den Senat ist bereits nicht nachvollziehbar, weshalb das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30, Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, aaO.),
die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme
alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte, Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur
die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG,. Beschluss vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem
einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.
Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem - aber nicht
am - 30. Juni 1990 jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten.
Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, aaO., Rdnr. 45):
"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall
verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften.
Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BTDrs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis
(gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vordem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für
die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem
Zeitpunkt inne ... Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung
hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen
Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen
verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung,
diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung
von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung
der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."
Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die
fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung
aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung
beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Safe 2 AAÜG erfassten Personen 2U rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einem Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem
erfüllt hatten.
Aus diesen Gründen liegt auch keine Gesetzeslücke vor, die möglicherweise im Wege einer Analogie zu schließen gewesen wäre.
Im Übrigen hat auch die Bundesregierung mehrfach betont, dass das AAÜG nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nur anwendbar sein sollte, wenn eine ausdrückliche Versorgungszusage vorliegt
(Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BTDrs, 16/11127 vom 28. November 2008; Antwort des Staatssekretärs im
Bundesministerium für Arbeit und Soziales Franz-Josef Lersch-Mense auf eine Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, BTDrs.
16/13916 vom 21. August 2009). Sie hat darauf hingewiesen, dass Verdienste oberhalb von 600 Mark für Beschäftigungszeiten
ab März 1971 ohne Versorgungszusage wie bei allen übrigen Versicherten, die keinem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem angehört
haben, nur bei entsprechenden Beitragszahlungen zur FZR rentenrechtlich hätten berücksichtigt werden können. Dieser Hinweis
der Bundesregierung auf die FZR ähnelt der soeben dargestellten Argumentation des Bundesverfassungsgerichts.
Das AAÜG ist aus der Sicht des Senats auch nicht deshalb auf den Kläger anwendbar, weil die Beklagte in dem Bescheid vom 7. Juli 2008
festgestellt hat, dass die Voraussetzungen des § 1 AAÜG erfüllt seien, und die Zelträume vom 1. September 1978 bis zum 31. März 1981 sowie vom 1. März 1989 bis zum 30. Juni 1990
als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech anerkannt hat. Denn die Bestandskraft dieser Feststellungen bezieht steh nur auf
die genannten Zeiträume und entfaltet deshalb für den Senat keine Bindungswirkung bei der Prüfung des hier noch umstrittenen
Zeitraumes vom 1. April 1981 bis zum 28. Februar 1989.
II. Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein
in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den
volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I S. 844, VO-AVJtech) i, V. m. § 1 Abs. 1 Satz
1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. I S. 487, 2, DB) von drei Voraussetzungen ab,
die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für
(1.) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und
(2.) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar
(3.) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb
(betriebliche Voraussetzung).
Bei Beachtung dieser Voraussetzungen hatte der Kläger keinen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der
AVItech, weil hinsichtlich des VEB Meliorationsbau M die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt ist. Eine Versorgungsanwartschaft
konnte nur bei einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb in der Industrie oder im Bauwesen oder in einem
gleichgestellten Betrieb erworben werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002 - B 4 RA 10/02 R -, SozR 3-8570 § 1 Nr. 5, S. 30). Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nach der Rechtsprechung des BSG nur solche
Betriebe, die Sachguter im Hauptzweck industriell gefertigt haben. Der Betrieb muss auf die industrielle Fertigung, Fabrikation,
Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein (BSG, Urteil vom 9. April 2002 - B 4 RA 41/01 R -, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urteil vom 27. Juli 2004 - B 4 RA 11/04 R -, juris). Im Bereich des Bauwesens erfasst der Begriff des Produktionsbetriebes nur solche Betriebe, deren Hauptzweck
in der Massenproduktion von Bauwerken liegt, die dabei standardisierte Produkte massenhaft ausstoßen und eine komplette Serienfertigung
von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand haben (BSG, Urteil vom 8. Juni 2004 - B 4 RA 57/03 R -, SozR 4-8570 § 1 Nr. 3 S, 20 f.).
Ausgehend hiervon gab dem VEB Meliorationsbau M nicht die Massenproduktion von Bauwerken das Gepräge. Das verdeutlicht schon
die Einordnung des Betriebes in die Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR. Dort ist als Betriebszweck der Bau von
landwirtschaftlichen Vorflutern und Nebenanlagen sowie von Be- und Entwässerungsanlagen bezeichnet. Derartige Bewässerungssysteme
müssen immer an die örtlichen Gegebenheiten (wie Geographie, Bodenbeschaffenheit, usw.) angepasst werden. Die Anlagen bestehen
zudem aus vielen verschiedenen Komponenten, wie nicht zuletzt die Erwähnung des Baus von Nebenanlagen zeigt. Kein Bewässerungssystem
gleicht dem anderen, so dass eine komplette Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken ausgeschlossen ist. Dass den VEB Meliorationsbau
M nicht die Massenproduktion von Bauwerken geprägt hat, verdeutlichen auch die vom Kläger eingereichten Unterlagen. So ist
z.B. im "Zusatzprotokoll zum Abnahmeprotokoll des Weges Hö 8.2" vom 18. Dezember 1985 aufgeführt, folgende Arbeiten seien
noch abzuschließen; Erdmassen abfahren, zusätzliche Beschotterung aufbringen, zwei Verkehrsschilder setzen, Auswechseln einer
Platte am Weg und Fertigstellung von zwei Abfahrten einschließlich Beschotterung. Diese Aufgabenvielfalt spricht gegen die
Massenproduktion von Bauwerken.
Ob die persönliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung in die AVItech erfüllt ist, lässt der Senat vor dem Hintergrund
des Nichtvorliegens der betrieblichen Voraussetzung in diesem Fall offen (verneinend Senatsurteil vom 19. März 2009 - L 1 R 91/06 -, Rdnr. 32, juris). Der Kläger war ausweislich des Zeugnisses der Agraringenieurschule Fürstenwalde vom 15. September 1978
berechtigt, die Berufsbezeichnung Meliorationsingenieur zu führen. Die Abschlussarbeit hatte das Thema "Ermittlung der Besttechnologie
des Bauablaufplanes und Erstellung der Kostenvorkalkulation für die Maßnahme Beregnung Harsleben II. Es stellt sich angesichts
dessen die Frage, ob der vom Kläger absolvierte Studiengang der technischen Wissenschaft zuzurechnen ist und ob deshalb die
persönliche Voraussetzung erfüllt ist, zumal die ausweislich des Zeugnisses unterrichteten Fächer zu einem großen Teil dem
technischen Bereich zuzurechnen sind. Insoweit sind z.B. Mathematik, EDV, Physik, Chemie, Vermessungskunde, Standortlehre,
Mechanisierung, Bautechnologie, angewandte Hydraulik und bautechnische Grundlagen zu nennen.
Unterstellt, die persönliche Voraussetzung ist im Falle des Klägers erfüllt, wäre entgegen der Auffassung der Beklagten auch
die sachliche Voraussetzung (ingenieurtechnische Tätigkeit) gegeben. Nach der Rechtsprechung des BSG ist von der erworbenen
Berufsbezeichnung i. S. der 2. DB auszugehen und zu fragen, ob der Versicherte im Schwerpunkt eine diesem durch die Ausbildung
und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägten Berufsbild entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat.
Setzt die Wahrnehmung der konkreten Arbeitsaufgabe solche beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, wie sie bei dem
Studium bzw. der Ausbildung zu einem Beruf i. S. des § 1 Abs. 1 der 2. DB erworben werden, ist die sachliche Voraussetzung
regelmäßig erfüllt, während sie bei einem im Wesentlichen berufsfremden Einsatz regelmäßig nicht erfüllt ist (BSG, Urteil
vom 18. Oktober 2QQ7 - B 4 RS 17/07 R -, Rdnr. 44, juris). Der Kläger war im umstrittenen Zeitraum nicht berufsfremd eingesetzt. Ausweislich des Funktionsplanes
für Meister sollte der Meister über eine abgeschlossene Ausbildung als Meister bzw. einen Fach- oder Hochschulabschluss verfugen.
Die vom Kläger an einer Agraringenieurschule erworbene Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung Meliorationsingenieur
war demnach eine Möglichkeit, die Qualifikationsanforderung für die Funktion als Meister zu erfüllen. Auch der im Funktionsplan
bezeichnete Verantwortungsbereich "Optimale Leitung des Produktionsprozesses innerhalb des Meisterbereichs" spricht dafür,
dass der Kläger als Meister nicht berufsfremd eingesetzt war.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG) zugelassen, weil die Auslegung der persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung
in die AVItech durch den jetzt für die Angelegenheiten der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme zuständigen 5. Senat des BSG
klärungsbedürftig erscheint.