Grundsicherung für Arbeitsuchende - Bildung und Teilhabe - Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft
- Teilnahme an den Deutschen Jugendeinzelmeisterschaften im Schach
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme der vom Landesschachverband Schach e.V. vorfinanzierten nicht gedeckten Kosten für die
Teilnahme an den Deutschen Jugendeinzelmeisterschaften im Schach im Mai 2016 in Höhe von 382 € von dem Beklagten.
Die (minderjährige) Klägerin lebt bei ihrem Vater S. und bezog in einer Bedarfsgemeinschaft mit diesem laufend Leistungen
nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Über das Vermögen des Vaters der Klägerin ist mit Beschluss vom 12. Dezember 2014 – 59 IK 915/14 durch das Amtsgericht Halle (Saale) das Privatinsolvenzverfahren eröffnet worden. Der Beklagte bewilligte der Bedarfsgemeinschaft
mit Bescheid vom 19. Januar 2016 Leistungen für Februar bis Juli 2016 in Höhe von 941,32 € monatlich, wobei als Einkommen
nur das Kindergeld für die Klägerin in Höhe von 190 € berücksichtigt wurde. Ihr Vater ist seit dem 16. September 2020 allein
sorgeberechtigt für die Klägerin (Beschluss des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 16. September 2020 – 22 F 1892/19 SO), zuvor übte er das Sorgerecht gemeinsam mit ihrer Mutter aus. Die Klägerin war Mitglied im Sportverein H. e. V. in der
Sektion Schach (im Folgenden: Sportverein). Ab 2014 setzte sie die ihr bewilligten Leistungen zur Teilhabe am sozialen und
kulturellen Leben in Höhe von 10,00 € monatlich für den Mitgliedsbeitrag im Sportverein ein. Mit Bescheid vom 11. Februar
2016 bewilligte ihr der Beklagte auf ihren Antrag Leistungen für die Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben
in Höhe von monatlich 10,00 € für den Zeitraum 1. Februar bis zum 31. Juli 2016. Den hierfür ausgestellten Gutschein löste
sie ausweislich der Bestätigung des Sportverein vom 18. März 2016 für den Mitgliedsbeitrag im Sportverein ein.
Am 7. April 2016 stellte ihr Vater für die Klägerin bei dem Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Kosten für die Teilnahme
an der Deutschen Jugendeinzelmeisterschaft im Schach in W. „Meine Tochter betreibt Schach als Leistungssport im Landesschachkader
und ist amtierende Landesmeisterin ("Altersklasse") und hat sich deswegen für die Deutsche Jugendeinzelmeisterschaft qualifiziert.“
Die Kosten für die Unterkunft im Hotel in W. würden sich voraussichtlich auf ca. 650 € (Zweibettzimmer) belaufen. Nach der
beigefügten Einladung der Deutschen Schachjugend von März 2016 werde die Meisterschaft vom 14. Mai bis zum 22. Mai 2015 (Druckfehler,
gemeint: 2016) ausgetragen, bei Unterbringung in einem Doppelzimmer seien pro Person und Tag 79 € und im Fünferzimmer 42,50
€ zu entrichten. Die Unterkunft habe in der Regel in dem betreffenden Hotel zu erfolgen und Selbstbuchungen außerhalb des
Objektes seien nur mit Ausnahmegenehmigung aufgrund sozialer, finanzieller und regionaler Aspekte möglich. Dann fiele ein
Organisationsbeitrag in Höhe von insgesamt 55 € pro Spieler an.
Mit Bescheid vom 12. April 2016 lehnte der Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme ab. Der Betrag von 10,00 € pro Monat sei
bereits vollständig ausgeschöpft. Darüber hinaus entstehende Aufwendungen könnten nicht übernommen werden. Hiergegen legte
die Klägerin, anwaltlich vertreten, Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2016 wies der Beklagte den Widerspruch
zurück. Eine Gewährung von Leistungen über die 10,00 € pro Monat hinaus komme mangels rechtlicher Grundlage nicht in Betracht.
Schon von daher scheide eine Kostenübernahme aus.
Daneben beantragte der Vater der Klägerin für diese erfolglos (Bescheid vom 27. Mai 2016, Widerspruchsbescheid vom 4. Juli
2016) eine monatliche Leistungssportbezuschussung in Höhe von 60 €. Die Klägerin habe als Mitglied des Kaders des Landes S.
jährlich verbindlich mindestens zwei Trainingslager in O. zu absolvieren und eine gewisse Anzahl an Turnieren zu spielen.
Das auf Übernahme dieser Kosten gerichtete Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Halle ruht derzeit. Ebenso ruhen dort noch weitere Verfahren der Klägerin auf die Übernahme der Kosten von Kadermaßnahmen
(Trainingslager) und der Teilnahme an der Deutschen Jugendeinzelmeisterschaft 2017.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2016 hat die Klägerin am 8. Juni 2016 Klage vor dem SG Halle erhoben. Durch die
Teilnahme an der Meisterschaft seien ihr Kosten in Höhe von 632 € zzgl. 8,00 € Kurtaxe entstanden. Ihr Vater habe sie zum
Turnier begleitet, da er im Rahmen der Meisterschaften eine ehrenamtliche Funktion als Öffentlichkeitsreferent und Delegationsleiter
ausgeübt habe. Es habe ein Doppelzimmer für die Klägerin und ihren Vater als Begleitperson genutzt werden müssen, weil eine
Unterbringung ihres Vaters in einem Mehrpersonenraum mit anderen Kindern nicht in Betracht gekommen sei. Zwischenzeitlich
habe die Klägerin Förderzusagen des Fördervereins Jugendschach und des Sportvereins in Höhe von insgesamt 250 € erreichen
können. Den noch offenen Betrag in Höhe von 390 € müsse der Beklagte tragen. Der Regelungszweck des § 28 Abs. 7 Satz 1 SGB II sei die stärkere Integration in Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen. Wettkämpfe und Meisterschaften stellten essentielle
Bestandteile dieser Gemeinschaftskultur dar. Diese Aktivitäten müssten im Rahmen des § 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II berücksichtigt werden. Hier dürfte das Ermessen des Beklagten auf Null reduziert sein. Zum Beleg für die entstandenen Kosten
hat die Klägerin eine Rechnung des Landesschachverbandes S. e. V. vom 5. Oktober 2016 übersandt. Danach seien für die Teilnahme
an der Deutschen Jugendeinzelmeisterschaft 2016 in W. noch 632 € Teilnehmerbeitrag offen (daneben auch noch weitere 632 €
abzüglich 184 € Rabatt Delegationsleiter für ihren Vater).
Die Klägerin hat zum Organisationsaufbau des Schachsports in S. auf Aufforderung des SG ausgeführt: Der Schachsport in S. werde in verschiedenen Vereinen gespielt, so im Sportverein, dem sie angehöre. Die einzelnen
Sportvereine selbst seien wiederum Mitglied im Landesschachverband. Über den Landesschachverband würden besonders förderwürdige
einzelne Vereinsmitglieder betreut und weitergehend gefördert. Die Fachverbände delegierten die Ausbildung von Leistungskadern
und die entsprechende Vorbereitung auf Meisterschaften an den Landesschachverband, wodurch eine einheitliche Förderung auf
Landesebene erreicht werde. Da die einzelnen Sportvereine selbst Mitglied des Landesschachverbandes seien, erfolge die Abrechnung
entsprechender Fördermaßnahmen seitens des Landesschachverbandes zur vereinfachten Abwicklung direkt gegenüber den Mitgliedern.
Zum Beleg der noch offenen Forderungen des Landesschachverbandes hat die Klägerin eine Zahlungserinnerung vom 25. April 2018
übersandt. Danach sei für „Leistungssportteilnehmerbeiträge“ insgesamt noch eine Summe von 849 € offen (hierzu gehören auch
die streitgegenständlichen 382 €).
Mit Urteil vom 15. März 2019 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Es bestehe kein Anspruch auf die ungedeckten Kosten in Höhe von 382 € aus
§ 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II. Die Teilnahme an der Deutschen Jugendeinzelmeisterschaft im Schach diene nicht der Wahrnehmung der in § 28 Abs. 7 Satz 1 SGB II genannten Aktivitäten. Die Teilnahme an Meisterschaften sei nicht die Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Sportverein.
Vielmehr stelle diese Mitgliedschaft eher die Grundlage und Voraussetzung für die avisierte sportliche Karriere der Klägerin
dar. Die Teilnahme an diesem Wettbewerb ermögliche nicht die stärkere Integration in die bestehende Vereinsstruktur und die
Intensivierung des Kontaktes zu anderen Vereinsmitgliedern. Es sei eine Grenze zu ziehen zwischen der Förderung von Leistungssport
und Leistungen unter Teilhabegesichtspunkten im Rahmen des soziokulturellen Existenzminimums. Eine Begabtenförderung auf dem
Niveau des Leistungssportes ermögliche § 28 Abs. 7 SGB II nicht.
Gegen die ihrem Prozessbevollmächtigen am 25. März 2019 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 25. April 2019 Berufung
eingelegt. Die Kosten müssten nach § 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II berücksichtigt werden. Durch die Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben solle eine Integration von Kindern
und Jugendlichen in bestehende Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen erfolgen. Hierfür sei es nicht ausreichend, z. B. Musikinstrumente
oder Sportgeräte zu beschaffen. Eine Integration in das Vereinsleben bedinge auch die Teilnahme an weitergehenden Meisterschaften,
wenn ein entsprechendes Leistungsniveau vorhanden sei, oder gemeinsame auswärtige Aufenthalte. Ohne eine Übernahme der dafür
anfallenden Kosten käme es zu einer Stigmatisierung der betreffenden Personen. Es stelle sich die Frage, warum die Klägerin
überhaupt noch Mitglied im Verein sein solle, wenn letztlich das auch damit, neben dem gemeinsamen Spiel, verbundene Ziel,
nämlich die Teilnahme an Meisterschaften, aus finanziellen Gründen nicht möglich sei. Wenn auch Fahrtkosten übernommen werden
müssten, gelte dies auch für Kosten der Teilnahme an Meisterschaften. Die Klägerin erhalte entgegen der Meinung des SG durch die Teilnahme an der Meisterschaft keine besondere Förderung. Vielmehr stelle die Teilnahme das Ergebnis der Vereinsmitgliedschaft,
ihrer Begabung und des regelmäßigen Trainings im Verein dar.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Halle vom 15. März 2019 und unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom
12. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2016 den Beklagten zu verurteilen, ihr weitere Leistungen
zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben für die Teilnahme an der Deutschen Jugendeinzelmeisterschaft im Schach.. 2016
in W. in Höhe von 382 € zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Entscheidung des SG sei zutreffend. Möglich sei nach § 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II die Übernahme von Kosten für weitere Aufwendungen, derer es zum Mitmachen bei den Veranstaltungen i. Schach des § 28 Abs. 7 SGB II bedürfe. Die Teilnahme an der Deutschen Jugendeinzelmeisterschaft sei für das Mitmachen im Verein nicht nötig, sie sei nicht
Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Verein. Zum anderen stelle die Gesetzesbegründung klar, dass lediglich der noch unverbrauchte
Rest der 10,00 € pro Monat für die Anschaffung von Ausrüstungsgegenständen verwandt werden dürfe. Dieser Betrag sei bei der
Klägerin schon ausgeschöpft gewesen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat kann im Einverständnis mit den Beteiligten über die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung entscheiden
(§
124 Abs.
2 des
Sozialgerichtsgesetzes –
SGG).
Die vom SG zugelassene Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 12. April 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 12. Mai 2016 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Übernahme der nicht anderweitig gedeckten Kosten
für die Teilnahme an der Deutschen Jugendeinzelmeisterschaft im Schach 2016 in Höhe von 382 € bzw. auf Neubescheidung ihres
entsprechenden Antrages.
Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten in Höhe von 382 €, weil sie die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf
Null für gegeben hält. Es handelt sich um eine statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage. Die Klägerin begehrt
damit nicht nur den Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern die Leistung in Form der Geldzahlung. In diesem Fall ist die Leistungsklage
die speziellere Klageart gegenüber der Verpflichtungsklage und konsumiert diese (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2006 – B 4 RA 55/04 R – juris Rn. 12; Bieresborn in: BeckOGK Sozialrecht, Stand 1. November 2021, §
54 SGG Rn. 52). In ihrem Antrag ist als Minus auch das Begehren einer Verpflichtung des Beklagten zu einer Neubescheidung enthalten
(Bescheidungsurteil gem. §
131 Abs.
3 SGG).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen als solche der Teilhabe am sozialen
und kulturellen Leben in der Gemeinschaft nach § 28 Abs. 7 SGB II in der bis zum 31. Juli 2019 gültigen Fassung (a. F.). Der Beklagte hat den Antrag zu Recht abgelehnt, weil die Leistungsvoraussetzung
nicht gegeben sind, dies hat bereits das SG zutreffend erkannt.
1. Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht auf § 28 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II a.F. stützen. Nach dieser Vorschrift wird bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ein Bedarf zur
Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 10,00 € monatlich für Mitgliedsbeiträge
in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit berücksichtigt. Zum einen hat die Klägerin aber den dort vorgesehenen
Betrag von 10,00 € im Monat im betreffenden Bewilligungszeitraum bereits ausgeschöpft, zum anderen wurden von Satz 1 Nr. 1
a.F. nur Mitgliedsbeiträge oder vergleichbare Kosten wie Kursgebühren erfasst.
2. Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II a. F. sind nicht erfüllt. Danach können neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 auch weitere tatsächliche Aufwendungen
berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 entstehen und es
den Leistungsberechtigten im begründeten Ausnahmefall nicht zugemutet werden kann, diese aus dem Regelbedarf zu bestreiten.
Die Kosten im Zusammenhang mit der Teilnahme an den Deutschen Einzelmeisterschaften im Schach, insbesondere die Unterbringungskosten
für acht Tage im Hotel in W., können hierunter nicht gefasst werden. Diese Kosten stehen nicht mehr im Sinne von Abs. 7 Satz
2 in Zusammenhang mit der nach Satz 1 geförderten Mitgliedschaft im Sportverein als Aspekt der Teilhabe am sozialen und kulturellen
Leben in der Gemeinschaft.
Der Wortlaut der Vorschrift ist offen. Der als Tatbestandsvoraussetzung einer Berücksichtigung von Aufwendungen geforderte
„Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1“ bezieht sich unmittelbar u.a. auf Aktivitäten u.a. im Bereich
Sport. Insoweit liegt es auf den ersten Blick nahe, darauf abzustellen, dass die notwendig mit der Teilnahme an einem Sportwettbewerb
verbundenen Kosten Aufwendungen sind, die im Zusammenhang mit Aktivitäten im Bereich Sport und der geförderten Mitgliedschaft
in einem Sportverein entstehen. Andererseits verweist § 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II a.F. auf den gesamten Satz 1, der einleitend besonders herausstellt, dass es um Leistungen für die „Teilhabe am sozialen
und kulturellen Leben in der Gemeinschaft“ geht.
Nach dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der Norm, wie er auch in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck
kommt, bezieht sich der geforderte „Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1“ auf die Teilhabe am sozialen
und kulturellen Leben in der Gemeinschaft und deren Ermöglichung, nicht aber auf alle möglichen Folgekosten, die mit der Mitgliedschaft
z.B. einem Sportverein in irgendeinem Sachzusammenhang stehen. Ob der vom Gesetz geforderte Zusammenhang gewahrt ist, ist
anhand einer wertenden Betrachtung zu entscheiden (vgl. Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB II, § 28 Rn. 117a [Stand Erg.-Lfg. 6/15 - VII/15 ]). Nur wenn die weiteren Aufwendungen bei wertender Betrachtung der Teilhabe am
sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft zuzuordnen sind und diese ermöglichen, liegt ein solcher Zusammenhang vor.
Im Einzelnen gilt: Die in Abs. 7 geregelten Bedarfe sollen den Anspruch auf Teilhabe im Rahmen des Grundrechts auf Gewährleistung
eines menschenwürdigen Existenzminimums erfüllen. Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung
eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich neben den Mitteln zur Sicherung der physischen Existenz auf die Sicherung
der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen
und politischen Leben, denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen (vgl. BVerfG, Urteil vom 9. Februar
2010 – 1 BvL 1/09 u. a. – juris Rn. 135). Durch den Bedarf nach Abs. 7 sollen finanzielle Hürden beseitigt werden, die einer Integration von
Kindern und Jugendlichen in die Gesellschaft entgegenstehen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 1 BvL 10/12 u. a. – juris Rn. 134). Insofern wird durch § 28 Abs. 7 SGB II ein Teil der sonst im Regelbedarf für Kinder und Jugendliche enthaltenen Positionen ausgelagert und pauschaliert berechnet.
So blieben bei der Bemessung der Regelbedarfe von Kindern und Jugendlichen die Positionen „Außerschulische Unterrichte, Hobbykurse“
in der Abteilung 09 und „Mitgliedsbeiträge an Organisationen ohne Erwerbszweck“ in Abteilung 12 der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe
2008 in Höhe von insgesamt 3,58 € unberücksichtigt (vgl. BT-Drs. 17/3404 Schach 106). Eine solche Auslagerung aus dem Regelbedarf,
die mit einer gesonderten Berücksichtigung an anderer Stelle einhergeht, verbietet die Verfassung nicht (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 23. Juli 2014, a. a. O., Rn. 130).
Ziel der Regelung des Abs. 7 Satz 1 ist es nach den Materialien, Kinder und Jugendliche stärker in bestehende Vereins- und
Gemeinschaftsstrukturen zu integrieren und den Kontakt mit Gleichaltrigen zu intensivieren (vgl. BT-Drs. 17/3404 Schach 106).
Es geht um die Eröffnung der Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben. Im Fall der Klägerin soll ihr die Teilhabe in den
Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit (§ 28 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 SGB II a. F.) ermöglicht werden. Insofern kann und soll schon die Übernahme der Kosten von 10 € pro Monat für Mitgliedsbeiträge
oder Kursgebühren (inzwischen von 15 €) nicht gewährleisten, dass jedes Kind jede Sportart ausüben kann, sondern dass jedes
Kind die Möglichkeit hat, z. B. einem Sportverein beizutreten und mit anderen Kindern Sport zu treiben. Es soll eine wirkliche
Teilhabechance eröffnet werden.
In diesem inneren Sachzusammenhang ist auch die Ergänzung durch Satz 2 durch das Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze vom 7. Mai 2013 mit Wirkung zum 1. August 2013 zu verstehen. Es sollten Hindernisse abgebaut werden,
die einer Inanspruchnahme der Leistungen nach Abs. 7 Satz 1 entgegenstehen. In der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, es
sei festgestellt worden, dass das Mitmachen an den Aktivitäten oft daran scheitere, dass die nötige Ausrüstung fehle (zum
Beispiel Musikinstrumente, Schutzkleidung für bestimmte Sportarten) (vgl. BT-Drs. 17/12036 Schach 7 zu Buchst. b). Bei der
Einführung des Satzes 2 hatte sich der Gesetzgeber sogar vorgestellt, dass durch die Neuregelung nur die Möglichkeit eröffnet
werden sollte, den Betrag nach Satz 1 nicht nur für Mitgliedsbeiträge usw., sondern auch für andere Zwecke wie Ausrüstung
u.ä. verwenden zu können. Diese Beschränkung der Höhe nach hat aber keinen Eingang in den Gesetzeswortlaut gefunden und ist
zu recht in Rechtsprechung und Literatur überwiegend nicht akzeptiert worden (vgl. zum damaligen Meinungsstand: Voelzke in
Hauck/Noftz SGB II, § 28 Rn. 119b [Stand Erg.-Lfg. 6/15 - VII/15 ] m. w. N.; den Gedanken einer Begrenzung auf die Leistungen nach Satz 1 hat der
Gesetzgeber dann mit der Neuregelung zum 1. August 2019 durch das Starke Familien-Gesetz vom 29. April 2019 [BGBl. I Schach
530] selbst wieder aufgegeben). Mit Satz 2 hat der Gesetzgeber keine umfassende Öffnungsklausel für alle in einem weiteren
Zusammenhang mit den Aktivitäten stehenden Aufwendungen schaffen, sondern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Aktivitäten
aus Satz 1 schaffen wollen. Die Übernahme von in Zusammenhang stehenden Aufwendungen dient dazu, dass die Kinder und Jugendlichen
auch tatsächlich am gesellschaftlichen Leben durch z. B. die Aktivitäten in einem Sportverein teilnehmen können. Auch in der
Literatur und in der Rechtsprechung befassen sich die Beispiele für solche von Satz 2 erfassten Kosten mit Fahrtkosten und
Ausrüstungsgegenständen (vgl. Leopold/Buchwald in: jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 28 Rn. 206 [Stand 4. Oktober 2021]; Lenze in: LPK-SGB II, 7. Aufl. 2021, § 28 Rn. 48).
Ein vergleichbarer innerer Zusammenhang zu einer Teilhabe am Vereinsleben und dem sozialen Kontakt zu anderen Kindern und
Jugendlichen ist nicht mehr gegeben, wenn Kosten im Rahmen einer als Leistungssport ausgeübten sportlichen Betätigung anfallen.
Kosten, die dem Leistungssport oder einer darauf abzielenden besonderen Talentförderung zuzurechnen sind, betreffen wertungsmäßig
nicht mehr die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft durch die Einbindung in soziale Gemeinschaftsstrukturen
im Rahmen der Mitgliedschaft in einem Sportverein. Begabtenförderung hat nicht auf Grundlage des § 28 Abs. 7 SGB II zu erfolgen (vgl. auch Sozialgericht Dresden, Urteil vom 12. Juni 2015 – S 14 BK 32/13 – juris).
Diese Intention des Gesetzgebers, durch die Regelung in Satz 2 den Bereich der Existenzsicherung nicht zu verlassen, sondern
nur besser umsetzbar zu machen, bewegt sich auch im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Das Bundesverfassungsgericht
hat zu der Regelung in § 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II a. F. ausgeführt, dass solche Bildungs- und Teilhabeangebote auch tatsächlich ohne weitere Kosten erreichbar sein müssen.
Die Ermessensvorschrift, die vorrangig auf die Finanzierung der nötigen Ausrüstung abziele, sei einer verfassungskonformen
Auslegung zugänglich, dass ein Anspruch (i.Schach einer Ermessensreduzierung auf Null) auf Fahrtkosten zu derartigen Angeboten
bestehe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juli 2014, a. a. O., Rn. 132). Damit hat es den Ermöglichungsaspekt der Leistungen
betont. Es ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten, dass der SGB II-Träger Ausfallschuldner für Kosten der Sportförderung und des Leistungssportes ist. Während notwendige Aufwendungen zur Erfüllung
schulischer Pflichten zum existenziellen Bedarf gehören, weshalb dem Jobcenter insoweit die Stellung als „Ausfallbürgen“ zukommt
(Schulbuchentscheidung des BSG: Urteil vom 8. Mai 2019 – B 14 AS 13/18 R – juris Rn. 31), gilt dies für den Leistungssport und die darauf abzielende Sportförderung nicht. Der Bereich der Aktivitäten
des Sports zählt zu dem Bereich der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, bei dem ein Mindestmaß an Teilhabe zum Existenzminimum
gehört. Es kann und muss nicht gewährleistet werden, dass auch die Kosten, die bei einer über den gewöhnlichen Rahmen des
Breitensports hinausgehenden Ausübung des Sports als Leistungssport anfallen, übernommen werden. Es ist nicht die Aufgabe
des SGB II-Trägers als Ausfallschuldner im Bereich der Sportförderung für besonders Begabte einzutreten, wenn die Kosten nicht durch
die Verbände, Sportförderung oder Sponsoren abgedeckt sind. Solche Kosten sind schon tatbestandlich nicht dem § 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II zuzurechnen. Es ist also nicht erst auf der Rechtsfolgenseite im Rahmen des Ermessens eine Begrenzung vorzunehmen. Die Bedeutung
der Ermessensprüfung ist vielmehr insbesondere auf die nicht vorhandene „Deckelung“ der geltend gemachten Kosten zu beziehen
(vgl. G. Becker in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, SGB II, 7. Aufl. 2021, §§ 28-30 Rn. 70).
Die Klägerin betreibt - nicht nur nach ihrer eigenen Darstellung - Schach als Leistungssport. Sie war Mitglied des Landeskaders
des Landes S. in ihrer Altersklasse. Die Landeskader sind verpflichtet, an Kadermaßnahmen und bestimmten Wettkämpfen teilzunehmen.
Hierbei werden über den Landesschachverband die besonders förderungswürdigen einzelnen Vereinsmitglieder betreut und weitergehend
gefördert. Die einzelnen Fachverbände delegieren die Ausbildung von Leistungskadern und die entsprechende Vorbereitung auf
Meisterschaften an den Landesschachverband. Dem Bereich des Leistungssportes sind wertungsmäßig nicht nur die der Leistungsförderung
dienenden Maßnahmen und Vorbereitungen auf solche Meisterschaften, sondern auch die für diese Sportler offenstehenden Meisterschaften
auf Bundesebene zuzuordnen. Auch der Schachverband fasst in seiner Zahlungsaufforderung vom 25. April 2018 alle Kadermaßnahmen
und Deutschen Jugendmeisterschaftsteilnahmen einheitlich unter „Leistungssportteilnahmen“ zusammen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §
193 SGG.
Die Revision ist zuzulassen, weil der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat (§
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG).