SGB-II-Leistungen
Erstattungsanspruch zwischen Leistungsträgern
Rückwirkende Gewährung einer Hinterbliebenenrente für das Sterbevierteljahr
Anrechenbarkeit einer erhöhten Hinterbliebenenrente
Grundsätzliche Bedeutung
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Erstattungsanspruch, den der Kläger als Grundsicherungsträger nach dem Sozialgesetzbuch,
Zweites Buch (SGB II) gegenüber der Beklagten in Hinblick auf die Leistungen an die Beigeladene nach dem SGB II und die rückwirkende Gewährung einer Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres am 9. April 2012 verstorbenen Ehemanns
durch die Beklagte geltend gemacht hat.
Gestritten wird dabei über einen Erstattungsanspruch für die Monate Mai 2012 und Juni 2012, in denen der Kläger der Beigeladenen
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von 642,92 EUR monatlich zuzüglich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen
erbrachte. Die Beklagte gewährte der Beigeladenen mit Bescheid vom 23. Mai 2012 große Witwenrente ab dem Todestag des Versicherten.
Die laufende Zahlung in Höhe von 361,34 EUR an die Beigeladene nahm sie zum 1. August 2012 auf. Den Nachzahlungsbetrag für
den Zeitraum vom 9. April 2012 bis 31. Juli 2012 bezifferte sie auf 2.414,28 EUR, wobei auf die Monate Mai und Juni 2012 insgesamt
1.285,84 EUR entfielen.
Die Beklagte war indessen nur bereit, eine Erstattung in Höhe der ab 1. August 2012 unter Berücksichtigung eines Rentenartfaktors
von 0,55 zustehenden Rente von 361,34 EUR monatlich zuzüglich der geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge zu
zahlen. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Rentenansprüche für die Monate Mai und Juni 2012, die aus der Gewährung von
Witwenrenten mit einem Rentenartfaktor von 1,0 im so genannten Sterbevierteljahr und der fehlenden Einkommensanrechnung in
diesem Zeitraum resultieren, sah die Beklagte die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 104 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) nicht als gegeben an. Die Leistungspflicht des Klägers sei insoweit nicht entfallen. Der Bonus für das Sterbevierteljahr
sei auf die Leistungen nach dem SGB II nicht anrechenbar. Die Beklagte geht davon aus, dass die über die "Normalrente" hinausgehenden Rentenansprüche im Sterbevierteljahr
zweckbestimmte Leistungen im Sinne des § 11a Abs. 3 SGB II sind, die nicht demselben Zweck wie die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II dienen und deshalb dort nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Die Beklagte kehrte die über 361,34 € hinausgehenden
monatlichen Rentenansprüche für die Monate Mai und Juni 2012 nach Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch den Kläger
an die Beigeladene aus.
Demgegenüber ist der Kläger der Auffassung, dass jedenfalls nach Änderung der Einkommensanrechnungsregelungen im SGB II zum 1. April 2011 auch die höhere Hinterbliebenenrente im Sterbevierteljahr als Einkommen auf Leistungen nach dem SGB II anrechenbar ist.
Mit der am 16. September 2013 bei dem Sozialgericht Schleswig erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 563,16 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Beschluss vom 3. August 2015 hat das Sozialgericht die Leistungsempfängerin, Frau N________, zum Rechtsstreit beigeladen.
Mit Urteil vom 21. August 2015 hat das Sozialgericht unter Zulassung der Berufung die Beklagte verurteilt, an den Kläger 563,16
EUR zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei als echte Leistungsklage nach §
54 Abs.
5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft, da öffentlich-rechtliche Streitigkeiten im Gleichordnungsverhältnis im Streit ständen. Sie sei auch begründet.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs sei die die Erstattungsansprüche nachrangig verpflichteter Leistungsträger
regelnde Vorschrift des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Der Kläger sei als Grundsicherungsträger gegenüber der Beklagten auch ein strukturell nachrangig verpflichteter Leistungsträger.
Die danach erforderliche sachliche Kongruenz sei gegeben, denn der Leistungsanspruch der Beigeladenen auf den Sterbevierteljahresbonus
im streitigen Zeitraum von Mai bis Juni 2012 habe für denselben Zeitraum bestanden, in dem der Kläger der Beigeladenen Leistungen
nach dem SGB II erbracht habe. Die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X hätten demgegenüber nicht vorgelegen. Die Beklagte habe der Beigeladenen die Witwenrente inklusive Sterbevierteljahresbonus
für Mai und Juni 2012 auch nicht ausbezahlt, bevor sie Kenntnis von der Leistung des Klägers für den strittigen Zeitraum erhalten
habe, denn der Kläger habe mit Schreiben vom 30. April 2012 gegenüber der Beklagten noch vor deren Leistungsgewährung Erstattungsansprüche
angemeldet. Entscheidend sei im vorliegenden Rechtsstreit die Frage, ob sich das für einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X maßgebliche Vorrang-Nachrang-Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Kläger auch konkret auf den von der Beklagten an die
Beigeladene geleisteten Sterbevierteljahresbonus beziehe. Ein Erstattungsanspruch eines SGB II-Leistungsträgers gegen einen Rentenversicherungsträger entstehe nur dann, wenn die Leistung des Rentenversicherungsträgers
als Einkommen gemäß § 11 SGB II im dortigen Leistungssystem anzurechnen sei und damit Auswirkungen auf die Leistungspflicht bzw. -umfang des Grundsicherungsträgers
habe.
Der streitige Sterbevierteljahrbonus falle unter keine der in § 11a SGB II genannten Ausnahmen vom Einkommensbegriff des SGB II. Er könne insbesondere auch nicht als ausdrücklich zweckbestimmte Leistung im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II von der Einkommensanrechnung freigestellt werden. Danach seien Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften
zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht würden, nur insoweit als Einkommen zu berücksichtigen, als sie demselben Zweck
wie die Leistungen nach dem SGB II dienten. Bei der erhöhten Witwenrente im Sterbevierteljahr fehle es aber an einer ausdrücklichen Zweckbestimmung im Sinne
von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Zwar diene diese dem abstrakt-generellen Ziel, den während des Sterbevierteljahres eintretenden besonderen Bedarf hinterbliebener
Ehegatten zu befriedigen. Sie solle nach der Intention des Gesetzgebers dem Hinterbliebenen die Aufwendungen, die mit der
letzten Krankheit und dem Todesfall verbunden seien, abnehmen und ihm die Umstellung auf die neuen Lebensumstände finanziell
erleichtern. Ein solcher Zweck sei für eine Zweckbestimmung gemäß § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II jedoch nicht ausreichend, da abstrakt-generelle Zwecke jeder Norm innewohnten. Erforderlich sei jedoch eine konkret individuelle
Zwecksetzung, die allerdings bei der Witwenrente im Sterbevierteljahr nicht gegeben sei. Die Erwartung des Gesetzgebers im
Fall der Witwenrente im Sterbevierteljahr sei nicht derart konkretisiert, dass sie über die abstrakt-generelle Zielrichtung
im Sinne der Begründung des Gesetzes hinausgehen würde. Die durch den Tod eines nahen Angehörigen entstehenden Bedarfe und
die einer Krankheit folgenden Aufwendungen seien derart unterschiedlich, dass eine konkrete Zweckbestimmung schon aufgrund
der Verschiedenheit der Lebenswirklichkeit ausscheide. Auch das Ziel, die Umstellung auf neue Lebensumstände finanziell zu
erleichtern, stelle lediglich eine rein abstrakte Begründung für eine finanzielle Privilegierung dar. Im Hinblick auf das
Ziel der Privilegierung, die Umstellung auf die neuen Lebensumstände finanziell zu erleichtern, liege es darüber hinaus nahe,
dass die Witwenrente auch in diesem Zeitraum letztendlich der Sicherung des Lebensunterhaltes diene und damit demselben Zweck
wie die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aus diesem Grund sei eine Anrechnung der Witwenrente in voller Höhe vorzunehmen.
Letztlich würden Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Ableben der Ehegatten ebenfalls im Rahmen der Sozialhilfe abgefangen,
wie dies in § 74 SGB XII zum Ausdruck komme, so dass auch insoweit dem Sterbevierteljahrbonus ein über die Sozialhilfe im weiteren Sinne hinausgehender
Zweck nicht zugeschrieben werden könne. Das Sozialgericht hat sich in der Begründung seiner Rechtsansicht auch auf den Beschluss
des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Dezember 2012 im Verfahren L 4 SO 340/12 B und das Urteil des Sozialgerichts Würzburg
vom 18. Dezember 2014 im Verfahren S 3 R 405/14 gestützt.
Die Höhe der Forderung ergebe sich aus der Differenz zwischen den Beträgen der beiden Nettorenten für Mai und Juni 2012 in
Höhe von je 642,92 EUR, zusammen 1.285,84 EUR, und den jeweils von der Beklagten an den Kläger gezahlten Beträgen in Höhe
von je 361,34 EUR, zusammen 722,68 EUR. Der Leistungsanspruch der Beigeladenen nach dem SGB II habe im Mai und Juni 2012 bei je 667,82 EUR gelegen, so dass der monatliche Erstattungsbetrag von je 642,92 EUR noch unter
dem Grundsicherungsanspruch der Beigeladenen geblieben sei. Der Kläger begehre daher im Ergebnis nicht einen höheren Erstattungsbetrag,
als er selbst an die Beigeladene geleistet habe.
Das Urteil ist der Beklagten am 26. August 2015 zugestellt worden.
Mit der am 18. September 2015 beim Schleswig-Holsteinischen Landesssozialgericht eingegangenen Berufung wendet sich die Beklagte
gegen dieses Urteil. Sie trägt vor, die Urteilsbegründung rechtfertige nach ihrer Auffassung nicht die Annahme des Sozialgerichts,
dass dem Kläger im Rahmen des § 104 SGB X ein Anspruch auf den zugesprochenen Betrag zustehe. Nach ihrer Auffassung sei ein Erstattungsanspruch der SGB XII- und SGB II-Träger nach § 104 SGB X bei Zusammentreffen von Sozialhilfe bzw. Grundsicherung für Arbeitsuchende und Witwen-/Witwerrente im Sterbevierteljahr auf
den Betrag der mit dem nach Ablauf des Sterbevierteljahrs maßgeblichen Rentenartfaktor berechneten Witwen-/Witwerrente beschränkt,
weil der "Sterbevierteljahrbonus" als zweckbestimmtes Einkommen im Sinne der §§ 83 Abs. 1 SGB XII bzw. 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II alter Fassung (a. F.) und 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II zu werten und deshalb von der Anrechnung auf die Sozialhilfe und die Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgenommen sei. Zu
beachten sei, dass sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für die zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften
richte. Die erhöhte Witwen-/Witwerrente für das Sterbevierteljahr sei im Jahr 1957 in Anlehnung an das Bundesbeamtengesetz eingeführt worden, um dem hinterbliebenen Ehegatten die mit dem Sterbefall verbundenen besonderen Aufwendungen zu einem Teil
abzunehmen und ihm die Umstellung auf die veränderten Verhältnisse finanziell zu erleichtern. Der Gesetzgeber habe somit im
Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise für einen klar abgrenzbaren Personenkreis generalisierend unterstellt, dass bei
Tod eines Ehegatten besondere Umstände vorlägen, welche über die Unterhaltsersatzfunktion der Witwen- bzw. Witwerrente hinaus
die Zahlung eines erhöhten Hinterbliebenenrentenanspruchs während des Sterbevierteljahrs rechtfertigten. Vom Leistungsträger
müsse deshalb nicht geprüft werden, wie die erhöhte Zahlung im Sterbevierteljahr von dem Hinterbliebenen tatsächlich verwendet
werde. Es handele sich beim Sterbevierteljahr um eine Leistung, die von Seiten der deutschen Rentenversicherungsträger als
eindeutig zweckbestimmt anzusehen sei. Sie verweist darauf, dass die Durchführungsbestimmungen der Bundesagentur für Arbeit
zu § 11 SGB II explizit in der Anlage 4 u. a. die erhöhte Witwenrente für das so genannte Sterbevierteljahr als zweckbestimmte Einnahmen
auflisteten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 21. August 2015 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf sein bisheriges Vorbringen und die Gründe der angefochtenen Gerichtsentscheidung. Er trägt vor, dass eine
Dienstanweisung der Bundesagentur für Arbeit nicht geeignet sei, für andere Verwaltungsträger oder gar für Gerichte bindend
zu bestimmen, wie geltendes Recht auszulegen sei.
Ergänzend wird hinsichtlich des Sach- und Streitstandes auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der
Gerichtsakte und der übersandten Verwaltungsakten des Klägers und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte trotz Nichterscheinens der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2016 über die Berufung
entscheiden, weil die Beigeladene in der rechtzeitig zugegangenen Terminsmitteilung auf diese sich aus §
126 SGG (
Sozialgerichtsgesetz) ergebende Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist innerhalb der Monatsfrist des §
151 SGG beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen und damit fristgemäß. Infolge der Zulassung der Berufung durch
das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil ist sie statthaft.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht der Klage mit der angefochtenen
Entscheidung stattgegeben. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 104 Abs. 1 SGB X einen Erstattungsanspruch für die von ihm für die Monate Mai und Juni 2012 an die Beigeladene geleisteten Zahlungen in Höhe
von 1.285,84 EUR. Grundlage dieses Erstattungsanspruchs ist die der Beigeladenen durch die Beklagte gewährte Witwenrente,
auch soweit diese über den Betrag, der nach Ablauf des Sterbevierteljahres laufend gezahlt wird, hinausgeht. Bei der erhöhten
Witwenrente im so genannten Sterbevierteljahr handelt es sich nicht um eine nach öffentlichen Vorschriften zu einem ausdrücklich
genannten Zweck erbrachte Leistung im Sinne des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Es fehlt insoweit an der erforderlichen ausdrücklichen Zweckbestimmung. Abzüglich der bereits getätigten Zahlungen hat der
Kläger gegen die Beklagte noch einen Zahlungsanspruch in Höhe von 563,16 €.
Der Senat folgt vollumfänglich den Entscheidungsgründen in dem angefochtenen Urteil, in dem das Sozialgericht die hier relevante
grundsicherungsrechtliche Einordnung der erhöhten Hinterbliebenenrentenleistungen im so genannten Sterbevierteljahr ausführlich
und zutreffend dargelegt hat. Der Senat sieht daher von einer ausführlicheren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich die grundsicherungsrechtliche Rechtslage zur Einkommensanrechnung durch
die Grundsicherungsreform 2011 zum 1. April 2011 deutlich geändert hat. Zuvor sah § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung die Nichtberücksichtigung von zweckbestimmten Einnahmen, die einem anderen
Zweck als Leistungen nach dem SGB II dienen, vor. Die mit § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II erfolgte Neufassung zum 1. April 2011 ist demgegenüber deutlich restriktiver und schließt nicht nur privatrechtlich erbrachte
Leistungen von der Anrechnungsausnahme aus, sondern fordert für öffentlich-rechtliche zweckbestimmte Leistungen die Benennung
eines ausdrücklich genannten Zwecks.
Höchstrichterliche Rechtsprechung, die zur Stützung der Rechtsansicht der Beklagten herangezogen wird, findet sich in dem
Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. Januar 1990 im Verfahren 7 RAr 128/88. Dieses ist aber noch zu der Arbeitslosenhilfe nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ergangen. Die damalige Regelung des § 138 Abs. 3 Nr. 3 AFG schloss ähnlich wie der bis 31. März 2011 geltende § 11 Abs. 3a Satz 1 SGB II a. F. pauschal zweckgebundene Leistungen von der Einkommensanrechnung aus und verlangte gegenüber der jetzigen Gesetzesfassung
weder einen öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Leistungen noch eine ausdrücklich genannte Zweckbestimmung. Dieses Urteil
kann daher nicht mehr als Argument für die weitere Freistellung der erhöhten Witwenrente im Sterbevierteljahr auch für den
Zeitraum nach dem 1. April 2011 herangezogen werden (so aber Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11a Rn. 168).
Die von dem Sozialgericht gefundene und von dem Senat geteilte Rechtsansicht wird auch durch die Gesetzesbegründung der Neufassung
gestützt. Danach sollte durch § 11a Abs. 3 SGB II nämlich klargestellt werden, dass Einnahmen nur dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien, wenn sie aufgrund von
Vorschriften des öffentlichen Rechts erbracht wurden und die erbrachten Leistungen ausdrücklich einem anderen Zweck als die
Leistungen nach dem SGB II zu dienen bestimmt seien. Eine allgemeine Zweckrichtung sollte dafür nicht ausreichen. Es fehle an einer ausdrücklichen Zweckbestimmung
jedenfalls dann, wenn der Einkommensbezieher weder rechtlich noch tatsächlich daran gehindert sei, die Leistungen zur Deckung
von Bedarfen nach dem SGB II einzusetzen. Eine steuerliche Privilegierung stelle für sich genommen keine ausreichende Zweckbestimmung dar (vgl. BT-Drucks.
17/3404, S. 94).
Nicht gefolgt werden kann daher der in der Literatur vertretenen Ansicht, die nach § 11a Abs. 3 SGB II erforderliche Zweckbestimmung müsse nicht ausdrücklich genannt werden und es sei zur Ermittlung des Regelungsgehalts von
§ 11a Abs. 3 SGB II auf nicht auf die zu restriktive Gesetzesbegründung, sondern auf die zur früheren Regelung ergangene Rechtsprechung des BSG abzustellen (so Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl., § 11a Rn. 8, 9).
Zwar ist zu konzedieren, dass der Auslegung von Gesetzesnormen anhand der Gesetzesmaterialien dort Grenzen gesetzt sind, wo
der Wortlaut der allein in Gesetzeskraft erwachsenen Norm mit der durch die am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Institutionen
gegebenen Begründung nicht übereinstimmt oder diese Begründung deutlich über den Gesetzeswortlaut hinausgeht. Vorliegend ist
aber zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch Neufassung des § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II zum 1. April 2011 textlich eine deutliche Änderung gegenüber der vorher gültigen Regelung des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II vorgenommen hat, die in zweierlei Hinsicht restriktiver ist als die vorherige Fassung, nämlich insoweit, als sie privatrechtliche
Leistungen ausschließt und insoweit, als sie eine ausdrückliche Benennung des Zwecks verlangt. Diese Änderung des Wortlauts
korreliert auch durchaus mit der abgegebenen Begründung des Gesetzgebers (s.o.) und läuft dieser gerade nicht zuwider. Es
ist daher entgegen der zitierten Literaturmeinung nicht geboten, die Gesetzesmaterialien bei der Interpretation des Sinngehaltes
der Norm außer Acht zu lassen und stattdessen auf die Rechtsprechung zu einer anderen, im Wortlaut deutlich abweichenden früheren
Regelung zurückzugreifen.
Zutreffend hat das Sozialgericht auch darauf hingewiesen, dass der Sterbevierteljahresbonus letztlich der Sicherung des Lebensunterhalts
des Hinterbliebenen im Übergangszeitraum dient und damit demselben Zweck wie die Leistungen des SGB II. Dies wird umso deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Grundsicherungsrecht ebenso Regelungen enthält, die u.
a. der besonderen Situation nach dem Ableben eines Ehegatten gerecht werden sollen. Neben der vom Sozialgericht bereits benannten
Bestattungskostenhilfe nach § 74 SGB XII sind dabei die Berücksichtigung der bisherigen Unterkunftskosten in einem Übergangszeitraum von regelmäßig sechs Monaten
gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II und die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs bei Alleinerziehung gemäß § 21 Abs. 3 SGB II zu nennen.
Die Revision war gemäß §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zuzulassen. Das Zusammentreffen von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II mit der rückwirkenden Gewährung einer Hinterbliebenenrente für das Sterbevierteljahr beinhaltet eine in der Praxis nicht
seltene Konstellation und hat somit über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung. Eine höchstrichterliche Klärung der
streitgegenständlichen Frage der Anrechenbarkeit der erhöhten Hinterbliebenenrente im Sterbevierteljahr als Einkommen nach
dem SGB II erscheint im Hinblick auf die gegenüber dem hier eingenommenen Standpunkt abweichenden Literaturauffassungen geboten.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §
197a Abs.
1 SGG in Verbindung mit §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3 Gerichtkostengesetz (GKG).