Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe in Form des ambulant betreuten Wohnens bei Überschneidungen mit dem Aufgabenbereich
eines gesetzlichen Betreuers; Begriff der betreuten Wohnmöglichkeit
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob bzw. in welchem Umfang dem Kläger gegenüber dem Beklagten für die Zeit von Oktober 2010 bis Juli
2011 Leistungen der Eingliederungshilfe (insbesondere) in Form des sog. ambulant betreuten Wohnens (Bewo) zustehen.
Der am 00.00.1987 geborene Kläger, der durchgehend im Raum C bzw. in L lebte, leidet unter einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung.
Sein Heranwachsen war begleitet von einem häufigen Wechsel der Bezugspersonen. Bereits im Jugendalter kam es zu delinquentem
Verhalten und Drogenmissbrauch (im Wesentlichen in Form von Cannabiskonsum). In den Jahren 2006/2007 unternahm er mehrere
Suizidversuche. Das Krankheitsbild ist geprägt einerseits von starken Stimmungsschwankungen sowie impulsivem und provozierendem
Verhalten, andererseits von einer gewissen Blockadehaltung dann, wenn von außen versucht wird, den Kläger zu Verhaltensänderungen
zu bewegen. Der Umgang mit Geld bereitet dem Kläger große Probleme; ihm zur freien Verfügung stehende finanzielle Mittel gibt
er nach dem Lustprinzip aus, ohne sich über die Folgen Gedanken zu machen. Ein Grad der Behinderung von 50 ist zuerkannt.
Im Oktober 2007 richtete das Amtsgericht C (5 XVII S 000/07) eine rechtliche Betreuung für den Kläger ein. Diese wird von einem Berufsbetreuer durchgeführt und erstreckt sich auf die
Bereiche alle Vermögensangelegenheiten, Postkontrolle, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden,
Gesundheitsfürsorge sowie in deren Rahmen die Aufenthaltsbestimmung". Im Juni 2008 ordnete das Betreuungsgericht zusätzlich
einen Einwilligungsvorbehalt für den Bereich Vermögensangelegenheiten an.
Nach der Trennung seiner von den Philippinen stammenden Mutter von seinem (an einer schweren Alkoholkrankheit leidenden) Vater
lebte der Kläger seit seinem siebten Lebensjahr zunächst bei seiner Mutter. Da diese im Schichtdienst arbeitete, war er parallel
in wechselnden Pflegefamilien untergebracht. Weder innerhalb noch außerhalb der Herkunftsamilie konnte man dem Kläger jedoch
erzieherisch gerecht werden, sodass er zu verwahrlosen drohte. Ab Februar 1996 wurde daher versucht, ihn in eine Kinderhausgruppe
zu integrieren, was allerdings misslang. Anschließend erfolgte bis Dezember 1999 eine schrittweise Rückführung in den Haushalt
der Mutter. Dort kam es im Laufe der Zeit wieder zu massiven Problemen, was die Unterbringung des Klägers in einer stationären
Jugendhilfeeinrichtung zur Folge hatte. Von April 2001 bis Januar 2004 lebte er in der Außenwohngruppe eines Kinderdorfes
in C. Auch dort gestaltete sich das Zusammenleben schwierig; die Verhaltensauffälligkeiten konnten trotz Einsatzes eines zusätzlichen
Einzelbetreuers nicht erfolgreich bearbeitet werden. Der Kläger entzog sich häufig dem Einfluss der Einrichtung und suchte
den regelmäßigen Kontakt zu seiner Mutter. Anschließend lebte er wechselnd teils bei Freunden, Bekannten oder seiner Mutter,
teils aber auch in Notunterkünften oder auf der Straße.
Seit 1993 besuchte der Kläger verschiedene Grundschulen. 1999 wechselte er an eine Hauptschule in C, die er vor Abschluss
des zweiten Halbjahres der Klasse 9 im Sommer 2002 verlassen musste. Ab Herbst 2002 schloss sich der Besuch einer Vorklasse
zum Berufsgrundschuljahr an. 2004 oder 2005 holte der Kläger in Eigenregie den Hauptschulabschluss nach. Eine Lehrstelle oder
eine feste Arbeit fand er in der Folgezeit nicht, sondern arbeitete in verschiedenen Aushilfsjobs, insbesondere auf dem Bau
und im Malerbereich. Im Februar 2010 meldete er sich bei der Tages- und Abendrealschule L an; wegen hoher Fehlzeiten und Unzuverlässigkeit
musste er die Schulausbildung im Herbst 2010 abbrechen. Nach Beginn der im vorliegenden Verfahren fraglichen Bewo-Maßnahme
meldete sich der Kläger erneut zur Nachholung des Realschulabschlusses bei einer L Abendrealschule an, die er etwa seit Februar
2011 besuchte. Auch dieser Versuch scheiterte jedoch; bereits im Mai 2011 war absehbar, dass er den Abschluss wegen hoher
Fehlzeiten nicht schaffen würde.
Das Jugendamt C gewährte dem Kläger zweimal Bewo-Leistungen als Hilfe für junge Volljährige (§ 41 KJHG i.V.m. § 35a SGB VIII). Der erste Leistungszeitraum begann am 02.01.2007 und umfasste fünf Fachleistungsstunden (FLS) pro Woche. Die Maßnahme brach
der Kläger nach etwa sechs Monaten ab. Auf Initiative des zwischenzeitlich für ihn bestellten Betreuers bewilligte die Stadt
C erneut Bewo-Leistungen als Hilfe für junge Volljährige in einem Umfang von vier FLS pro Woche, beginnend ab dem 14.12.2007.
Diese Leistungen wurden im Oktober 2008 eingestellt, weil der Kläger sich nicht kooperativ verhielt; er pflanzte Cannabis
an und trat gegenüber den Bewo-Mitarbeitern aggressiv auf.
Der Betreuer brachte den Kläger anschließend vorübergehend in einer Privatwohnung unter. Von dort zog der Kläger in eine Wohnung
in L, die er sich selber gesucht und zum 01.05.2010 von einem privaten Vermieter angemietet hatte. Die Kosten für diese etwa
36 m2 große Einzimmer-Wohnung beliefen sich einschließlich Heiz- und Nebenkostenvorauszahlung auf 280 EUR monatlich. Seinerzeit
hatte der Kläger eine Freundin, die allerdings nicht bei ihm wohnte, und zu der er vorwiegend nur an den Wochenenden Kontakt
hatte.
Am 06.10.2010 schloss der Kläger mit der Gesellschafterin G der Beigeladenen, die damals Bewo-Leistungen noch als Einzelperson
anbot, einen bis zum 05.10.2011 befristeten "Betreuungsvertrag". Zwischen Frau G und dem Beklagten bestand eine Leistungs-
und Prüfungsvereinbarung gemäß § 75 SGB XII nach Maßgabe des Rahmenvertrages NRW auf der Grundlage von § 79 SGB XII.
Ziffer 1 des Vertrages enthält unter der Überschrift "Ziel der Betreuung" folgende Regelung:
"Grundsätzliches Ziel des betreuten Wohnens ist es, jede(n) Betreute(n) bei seiner/ihrer Lebensbewältigung gemäß seiner/ihrer
Möglichkeiten zu unterstützen und zu fördern. Die Ausgestaltung der Betreuung erfolgt in beiderseitigem Einvernehmen und soll
den individuellen Bedürfnissen und Erfordernissen möglichst weitgehend Rechnung tragen."
Unter Ziffer 3 des Vertrages (Überschrift: "Grundsätzliche Betreuungsregelungen") findet sich folgender Passus:
"3.1) die Betreuung erfolgt durch unsere/n Mitarbeiter Fr./Hr. S. Bei Krankheit und Urlaub wird sie/er durch eine/n Kolleginnen
des betreuten Wohnens vertreten.
[ ...]
3.3) Damit die erbrachten Leistungen mit dem Leistungsträger abgerechnet werden können, verpflichtet sich Fr./Hr. T die von
uns erbrachten Leistungen zu quittieren.
3.4) Sofern sich durch wirtschaftliche Prüfung des Sozialhilfeträgers herausstellt, dass aufgrund des von Fr./Hr. T vorhandenen
Einkommens und/oder Vermögens eine Finanzierung der Betreuungsleistungen durch den Sozialhilfeträger nur teilweise oder gar
nicht übernommen wird, verpflichtet sich Fr./Hr. T hiermit, alle sich aus diesem Vertrag ergebenden finanziellen Verpflichtungen
unverzüglich aus eigenen Mitteln an uns zu leisten.
Sollte dieser Fall vorliegen, so wird Fr./Hr. T ein Sonderkündigungsrecht von 14 Tagen nach Bekanntwerden eingeräumt. Die
Kündigung bedarf der Schriftform.
Die Zahlungsverpflichtung aus eigenen Mitteln gilt auch, wenn aufgrund fehlender Mitwirkung (z.B. fehlender Quittierung) eine
Kostenübernahme durch den Kostenträger versagt wird."
Darüber hinausgehende Regelungen zur Vergütung bzw. zum Inhalt der Betreuungsleistungen enthält der Vertrag nicht.
Ab dem 06.10.2010 nahm der Zeuge S, der Sozialarbeiter ist, die Betreuung des Klägers auf. Bis zum 25.07.2011 wurden Betreuungsleistungen
von insgesamt 31,33 FLS erbracht. Hinsichtlich des Inhalts dieser Leistungen im Einzelnen wird auf die Verlaufsdokumentation
(Blatt 110 f. der Gerichtsakten) Bezug genommen. Unter Zugrundelegung der Vergütungsvereinbarung der Frau G mit dem Beklagten
ergab sich nach den Berechnungen der Beigeladenen eine Vergütungsforderung i.H.v. 1.894,84 EUR; diese ist nach wie vor nicht
beglichen.
Der vermögenslose Kläger verfügte in der Vergangenheit über Einkünfte durch Halbwaisenrente nach seinem 2005 verstorbenen
Vater (unter 120 EUR monatlich), Kindergeld (184 EUR monatlich) und (zeitweise) BAföG-Leistungen (302 EUR monatlich). Zur Deckung seines laufenden Lebensunterhalts bezog er zusätzlich für gewisse Zeiträume aufstockende
Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII bzw. nach dem SGB II.
Am 01.10.2010 zeigte Frau G dem Beklagten an, dass sie den Kläger ab dem 04.10.2010 betreue. In der Folgezeit übersandte sie
als Beleg für die Notwendigkeit von Bewo-Leistungen eine fachärztliche Stellungnahme des den Kläger behandelnden Psychiaters
und Psychotherapeuten Dr. I vom 01.12.2010, bei dem sich der Kläger einmalig in Behandlung befunden hatte, sowie einen Hilfeplan
vom 30.10.2010 für den Zeitraum vom 06.10.2010 bis 05.10.2011. In dem Hilfeplan waren 1,75 FLS pro Woche vorgesehen; hinsichtlich
der weiteren Einzelheiten wird auf den Hilfeplan (Blatt 9 bis 14 der Verwaltungsvorgänge des Beklagten) Bezug genommen.
Der medizinisch-psychosoziale Dienst (MPD) des Beklagten führte in einer fachlichen Stellungnahme vom 21.02.2011 aus, es sei
von einer wesentlichen seelischen Behinderung des Klägers auszugehen. Mit Blick auf den Hilfebedarf bleibe zu prüfen, welche
Aufgaben der gesetzliche Betreuer übernehmen könne, und welche Aufgaben nachrangig der Eingliederungshilfe zuzurechnen seien.
Zudem sollten die Möglichkeiten einer Anbindung an ein Sozialpsychiatrisches Zentrum (SPZ) sowie die Kontaktaufnahme zu einer
Drogenberatungsstelle geprüft werden.
Mit (an den Kläger gerichtetem) Bescheid vom 31.03.2011 lehnte der Beklagte die Gewährung von Bewo-Leistungen ab. Nach § 2 SGB XII erhalte Sozialhilfe nicht, wer die erforderlichen Leistungen vom Träger anderer Sozialleistungen oder von anderen Personen
bzw. Organisationen erhalten könne. Aus dem Hilfeplan vom 30.10.2010 ergebe sich kein Hilfebedarf, der nicht vorrangig von
anderen Leistungsträgern zu decken wäre. So sei seit Juli 2007 eine umfangreiche rechtliche Betreuung einschließlich eines
Einwilligungsvorbehalts für Vermögensangelegenheiten angeordnet. Der Aufgabenkreis der Gesundheitsfürsorge umfasse die Unterstützung
bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen einschließlich der ärztlichen Versorgung und Beratung. In den Aufgabenbereich
des Betreuers falle zudem die Unterstützung des Klägers im Umgang mit Ämtern und Behörden sowie die Regelung von Formalitäten
im Zusammenhang mit dem geplanten Schulbesuch. Wie im Hilfeplan beschrieben, nehme der Betreuer schließlich auch die Aufgabe
wahr, den Umgang des Klägers mit seinen finanziellen Mitteln zu verbessern, indem er ihm das Geld einteile. Sinnvoll wäre
zudem eine Anbindung an ein SPZ und eine Kontaktaufnahme zu einer Drogenberatungsstelle.
Dagegen wandte der Kläger im Widerspruchsverfahren ein, sein Eingliederungshilfebedarf sei durch die sachverständige Hilfeplankonferenz
festgestellt. Die gesetzliche Betreuung diene dem Rechtsverkehr, nicht der Eingliederung. Hilfen des betreuten Wohnens würden
auch nach dem Willen des Gesetzgebers nicht durch eine gesetzliche Betreuung abgedeckt.
Nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter wies der Beklagte den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.07.2011).
Zur Begründung führte er ergänzend aus, der im Hilfeplan genannte Bedarf an Sichtung der Post und deren Bearbeitung, die Begleitung
zu Behördenterminen, die Erstellung eines Haushaltsplanes sowie Gespräche über das Konsumverhalten würden bereits durch die
rechtliche Betreuung abgedeckt. Einer Aufstellung eines Reinigungsplanes, Anleitung bei der Reinigung der Wohnung sowie Motivation
des Klägers zur Reinigung und Überprüfung des Zustandes der Wohnung bedürfe es nicht; aus dem Hilfeplan gehe hervor, dass
es der Kläger im Großen und Ganzen allein schaffe, in seiner Wohnung Ordnung zu halten. Zum selbständigen Wohnen sei es nicht
nötig, dass sich die Wohnung immer in einem makellosen Zustand befinde, zumal jeder das Ausmaß von Sauberkeit und Ordnung
unterschiedlich definiere. Durch Unsauberkeit und Unordnung werde selbständiges Wohnen erst dann gefährdet, wenn die Wohnung
zu vermüllen drohe; davon sei im Hilfeplan jedoch nicht die Rede. Ein Motivationsbedarf zum regelmäßigen Schulbesuch oder
eine Unterstützung bei den mit dem Schulbesuch verbundenen Formalitäten sei nicht erkennbar. Denn dem Kläger sei es schon
in der Vergangenheit bei der Nachholung des Hauptschulabschlusses gelungen, die Formalitäten in Eigenregie zu bewältigen und
selbständig eine Schule zu besuchen. Nach seinen eigenen Angaben scheitere der Schulbesuch auch nicht an mangelnder Motivation,
sondern daran, dass ihm von einem Bekannten aufgelauert werde, der ihn verprügeln wolle. Der unregelmäßige Schulbesuch sei
demnach nicht auf die (seelische) Behinderung, sondern auf die Bedrohung durch Dritte zurückzuführen.
Am 13.08.2011 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Der Hilfebedarf sei durch die fachärztliche Stellungnahme
des Dr. I, den Hilfeplan und ein im Betreuungsverfahren erstelltes Gutachten des Psychiaters Dr. P vom 20.09.2007 erwiesen.
Dieser Bedarf sei nicht durch seinen Betreuer zu decken. Der Betreuer könne weder zur Unterstützung bei der Führung des Haushalts
noch im Bereich der sozialen Lebensführung herangezogen werden. Dabei sei der Hilfebedarf des Klägers wegen seines Alters
und der Art seiner seelischen Behinderung gerade auf diesem Gebiet besonders umfangreich. Hinsichtlich einer therapeutischen
Anbindung habe er sich zwar unsicher gezeigt, diese aber mehrfach gewünscht. Aufgabe der Eingliederungshilfe sei es in solchen
Fällen, den Betroffenen zu motivieren, sich psychiatrisch behandeln zu lassen, um eine Verbesserung des Erkrankungsbildes
und somit eine größere Selbständigkeit bzw. Handlungsfähigkeit zu erlangen. Eine bloße Weiterleitung der Post an den Betreuer
sei der Verselbständigung des Klägers nicht dienlich. Motivation und Anleitung zum Aufräumen und Säubern der Wohnung sei selbstverständlich
erforderlich gewesen, um zu verhindern, dass diese in einen desolaten Zustand geriet. Wenn es erkrankungsbedingt Phasen gegeben
habe, in denen der Kläger die Schule vernachlässigt habe, so habe dies durch Motivation und Unterstützung aufgefangen werden
müssen. Bei seinem Behinderungsbild seien Schwankungen in sämtlichen Lebensbereichen üblich.
Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 zu verurteilen,
dem Kläger vom 06.10.2010 bis zum 25.07.2011 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten von insgesamt
31,33 FLS im Rahmen des betreuten Wohnens zu gewähren.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Einer Motivation zu einer psychiatrischen Behandlung habe es nicht bedurft, weil der Kläger - was zu respektieren sei - eine
solche nicht gewünscht habe. Nach dem Hilfeplan sei er motiviert gewesen, die Realschule zu besuchen. Wenn er sie anschließend
nur unregelmäßig besucht habe, so sei daraus zu folgern, dass er seinen Entschluss geändert habe und ihm ein weiterer Schulabschluss
offenbar nicht mehr wichtig gewesen sei. Sein Bedarf an Gesprächen über den Umgang mit Geld habe vorrangig durch Gespräche
mit seinem rechtlichen Betreuer gedeckt werden können.
In einem Erörterungstermin vom 29.06.2012 hat das Sozialgericht den für den Kläger im Rahmen des Bewo tätig gewordenen Sozialarbeiter
S als Zeugen vernommen und den gesetzlichen Betreuer des Klägers zu dessen damaligen Lebensumständen befragt. Wegen der Einzelheiten
wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 03.05.2013 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen
verurteilt, dem Kläger für den fraglichen Zeitraum Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Übernahme der Kosten für
insgesamt 24,33 FLS im Rahmen des Bewo zu gewähren, und der Beklagten vier Fünftel der außergerichtlichen Kosten des Klägers
auferlegt. Der Kläger leide unstreitig unter einer wesentlichen (seelischen) Behinderung. Seinem Anspruch auf Gewährung von
Hilfe zum selbstbestimmten Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten nach §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX stehe die eingerichtete rechtliche Betreuung nicht entgegen. Betreuung und Bewo-Leistungen folgten unterschiedlichen Zielsetzungen.
Der Betreuer sei im Rahmen seines Aufgabenkreises (nur) der gesetzliche Vertreter des Betreuten. Dabei habe er zwar den Wünschen
des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderlaufe (§
1901 BGB). Motivationsgespräche, die Anleitung zu selbständigem Handeln, das Aufstellen von Reinigungsplänen u.ä. gehörten allerdings
nicht zum Aufgabenbereich eines Betreuers. Der neben der rechtlichen Betreuung bestehende und durch sie nicht zu deckende
Bedarf des Klägers sei vom Zeugen S anschaulich erläutert worden. Dass dieser Bedarf etwa durch Anbindung an ein SPZ und/oder
eine Drogenberatungsstelle hätte gedeckt werden können, sei nicht ersichtlich. Die dem Kläger durch den Zeugen zuteil gewordene
Unterstützung stelle sich auch inhaltlich überwiegend nicht als rechtliche Betreuung, sondern als Bewo-Leistung dar. Allerdings
gehöre zum Aufgabenbereich des Betreuers angesichts seiner Befugnis zum Empfang der Post deren Bearbeitung mit dem Kläger;
die hierauf vom Zeugen verwandte Zeit habe der Beklagte nicht zu vergüten. Dabei sei es - abweichend von den Angaben des Zeugen
im Termin am 29.06.2012 - sachgerecht, den zeitlichen Aufwand für die Bearbeitung von Post mit wöchentlich zehn Minuten anzusetzen.
In dem streitigen Zeitraum von rund 42 Wochen seien damit insgesamt sieben von 31,33 erbrachten FLS nicht vom Beklagten zu
vergüten.
Gegen das ihm am 28.05.2013 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 11.06.2013 Berufung eingelegt. Das Sozialgericht habe sich
nicht mit dem Einwand auseinandergesetzt, dass der Bedarf vorrangig durch eine Anbindung an ein SPZ und/oder eine Drogenberatungsstelle
hätte gedeckt werden können. Auch wenn der Kläger im Hilfeplan das Ziel benannt habe, sich wieder in eine regelmäßige psychiatrische
Behandlung begeben zu wollen, rechtfertige dies keinesfalls den Ansatz von (wöchentlich) 25 Betreuungsminuten. Im Übrigen
habe die Vernehmung des Zeugen S ergeben, dass es lediglich zu zwei Besuchen bei einem Psychiater gekommen sei. Dem könne
entnommen werden, dass der Kläger letztlich keine psychiatrische Behandlung habe durchführen wollen. Selbst wenn er diese
doch gewünscht hätte, wäre hierfür eine Anbindung an ein SPZ ausgereichend gewesen; von dort hätte dann auch Hilfestellung
bei der Suche nach einem geeigneten Psychiater geleistet werden können.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 03.05.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Anbindung an ein SPZ oder an eine Drogenberatungsstelle wäre im streitigen Zeitraum nicht förderlich gewesen. Neben dem
Chaos in seiner Wohnung habe es auch Probleme mit dem Vermieter gegeben, der ihn aus der Wohnung habe weisen wollen.
Die mit Beschluss des Senats vom 10.07.2014 zum Verfahren hinzugezogene Beigeladene äußert sich inhaltlich nicht zum Verfahren
und stellt auch keinen Antrag.
Der Senat hat Befundberichte bei dem den Kläger behandelnden Allgemeinmediziner I1 sowie bei Dr. I eingeholt. Herr I1 hat
im Wesentlichen mitgeteilt, ihm sei eine langjährige psychische Instabilität des Klägers bekannt; er habe ihn jedoch ausschließlich
wegen somatischer Beschwerden behandelt. Dr. I hat ausgeführt, bei einer "Borderline-Persönlichkeitsstörung" sei von einer
lang anhaltenden Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit auszugehen. Den Cannabiskonsum des Klägers schätze er eher als
sekundär ein. Eine alleinige Anbindung an eine Drogenberatungsstelle wäre nicht ausreichend gewesen. Das Bewo sei gerade für
junge Patienten eine sehr wirksame und sinnvolle Hilfe. Eine Empfehlung zum zeitlichen Umfang von Bewo-Maßnahmen hat Dr. I
nicht abgegeben.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Akten
(Verwaltungsvorgänge des Beklagten, Verwaltungsvorgänge der Stadt C, Auszüge aus der Betreuungsakte des Amtsgerichts C - 5
XVII S 000/07 [= Amtsgericht L - 53 XVII Sch 000]), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
I. Führt einzig der Beklagte Berufung, ist Gegenstand der zweitinstanzlichen Prüfung allein, ob ihn das Sozialgericht zu Recht
verurteilt hat, Kosten für 24,33 FLS im Bewo des Klägers zu tragen. Ob der Kläger für den betroffenen Zeitraum vom 06.10.2010
bis zum 25.07.2011 - entsprechend seinem erstinstanzlichen Antrag - darüber hinaus einen für sieben weitere FLS höheren Anspruch
gehabt hat, hat der Senat mangels klägerseitiger Berufung nicht zu beurteilen.
II. Die nach §
144 Abs.
1 S. 1 Nr.
1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Denn die Klage ist zulässig (dazu 1.) und
(jedenfalls) in dem vom Sozialgericht ausgesprochenen Umfang begründet (dazu 2.).
1. Die Klage gegen den Bescheid vom 21.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2011 (§
95 SGG) ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§§
54 Abs.
1 S. 1, Abs.
5; 56
SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Forderung der Beigeladenen für die von ihr erbrachten FLS ist nach wie vor nicht
beglichen. Ausgehend vom sog. sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsempfänger, Leistungserbringer und
Sozialhilfeträger (vgl. dazu näher etwa BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 Rn. 12) geht es deshalb nicht um eine Kostenerstattung an den Kläger (im Sinne einer
Geldleistung des Sozialhilfeträgers an den Leistungsempfänger), sondern um einen Schuldbeitritt des Beklagten (Sozialhilfeträger)
zu einer Zahlungsverpflichtung, welche der Kläger (Leistungsempfänger) gegenüber der Beigeladenen (Leistungserbringer) hat.
In diesem Dreiecksverhältnis war die Beigeladene nach §
75 Abs.
2, 1. Var.
SGG notwendig beizuladen (vgl. dazu Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 75 Rn. 54, 193 m.w.N.; BSG, Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 Rn. 13). Andere natürliche oder juristische Personen waren nicht zu dem Verfahren hinzuzuziehen.
Insbesondere kam eine Beiladung des Trägers der Jugendhilfe nicht in Betracht. Zwar kann der Jugendhilfeträger nach den §§
41, 35a SGB VIII ebenso wie der Beklagte zur Eingliederungshilfe und somit auch zu Leistungen des Bewo verpflichtet sein; seine sachliche
Zuständigkeit endet jedoch grundsätzlich mit der Vollendung des 21. Lebensjahres der leistungsberechtigten Person (§ 41 Abs. 1 S. 2 SGB VIII). Der Kläger war zu Beginn des hier fraglichen Zeitraumes am 06.10.2010 jedoch bereits 23 Jahre alt.
2. Die Klage ist (jedenfalls) in dem hier zur Prüfung gestellten Umfang (s.o. I.) begründet. Die angefochtenen Bescheide sind
zwar formell (dazu a und b), nicht jedoch materiell (dazu c) rechtmäßig. Der Kläger ist damit beschwert im Sinne von §
54 Abs.
2 S. 1
SGG. Er hat (zumindest) im Umfang von 24,33 FLS Anspruch auf Leistungen des Bewo (dazu d); dies führt zur vollständigen Zurückweisung
der Berufung des Beklagten.
a) Der Beklagte ist als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (vgl. § 1 Abs. 1 AG-SGB XII NRW) der sachlich und örtlich zuständige Leistungsträger.
Seine sachliche Zuständigkeit beruht auf § 97 Abs. 2 S. 1 SGB XII, § 2 Abs. 1 lit. a AG-SGB XII NRW und § 2 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 AV-SGB XII. Danach ist für alle Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII für behinderte Menschen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, außerhalb einer teilstationären oder stationären Einrichtung,
die mit dem Ziel geleistet werden sollen, selbstständiges Wohnen zu ermöglichen oder zu sichern, der überörtliche Träger der
Sozialhilfe zuständig. Neben den Leistungen nach §§ 53, 54 SGB XII umfasst die Zuständigkeit insbesondere auch die Hilfen nach §
55 Abs.
2 Nr.
3 bis 7
SGB IX und andere im Einzelfall notwendige Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII, ohne die ein selbstständiges Wohnen nicht erreicht oder gesichert werden kann; die Zuständigkeit des überörtlichen Trägers
erstreckt sich in diesen Fällen auch auf die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII.
Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten folgt aus § 98 Abs. 5 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII (vgl. dazu Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 98 Rn. 51 und 56). Der Kläger hat sich zeitlebens in C bzw. L und damit im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten (vgl.
dazu § 1 Abs. 1 der Hauptsatzung des Beklagten vom 07.09.2005) tatsächlich aufgehalten.
b) Sozial erfahrene Dritte sind nach § 116a Abs. 2 SGB XII vor Erlass des Widerspruchsbescheides beteiligt worden.
c) Der Leistungsanspruch des Klägers ergibt sich "dem Grunde nach" (im Wesentlichen) aus § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII, §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX; z.T. möglicherweise (was der Senat offen lassen kann; dazu d) zudem aus § 19 Abs. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 S. 1 und 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV.
aa) Ein Leistungsanspruch scheidet nicht schon deshalb aus, weil bereits keine Schuld des Klägers gegenüber der Beigeladenen
bestünde, welcher der Beklagte beitreten könnte.
Innerhalb des sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses bedarf es für die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zum Schuldbeitritt
(welche vorliegend allein im Streit steht; s.o. II.1.) allerdings notwendigerweise des Bestehens einer Schuld im sog. Erfüllungsverhältnis
zwischen Leistungsberechtigtem (Kläger) und Leistungserbringer (Beigeladene); ein Schuldbeitritt ist ohne das Bestehen einer
Schuld nicht denkbar (vgl. dazu Eicher in SGb 2013, 127 ff., 128; Jaritz/Eicher in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 75 Rn. 34, 193 m.w.N.). Eine solche Schuld des Klägers begründet der von ihm mit der Beigeladenen geschlossene Betreuungsvertrag
vom 06.10.2010. Aus ihm geht hinreichend deutlich eine (zivil-) rechtliche Zahlungsverpflichtung des Klägers im Erfüllungsverhältnis
hervor.
Zwar enthält dieser Vertrag keine eindeutig formulierte Regelung zu einer vorrangingen Vergütungspflicht des Klägers für die
von der Beigeladenen zu erbringenden Bewo-Leistungen. In Ziff. 3.3) scheinen die Vertragsparteien mit dem Abstellen auf eine
Abrechnung mit dem Leistungsträger vielmehr von einer regelhaften Vergütungszahlung durch den Beklagten auszugehen. Dass dem
Vertrag gleichwohl die Vorstellung einer schuldrechtlichen Verpflichtung des Klägers zur Entrichtung der Vergütung zugrunde
liegt, ergibt sich aus Ziff. 3.4). Denn die dort vereinbarte Zahlungspflicht des Klägers für den Fall, dass (abweichend vom
ersichtlich angenommenen Regelfall) wegen einsatzpflichtigen Einkommens oder Vermögens des Klägers eine Leistungspflicht des
Sozialhilfeträgers ganz oder teilweise nicht bestehen sollte, erscheint nur sinnvoll, wenn sie von einer grundsätzlichen (zivilrechtlichen)
Einstandspflicht des Klägers für die Vergütung der von der Beigeladenen erbrachten Leistungen ausgeht. Letztlich stimmt diese
dem Vertrag zugrundeliegende Vorstellung der Vertragsparteien überein mit der rechtsdogmatischen Erfassung der Leistungsbeziehungen
zwischen Leistungsempfänger, Leistungserbringer und (ggf.) Sozialhilfeträger durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts
zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis. Ob sich diese Lesart derartiger Verträge - bei vom vorliegenden Fall abweichender
Vertragsgestaltung - auch aus einer öffentlich-rechtlichen Überlagerung zivilrechtlicher Vereinbarungen zwischen Hilfeempfängern
und Leistungserbringern durch die Normverträge nach § 75 SGB XII (vgl. dazu Eicher a.a.O., sowie Eicher/Jaritz a.a.O. Rn. 34) herleiten lässt, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner
Entscheidung.
bb) Auch an den wirtschaftlichen Voraussetzungen scheitert ein Anspruch des Klägers auf Eingliederungshilfe in Form von Leistungen
für Bewo nicht. Von Belang sind allein etwaiges anspruchsschädliches Einkommen oder Vermögen des Klägers selbst; denn er war
im streitigen Zeitraum bereits volljährig und lebte allein in der von ihm angemieteten Wohnung (vgl. § 19 Abs. 3 SGB XII). Die Kontakte zu seiner damaligen Freundin beschränkten sich auf Wochenendbesuche. Greifbare Anhaltspunkte liegen weder
für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft noch einer Einstandsgemeinschaft mit seiner Mutter vor.
Über einsatzpflichtiges Einkommen oder Vermögen verfügte der Kläger im maßgeblichen Zeitraum von Oktober 2010 bis Juli 2011
nicht. Stimmen die Beteiligten hierin ohnehin überein, so ergibt sich dies auch aus den aktenkundigen Angaben des Betreuers,
die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch einmal bestätigt hat, und die angesichts der Lebensumstände des Klägers
nachvollziehbar und glaubhaft sind. Dessen Einkünfte aus Halbwaisenrente (unter 120 EUR monatlich), zeitweisen BAföG-Leistungen (302 EUR monatlich) und Kindergeld (184 EUR monatlich) erreichten auch in der Summe keinen Betrag, der es dem
Kläger ermöglicht hätte, sein Existenzminimum sicherzustellen, geschweige denn, sich (nach Maßgabe von §§ 82 ff. SGB XII) an den Kosten für die streitbefangenen Leistungen nach dem Sechsten Kapitel SGB XII zu beteiligen.
cc) Die persönlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift werden Leistungen der Eingliederungshilfe - ohne dass insoweit ein Ermessen des Leistungsträgers
bestünde - (nur) an Personen erbracht, die durch eine Behinderung im Sinne des §
2 Abs.
1 S. 1
SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung
bedroht sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht
besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach § 3 EinglHV sind seelische Störungen, die eine wesentliche Einschränkung der Teilhabefähigkeit in diesem Sinne zur Folge haben können,
u.a. Suchtkrankheiten (Nr. 3) und Persönlichkeitsstörungen (Nr. 4).
Der Kläger weist eine wesentliche (seelische) Behinderung i.S.v. § 53 Abs. 1 S. 1 SGB XII auf. Denn er leidet unter einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung und erfüllt damit zumindest die Voraussetzungen
des § 3 Nr. 4 EinglHV. Ob eine Behinderung wesentlich ist, ergibt sich aus einer wertenden Betrachtung des Einzelfalles, ausgerichtet an den Auswirkungen
der Behinderung auf die Teilhabemöglichkeiten (vgl. dazu BSG, Urteil vom 15.11.2012 - B 8 SO 10/11 R Rn. 14 m.w.N.). Insbesondere aus einem Gutachten des S Kreises vom 13.07.2009 und
der fachlichen Stellungnahme des MPD des Beklagten vom 21.11.2011 lässt sich entnehmen, dass es dem Kläger aufgrund seiner
Persönlichkeitsstörung nachhaltig u.a. an Planungsfähigkeit sowie Durchhaltevermögen mangelte, und dass er sich bei gleichzeitiger
Externalisierung von Verantwortlichkeit häufig selbst überschätzte. Dies beeinträchtigte nicht allein massiv seine soziale
Eingliederung im Allgemeinen, sondern auch seine Fähigkeit, sich eigenständig im häuslichen Bereich zurechtzufinden. Seine
erheblichen Schwierigkeiten, sich in ein geeignetes Wohnumfeld zu integrieren oder integrieren zu lassen, ziehen sich im Grunde
seit seiner Kindheit durch seinen gesamten Lebenslauf. Die wesentliche Behinderung des Klägers ist zwischen den Beteiligten
auch nicht umstritten.
dd) Die Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX sind ebenfalls erfüllt.
(1) Das Gesetz selbst benennt insoweit kaum konkretere Vorgaben. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB XII - der im Vergleich zu der bis zum 30.06.2011 geltenden Vorläuferregelung (§ 19 EinglHV) zwar eine eindeutige Rechtsgrundlage für Hilfen zur Verselbständigung in betreuten Wohnmöglichkeiten liefern soll (vgl.
BT-Drs. 14/5074 S. 111), ohne dass jedoch diese gesetzgeberische Absicht die Auslegung der Vorschrift weiter befördern kann
- benennt die "Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten" als Beispiel für die ansonsten ihrer Art nach
offenen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§
55 Abs.
1 SGB IX). Der Begriff der (ambulant) betreuten Wohnmöglichkeiten findet sich sonst nur in der Zuständigkeitsregelung des § 98 Abs. 5 S. 1 SGB XII. Auch an dieser Stelle gibt das Gesetz jedoch nichts zur Präzisierung des Begriffs her (vgl. dazu auch ausführlich Dannat/Dillmann,
br 2012, 1 ff., 2). Sicher erscheint allerdings, dass der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten in § 98 Abs. 5 SGB XII einerseits und in §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX andererseits inhaltlich identisch ist (vgl. BT.-Drs. 15/1514 S. 67 zu § 98 Abs. 5 SGB XII). Dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB XII "zu selbstbestimmtem" und "Wohnmöglichkeiten" lässt sich deshalb lediglich als Anhaltspunkt im Sinne einer Mindestvoraussetzung
entnehmen, dass Leistungen des Bewo stets wohnungsbezogen sein und sich final ("zu") darauf richten müssen, ein selbstbestimmtes
Leben in einer solchen Wohnmöglichkeit zu führen (vgl. dazu auch §
4 Abs.
1 Nr.
4 SGB IX). Aus §
55 Abs.
1 SGB IX ergibt sich ferner, dass die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Allgemeinen nicht in Betracht kommen,
sofern sie bereits nach dem Vierten bis Sechsten Kapitel
SGB IX zu erbringen sind; ebenso wie nach § 2 SGB XII sind insofern bei der Frage, was Leistungen für betreuten Wohnmöglichkeiten sind, Subsidiaritätsgesichtspunkte zu beachten.
(2) Die bisher - im Wesentlichen zu § 98 Abs. 5 SGB XII - vorliegende Rechtsprechung (insbesondere des BSG; vgl. Urteil vom 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R Rn. 15 f., bestätigt durch Urteil vom 25.04.2013 - B 8 SO 16/11 R Rn. 17) gibt
zwar Anhaltspunkte für eine inhaltliche Konkretisierung des Bewo; unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen ein Anspruch
auf Bewo-Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe besteht, legt sie jedoch nicht umfassend dar:
(a) Das Urteil des BSG vom 25.08.2011 (a.a.O. Rn. 15, unter Hinweis auf LSG NRW, Urteil vom 17.06.2010 - L 9 SO 15/09 sowie OVG Bremen, Beschluss
vom 26.06.2006 - S 3 B 188/06) führt zum Begriff des Bewo im Sinne von §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX (lediglich) konkretisierend aus, es komme nicht darauf an, ob die betreffende Wohnung/Wohnmöglichkeit nur gekoppelt mit der
Betreuungsleistung zur Verfügung gestellt werde. Der Begriff der betreuten Wohnmöglichkeiten werde im Gesetz nicht näher definiert,
habe sich allerdings über den Verweis in § 54 Abs. 1 SGB XII an §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX zu orientieren. Die Eingrenzung der von dieser Leistungsform umfassten Hilfen habe deshalb in erster Linie anhand des Hilfezwecks
zu erfolgen. Sinn der Betreuungsleistungen beim Bewo sei aber nicht die gegenständliche Zurverfügungstellung der Wohnung,
sondern (nur) die Förderung der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung bei Erledigung der alltäglichen Angelegenheiten im
eigenen Wohn- und Lebensbereich in Form einer kontinuierlichen Betreuung. Der Art nach dürfe es sich bei der Betreuung aber
nicht um eine vorwiegend medizinische oder pflegerische Betreuung handeln; Hauptzielrichtung müsse die Teilhabe am Leben in
der Gemeinschaft sein. Die von §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX erfassten Leistungen seien ihrer Art nach äußerst vielfältig und erfassten unterschiedlichste Betreuungsleistungen sowohl
in der eigenen Wohnung, in Wohngruppen oder in Wohngemeinschaften. Hilfen in betreuten Wohnmöglichkeiten auf solche Wohnformen
zu begrenzen, bei denen Betreuung und Wohnen institutionell verknüpft seien, wäre mit dem Regelungszweck des §
55 SGB IX unvereinbar.
(b) Nach dem Urteil des LSG NRW vom 17.06.2010 - L 9 SO 15/09 (Rn. 31 bis 33 m.w.N.) steht der Gewährung von Bewo-Leistungen
nicht entgegen, wenn der Leistungsberechtigte die Wohnung, in der bzw. für die die Betreuungsleistungen erbracht werden sollen,
selber anmietet, ohne dass dies mit der Betreuungsleistung verknüpft ist. Beim Bewo sei weniger auf die Wohnform abzustellen
als auf Art und Zielsetzung der Betreuungsleistungen. Allerdings handele es sich nur dann um Bewo, wenn fachlich geschulte
Personen Betreuungsleistungen erbringen, die darauf gerichtet sind, dem Leistungsberechtigten Fähigkeiten und Kenntnisse zum
selbstbestimmten Leben zu vermitteln. Dabei dürfe es sich nicht um sporadische, situativ bedingte Betreuungsleistungen handeln;
diese müssten vielmehr regelmäßig erbracht werden und in eine Gesamtkonzeption eingebunden sein, welche auf die Verwirklichung
einer möglichst selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung ausgerichtet sein müsse. Die möglichen Hilfeleistungen
umfassten insbesondere die Vermittlung von Fähigkeiten, sich selbstständig in der Wohnung zurechtzufinden, die Wohnung eigenverantwortlich
sauber zu halten, den sozialen Umgang mit den Mitbewohnern und anderen Mietern im Haus zu erlernen, eigene Interessen zu artikulieren
und adäquat zu vertreten. Auch eine Begleitung in die nähere Umgebung zu Einkäufen, notwendigen Arztbesuchen oder in der Nähe
wohnenden Familienangehörigen könne der Hilfe nach §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX zugeordnet werden, wenn sie das Ziel verfolge, die leistungsberechtigte Person so an ihre Umgebung zu gewöhnen, dass sie
sich nach einer Orientierungs- und Trainingsphase möglichst selbstständig inner- und außerhalb der Wohnung bewegen könne.
(c) Der Senat schließt sich den vorgenannten Entscheidungen dahingehend an, dass Bewo-Leistungen nicht nur dann erbracht werden
können, wenn eine institutionelle Verknüpfung von Betreuung und Wohnen vorliegt (eine ältere gegenteilige Auffassung des LSG
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.06.2007 - L 13 SO 5/07 ER, des SG Oldenburg, Beschluss vom 19.12.2005 - S 2 SO 256/06
ER sowie des SG Stade, Urteile vom 21.12.2009 - S 33 SO 16/07 und S 33 SO 18/07 dürfte sich durch das Urteil des BSG vom 25.08.2011 - B 8 SO 7/10 R Rn. 15 f. überholt haben). Allerdings müssen die fraglichen Leistungen final auf die Selbstständigkeit
"beim Wohnen" und im Wohnumfeld ausgerichtet sein sowie eine gewisse Kontinuität aufweisen. Insofern besteht auch keine Differenz
zur zu dieser Frage vorliegenden Literatur (vgl. z.B. Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 98 Rn. 52 bis 54, oder Dannat/Dillmann, br 2012, S. 1 ff.). Ob die Leistungen (mit dem LSG NRW a.a.O.) allein von fachlich geschultem Personal erbracht werden können und in ein
Gesamtkonzept eingebunden sein müssen, oder ob hiervon je nach den Notwendigkeiten des Einzelfalls Ausnahmen möglich sind,
kann der Senat im vorliegenden Zusammenhang offen lassen; denn der für die Beigeladene tätig gewordene Zeuge S besaß als Sozialarbeiter
eine einschlägige fachliche Qualifikation; außerdem bestand ausweislich des Hilfeplans vom 30.12.2010 ein mit dem Betreuer
des Klägers abgestimmtes Gesamtkonzept zu dessen Unterstützung.
Davon ausgehend steht dem Leistungsanspruch des Klägers nicht entgegen, dass er im fraglichen Zeitraum in einer selbst angemieteten
Wohnung gewohnt hat und die Leistungen vom Zeugen S unabhängig von der Anmietung der Wohnung erbracht wurden. Ferner waren
die Leistungen auf gewisse Dauer, also auf Kontinuität angelegt und auch - zumindest teilweise unstreitig - auf das Ziel eines
selbständigen Wohnens des Klägers bezogen. Eine solche Finalität der Leistungen lässt sich jedenfalls Ziffer 1 des Betreuungsvertrages
vom 06.11.2010 entnehmen.
(3) Fehlen konkretere gesetzliche Vorgaben für die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Bewo-Leistungen im Einzelnen, so hat
sich dessen weitere Prüfung am individuellen, personenzentrierten Begriff der Eingliederungshilfe und damit an den sich daraus
ergebenden konkreten Anforderungen zu orientieren. Diese hat das BSG (insbesondere in den Urteilen vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R und vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R) anknüpfend an die Vorschriften
der §§ 9 Abs. 2, 53 Abs. 3 S. 2 und Abs. 2 S. 1, 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. §§
4 Abs.
1 und
55 Abs.
1 SGB IX entwickelt (vgl. dazu ausführlich Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 50 ff.). Zwar sind diese
Entscheidungen zur KFZ-Hilfe (im Rahmen von § 8 Abs. 1 EinglHV und § 9 Abs. 1 Nr. 11 EinglHV) ergangen; gleichwohl legen sie ausdrücklich Prüfungsschritte für jegliche Maßnahme der Eingliederungshilfe dar (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 14; im Übrigen hat das BSG selbst auf sein Urteil vom 20.09.2012 - B 8 SO 15/11 Rn.14 Bezug genommen, in dem es jedoch um eine Leistung der Eingliederungshilfe
nach §
55 Abs.
2 Nr.
5 SGB IX ging).
Ausgehend von einem individuellen und personenzentrierten Begriff der Eingliederungshilfe ist im Rahmen einer Prognose zu
fragen, welche Eingliederungsziele mit der begehrten Maßnahme verfolgt werden - dazu (a) -, ob die Maßnahme für die Verfolgung
dieser Ziele geeignet - dazu (b) - und ob sie erforderlich ist - dazu (c) - (vgl. dazu bereits ausführlich Urteil des erkennenden
Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 54 ff.).
(a) Die für den Kläger vorgesehenen Maßnahmen waren ausweislich des Hilfeplanes vom 30.12.2010 und nach Ziff. 1 des Betreuungsvertrages
vom 06.10.2010 - jedenfalls im Wesentlichen - auf das Ziel einer selbständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung in
einem eigenen Haushalt gerichtet. Ausgehend von der insoweit maßgeblichen Vergleichsgruppe nicht behinderter, nicht sozialhilfebedürftiger
Personen gleichen Alters (vgl. dazu näher Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 53 und 57 m.w.N.)
ist dies (auch unter Berücksichtigung von § 9 Abs. 2 SGB XII) ein angemessenes Eingliederungshilfeziel. Denn nicht behinderte und nicht auf existenzsichernde Leistungen angewiesene 23-jährige
Erwachsene führen, sofern sie nicht mehr im Elternhaus leben, üblicherweise ein selbständiges Leben in einem eigenen Haushalt.
Die Altersgrenze von 25 Jahren in § 22 Abs. 5 SGB II steht dem nicht entgegen; denn bei den dort erfassten jungen Leistungsberechtigten nach dem SGB II geht es nicht um die hier maßgebende Vergleichsgruppe. Ohnehin war für den Kläger angesichts seiner problematischen Beziehung
zur Mutter und die in der Vergangenheit gescheiterten Unterbringungen in anderen betreuten Wohnformen im hier fraglichen Zeitraum
keine geeignete Unterkunftsalternative erkennbar (vgl. dazu auch § 22 Abs. 5 S. 2 SGB II).
(b) Die vom Zeugen S für den Kläger erbrachten Leistungen waren (zumindest im Wesentlichen; zu einzelnen Teilmaßnahmen siehe
noch unten d) auch geeignet, das Ziel einer selbständigen und eigenverantwortlichen Lebensführung des Klägers in einem eigenen
Haushalt zu erreichen.
Bestand zwischen Frau G und dem Beklagten ein Vertrag nach § 75 SGB XII, so ist davon auszugehen, dass die Leistungen qualitativ diesem Vertrag bzw. der Anlage I zum Landesrahmenvertrag nach §
79 SGB XII entsprachen. Abweichungen sind denn auch weder vom Beklagten vorgetragen noch sonst aus den Akten ersichtlich.
Die Geeignetheit der von dem Kläger in Anspruch genommenen Leistungen kann jedenfalls bei der notwendigen prognostischen Ex-ante-Sicht
nicht etwas deshalb verneint werden, weil von vornherein absehbar gewesen wäre, dass sie aufgrund der konkreten Umstände des
Falles (insbesondere des Krankheitsbildes des Klägers) keine Aussicht auf Erfolg haben konnten. Zwar waren in der Vergangenheit
zwei (z.T. sehr intensive) Bemühungen des Trägers der Jugendhilfe zur Eingliederung des Klägers in eine Bewo-Maßnahme erfolglos.
Zu Beginn des hier fraglichen Zeitraumes am 06.10.2010 lag die letzte dieser beiden Maßnahme jedoch bereits etwa zwei Jahre
zurück; angesichts des damaligen Alters des Klägers war ein zwischenzeitlicher Entwicklungsfortschritt durch Nachreifung nicht
ausgeschlossen. Sowohl der Hilfeplan vom 30.12.2010 als auch die fachärztliche Stellungnahme des Psychiaters Dr. I vom 01.12.2010
sowie dessen Befundbericht vom 16.05.2014 befürworteten denn auch eine erneute Bewo-Maßnahme. Im Übrigen wurde in der fachlichen
Stellungnahme des MPD vom 21.02.2011 nicht die Sinnhaftigkeit einer Bewo-Maßnahme bezweifelt, sondern nur die Frage aufgeworfen,
ob andere Maßnahmen vorrangig sein könnten. Schließlich sprechen für eine prognostische Eignung der Maßnahme aus Ex-ante-Sicht
auch die Ausführungen des Zeugen S bei seiner Vernehmung am 29.06.2012 sowie die von dem Zeugen gefertigte Verlaufsdokumentation,
die hinsichtlich des genannten Eingliederungsziels positive Ansätze und Fortschritte des Klägers (etwa im Umgang mit Geld)
erkennen lassen. Selbst wenn solche Fortschritte nicht erkennbar oder absehbar gewesen wären, würde dies jedoch die Eignung
der Bewo-Maßnahme nicht grundsätzlich in Frage stellen. Der Senat hält es mit Blick auf § 53 Abs. 3 SGB XII vielmehr schon für ausreichend, wenn in diesem Fall die Maßnahme geeignet gewesen wäre, dem Kläger das Leben in einer eigenen
Häuslichkeit im Sinne einer Zustandserhaltung zu ermöglichen (vgl. insoweit zu einer "zustandserhaltenden Beheimatung" im
Rahmen stationärer Eingliederungshilfe das Urteil des erkennenden Senats vom 07.04.2008 - L 20 SO 53/06 Rn. 56 f.).
(c) Die streitgegenständliche Bewo-Maßnahme war zudem (grundsätzlich) erforderlich.
Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn das angestrebte Eingliederungsziel nicht auch durch andere (gleich geeignete und zumutbare)
Maßnahmen erreicht werden könnte (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R Rn. 17 f.; Urteil des erkennenden Senats vom 24.06.2014 - L 20 SO 388/13 Rn. 63 ff.).
Dies betrifft die in §
55 Abs.
1 SGB IX und § 2 SGB XII zum Ausdruck kommende Subsidiarität der Eingliederungshilfe. Zur Beurteilung des Vorrang-/Nachrangverhältnisses der hier
fraglichen Leistungen im Vergleich zu möglichen Alternativmaßnahmen ist jeweils danach zu differenzieren, auf welches Ziel
denkbare Alternativen gerichtet sind, und ob sie mit Blick auf die Bewo-Maßnahme gleich, gleichartig, ihr entsprechend oder
deckungsgleich sind (vgl. dazu Lachwitz in HK-
SGB IX, 3. Auflage 2010, §
55 Rn. 8 ff., 12; Luthe in jurisPK-
SGB IX, §
55 Rn. 22 ff., 23).
(aa) Insofern besteht vorliegend kein Vorrang von Leistungen nach dem Vierten bis Sechsten Kapitel des
SGB IX (wie ihn §
55 Abs.
1 SGB IX anordnet). Denn derartige Leistungen - d.h. die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Fünftes Kapitel
SGB IX; vgl. dort §
33) sowie die unterhaltssichernden und anderen ergänzenden Leistungen (Sechstes Kapitel
SGB IX; vgl. dort §
44) - sind im Falle des Klägers schon begrifflich nicht einschlägig.
Zwar ist im Vierten Kapitel des
SGB IX (etwa unter §
26 Abs.
2 Nr.
1 und Nr.
5 SGB IX) die psychotherapeutische Behandlung - ggf. einschließlich der von dem Beklagten als vorrangig angesehenen Anbindung an ein
SPZ - angesprochen. Ein Vorrang solcher Maßnahmen vor denen des Bewo besteht jedenfalls im vorliegenden Fall gleichwohl nicht.
Denn letztlich geht es bei diesen Maßnahmen nach dem Vierten Kapitel des
SGB IX um therapeutische Einwirkungen auf den allgemeinen Gesundheitszustand im Sinne des
SGB V; diese sind aber damit nicht (jedenfalls nicht primär) auf die Ermöglichung selbstbestimmten Wohnens gerichtet (vgl. dazu
insb. §
1 Abs.
1 S. 1 und §
27 Abs.
1 S. 1
SGB V). Solche Maßnahmen und das im Falle des Klägers fragliche Bewo fallen vielmehr schon von ihrer Zielrichtung her auseinander.
Auch wenn eine etwaige Therapiemaßnahme durch eine allgemeine Verbesserung des Gesundheitszustandes zugleich die Fähigkeit
des Klägers steigern mag, sein Leben im eigenen Haushalt zu bewältigen, führt dies als bloße (mögliche) Nebenfolge der Therapiemaßnahme
jedenfalls im vorliegenden Einzelfall zu keiner anderen Beurteilung. Denn der Kläger war gegenüber regelmäßigen psychotherapeutischen
Behandlungen skeptisch; krankheitsbedingt war er ersichtlich nicht in der Lage, für sich den Sinn ambulanter Hilfs- bzw. Therapieangebote
zu erkennen (sei es in Form einer ambulanten Psychotherapie, sei es durch eine Anbindung an ein SPZ), geschweige denn solche
Angebote in Anspruch zu nehmen. Ein Gegenstand der hier streitigen Bewo-Leistung sollte es denn auch gerade sein, ihn an eine
psychotherapeutische Behandlung bzw. sonstige ambulante Therapiemaßnahmen heranzuführen. Die genannten Alternativmaßnahmen
bildeten deshalb - jedenfalls im hier fraglichen Zeitraum - keine naheliegende und damit vorrangige Gestaltungsmöglichkeit.
Der Beklagte räumt selbst ein, dass eine psychotherapeutische Behandlung keine gegenüber dem Bewo vorrangige Maßnahme sein
kann, wenn der Betroffene - wie der Kläger - nicht bereit oder in der Lage ist, sich einer solchen Therapie zu unterziehen.
(bb) Für eine vom Beklagten bzw. seinem MPD ins Feld geführte Anbindung des Klägers an eine Drogenberatungsstelle gilt im
Ergebnis nichts anderes. Eine Drogenberatung ist auf den Umgang von suchtkranken bzw. suchtgefährdeten Personen oder ihrer
Angehörigen mit einer (drohenden) Sucht und ggf. die Initiierung entsprechender Therapiemaßnahmen gerichtet (vgl. hierzu etwa
das Angebot der Caritas unter http://www.caritas.de/ onlineberatung/sucht), jedoch nicht (primär) auf die Herbeiführung oder
Stärkung der Fähigkeit, sich in einer eigenen Häuslichkeit zurecht zu finden. Hinzu kommt, dass beim Kläger weder nach dem
Hilfeplan noch nach den Aufzeichnungen und den Äußerungen des Zeugen S noch nach dem Befundbericht des Dr. I vom 16.05.2014
eine Suchtproblematik im Vordergrund stand; deshalb ist ohnehin zweifelhaft, ob in der damaligen Situation des Klägers für
eine Drogenberatung überhaupt ein Bedürfnis bestand.
(cc) Auch eine denkbare Inanspruchnahme von Leistungen der ambulanten psychiatrischen Pflege (APP) als Unterfall der häuslichen
Krankenpflege (§
37 SGB V) kam -unbeschadet der Ausführungen unter (aa) - nicht als vorrangige Leistung in Betracht. Denn Leistungen der häuslichen
Krankenpflege werden nur als (Krankenhaus-)Vermeidungs- bzw. Behandlungssicherungspflege gewährt (vgl. §
37 Abs.
1 S. 1 und Abs.
2 S. 1
SGB V). Beim Kläger bestand jedoch ersichtlich weder Bedarf noch Bereitschaft für eine Krankenhausbehandlung oder für eine fachpsychiatrische
Behandlung, deren Erfolg durch eine APP hätte gesichert werden können. Ob auch das Fehlen einer vertragsärztlichen Verordnung
- die im Übrigen auch nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen kann (vgl. dazu nur §
4 Abs.
2 der Richtlinie nach §
92 Abs.
1 Nr.
6 SGB V einschließlich Anlage unter 27a) - einen Vorrang von Leistungen der APP verhindern kann, muss der Senat deshalb im vorliegenden
Zusammenhang nicht entscheiden.
(dd) Schließlich besteht mit Blick auf den Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 SGB XII bei Bestellung eines gesetzlichen Betreuers nicht etwa ein genereller Vorrang der Betreuerleistungen gegenüber Leistungen
des Bewo. Stellt § 2 SGB XII ohnehin keine eigenständige Ausschlussnorm dar (vgl. dazu etwa Coseriu in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 2 Rn. 8 ff. m.w.N.), sind Aufgaben und Ziele der gesetzlichen Betreuung nach §§
1896 ff.
BGB einerseits und der Leistungen des Bewo anderseits grundsätzlich voneinander zu unterscheiden. Zwar mögen beide Leistungen
ihrer Art nach ineinander übergehen und sich in Teilbereichen auch überlagern können; systematisch ergeben sich jedoch komplementäre,
aber in der konkreten Zuordnung doch zu unterscheidende Leistungsbereiche.
Denn die (gesetzliche) Betreuung umfasst gemäß §
1901 Abs.
1 BGB alle Tätigkeiten, die "erforderlich" sind, um die Angelegenheiten des Betreuten (nach weiterer Maßgabe der betreuungsrechtlichen
Vorschriften des
BGB) "rechtlich" zu besorgen. Dabei erzeugt die Voraussetzung der Erforderlichkeit einerseits und die Beschränkung der Betreuung
auf allein rechtliche Besorgung von Angelegenheiten andererseits ein Spannungsverhältnis, für dessen Auflösung insbesondere
die historische Gesetzesentwicklung zu beachten ist. Ausufernden Kosten für Betreuertätigkeiten sollte durch Beschränkung
der Betreuung auf das rechtlich Notwendige und durch Abgrenzung von einer bloßen "sozialen Zuwendung" begegnet werden (vgl.
BT-Drs. 13/7158 S. 33 f.). Im Grundsatz ist deshalb ein Betreuer - unabhängig vom Umfang seines Aufgabenkreises - nur für
die Organisation erforderlicher tatsächlicher Maßnahmen verantwortlich; die tatsächlichen Hilfestellungen selbst muss er hingegen
nicht erbringen (vgl. dazu z.B. Kieß in Jurgeleit, Betreuungsrecht, 3. Auflage 2013, §
1901 BGB Rn. 13 ff.). Andererseits kann er sich nicht auf eine bloß verwaltungsmäßige Führung der Betreuung zurückziehen; ein gewisses
Maß an vertrauensbildenden bzw. -erhaltenden Maßnahmen und persönlicher Zuwendung ist vielmehr weiterhin Bestandteil jeder
Betreuung, allerdings nur, soweit sie für die sachgerechte Durchführung der rechtlichen Betreuung geeignet und notwendig sind
(Kieß a.a.O., Rn. 20 bis 28; BT-Drs. a.a.O.). Maßnahmen des Betreuers, die diesen Rahmen überschreiten oder sogar jeglichen
Bezug zu der ihm übertragenen Rechtsfürsorge vermissen lassen, sind - den Gesetzesmaterialien folgend - als Ausdruck menschlicher
Zuwendung zwar wünschenswert und für den Betreuten im Regelfall von unschätzbarem Nutzen; sie gehören gleichwohl nicht zu
den dem Betreuer gesetzlich zugewiesenen Aufgaben rechtlicher Interessenwahrnehmung (vgl. BT-Drs. a.a.O.).
Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof die rechtliche Betreuung gerade von sozialhilfeweiser Eingliederungshilfe abgegrenzt
(BGH, Urteil vom 02.12.2010 - III ZR 19/10 Rn. 19 m.w.N.). Nach §
1896 Abs.
2 S. 2
BGB dürfe ein Betreuer nicht für Angelegenheiten bestellt werden, die durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter
bestellt werde, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könnten. Die Betreuung erstrecke sich vielmehr nur auf
Tätigkeiten, die erforderlich seien, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen (§
1901 Abs.
1 BGB). Hiervon seien solche Tätigkeiten nicht umfasst, die sich in der tatsächlichen Hilfeleistung für den Betroffenen erschöpften,
ohne zu dessen Rechtsfürsorge erforderlich zu sein. Der Betreuer habe solche tatsächlichen Hilfen in erster Linie zu organisieren,
nicht jedoch selbst zu leisten. Tätigkeiten außerhalb der Besorgung rechtlicher Angelegenheiten gehörten insbesondere dann
nicht zu seinem Aufgabenbereich, wenn deren Vergütung durch andere Kostenträger - etwa die der Sozialhilfe - geregelt sei.
Davon ausgehend falle etwa die (tatsächliche) Verwaltung des sozialhilferechtlichen Barbetrages in einer stationären Einrichtung
dem Heimpersonal als Leistung der Eingliederungshilfe zu. Die Subsidiarität der Sozialhilfe stehe der Gewährung von Eingliederungshilfe
in Form der Verwaltung des Barbetrags nicht entgegen. Denn zwar werde Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII nur nachrangig gegenüber den Leistungen Dritter gewährt; dies wirke sich jedoch nicht aus, weil eine für den Aufgabenbereich
der Vermögenssorge eingerichtete Betreuung den Betreuer nicht zur tatsächlichen Verwaltung der Barbeträge verpflichte und
daher entsprechende Leistungen der Sozialhilfe nicht erübrige.
Der Senat macht sich diese vom Bundesgerichtshof erkannte Abgrenzung zu Eigen; wegen der die Erforderlichkeit einer Betreuung
begrenzenden Regelung in §
1896 Abs.
2 S. 2
BGB steht auch bei Überschneidungen der Aufgabenbereiche von Betreuung und Eingliederungshilfe der Nachrang der Sozialhilfe nach
§ 2 SGB XII (hier insbesondere nach dessen Abs. 2) der Gewährung von Eingliederungshilfe trotz eingerichteter Betreuung nicht entgegen. Vielmehr ist - im Gegenteil - die Betreuerleistung
nach §
1896 Abs.
2 S. 2
BGB ihrerseits subsidiär gegenüber den Leistungen der Eingliederungshilfe. Wie zu verfahren wäre, wenn im Einzelfall trotz Naheliegen
einer Betreuung (noch) keine gesetzliche Betreuung eingerichtet ist, hat der Senat im vorliegenden Zusammenhang nicht zu entscheiden.
Im Falle des Klägers sind deshalb für die Abgrenzung zwischen dem Bewo zuzurechnenden Hilfestellungen (ebenso wie bei anderen,
ggf. der Eingliederungshilfe zuzurechnenden Tätigkeiten) und solchen, die der rechtlichen Betreuung zuzuordnen sind, die jeweiligen
Aktivitäten in den Blick zu nehmen, die mit bzw. für den Kläger tatsächlich durchgeführt wurden und in die Abrechnung der
Beigeladenen eingeflossen sind (dazu sogleich). Weist insoweit die Betreuungsdokumentation der Beigeladenen nicht ausschließlich
Tätigkeiten aus, welche allein der rechtlichen Unterstützung des Klägers dienten, so können von vornherein jedenfalls nicht
sämtliche erbrachten Leistungen bereits über die rechtliche Betreuung abzudecken gewesen sein.
d) Die vom Zeugen S für den Kläger erbrachten Leistungen fallen in einem zeitlichen Umfang von zumindest 24,33 FLS (also jedenfalls
in einem Umfang, für den das Sozialgericht den Beklagten zur Kostenübernahme verpflichtet hat) als Maßnahmen der Eingliederungshilfe
in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten (und nicht in den des gesetzlichen Betreuers).
Der Senat legt insoweit im Wesentlichen die Informationen zu Grunde, die sich aus der vom Zeugen S erstellten (erst im Berufungsverfahren
beigezogenen) Betreuungsdokumentation ergeben. Die dortigen Einzelvermerke geben sowohl zum Inhalt als auch zur Dauer der
jeweiligen Betreuungsleistungen erheblich differenzierter Aufschluss als die Angaben des Zeugen vor dem Sozialgericht am 29.06.2012.
Hat der Zeuge die einzelnen Dokumentationsbeiträge (offenbar) zeitnah zur jeweiligen Betreuungsleistung gefertigt, so erscheinen
sie wesentlich verlässlicher als seine protokollierten mündlichen Angaben während seiner Vernehmung, welche erst etwa 15 Monate
nach Auslaufen der Leistungen nur auf dem Gedächtnis des Zeugen beruhten.
Ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen zur Abgrenzung von der gesetzlichen Betreuung stellen sämtliche Leistungen des
Zeugen S, die sich auf das Erstellen von Haushaltsplänen, auf Gespräche über Einkaufs- und Konsumverhalten, auf Schulung im
Umgang mit Geld usw. beziehen, ohne Weiteres Bewo-Leistungen dar. Denn ohne Kenntnisse und Fertigkeiten in der Haushaltsführung
ist ein selbständiges und eigenverantwortliches Wohnen nicht denkbar. Zugleich besteht keinerlei Zusammenhang mit einer allein
rechtlichen Hilfestellung.
Auch die Anbahnung ärztlicher oder therapeutischer Behandlungen bzw. Versuche, den Kläger zu solchen Behandlungen zu motivieren,
sieht der Senat jedenfalls dann als Leistungen des Bewo an, wenn sie sich - wie im Einzelfall des Klägers - in einem überschaubaren
Rahmen halten und die Behandlung bzw. Therapie auf eine Stabilisierung im häuslichen Umfeld gerichtet ist. Von Letzterem ist
bei psychotherapeutischen Behandlungen für das Krankheitsbild des Klägers auszugehen (ob in einem - vorliegend nicht einschlägigen
- Ausnahmefall des §
37a SGB V anderes gälte, muss der Senat im vorliegenden Zusammenhang nicht entscheiden). Abzugrenzen ist insoweit von den rein rechtlichen
Entscheidungen etwa über eine konkrete Therapieaufnahme, eine Auswahl des Therapeuten bzw. Arztes, die Abgabe von Einverständniserklärungen
u.ä. Derartige rechtliche Hilfestellungen fielen im vorliegenden Fall jedoch nicht an; denn die Bemühungen des Zeugen S mündeten
nicht in der konkreten Aufnahme einer (insbesondere psychotherapeutischen) Behandlung.
Auch die Begleitung zu Ämtern und Behörden rechnet der Senat zu den Bewo-Leistungen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Begleitung
(hier etwa das Aufsuchen des Jobcenters) dazu dient, das Nötige zu tun, um den notwendigen Lebensunterhalt einschließlich
der Kosten der Unterkunft sicherzustellen. Nur sofern in diesem Rahmen rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben sind, fällt
dies in die Zuständigkeit des gesetzlichen Betreuers. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge S insoweit seinen Aufgabenbereich
überschritten hätte, bestehen nicht; denn der Betreuer des Klägers hat im Erörterungstermin am 29.06.2012 nachvollziehbar
angegeben, in der Regel habe er Termine bei Ämtern und Behörden wahrgenommen, bei denen der Zeuge manchmal mit dabei gewesen
sei.
In entsprechender Weise sind die Aufgabenkreise auch hinsichtlich der Bearbeitung von Post abzugrenzen. Anders als das Sozialgericht
sieht der Senat insoweit keine umfassende Zuständigkeit des gesetzlichen Betreuers, selbst wenn sich dessen Bestellung (auch)
auf die Postkontrolle erstreckt. Denn rein lebenspraktische Vorgänge wie das Sichten, inhaltliche Erfassen und Vorsortieren
der Post sowie das Trennen von tatsächlich Wichtigem und Unwichtigem sind der Hilfe zur selbstständigen Lebensführung im Bewo
zuzurechnen. Nur rechtlich bedeutsame Handlungen (etwa eine rechtsrelevante Bearbeitung von Post durch Prüfung, ob fristgerecht
Widerspruch eingelegt werden soll, etc.) wären Aufgabe des gesetzlichen Betreuers. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge S in
Überschreitung seines Aufgabenkreises für den Kläger solche Rechtshandlungen vollzogen hätte, ergeben sich weder aus seinen
Aufzeichnungen noch aus den Übrigen dem Senat vorliegenden Informationen.
Schließlich sind auch die Aktivitäten des Zeugen S, die sich auf den Besuch einer Abendrealschule beziehen, (jedenfalls im
Grundsatz) dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten zuzuweisen. Der Senat kann offenlassen, ob es sich dabei (ebenfalls) um
Bewo-Leistungen handelt oder (zumindest auch) um solche zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung (gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV). Einerseits ergeben sich Zweifel an der Zuordnung dieser Aktivitäten zum Bewo insoweit, als eine finale Ausrichtung auf
das Wohnen fehlen könnte. Andererseits erscheint, anknüpfend an den Wortlaut des §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX, eine Hilfe zur selbstbestimmten Lebensgestaltung in einer eigenen Häuslichkeit auch durch Unterstützung des Klägers beim
Schulbesuch denkbar, also wiederum als Bewo-Leistung. Hierauf kommt es jedoch nicht an; denn es sind (jedenfalls auch) die
Voraussetzungen des § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 EinglHV erfüllt. Dass der Kläger zu Beginn des fraglichen Zeitraums bereits sein 23. Lebensjahr vollendet und spätestens mit der
Nachholung des Hauptschulabschlusses auch seine allgemeine Schulpflicht erfüllt hatte, steht einer Gewährung von Leistungen
zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung nicht entgegen. Die genannten Leistungen können vielmehr auch nach der Erfüllung
der allgemeinen Schulpflicht noch erbracht werden, wenn der Unterrichtsbesuch durch unverschuldete Unterrichtsausfälle, Krankheit
o.ä. hinausgezögert wurde (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 31. Erg.-Lfg. V/13, § 54 Rn. 41; Wehrhahn in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 54 Rn. 53 - beide unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 30.04.1992 - 5 C 1/88). Unterstützung beim bzw. Motivation zu einem Schulbesuch fällt nicht etwa in den (Eingliederungshilfeleistungen ausschließenden)
Kernbereich pädagogischer Arbeit (vgl. dazu Wehrhahn a.a.O. Rn. 54). Der Besuch einer Realschule ist in § 12 Nr. 3 EinglHV zudem ausdrücklich genannt, so dass hierauf gerichtete Hilfen ohne Weiteres zum Leistungsspektrum zählen. Ein Nachholen des
Realschulabschlusses kann im vorliegenden Einzelfall schließlich auch nicht (im Sinne von § 9 Abs. 2 S. 1 SGB XII) als unangemessen angesehen werden. Denn zwar hatte der Kläger ersichtlich behinderungsbedingt Schwierigkeiten, bestimmte
Ziele mit dem notwendigen Durchhaltevermögen zu verfolgen. Durch Nachholung des Hauptschulabschlusses im Jahr 2005 hatte er
jedoch bereits gezeigt, zu einem gewissen Durchhaltevermögen durchaus gelangen zu können. Dementsprechend hat etwa das Jobcenter
der Maßnahme Erfolgsaussichten beigemessen, wenn es mit Blick auf die (Wieder-)Aufnahme der Schulausbildung (wieder) zu aufstockenden
Leistungen an den Kläger bereit war. Nach den dem Senat vorliegenden Informationen, insbesondere mit Blick auf das Gutachten
des Dr. P vom 20.09.2007 aus dem Betreuungsverfahren und das Gutachten des S Kreises vom 13.07.2009, liegen zudem keine Anhaltspunkte
dafür vor, dass ein Realschulabschluss das intellektuelle Leistungsvermögen des Klägers überfordern würde. Insofern wäre ein
solcher Abschluss eine für den Kläger angemessene Schulbildung; der Einwand des Beklagten, der Kläger verfüge bereits über
einen Hauptschulabschluss, verfängt deshalb nicht. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AV-SGB XII NRW ist der Beklagte schließlich auch für die Gewährung von Leistungen zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung zuständig.
In der Gesamtschau handelt es sich bei nahezu sämtlichen laut der Verlaufsdokumentation vom Zeugen S für den Kläger erbrachten
Hilfestellungen um Eingliederungshilfe (i.S.v. §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. §
55 Abs.
2 Nr.
6 SGB IX und/oder § 12 EinglHV). Zweifel könnten allenfalls bestehen, ob die am 09.11.2010 und am 31.03.2011 erbrachten Leistungen "Begleitung zur Abendrealschule
wg. Anmeldung. Anschließend Unterstützung bei Besorgungen" (190 Minuten) bzw. "Information, dass Antrag auf Bewo abgelehnt
wurde und Erläuterung des Widerspruchsverfahrens. Geldauszahlung" (30 Minuten) vollständig dazu zu rechnen sind. Einer abschließenden
Beurteilung bedarf dies jedoch nicht; denn selbst wenn man diese beiden Hilfestellungen vollständig von den insgesamt für
den Kläger erbrachten FLS in Abzug bringt, verbleibt immer noch ein Zeitraum von (deutlich) mehr als 24,33 FLS.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§
183,
193 Abs.
1 S. 1
SGG.
Durch die Zurückweisung der Berufung des Beklagten bleibt die - inhaltlich nicht zu beanstandende - Kostenentscheidung des
Sozialgerichts bestehen. Da der Beklagte im Berufungsverfahren vollständig unterlegen ist, hat er die notwendigen außergerichtlichen
Kosten des Klägers insoweit in vollem Umfang zu tragen.
Es entspricht im vorliegenden Fall nicht billigem Ermessen, der Beigeladenen ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu
erstatten; denn sie hat keinen Antrag gestellt und sich auch inhaltlich nicht am Verfahren beteiligt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage 2014, §
193 Rn. 11a).
IV. Der Senat hat die Revision nach §
160 Abs.
2 Nr.
1 SGG zugelassen.