Sozialhilferecht - Abtretung, gewillkürte Prozessstandschaft, gewöhnlicher Aufenthalt, Heimaufnahme, örtliche Zuständigkeit,
unzuständiger Sozialhilfeträger, vorläufige Leistung, Kostenerstattung, Ausschlussfrist, Anmeldung
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich im Berufungsverfahren gegen das ohne mündliche Verhandlung am 5. Februar 2002 ergangene Urteil des
Verwaltungsgerichts Gera - 6 K 1864/99 GE -, mit dem die Klage auf Erstattung von Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von 44.952,57 DM abgewiesen worden ist. Dieser
Betrag ist für die Heimunterbringung von Frau P im Zeitraum Januar 1995 bis Ende Dezember 1997 entstanden.
Die im Jahre 1900 geborene P wurde am 9. November 1981 in das im Bereich des Klägers gelegene Feierabend- und Pflegeheim in
R, eine Einrichtung des damaligen Rates des Kreises, aufgenommen. Bereits im Jahre 1976 hatte Frau P, die bis zu ihrem Umzug
nach R in S, im Kreisgebiet des Berufungsbeklagten (im Folgenden: Beklagter), wohnte, einen Antrag auf Aufnahme in das Heim
gestellt, da sie allein in S wohne und bei Pflegebedürftigkeit nach R, wo ihre Tochter lebe, ziehen wolle. Frau P führte damals
noch selbständig ihren Haushalt, eine Fachärztin für Allgemeinmedizin des Stadtambulatoriums Rathenow stellte bei ihr indes
typische Altersbeschwerden fest (sie falle öfters) und schätzte ein, dass in einigen Jahren doch ständige Hilfe im Bereich
der Hauswirtschaft in zunehmendem Maße erforderlich werde.
Frau P beantragte am 5. Dezember 1990 beim Kläger Sozialhilfe, da ihre Renteneinkünfte die Heimkosten nicht deckten. In seinem
ärztlichen Gutachten vom 31. Januar 1991 stellte der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. med. S wegen einer Schenkelhalsfraktur
sowie Herzinsuffizienz bei Frau P die Pflegestufe III fest; in dem vom Pflegeheim im Mai 1992 ausgefüllten Bearbeitungsbogen
ist die Pflegestufe IV vermerkt.
Am 17. März 1992 verstarb Frau U, die Tochter von Frau P.
Mit Bescheid vom 21. April 1995 übernahm das brandenburgische Landesamt für Soziales und Versorgung - Landessozialamt - im
Rahmen der Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 68 BSHG als überörtlicher Sozialhilfeträger die Kosten der Unterbringung von P im Feierabend- und Pflegeheim R für die Zeit vom 1.
Januar 1994 bis auf weiteres. Zum 1. Mai 1995 gab das Landessozialamt den Hilfefall unter Berufung auf eine bereits zum 1.
Januar des Jahres in Kraft getretene Änderung der Zuständigkeit nach dem Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz des Landes Brandenburg (AG-BSHG Bbg) an den Kläger ab (vgl. Änderung des Gesetzes zur Ausführung des BSHG durch Art. 1 §§ 2, 2a des Zweiten Gesetzes zur Funktionalreform im Land Brandenburg - Zweites Funktionalreformgesetz - 2. BbgFRG - vom 13. Juli
1994, GVBl. I, S. 382). Mit Einführung der Pflegeversicherung zum 1. Juli 1996 übernahm die AOK in Höhe des geltenden Pflegesatzes
die Kosten für die pflegebedingten Aufwendungen der in die Pflegestufe II eingruppierten Frau P. Die Differenz zwischen der
Leistung der Pflegekasse und dem gültigen Heimentgelt gewährte der Kläger im Rahmen der Sozialhilfe. Mit Bescheid vom 5. März
1998 stellte der Kläger die Sozialhilfe zum 31. Dezember 1997 wegen die Heimkosten deckenden Einkommens aus Rente und Pflegegeld
ein.
Frau P verstarb am 27. März 1999.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 1999 meldete der Kläger bei der Verwaltungsgemeinschaft Mittleres Schwarzatal, die die Anmeldung
an den Beklagten weiterleiten wollte, seinen Anspruch auf Kostenerstattung ab 1. Januar 1995 für die Heimunterbringung von
Frau P nach § 103 BSHG a. F., § 2 Abs. 3 SGB X an.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2000 hat das Landesamt für Besoldung und Versorgung des Landes Brandenburg die in der Zeit
vom 1. Januar 1995 bis zur Übernahme des Hilfefalles durch den örtlichen Sozialhilfeträger entstandenen Ansprüche auf Kostenerstattung
nach § 2 Abs. 3 SGB X aus der Gewährung von Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 100 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BSHG durch das Landessozialamt an den Kläger abgetreten.
Bereits zuvor, am 29. Dezember 1999, hat der Kläger Klage gegen den Beklagten und den Freistaat Thüringen erhoben, mit der
er auch die seit dem 1. Januar 1995, und damit auch die beim Landessozialamt als dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe
vom Januar bis April 1995 entstandenen Kosten erstattet wissen will.
Er hat vorgetragen, die örtliche Zuständigkeit habe sich zunächst nach § 97 BSHG in der bis zum 26. Juni 1993 geltenden Fassung nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Hilfeempfängers gerichtet. Mit dem In-Kraft-Treten
des Art. 7 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (im Folgenden: FKPG) zum 27. Juni 1993 (BGBl.
I S. 944) sei der Sozialhilfeträger örtlich zuständig geworden, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt
vor der Heimaufnahme gehabt habe, vorliegend mithin der Beklagte. Die Pflegebedürftigkeit von Frau P bei In-Kraft-Treten des
Bundessozialhilfegesetzes im Bereich der neuen Länder ergebe sich aus der Stellungnahme des Heimes aus dem Jahre 1990 und
dem ärztlichen Gutachten von 1991. Erst auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 1998 - 5 C 30.97 - hin habe man entgegen der von den Mitgliedern der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger mehrheitlich
vertretenen Auffassung erkannt, dass bei Heimunterbringungen vor dem 1. Januar 1991 auch im Bereich der neuen Bundesländer
eine Kostenerstattung in Betracht komme. Der gewöhnliche Aufenthalt der Hilfeempfängerin sei daher unbekannt und erst mit
Vorliegen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts feststellbar gewesen. Der Fall des unbekannten bzw. nicht zu ermittelnden
gewöhnlichen Aufenthalts werde von § 97 Abs. 2 S. 3, § 103 Abs. 1 BSHG n. F. erfasst, der dem Erstattungsbegehren zugrunde liege. Jedenfalls ergebe sich aber der Kostenerstattungsanspruch auch
aus § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X, der eine eigenständige Erstattungsgrundlage darstelle und jeden Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit erfasse. Nach Satz
1 der Norm sei das Landessozialamt bis zur Übernahme des Hilfefalles durch den ab 1. Januar 1995 zuständig gewordenen Beklagten
verpflichtet gewesen, die Leistungen weiter zu erbringen. Dem stehe nicht entgegen, dass nach Änderung der örtlichen Zuständigkeit
die sachliche Zuständigkeit vom Landessozialamt auf den Kläger übergegangen sei. § 111 SGB X, wonach der Erstattungsanspruch binnen eines Jahres geltend zu machen sei, finde auf § 2 Abs. 3 SGB X keine Anwendung, da er nur für die Kostenerstattungsansprüche aus §§ 102 bis 105 SGB X gelte.
Den zunächst gestellten Antrag auf Verurteilung des Beklagten und des Freistaates Thüringen zur Übernahme des Hilfefalles
in die eigene Zuständigkeit nebst Hilfsantrag hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27. März 2000 zurückgenommen und den mit
45.329,25 DM bezifferten Betrag reduziert. Er hat zuletzt nur noch beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 44.952,57 DM (Anm.: das entspricht 22.983,88 EUR) zu
zahlen,
hilfsweise festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, die dem Kläger seit dem 1. Januar 1995 entstandenen Sozialhilfeaufwendungen
zu erstatten,
höchst hilfsweise "den Beklagten" zu verpflichten, die dem Kläger seit dem 1. Januar 1995 entstandenen Sozialhilfeaufwendungen
zu erstatten.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat bestritten, dass Frau P zum Personenkreis des § 39 BSHG gehört habe oder sonstige Gründe ihre Heimbetreuungsbedürftigkeit begründet hätten, sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in
S gehabt und die Hilfe dem Gesetz entsprochen habe. In rechtlicher Hinsicht verdränge § 103 BSHG i. V. m. § 97 Abs. 2 S. 3 BSHG n. F. einen etwaigen Anspruch nach § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X als lex specialis. Im Übrigen sei ein Erstattungsanspruch nach § 111 SGB X ausgeschlossen, da er nicht bis spätestens 4. Januar 1999 bei ihm angemeldet worden sei. Ferner beruft er sich auf die Einrede
der Verjährung (§ 113 SGB X).
Der verklagte Freistaat Thüringen hat keinen Antrag gestellt. In der Sache hat er geltend gemacht, er sei nicht passivlegitimiert.
Gemäß § 3 Abs. 1 ThürAGBSHG seien abweichend von § 100 Abs. 1 BSHG in Thüringen die örtlichen Sozialhilfeträger für Hilfeempfänger ab Vollendung des 65. Lebensjahres zuständig.
Das Verwaltungsgericht Gera hat die Klage mit im schriftlichen Verfahren am 5. Februar 2002 ergangenem Urteil eingestellt,
soweit die Klage zurückgenommen worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Es hat ausgeführt, die Klage gegen den Freistaat Thüringen sei mangels Passivlegitimation unbegründet.
Ein Erstattungsanspruch gegen den Beklagten aus § 103 BSHG a. F. bestehe nicht. Die Vorschrift sei zum 31. Dezember 1993 außer Kraft getreten. Die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 S. 1 BSHG n. F. seien ebenfalls nicht gegeben. Zwar sei Frau P im Jahre 1981 in das Feierabend- und Pflegeheim und damit in ein "Heim"
im Sinne des § 97 Abs. 4 BSHG aufgenommen worden. In Anbetracht ihres Alters zu diesem Zeitpunkt habe die Kammer keinen Zweifel, dass es sich um ein reguläres
Alten- und Pflegeheim gehandelt habe. Ein Anspruch nach § 103 Abs. 1 BSHG n. F. i. V. m. § 97 Abs. 2 S. 3 BSHG scheide jedoch aus. Im Zeitpunkt der Heimaufnahme habe ihr bisheriger Aufenthaltsort im Sinne der Vorschrift in S - festgestanden.
Dieser Sachverhalt sei auch im Mai 1990 mit In-Kraft-Treten des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise
in der DDR vom 17. Mai 1990 bekannt gewesen. Ferner habe bei Aufnahme im Jahre 1981 sowie nach 1990 - dies schließe der Erstattungszeitraum
aus - kein Eilfall im Sinne eines akuten Notfalls vorgelegen. Erstattungsansprüche aus §§ 2 Abs. 3, 102, 105 SGB X sowie aus ungerechtfertigter Bereicherung oder aus Geschäftsführung ohne Auftrag würden von §§ 103 ff. BSHG verdrängt. Im Übrigen wäre ein Anspruch gemäß § 111 SGB X ausgeschlossen, da dieser seinem Wortlaut nach den "Anspruch auf Erstattung" ausschließe und damit auf § 2 Abs. 3 SGB X anwendbar sei. Danach seien auch die Hilfsanträge abzulehnen.
Das Urteil ist dem Kläger am 26. Juni 2002 zugestellt worden. Seinem Antrag auf Zulassung der Berufung vom 12. Juli 2002 hat
der Senat mit - dem Kläger am 26. Februar 2004 zugestelltem - Beschluss vom 12. Februar 2004 entsprochen und die Berufung
insoweit zugelassen, als die Klage gegen den Beklagten abgewiesen worden ist. Im Übrigen ist der Zulassungsantrag verworfen
worden.
Der Kläger begründet mit Schriftsatz vom 18. März 2004, eingegangen am 22. März 2004, die Berufung - seinen bisherigen Vortrag
ergänzend und vertiefend - wie folgt:
Die Hilfeempfängerin sei bereits im Zeitpunkt der Heimaufnahme im Jahre 1981 heimbetreuungsbedürftig gewesen. Angesichts ihres
Alters und der vorgelegten Unterlagen aus dem Jahre 1976 bestehe dafür eine Beweiserleichterung in Form einer widerlegbaren
Vermutung. Mit In-Kraft-Treten des FKPG sei diejenige Behörde zuständig für Hilfen in stationären Einrichtungen geworden,
in deren Bereich der Hilfeempfänger vor Aufnahme in die Einrichtung seinen gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Um die Kontinuität
der Leistungsgewährung zu wahren, habe zunächst das Landessozialamt, später der Kläger, die Leistungen gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 SGB X weiter zu erbringen gehabt. Die Norm stelle entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts eine eigenständige materielle Anspruchsgrundlage
dar. Das Verwaltungsgericht habe ferner verkannt, dass § 111 SGB X nicht auf den Kostenerstattungsanspruch aus § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X anzuwenden sei. Nach dem Wortlaut der Norm und im Vergleich mit den §§ 102 ff. SGB X habe die Behörde die Erstattung nur "anzufordern". Auch die systematische Stellung des § 111 SGB X im Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels spreche gegen eine Anwendung; § 2 Abs. 3 S. 3 SGB X verweise auch nur auf § 102 Abs. 2 SGB X, nicht aber auf die anderen Vorschriften des Abschnitts.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 22.983,88 EUR zu
zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er rügt die Aktivlegitimation des Klägers, soweit dieser die Ansprüche des Landessozialamtes für die Monate Januar bis April
1995 geltend macht. Die Ansprüche auf Kostenerstattung habe das Landessozialamt an den Kläger nicht abtreten können, da dadurch
die bundesgesetzlich festgelegten sachlichen Zuständigkeiten unterlaufen würden. Ebenso wenig sei eine Prozessstandschaft
gegeben.
Er bestreitet die Voraussetzungen einer Heimbetreuungsbedürftigkeit von Frau P und damit die Erforderlichkeit einer stationären
Unterbringung. Das Feierabend- und Pflegeheim sei keine Einrichtung im Sinne von § 97 Abs. 4 BSHG gewesen. Ferner verteidigt er die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts: Nach §
37 SGB I gelte das SGB X nur dann für das BSHG, wenn dieses Gesetz keine abweichenden Regelungen enthalte. Abweichungen lägen dann vor, wenn der Gesetzgeber des besonderen
Teils, hier des BSHG, einen mit den Vorschriften des SGB X nicht übereinstimmenden Regelungswillen erkennen lasse. §§ 103, 97 BSHG regelten über die örtliche Zuständigkeit, eigenständig und abweichend von § 2 Abs. 3 SGB X, zum Schutz der Anstaltsorte die Kostenerstattung für erbrachte stationäre Hilfen und verdrängten daher § 2 Abs. 3 SGB X. Kostenerstattungsansprüche seien nach der Neuregelung der §§ 103, 97 BSHG durch das FKPG nur noch gegeben, wenn der kostenerstattungsberechtigte Träger vorläufig Hilfe nach § 97 Abs. 2 S. 3 BSHG geleistet habe. Das folge aus der Begründung zum Regierungsentwurf zu § 2 Abs. 3 SGB X (BT-Drs. 8/2034, S. 30).
Der Kläger habe seine fehlende Zuständigkeit bis zum Jahr 1998 verkannt und seinen Anspruch erst ein Jahr später und damit
nicht fristgerecht gemäß § 111 SGB X geltend gemacht. Die Norm gelte für alle Sozialleistungsbereiche, für Kostenerstattungsansprüche des BSHG und auch des § 2 SGB X. Der Beklagte beruft sich ferner auf die Einrede der Verjährung, die Verwirkung und auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben.
Rechtsirrtümer über das Nichtbestehen einer anderen Zuständigkeit schütze § 2 Abs. 3 SGB X nicht. Eine Berufung auf diese Anspruchsgrundlage erfolge zur Umgehung der §§ 103 BSHG, 111 SGB X und sei deshalb nach §
242 BGB rechtsmissbräuchlich.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (1 Band) und der beigezogenen
Verwaltungsakten des Klägers (2 Hefter) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Die zugelassene Berufung ist fristgerecht und den formellen Erfordernissen entsprechend begründet worden (§
124a Abs.
6 S. 1 und 3, Abs.
3 S. 4
VwGO).
Sie ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Anspruch des Klägers
auf Kostenerstattung nach § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X ist nicht fristgerecht innerhalb eines Jahres geltend gemacht worden, § 111 SGB X.
Es kann offen bleiben, ob der Kläger befugt ist, die Ansprüche des überörtlichen Sozialhilfeträgers auf Kostenerstattung für
den Zeitraum 1. Januar bis 30. April 1995, in dem das Landessozialamt die Heimunterbringung bezahlt hat, aus abgetretenem
Recht einzuklagen. Dem dürfte das gesetzliche, nicht zur Disposition der Beteiligten stehende Zuständigkeits- und Kostenerstattungsregime
(vgl. insbesondere §§ 103 ff. BSHG, §§ 102 ff. SGB X) entgegenstehen. §
53 Abs.
2 SGB I gibt den allgemeinen Rahmen vor, in dem Geldleistungen, auf die der Berechtigte für Sozialleistungen Anspruch hat, übertragen
werden können. Die Übertragung des Anspruchs auf Sozialhilfe schließt § 4 Abs. 1 S. 2 BSHG ausdrücklich aus. Eine ausdrückliche gesetzliche Zulassung (wie z. B. in § 3 Abs. 1 VermG für öffentlich-rechtliche Rückübertragungsansprüche) fehlt.
Eine gewillkürte Prozessstandschaft dahin gehend, ein fremdes Recht im eigenen Namen gerichtlich geltend machen zu können,
würde wohl ebenso nicht zu erwägen sein (vgl. zur grundsätzlichen Ablehnung für den öffentlich-rechtlichen Prozess nur Kopp/Schenke,
VwGO, Kommentar, 13. Aufl., Vorb. §
40 Rn. 25).
Das Verwaltungsgericht hat § 103 Abs. 1 S. 1 BSHG als Anspruchsgrundlage für die Kostenerstattung an den Kläger für die Frau P gewährten Hilfen von Januar 1995 bis Dezember
1997 zu Recht verneint.
Die Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 S. 1 BSHG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944, 950, 953, 991), in Kraft getreten zum 1. Januar 1994 (Art. 43 Abs. 5 i. V. m. Art. 7 Nr. 24 des FKPG), in Verbindung mit
dem bereits ab 27. Juni 1993 gültigen § 97 Abs. 2 S. 1 und S. 3 BSHG n. F. (Art. 43 Abs. 1 i. V. m. Art. 7 Nr. 22 des FKPG) liegen nicht vor.
Nach § 103 Abs. 1 S. 1 BSHG hat der nach § 97 Abs. 2 S. 1 BSHG für die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung nach § 97 Abs. 4 BSHG örtlich zuständige Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt
der Aufnahme hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat, dem Träger, der nach § 97 Abs. 2 S. 3 BSHG die Leistung zu erbringen hat, die aufgewendeten Kosten zu erstatten. Satz 3 der Vorschrift fordert, dass der nach Absatz
1 zuständige Sozialhilfeträger des gewöhnlichen Aufenthalts des Hilfebedürftigen über die Hilfe unverzüglich zu entscheiden
und vorläufig einzutreten hat, wenn nicht spätestens innerhalb von vier Wochen feststeht, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt
nach Satz 1 oder 2 begründet worden ist, oder ein Eilfall vorliegt.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Anwendbarkeit der Regelung nicht bereits deshalb
ausscheidet, weil auf einen im Bereich der neuen Bundesländer vor dem In-Kraft-Treten des BSHG begründeten gewöhnlichen Aufenthalt für Ansprüche auf Erstattung danach aufgewandter Kosten einer Heimunterbringung zurückgegriffen
werden muss (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Mai 2000 - 5 C 27/99 - BVerwGE 111, 213 = ThürVBl 2000, 248 und vom 15. Juni 1998 - 5 C 30/97 - BVerwGE 107, 52).
Vorliegend waren der Kläger bzw. das überörtliche Landessozialamt indessen keine Sozialhilfeträger, die nach § 97 Abs. 2 S. 3 BSHG Leistungen zu erbringen hatten.
Denn es stand spätestens innerhalb von vier Wochen fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt von Frau P nach S. 1 im Zeitpunkt
der Heimaufnahme begründet worden war, und es fehlte auch der Eilfall.
Ein Eilfall, bei dem die Hilfe keinen Aufschub duldet, lag im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Norm im Juni 1993, aber auch
im Januar 1995 nicht vor, da Frau P bereits seit 1981 im Heim fortdauernd versorgt wurde. Es stand auch innerhalb von vier
Wochen nach In-Kraft-Treten der Neuregelung des § 97 Abs. 2 S. 3 BSHG durch das FKPG bzw. bei Übernahme des Hilfefalls vom Landessozialamt durch den Kläger fest, dass Frau P vor Heimaufnahme
ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des §
30 Abs.
3 S. 2
SGB I in S hatte, wie sich aus den Unterlagen der Behörde ergibt: In ihrem Sozialhilfeantrag aus dem Jahre 1990 (vgl. Beiakte 1
Blatt A 5; A 8) ist zu den Aufenthaltsverhältnissen der Hilfe Suchenden vermerkt: "zugezogen von S, Kreis Rudolstadt". Es
ist insoweit unerheblich, ob der Kläger subjektiv keine Veranlassung hatte, aus dieser Tatsache rechtlich auf die Anwendbarkeit
des § 103 Abs. 1 S. 1 BSHG n. F. zu schließen. Der Umstand, dass vor Ergehen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 1998 etwa im Anschluss
an die Auffassung der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe ein Anspruch in sog. Altfällen mit
Aufenthaltswechsel vor der staatlichen Einheit verneint worden ist, ändert daran nichts. Denn vorliegend ist allein entscheidend,
dass der Kläger bzw. das Landessozialamt bereits den behördlichen Unterlagen die notwendigen Angaben zum gewöhnlichen Aufenthalt
vor Heimaufnahme entnehmen konnten.
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts schließt die spezielle Regelung in § 103 BSHG nicht Erstattungsansprüche nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches X (§§ 2 Abs. 3, 102 ff.) von vornherein aus.
Die Normen des SGB X sind nach §
37 SGB I auch im Rahmen des Bundessozialhilfegesetzes als eines besonderen Teils des Sozialgesetzbuches anwendbar, soweit sich aus
dem Bundessozialhilfegesetz nichts Abweichendes ergibt. Die allgemeinen Erstattungsvorschriften können bundesrechtlich nur durch solche Vorschriften
verdrängt werden, die bestimmte Fallgestaltungen abschließend regeln wollen. Dieser Vorbehalt erfasst nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts nicht nur Abweichungen, die sich aus ausdrücklichen Vorschriften ergeben, sondern auch solche
Abweichungen, die nach den für den einzelnen Sozialleistungsbereich geltenden Strukturprinzipien zwingend sind (st. Rspr.,
vgl. nur BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1983 - 5 C 65/82 - BVerwGE 68, 285). Die §§ 103 ff. BSHG schließen die §§ 102 ff. SGB X deshalb nur insoweit aus, wie das spezielle Recht reicht; ein Verstoß der §§ 102 ff. SGB X gegen zwingende Strukturprinzipien der §§ 103 ff. BSHG ist, jedenfalls soweit die Anspruchsgrundlagen selbst in Frage stehen, nicht ersichtlich (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil
vom 30. März 2000 - 12 A12373/99 - ZFSH/SGB 2000, 552; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. Mai 2001 - 2 L 6/01 -, nachgehend BVerwG, Urteil vom 27. Juni 2002 - 5 C 30/01 - zitiert nach Juris; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. September 2003 - 1 L 124/03 - zitiert nach Juris; vgl. Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 16. Aufl., im Folgenden: Schellhorn, § 103 Rn. 5 ff., jedenfalls für die Anwendbarkeit des § 105 SGB X; Lehr- und Praxiskommentar zum BSHG, im Folgenden: LPK-BSHG, 5. Aufl., § 97 Rn. 81, vor § 103 Rn. 24; Roos in: v. Wulffen, Kommentar SGB X, 4. Aufl., im Folgenden: v. Wulffen, vor § 102 Rn. 18; Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Stand: November 2001, im Folgenden: Oestreicher, vor § 103 Rn. 7; Anhang vor § 103 Rn. 3, 5; a. A. Mergler/Zink, Kommentar zum BSHG, Teil II, Stand: Mai 2003, im Folgenden: Mergler/Zink, Abschn. 9 Rn. 6 ff.).
Weder das System der Erstattungsvorschriften des BSHG noch des SGB X im Dritten Kapitel, Zweiter Abschnitt, erfassen den Fall eines gesetzlich begründeten Zuständigkeitswechsels. Vielmehr bildet
§ 2 Abs. 3 SGB X eine eigenständige Anspruchsgrundlage für ein Erstattungsverlangen der vorläufig weiter leistenden (bisher zuständigen) Behörde.
Der Ansicht des Beklagten, durch die Neuregelung der Zuständigkeit in § 97 BSHG und die Beschränkung der Kostenerstattung auf den Fall des § 103 Abs. 1 S. 1 BSHG, § 97 Abs. 2 S. 3 BSHG n. F. sollte eine anderweitige Kostenerstattung und damit die Anwendung der §§ 2 Abs. 3, 102 ff. SGB X ausgeschlossen werden, ist nicht zu folgen (vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 12 A 11136/00 - FEVS 52, 237; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. September 2003 - 1 L 124/03 - zitiert nach Juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 16 A 30/01 - ZfSH/SGB 2003, 475; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Dezember 2003 - 3 L 291/02 -). Die Begründung des Regierungsentwurfs trägt sie nicht. Das vom Beklagten angegebene Zitat zu § 2 Abs. 3 SGB X (Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - vom 4. August 1978, BT-Drs.
8/2034, S. 30: "§ 2 findet im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe wegen der ausdrücklichen Regelung der sachlichen und örtlichen
Zuständigkeit [vgl. insbes. §§ 97 bis 100 BSHG] keine Anwendung.") lässt sich der angegebenen Fundstelle nicht entnehmen;
dort heißt es stattdessen: "Der neu eingefügte Absatz 3 stellt sicher, dass während des Zuständigkeitswechsels eine Unterbrechung
der Leistung nicht eintritt."
Ein die Anwendbarkeit der Kostenerstattungsnormen des SGB X, insbesondere § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X, ausschließender Wille lässt sich ebenso wenig der Gesetzesbegründung zur Neuregelung des § 103 BSHG n. F. entnehmen.
Ausweislich der Gesetzesbegründung zum FKPG - BT-Drs. 12/4401 S. 84 und BT-Drs. 12/4748- (letztere abgedruckt bei Mergler/Zink,
§ 103 BSHG Rn. 10.1) diente die Neuordnung der Zuständigkeits- und Kostenerstattungsregelungen der §§ 97, 103 BSHG u. a. dem Zweck, örtliche Zuständigkeit und endgültige Kostentragungslast stärker zusammenzuführen. Danach sollten zwar die
Tatbestände und damit die Fälle der Kostenerstattung reduziert und eine Vereinfachung der gebliebenen Kostenerstattung sowie
eine erste Angleichung an das SGB X erreicht werden. Eine Kostenerstattung sollte abgesehen von den Fallgruppen der §§ 103, 104, 107, 108 SGBX "nur noch" stattfinden nach §
43 SGB I, § 103 SGB X (entspricht § 102 SGB X) durch den Träger des gewöhnlichen Aufenthaltes an den vorläufig leistenden Träger und nach § 105 SGB X durch einen zuständigen, pflichtwidrig nicht leistenden Träger an den unzuständig leistenden Träger.
Zwar ist § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X in diesem Passus der Gesetzesbegründung zu Nr. 17 (§ 97) (BT-Drs. 12/4401 S. 84) nicht erwähnt. Indes kann daraus nicht geschlossen werden, dass eine Kostenerstattung des Trägers
des Heimortes nach den Vorschriften des SGB X nicht mehr stattfinden soll, wenn der nunmehr zuständige Sozialhilfeträger den Hilfefall nicht rechtzeitig oder gar nicht
übernimmt.
Damit würde der Schutz der Anstaltsorte konterkariert, den der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung mit der Neuordnung
gerade nicht aufgeben wollte: Die Neuregelung in § 97 BSHG bezweckt gerade keine substantielle Verlagerung der Kostentragungslast auf die Anstaltsorte; der Schutz der Anstaltsorte
sollte vielmehr im Wesentlichen erhalten bleiben (BT-Drs. 12/4401 S. 84 zu Nr. 17 [§97] zweiter Absatz Satz 2) (vgl. BVerwG,
Urteil vom 6. Februar 2003 - 5 C 9/02 - FEVS 54, 385). Die pflichtwidrige Nichtübernahme in die eigene Zuständigkeit würde dazu führen, dass die Sozialhilfeträger
der Anstaltsorte die Kosten endgültig ohne Möglichkeit des Regresses zu tragen hätten, wenn der aufgrund der Rechtsänderung
örtlich zuständig gewordene Träger des gewöhnlichen Aufenthalts vor Heimaufnahme die Leistungspflicht nicht anerkennt, ein
Fall der Kostenerstattung nach § 103 Abs. 1 S. 1 BSHG n. F. jedoch nicht gegeben ist.
Im Gesetzgebungsverfahren kam deshalb auch zum Ausdruck, dass die Umstellung von der Kostenerstattung auf eine unmittelbare
Zuständigkeit des örtlichen Trägers des letzten gewöhnlichen Aufenthalts keine Lücke im Leistungssystem schaffen sollte, sondern
der Träger des tatsächlichen Aufenthaltsortes weiter entscheiden und die Leistung vorläufig erbringen soll (a. a. O., S. 84).
Dem entspricht § 2 Abs. 3 S. 1 SGB X, der diese Verpflichtung zur Weiterleistung anordnet.
Angesichts des Umstands, dass § 97 BSHG n. F. schon zum 27. Juni 1993 in Kraft trat, § 103 BSHG a. F. indes erst zum 1. Januar 1994 aufgehoben worden ist (Art. 43 Abs. 1 und Abs. 5 des FKPG), bestand nach der Vorstellung
des Gesetzgebers zwar ausreichend Zeit, den Zuständigkeitswechsel zu bewältigen; der Gesetzgeber ging augenscheinlich auch
nicht davon aus, dass kostenerstattungsrechtliche Probleme der vorliegenden Art entstehen könnten, die einen Rückgriff auf
§ 2 Abs. 3 SGB X gebieten (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Dezember 2002 -16 A 30/01 - a. a. O.); als eigenständige Anspruchsgrundlage für die Kostenerstattung ist er dennoch nicht obsolet.
§ 2 Abs. 3 SGB X vom 18. August 1980 in der Fassung des Art. II § 17 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten vom 4. November 1982 -
(BGBl. I S. 1450), in Kraft getreten zum 1. Juli 1983, wonach die nunmehr zuständige Behörde der bisher zuständigen Behörde die nach dem Wechsel
der örtlichen Zuständigkeit erbrachten Leistungen, die diese entsprechend der in Satz 1 ausgesprochenen Verpflichtung bis
zur Übernahme des Hilfefalls durch die nunmehr zuständige Behörde erbracht hat, auf Anforderung zu erstatten hat, § 102 Abs.
2 gilt entsprechend, ist eine spezielle, materiell-rechtlich selbständige Erstattungsregelung für den Fall des Wechsels der
örtlich zuständigen Behörde.
Die systematische Stellung der Norm im Ersten Kapitel, Erster Abschnitt (Anwendungsbereich, Zuständigkeit, Amtshilfe) ist
dabei ohne Belang. Denn der Zweite Abschnitt (Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander), §§ 102 ff. SGB X, wurde erst später zur Vereinheitlichung der in anderen Gesetzen verstreuten Erstattungsnormen in das SGB X eingefügt, ohne dass § 2 Abs. 3 SGB X indes aufgehoben worden ist:
Die §§ 102 ff. SGB X wurden zum 1. Juli 1983 im Zusammenhang mit der Neuregelung, die Zusammenarbeit der Leistungsträger umfassend gesetzlich,
systematisch und einheitlich im Dritten Kapitel des Zehnten Sozialgesetzbuches zu regeln, in das SGB X eingefügt (vgl. BT-Drs. 9/1753 S. 1, 2, 48 zu § 14 Nr. 2 [X § 2 SGB]). § 102 SGB X knüpft an die bisherigen Regelungen insbesondere in §
43 Abs.
3 SGB I a. F., § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X, § 59 Abs. 2 S. 2 BSHG a. F. u. a. an. Diese Vorläufervorschriften für ein Erstattungsrecht des vorläufig Leistenden sind deshalb gestrichen bzw.
redaktionell geändert worden; § 2 Abs. 3 SGB X blieb bestehen, er wurde nur an die Konzeption des Dritten Kapitels angepasst (vgl. Hauck, Kommentar zum SGB X, Band 1/2, Stand: Januar 2000, im Folgenden: Hauck, K § 102 Rn. 4).
Der Senat schließt sich damit der einheitlichen Rechtsprechung an (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 12 A 11136/00 - FEVS 52, 237; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 16 A 30/01 - ZfSH/SGB 2003, 475; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18. September 2003 - 1 L 124/03 - zitiert nach Juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Dezember 2003 - 3 L 291/02 -):
Die Erstattungsnorm des § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X gilt für alle Sozialleistungsbereiche und geht § 102 SGB X, der den Fall der vorläufigen Leistung durch eine unzuständige Behörde aufgrund gesetzlicher Vorschriften in Kenntnis ihrer
Unzuständigkeit regelt, vor. § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X stellt einen besonderen Anwendungsfall des Erstattungsanspruches aufgrund vorläufiger Leistungsverpflichtung (vgl. Satz 1
der Norm) dar, dessen allgemeine Ausprägung § 102 SGB X darstellt. Der Vorrang des § 2 Abs. 3 SGB X gilt damit auch im Verhältnis zu § 105 SGB X. Satz 2 des § 2 Abs. 3 SGB X begründet ein Erstattungsrecht für eine nunmehr zwar unzuständige, aber aufgrund Satz 1 der Norm zur Weiterleistung gleichwohl
verpflichtete Behörde; sie regelt damit einen speziellen Sachverhalt, der von § 105 SGB X nicht erfasst wird. Diese Norm greift nur ein, wenn eine von Anfang an unzuständige Behörde Leistungen im Hinblick auf eine
vermeintliche Zuständigkeit erbringt, dazu aber nicht verpflichtet ist. Der Erstattungsanspruch des § 105 BSHG setzt nach seinem Wortlaut voraus, dass die Voraussetzungen des § 102 SGB X nicht vorliegen; damit ist ebenso gefordert, dass auch nicht der mit § 102 SGB X vergleichbare, speziellere § 2 Abs. 3 SGB X gegeben ist.
Mit In-Kraft-Treten des § 97 Abs. 2 S. 1 BSHG in der Fassung des FKPG ist ein solcher örtlicher Zuständigkeitswechsel im Sinne des § 2 Abs. 3 S. 1 SGB X erfolgt: An Stelle des Trägers des tatsächlichen Aufenthaltsortes wurde der Träger des gewöhnlichen Aufenthalts vor Heimaufnahme
örtlich zuständig; die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers bis 31. Dezember 1994 aufgrund der besonderen
landesrechtlichen Regelung des AG-BSHG Bbg wäre nur für die Erstattungsberechtigung des Klägers zu Aufwendungen von Januar bis April 1995 von Belang, die der Senat
im Ergebnis offen lassen kann (vgl. obige Ausführungen).
Die Frage, ob im hier zu entscheidenden Falle der Beklagte nach § 97 Abs. 2 S. 1 BSHG n. F. als der Sozialhilfeträger des gewöhnlichen Aufenthaltsortes vor Heimaufnahme der Frau P im Jahre 1981 überhaupt zuständig
geworden ist, erscheint nicht zweifelsfrei, braucht aber nicht abschließend geklärt zu werden. Angemerkt sei hierzu lediglich
Folgendes:
Fraglich ist, ob Frau P der Betreuung in einer Einrichtung des § 97 Abs. 4 BSHG bedurfte - sog. Heimbetreuungsbedürftigkeit - (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Dezember 1995 - 6S 1814/95 - FEVS
46, 296 unter Hinweis auf BayVGH, Urteil vom 20. September 1994 - 12 B 93.974 - sowie ThürOVG, Urteil vom 27. August 1996
- 2 KO 310/95 - ThürVBl 1997, 37 = FEVS 47, 398; LPK-BSHG, 5. Aufl., § 103 Rn. 2 f; Mergler/Zink, § 97 Rn. 27a, § 103 Rn. 24). Nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Feierabend- und Pflegeheime vom 1. März 1978 (DDR-GBl. I
Nr. 10 S. 125) und den dazu ergangenen Durchführungsbestimmungen waren diese Einrichtungen nicht nur Pflegeheime. Allerdings
würde angesichts des Alters von Frau P und der aus dem Jahre 1976 vorliegenden Unterlagen für den Betreuungsbedarf eine widerlegbare
Vermutung streiten (vgl. ThürOVG, Urteil vom 27. August 1996 - 2KO 310/95 - a.a.O.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24. September
1997 - ASS 259/96 - EuG 53, 51; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 1. Dezember 1995 - a.a.O.; Entscheidungen der Zentralen
Spruchstelle für Fürsorgeangelegenheiten vom 29. Juni 1995 - B 114/93 - EuG 50, 138 und vom 8. Oktober 1992 - B 20/91 - EuG 47, 235; Schellhorn, § 97 Rn. 55). Ferner ist auch nicht zu entscheiden, ob allein das Weiterleisten durch die nunmehr
unzuständige Behörde des Heimortes für das Entstehen des Kostenerstattungsanspruches des § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X ausreicht oder ergänzend erforderlich ist, dass das Landessozialamt bzw. der Kläger diese Hilfe in dem Bewusstsein gewährte,
hierfür örtlich nicht mehr zuständig zu sein, und ob dem nunmehr zuständigen Leistungsträger, hier dem Beklagten, bekannt
sein musste, dass er leistungspflichtig ist (vgl. dazu: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 12 A 11136/00 -, a.a.O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 16 A 30/01 -, a. a. O.).
Keiner Klärung bedürfen diese Fragen, weil ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch des Klägers nach § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X jedenfalls wegen der versäumten Ausschlussfrist des § 111 S. 1 SGB X (Jahresfrist) nicht mehr verfolgt werden kann.
Danach ist der "Anspruch auf Erstattung" ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate
nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht; die Frist beginnt frühestens mit Entstehung
des Anspruches (Satz 2).
§ 111 SGB X ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat - auf den Anspruch nach § 2 Abs. 3 S. 2 BSHG anzuwenden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 12 A 11136/00 - a. a. O.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 16 A 30/01 - a. a. O.; Hauck, Kommentar zum SGB X, Band 3, Stand: Januar 2000, K § 111 Rn. 12). Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm, der - ohne Einschränkung auf bestimmte Anspruchsgrundlagen oder
gar auf diejenigen des Zweiten Abschnitts des Dritten Kapitels - den "Anspruch auf Erstattung" ausschließt. Auch Sinn und
Zweck der Norm gebieten eine Anwendung auf alle Kostenerstattungsansprüche von Sozialhilfeträgern untereinander: Nach der
Regierungsbegründung zur Ausschlussfrist - BT-Drs. 9/95, S. 17 Nr. 2, S. 26 zu § 117 des Entwurfs (im geltenden Recht: § 111 SGB X) - soll mit dem Geltendmachen von Erstattungsansprüchen nicht unbegrenzte Zeit gewartet werden dürfen; die vorgesehenen Regelungen
§§ 113 bis 120 (im geltenden Recht: §§ 107 bis 114 SGB X) sollten danach alle Erstattungsansprüche - auch in den besonderen Teilen des SGB - erfassen.
Die gegenteilige Ansicht beruft sich auf den Wortlaut des § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X, wonach die Kosten "auf Anforderung" zu erstatten (vgl. Engelmann in: v. Wulffen, § 2 Rn. 14), mithin nicht - durch Anmeldung
- geltend zu machen sind, auf die systematische Stellung des § 111 SGB X im Zweiten Abschnitts des Dritten Kapitels und den Verweis auf § 102 Abs. 2 SGB X in Satz 3 des § 2 Abs. 3 SGB X.
Wortlaut und systematische Stellung sind indes nur durch die unterschiedlichen Zeitpunkte der Regelung bedingt und können
die gegenteilige Ansicht nicht stützen:
Wie bereits oben ausgeführt wurde, sind die §§ 102 ff. SGB X erst zum 1. Juli 1983 zwecks Vereinheitlichung der Kostenerstattungsansprüche in das SGB X eingefügt worden. § 2 Abs. 3 SGB X wurde nur an die Konzeption des Dritten Kapitels dergestalt angepasst, dass in Satz 3 auf § 102 Abs. 2 SGB X an Stelle des gleich lautenden §
43 Abs.
3 SGB I verwiesen wurde (vgl. Hauck, Band 1/2, K § 102 Rn. 4). Wegen der Verweisung in § 2 Abs. 3 S. 3 SGB X auf § 102 Abs. 2 SGB X hätte es zwar nahe gelegen, den fortgeltenden § 2 Abs. 3 SGB X vom Ersten Kapitel des SGB X ebenso in den Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels "Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander" zu übernehmen.
Daraus, dass insoweit nur auf § 102 Abs. 2 SGB X und nicht zugleich auf §§ 107 bis 114 SGB X verwiesen wurde, lässt sich aber nicht schließen, diese Normen seien für den Erstattungsanspruch nach § 2 Abs. 3 S. 2 SGB X nicht anwendbar. Denn der Verweis auf § 102 Abs. 2 SGB X an Stelle des wortgleichen § 43 Abs. 3 SGB X - der Umfang des Erstattungsanspruches richtet sich nach den für den vorleistenden Träger geltenden Vorschriften - bedeutet
nur eine Privilegierung gegenüber den anderen Regelungen zum Umfang des Anspruches in § 103 Abs. 2, 104 Abs. 3 und § 105 Abs. 2 SGB X, wonach sich der Umfang an den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Vorschriften orientiert (vgl. zum Ganzen: OVG
Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Oktober 2000 - 12 A 11136/00 - a. a. O.; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Dezember 2003 - 3 L 291/02 -).
Der Kläger hat seinen Anspruch auf Kostenerstattung nicht gemäß § 111 S. 1 SGB X a. F. fristgerecht, jedenfalls nicht binnen eines Jahres nach Ende des Leistungszeitraumes am 31. Dezember 1997 geltend gemacht
(§ 111 S. 1 SGB X a. F., in Kraft getreten durch das Gesetz vom 4. November 1982, a. a. O.). Die Frist begann für den strittigen Leistungszeitraum
nach § 26 SGB X i. V. m. §§
187 bis
193 BGB spätestens am 1. Januar 1998 und endete am 31. Dezember 1998. Eine Anmeldung erfolgte indessen erst Ende des Jahres 1999.
Die Fristversäumnis ist auch nicht etwa deshalb unschädlich, weil der Kläger aufgrund eines Rechtsirrtums meinte, keinen Kostenerstattungsanspruch
zu haben, und erst durch die Klärung durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 1998 - 5 C 30/97 - Anlass hatte, einen Kostenerstattungsanspruch geltend zu machen (vgl. LSG Niedersachsen, Urteil vom 20. April 1989 - L 6 U 304/88 - zitiert nach Juris; Hauck, Band 3, § 111 SGB X Rn. 10, m. w. N.). Das Entstehen eines Erstattungsanspruchs hängt nicht davon ab, dass dem erstattungsberechtigten Sozialleistungsträger
das Bestehen eines Erstattungsanspruchs oder der erstattungsverpflichtete Sozialleistungsträger bekannt war und ob er dies
feststellen oder prüfen konnte. Ist die Ausschlussfrist - wie hier - unter der Geltung der alten Fassung abgelaufen, beginnt
sie durch die Neufassung des Satzes 2 der Norm gemäß Art. 10 Nr. 8 des Gesetzes zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrechts
sowie zur Änderung anderer Vorschriften (4. Euro-Einführungsgesetz) vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) nicht erneut zu laufen (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2003 - 5 C 18/02 - FEVS 54, 495).
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger bzw. das Landessozialamt, die zuvor einen Kostenerstattungsanspruch
nach § 103 BSHG a. F. gehabt hätten, den sie nach § 111 SGB X ebenfalls hätte fristgerecht geltend machen müssen, durch die Gesetzesänderung in § 97 BSHG - gleichsam im Sinne einer allgemeinen Ausnahme - begünstigt werden sollten. Dies wäre aber der Fall, wenn nach der Gesetzesänderung
zeitlich unbegrenzt Erstattung auf Anforderung für Leistungszeiträume ab 1. Januar 1994 verlangt werden könnte.
Der Kläger hat als unterlegener Rechtsmittelführer die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen (§
154 Abs.
2 VwGO).
Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf §
188 S. 2
VwGO a. F. (vgl. §
194 Abs.
5 VwGO i. d. F. des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungs-prozess [RMBereinVpG] vom 20. Dezember 2001 [BGBl.
I S. 3987]).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §
167 VwGO i. V. m. §§
708 Nr. 10,
711 ZPO. Gründe, aus denen die Revision zuzulassen ist (§
132 Abs.
2 VwGO), bestehen nicht.