Zur Einsetzung einer Immobilie, die nicht zum Schonvermögen (§ 115 Abs. 3 ZPO, § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII) gehört, zur Deckung von Prozesskosten
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin erfüllt nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Ihr ist es zuzumuten, die bei einem Streitwert von bis zu 30.000 EUR nach dem Kostenvoranschlag für Prozesskostenhilfe (Anlage
zu Nr. 1.3 DBPKHG) in der Berufungsinstanz voraussichtlich entstehenden Gerichts und Anwaltskosten in Höhe von 3.910 EUR aus
ihrem Vermögen aufzubringen (§
115 Abs.
3 ZPO).
Denn die Klägerin ist gehalten, sich die zur Prozessführung erforderlichen Mittel durch Veräußerung oder Belastung des in
ihrem Alleineigentum stehenden Einfamilienhauses H####### zu verschaffen.
1. Diese Immobilie ist - auch wenn sie von der Klägerin und von zweien ihrer Kinder selbst bewohnt wird - nicht als sogenanntes
Schonvermögen nach §
115 Abs.
3 ZPO i.V.m. §
90 Abs.
2 Nr.
8 SGB XII geschützt. Anknüpfend an die Vorgängervorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG darf nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB die Gewährung von Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden von dem Einsatz oder der Verwertung eines angemessenen Hausgrundstücks,
welches von dem Hilfesuchenden allein oder mit einem Angehörigen bewohnt wird. Die Angemessenheit bestimmt sich unter anderem
nach der Zahl der Bewohner, der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie
dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes.
2. Das wichtigste objektivierbare Kriterium stellt dabei die Größe der Wohnfläche dar. Zur Bestimmung einer angemessenen Größe
verwies § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 3 BSHG bis zum 31. Dezember 2001 ausdrücklich auf die für die soziale Wohnraumförderung maßgeblichen Wohnflächengrenzen von § 39
Abs. 1 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Unter der Geltung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes lag der Grenzwert für ein Familienheim
zur Unterbringung eines Vierpersonenhaushalts bei 130 qm, wobei nach der obergerichtlichen Rechtsprechung bei einer geringeren
Personenzahl eine Reduzierung um jeweils 20 qm pro Person vorzunehmen war (vgl. OVG Lüneburg NJW 1995, 3202, 3203. VGH München Beschluss vom 24. Februar 1999 - 12 ZE 99.87 - veröffentlicht bei juris. vgl. auch OLG Karlsruhe FuR 2001,
31, 32).
Nach dem Außerkrafttreten des Zweiten Wohnbaugesetzes regelt nunmehr das Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) vom 13. September 2001 (BGBl. I, S. 2376) die soziale Wohnraumförderung. Das Wohnraumförderungsgesetz enthält keine eigenen Bestimmungen über Grenzwerte, sondern verpflichtet die Bundesländer in § 10 Abs. 1 WoFG dazu, eigene Ausführungsbestimmungen über die Grenzen für Wohnungsgrößen zu treffen. In Niedersachsen richten sich die Grenzwerte
für angemessene Wohnungsgrößen nach Ziffer 11.3 der Richtlinie über die Soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen vom 27.
Juni 2003 (NdsMBl. 2003, 580), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 19. Oktober 2006 (NdsMBl. 2006, 973). Danach
gelten bei Eigentumsmaßnahmen für einen Haushalt von drei bis fünf Personen Wohnflächen bis zu 130 qm noch als angemessen.
Unter diesen Umständen kann es dahinstehen, ob sich die Wohnflächengrenzen weiterhin an dem außer Kraft getretenen Zweiten
Wohnungsbaugesetzes orientieren können (vgl. zu § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II: BSG Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 2/05 R - NZS 2007, 428, 429 ff. = FamRZ 2007, 729 [LS]) oder ob die Grenzwerte aus den einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen zu entnehmen sind. In jedem Fall stellt
ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von (mindestens) 140 qm für einen Dreipersonenhaushalt im Hinblick auf die Wohnfläche
keinen angemessenen Wohnraum mehr dar.
3. Auch soweit kein Schonvermögen betroffen ist, darf die Sozialhilfe nach §
115 Abs.
3 ZPO i.V.m. §
90 Abs.
3 SGB XII nicht vom Einsatz oder der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den Hilfesuchenden
und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde, was insbesondere dann der Fall ist, wenn eine
angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Auch nach
diesen Maßstäben steht dem Einsatz des Einfamilienhauses zur Bestreitung der Prozesskosten keine Hinderungsgründe entgegen.
a) Die Klägerin hat zum Verkehrswert des Hausgrundstückes in ihrer Prozesskostenhilfeerklärung keine Angaben gemacht. Aus
der Akte ergibt sich indessen, dass es sich um einen Neubau aus den Jahren 2006/2007 handeln dürfte, dessen Baukosten allein
mit 126.000 EUR ins Gewicht gefallen sind. Da die Immobilie praktisch lastenfrei ist, wird ein zur Deckung der voraussichtlichen
Verfahrenskosten allemal hinreichender Veräußerungserlös zu erwarten sein.
b) Der Einsatz einer selbstgenutzten, aber nicht als Schonvermögen geschützten Immobilie ist auch für sich genommen nicht
grundsätzlich unzumutbar. Dies gilt auch deshalb, weil der Hilfesuchende, der sein Grundeigentum nicht veräußern möchte, auch
bei Selbstnutzung der Immobilie darauf verwiesen werden kann, sich die zur Prozessführung erforderlichen Mittel durch Kreditaufnahme
unter Belastung des Grundstückes zu beschaffen. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Senats (Senatsbeschlüsse vom 21.
Februar 2008 - 17 WF 16/08 - und vom 2. Juni 2008 - 17 WF 67/08) nur auf die allgemeine Kreditwürdigkeit des Hilfesuchenden an, nicht aber darauf, ob die voraussichtlichen Kreditraten pro
Monat geringer sind als die nach der Tabelle zu §
115 ZPO errechneten Raten. Denn durch die Vorschriften über das Schonvermögen soll nur die Erhaltung bescheidener Wohnverhältnisse,
nicht aber der Vermögenswert als solcher geschützt werden. es gibt deshalb keinen Anlass, die Zumutbarkeit des Einsatzes von
Grundvermögen gegenüber anderen Vermögensgegenständen im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des Hilfesuchenden grundlegend
anders zu beurteilen (vgl. ebenso Bayerischer VGH Beschluss vom 12. Dezember 2006 - 9 C 06.2361 - veröffentlicht bei juris. OLG Koblenz MDR 2002, 904 und FamRZ 2005, 468 [LS]. Zimmermann, Prozesskostenhilfe 3. Aufl. Rdn. 146). An der allgemeinen Kreditwürdigkeit der Klägerin bestehen keine
durchgreifenden Zweifel.