Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe einer Beitragsnachforderung im Rahmen einer Betriebsprüfung.
Der Kläger ist Dachdeckermeister und Zimmermeister und betreibt eine Bedachungsfirma. Die Firma A. Personal Dienstleistungen
UG (APL) überließ dem Kläger im Jahr 2012 vier Leiharbeitnehmer (Beigeladene zu 1) und 2) vom 26.03. bis 04.07.2012; Beigeladene
zu 3) und 4) vom 16.04. bis 20.04.2012), ohne über eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zu verfügen.
Nachdem das Hauptzollamt B. Ermittlungen gegen APL durchgeführt hatte, wurde nachgehend gegen den Kläger vom Hauptzollamt
D. am 09.12.2013 ein Bußgeldbescheid iHv 7.161,48 EUR erlassen wegen eines zumindest fahrlässigen Verstoßes gegen Vorschriften
des Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Vom Amtsgericht D. wurde die Geldbuße mit Beschluss vom 17.02.2015 auf 3.000 EUR reduziert, wobei es von einem fahrlässigen
Tätigwerden von Arbeitnehmern eines Verleihers ohne Erlaubnis ausging.
Mit Schreiben vom 05.07.2016 hörte die Beklagte den Kläger zur geplanten Beitragsnachforderung iHv 9.441,72 EUR im Rahmen
einer Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.04. bis 31.07.2012 an. Die Forderung basiere auf der Arbeitgeberfiktion des
§ 10 AÜG und der Haftung des Entleihers auf Grundlage des §
28e Abs
2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (
SGB IV). Das Unternehmen APL habe die verliehenen Arbeitnehmer mit zu niedrigen Bruttoentgelten angemeldet. Für den Beigeladenen
zu 2) seien beispielsweise nur 6.149 EUR Bruttolohn abgerechnet worden, obwohl er Zahlungen in Höhe von 8.275,50 EUR erhalten
habe. Für den Beigeladenen zu 1) sei ein Bruttolohn von 6.286 EUR abgerechnet worden bei Auszahlungen von 8.385,50 EUR. Das
zugeflossene Arbeitsentgelt habe sich aus Vorschusszahlungen des Klägers und Überweisungen von APL zusammengesetzt. Die Abrechnungen
seien von APL bewusst verkürzt worden, um Sozialversicherungsbeiträge einzusparen. In so einem Fall sei stets von einer Nettolohnabrede
auszugehen. Da es hinsichtlich der Arbeitgeberfiktion nach § 10 AÜG auf kein Verschulden ankomme, sei eine Netto-Brutto-Hochrechnung auch gegenüber dem Kläger als Entleiher durchzuführen.
Mit Betriebsprüfungsbescheid vom 26.09.2016 forderte die Beklagte wegen des beschriebenen Sachverhalts einen Betrag von 8.023,22
EUR vom Kläger (davon 1.701 EUR Säumniszuschläge, berechnet ab 09.12.2013). Im Hinblick auf die illegale Arbeitnehmerüberlassung
gelte der Kläger als Arbeitgeber (§ 9 Nr 1 i.V.m. § 10 Abs 1 Nr 1 AÜG) und hafte entsprechend für die Beiträge. Die Säumniszuschläge seien gerechtfertigt, weil der Kläger vom Verleiher hinsichtlich
der Erlaubnis nicht aktiv getäuscht worden sei. Der Kläger habe sich entsprechende Belege nicht vorlegen lassen. Spätestens
mit dem Zugang des Bußgeldbescheides wegen illegaler Arbeitnehmerüberlassung hätte sich der Kläger wegen der möglichen Beitragspflichten
kundig machen müssen.
Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, ihm sei nicht bekannt gewesen, dass die APL mit krimineller Energie ein
Unternehmen ohne Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung betrieben habe. Entsprechend habe man ihm das Bußgeld auch nur wegen
fahrlässigen Verhaltens auferlegt. Die Verhängung von Säumniszuschlägen sei nicht gerechtfertigt, weil sich der Kläger bemüht
habe, seinen Pflichten nachzukommen. Zudem gehe die Beklagte bei der Berechnung der Forderungshöhe von einem vereinbarten
Nettoentgelt aus. Dies sei falsch, denn von der APL seien auch Steuern und Sozialabgaben geleistet worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV gelte in Fällen illegaler Arbeitnehmerüberlassung ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart. Dies gelte auch bei teilweiser
Schwarzarbeit. Bei der APL habe insoweit Vorsatz vorgelegen. Auf ein Verschulden des Entleihers komme es insoweit nicht an.
Ansonsten ergäben sich unterschiedliche Entgeltansprüche des Arbeitnehmers, je nachdem gegen welchen Schuldner sich der Anspruch
richte.
Hiergegen richtet sich die am 28.04.2017 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Der Kläger wendet sich gegen die Netto-Brutto-Hochrechnung und will nur insoweit Beiträge zahlen, wie sie
sich aus den tatsächlich festgestellten Entgelten ergeben.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat auf Anfrage eine Probeberechnung gefertigt, wonach sich bei Verbeitragung
der tatsächlich gezahlten Löhne ohne Hochrechnung eine Forderung iHv 2.287,93 EUR (inklusive 486 EUR Säumniszuschläge) ergibt.
Angesichts der festgesetzten Beitragsnachforderung belaufe sich der Streitwert auf 5.735,29 EUR.
Der Kläger hat seine Klage daraufhin beschränkt auf eine Teilanfechtung iHv 5.735,29 EUR.
Mit Gerichtsbescheid vom 17.07.2019 hat das SG den angefochtenen Bescheid aufgehoben, soweit darin eine Forderung von über 2.287,94 EUR geltend gemacht wird, die Beklagte
zur Rückzahlung des Betrags von 5.735,29 EUR verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Beklagte habe im Rahmen
der Betriebsprüfung einen zu hohen Betrag geltend gemacht, hinsichtlich der Überzahlung habe der Kläger einen Folgenbeseitigungsanspruch.
Ein Anspruch auf Zinsen bestehe nicht. Vorliegend habe das Unternehmen APL dem Kläger die Beigeladenen zu 1) bis 4) gewerbsmäßig
als Arbeitnehmer überlassen gem § 1 Abs 1 Satz 1, Abs 2 AÜG. Die notwendige Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 Abs 1 AÜG habe APL nicht gehabt. Dies führe nach § 9 Nr 1 AÜG zur Unwirksamkeit des Vertrages zwischen der APL und den Beigeladenen. Nach § 10 Abs 1 S 1 AÜG gelte ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen dem
Verleiher und dem Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr 1 AÜG unwirksam sei. Demnach habe das Arbeitsverhältnis vorliegend zwischen den Beigeladenen und dem Kläger bestanden. Im Falle
unerlaubter gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung sei der Entleiher nicht nur im arbeitsrechtlichen, sondern auch im beitragsrechtlichen
Sinn Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers und habe nach §
28e Abs
1 Satz 1
SGB IV den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für diesen zu zahlen. Der Leiharbeitnehmer habe gegen den Entleiher mindestens Anspruch
auf das mit dem Verleiher vereinbarte Arbeitsentgelt, § 10 Abs 1 Satz 5 AÜG. Der Kläger wende sich vorliegend nicht gegen seine Beitragspflicht bezogen auf die tatsächlich an die Beigeladenen gezahlten
Beträge, welche er als den nach den genannten Vorschriften maßgeblichen Lohn ansehe. Dass den Beigeladenen ein höherer Zahlungsanspruch
zugestanden haben könnte, sei weder ersichtlich noch vorgetragen, weshalb auch das SG davon ausgehe, dass arbeitsrechtlich eine Lohnzahlung in Höhe der tatsächlich ausgezahlten Beträge vereinbart gewesen sei.
Die Beklagte sei - trotz der teilweisen Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen durch APL - gestützt auf §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV von einer Nettolohnabrede ausgegangen und habe darauf basierend einen höheren Bruttolohn berechnet. Dies sei im vorliegenden
Fall rechtswidrig. Die Tatsache, dass von APL Teile der Beiträge gezahlt worden seien, stehe einer Anwendung der Vorschrift
nicht entgegen. Allerdings liege nach Auffassung des SG zwischen dem Kläger und den Beigeladenen mangels vorsätzlichen Handelns des Klägers im Zeitraum der Beschäftigung/Beitragsabführung
kein illegales Beschäftigungsverhältnis im Sinne von §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV vor. Eine "Illegalität" des Beschäftigungsverhältnisses iS der Vorschrift sei nicht bereits dann anzunehmen, wenn die Nichtzahlung
von Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung allein aus Anlass einer objektiven Verletzung dieser
Zahlungspflichten und mit ihnen einhergehender Pflichten erfolge. Hinzukommen müsse, dass die Pflichtverstöße von einem subjektiven
Element in der Form eines (mindestens bedingten) Vorsatzes getragen seien. Anhaltspunkte für ein (auch nur bedingt) vorsätzliches
Verhalten des Klägers bezogen auf die Beitragsverkürzung durch APL ließen sich dem Sachverhalt nicht entnehmen. Der Kläger
habe keinen Einblick in die Art und Weise der Abrechnung durch das verleihende Unternehmen gehabt und sei durch das Verhalten
von APL selbst wirtschaftlich geschädigt worden. Deshalb liege ein Vorsatz eher fern. Der Bußgeldentscheid bzw die amtsgerichtliche
Entscheidung hierzu basierten dementsprechend allein auf einem Fahrlässigkeitsvorwurf. Im Rahmen der angegriffenen Bescheide
habe die Beklagte dem Kläger auch kein vorsätzliches Verhalten vorgeworfen. Soweit die Beklagte im Erörterungstermin darauf
abgestellt habe, dass der Kläger jedenfalls seit Erlass des Bußgeldbescheides vorsätzlich gehandelt habe, könne der über ein
Jahr nach Beendigung der Arbeitsverhältnisse ergangene Bußgeldbescheid keinen Vorsatz hinsichtlich der Verbeitragung der zu
diesem Zeitpunkt schon längst beendeten Beschäftigungsverhältnisse begründen. Dem Kläger sei auch nicht das (mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit vorsätzliche) Verhalten der Verantwortlichen des Unternehmens APL zuzurechnen. Die Beklagte
gehe offenbar davon aus, dass im Verhältnis zwischen der APL und den Beigeladenen wegen des teilweisen Schwarzlohns nach §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV ein Nettoentgelt als vereinbart gelte und diese fiktive Vereinbarung dann über § 10 AÜG auf den Kläger "übergegangen" sei. Diese Annahme entspreche nicht den gesetzlichen Vorschriften. Zwischen den Beigeladenen
und APL existierten keine rechtswirksamen Abreden, weil die Vereinbarungen zwischen ihnen nach § 9 Nr 1 AÜG unwirksam seien. Entsprechend könne es entgegen der Befürchtung der Beklagten auch nicht dazu kommen, dass im Verhältnis
zu unterschiedlichen Arbeitgebern (APL und Kläger) unterschiedliche Lohnansprüche bestünden. Es habe kein Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnis
zwischen der APL und den Beigeladenen bestanden, welches auf den Kläger hätte übergehen können. Auch § 10 Abs 1 AÜG, der die Arbeitgeberstellung des Klägers fingiere, nehme bei der Bestimmung der als vereinbart geltenden Lohnhöhe in keiner
Weise auf die unwirksame Vereinbarung zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer Bezug. Demnach sei hinsichtlich des subjektiven
Elements bei der Anwendung von §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV in Fällen der Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis allein auf den Entleiher abzustellen (so auch Lanzinner/Nath, NZS 2015,
251, 257). Ein Vorsatz des Klägers sei vorliegend aber nicht gegeben, weshalb die Tatbestandsvoraussetzungen der Netto-Brutto-Hochrechnung
nicht vorlägen. Hinsichtlich des Ausspruchs zur Folgenbeseitigung/Rückzahlung basiere die Entscheidung des Gerichts auf §
131 Abs
1 Satz 1
SGG.
Gegen den ihr am 25.07.2019 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 23.08.2019 eingelegte Berufung der Beklagten.
Sie weist daraufhin, dass sie im angefochtenen Bescheid lediglich die Höhe der Forderung festgesetzt habe. Für die Einziehung
seien die zuständigen Einzugsstellen zuständig. Die vom SG ausgesprochene Rückzahlung könne daher von der Beklagten in tatsächlicher Hinsicht nicht ausgeführt werden. Streitig sei
allein, ob die Nachforderung unter Berücksichtigung des §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV in richtiger Höhe durch die Beklagte erfolgt sei. Unstreitig sei die Überlassung der Beigeladenen als Arbeitnehmer an den
Kläger durch die APL ohne die erforderliche Verleihererlaubnis. Ebenso sei unstreitig, dass die APL die Sozialversicherungsbeiträge
für die Beigeladenen verkürzt abgerechnet habe. Nach § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG gelte ein Arbeitsverhältnis zwischen Kläger und Beigeladenen als zustande gekommen. Als Arbeitgeber habe der Kläger den Gesamtsozialversicherungsbeitrag
zu zahlen. Im Beitragsrecht gelte das sog Entstehungsprinzip, maßgeblich sei allein der arbeitsrechtlich geschuldete Entgeltanspruch.
Auch bei einer nur teilweisen Schwarzlohnzahlung sei immer von einer Nettolohnabrede auszugehen, so dass gem §
14 Abs
2 SGB IV eine Hochrechnung zu erfolgen habe. Die Beigeladenen hätten daher einen Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe der von der Beklagten
im angefochtenen Bescheid errechneten Beträge. Die Beklagte habe nur die Differenz zwischen dem durch die APL bereits verbeitragten
Entgelt nachberechnet und hieraus Sozialversicherungsbeiträge berechnet. Da der Kläger als Entleiher als Arbeitgeber der Beigeladenen
gelte, hafte er gesamtschuldnerisch für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag gem §
28e Abs
2 SGB IV. Die Höhe der Beitragsforderung richte sich nach der gegenüber dem Verleiher bestehenden Beitragsforderung. Auf ein Verschulden
des Klägers komme es daher nicht an.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Vertreter der Beklagten ergänzend vorgetragen, aus seiner Sicht sei sehr
wohl von Vorsatz des Klägers auszugehen. Das Verbot der Arbeitnehmerüberlassung im Baugewerbe bestehe seit 1982. Nur unter
den einschränkenden Voraussetzungen des § 1b AÜG sei in diesem Bereich Arbeitnehmerüberlassung zulässig, also nur innerhalb des jeweils einschlägigen Bautarifbereichs, hier
Dachdeckerhandwerk. APL sei offensichtlich kein zulässiger Verleiher, da kein Betrieb des Baugewerbes. Als Meister hätte der
Kläger schon aufgrund der entsprechenden Ausbildungsinhalte dies wissen müssen.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.07.2019 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte sei verpflichtet, die Vollziehung des aufgehobenen Bescheides rückgängig zu machen, auch wenn für die Einziehung
die Einzugsstellen zuständig seien. Die Beklagte könne sich insoweit an diese wenden; es könne nicht dem Kläger auferlegt
werden, sich an jede einzelne Einzugsstelle zu wenden. Der Beklagten sei darin zu folgen, dass der Sachverhalt unstreitig
feststehe und allein die Frage streitig sei, ob die Hochrechnung nach §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV statthaft sei. Es sei nicht richtig, dass aufgrund des Entstehungsprinzips die Beigeladenen einen Anspruch auf Arbeitsentgelt
in der von der Beklagten im Bescheid errechneten Höhe hätten. §
14 SGB IV definiere Arbeitsentgelt selbstständig und gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen bestehe. Entsprechend gestatte
§
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV die fiktive Netto-Brutto-Hochrechnung bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen. Im Hinblick auf den sanktionsähnlichen Charakter
der Vorschrift bedürfe es für die fiktive Hochrechnung eines subjektiven Elements, mindestens bedingten Vorsatzes. Dieser
liege nicht vor, der Kläger habe allenfalls fahrlässig gehandelt. Er habe Werkverträge schließen wollen. Dass die insoweit
geschlossenen Verträge nicht als Werkverträge anerkannt werden könnten und daher letztlich Arbeitnehmerüberlassung vorliege,
begründe keinen Vorsatz. Es gebe auch keine Norm, die den Vorsatz der APL als Verleihunternehmen dem Kläger als Entleiher
zurechne. Die gesamtschuldnerische Haftung nach § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG i.V.m. §
28e SGB IV gehe nur soweit, als mehrere Personen gemeinschaftlich in gleicher Höhe haften. Dies betreffe nur die aus dem tatsächlichen
Arbeitsentgelt nicht bezahlten Sozialversicherungsbeiträge. Es stimme auch nicht, dass mit der Nettolohnfiktion die Verhältnisse
so gestaltet werden sollten, wie sie bei ordnungsgemäßer Abrechnung gewesen wären. So habe das BSG davon gesprochen, dass bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen das Arbeitsentgelt auf ein hypothetisches Bruttoentgelt
hochgerechnet werde und so die Gefahr bestehe, dass als Bemessungsgrundlage ein Arbeitsentgelt zugrunde gelegt werde, dass
in keinem angemessenen Verhältnis mehr zum wirtschaftlichen Wert der erbrachten Arbeitsleistung stehe (unter Hinweis auf BSG 09.11.2011, B 12 R 18/09 R). Der Kläger anerkenne, dass er für (real) nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge hafte, hier iHv 2.274,93 EUR inklusive
486 EUR Säumniszuschläge, nicht jedoch für die mittels fiktiver Hochrechnung ermittelten Beiträge, um die es hier allein gehe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider
Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die nach den §§
143,
144,
151 Abs
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist auch begründet, denn der streitgegenständliche
Bescheid der Beklagten vom 26.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2017 ist entgegen der Auffassung
des SG insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 28p
SGB IV. Nach § 28p Abs 1
SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten
nach dem
SGB IV, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die
Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen mindestens alle vier Jahre. Die Prüfung soll in kürzeren Zeitabständen
erfolgen, wenn der Arbeitgeber dies verlangt. Die Einzugsstelle unterrichtet den für die Arbeitgeber zuständigen Träger der
Rentenversicherung, wenn sie eine alsbaldige Prüfung bei dem Arbeitgeber für erforderlich hält. Die Prüfung umfasst auch die
Entgeltunterlagen der Beschäftigten, für die Beiträge nicht gezahlt werden. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im
Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung
sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten
§
28h Abs
2 SGB IV sowie § 93 i.V.m. § 89 Abs 5 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht. Für die Zahlung von Beiträgen von Versicherungspflichtigen aus Arbeitsentgelt zur gesetzlichen Krankenversicherung,
gesetzlichen Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung und sozialen Pflegeversicherung gelten nach §
253 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (
SGB V), §
174 Abs
1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (
SGB VI) sowie §
60 Abs
1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (
SGB XI) die Vorschriften über den Gesamtsozialversicherungsbeitrag (§§ 28d bis 28n und 28r
SGB IV). Diese Vorschriften gelten nach §§
1 Abs
1 Satz 2
SGB IV, §
348 Abs
2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (
SGB III) auch für die Arbeitsförderung.
Nach §
28e Abs
1 Satz 1
SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Der Beitragsbemessung liegt in der gesetzlichen Kranken-
und Rentenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung das Arbeitsentgelt aus der
versicherungspflichtigen Beschäftigung zugrunde (§
226 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGB V, §
162 Nr
1 SGB VI, §
57 Abs
1 Satz 1
SGB XI, §
342 SGB III). Dabei gilt im Beitragsrecht der Sozialversicherung für laufend gezahltes Arbeitsentgelt das sog Entstehungsprinzip (§
22 Abs
1 Satz 1
SGB IV). Danach entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten
Voraussetzungen vorliegen. Maßgebend für das Entstehen von Beitragsansprüchen, die an das Arbeitsentgelt Beschäftigter anknüpfen,
ist damit allein das Entstehen des arbeitsrechtlich geschuldeten Entgeltanspruchs, ohne Rücksicht darauf, ob, von wem und
in welcher Höhe dieser Anspruch im Ergebnis durch Entgeltzahlung erfüllt wird. Der Zufluss von Arbeitsentgelt ist nur entscheidend,
soweit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr leistet als unter Beachtung der gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen
Regelungen geschuldet ist, also überobligatorische Zahlungen erbracht werden. Unerheblich ist zudem, ob der einmal entstandene
Entgeltanspruch vom Arbeitnehmer (möglicherweise) nicht mehr realisiert werden kann (st Rspr vgl BSG 18.01.2018, B 12 R 3/16 R, SozR 4-7815 § 10 Nr 2).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der Kläger als Arbeitgeber der Beigeladenen zu 1) bis 4) zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags
verpflichtet. Die Beitragsbemessung durfte auf der Grundlage einer fiktiven Hochrechnung nach §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV erfolgen.
Maßgebend für die Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts ist das AÜG in der bis zum 31.03.2017 geltenden Fassung des Art 1 Gesetz vom 28.04.2011 (BGBl I S 642). Zwischen dem Kläger und den Beigeladenen zu 1) bis 4) bestand im streitigen Zeitraum,
für den die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge nachfordert, ein Arbeitsverhältnis nach § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG. Nach dieser Bestimmung gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem zur Arbeitsleistung überlassenen Arbeitnehmer
als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Arbeitnehmer unwirksam ist. Dies ist nach § 9 Nr 1 AÜG dann der Fall, wenn der Verleiher nicht über die nach dem AÜG zur Arbeitnehmerüberlassung erforderliche Erlaubnis verfügt. Das war hier gegeben, denn die APL besaß keine Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG. Ohne Bedeutung ist es dabei, ob der Kläger Kenntnis davon hatte, dass die APL nicht im Besitz einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung
nach dem AÜG war. Die Fiktionswirkung des § 10 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 AÜG tritt nämlich unabhängig vom Willen oder von der Kenntnis der Beteiligten ein (BSG 29.06.2016, B 12 R 8/14 R, SozR 4-2400 § 28e Nr 5). Die Beigeladenen hatten gegen den Kläger einen Vergütungsanspruch aus dem durch das AÜG fingierten Beschäftigungsverhältnis. Dieser Vergütungsanspruch folgt im hier vorliegenden Fall der illegalen Arbeitnehmerüberlassung
aus dem nach § 10 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 AÜG fingierten Arbeitsverhältnis (§
611 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB)). Auch wenn die Zahlung durch den Verleiher bewirkt, dass der Vergütungsanspruch des Leiharbeitnehmers gegen den Entleiher
nach §
422 Abs
1 Satz 1
BGB erlischt wegen der bestehenden Gesamtschuldnerschaft iSd §
421 BGB, mangelt es nicht am sozialversicherungsrechtlich relevanten Merkmal der Entgeltlichkeit der Beschäftigung. Entscheidend
ist insoweit allein, ob eine Forderung auf Zahlung von Arbeitsentgelt vor ihrer Erfüllung entstanden ist (BSG 29.06.2016, aaO).
Unschädlich ist zunächst, dass der Vermittler (APL) als Arbeitgeber die Vergütung versprochen hat. Ein Anspruch der Beigeladenen
zu 1) bis 4) auf Arbeitsentgelt bestand jedoch nur in Höhe der tatsächlich gezahlten Beträge. Für abweichende Vereinbarungen
zwischen der APL und den Beigeladenen gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Ebenso besteht kein höherer Anspruch auf Arbeitsentgelt
nach dem Grundsatz des equal-pay gem § 10 Abs 4 AÜG; die Ermittlungen des Hauptzollamts und die darauf gestützten Ausführungen der Beklagten bieten hierfür keinen Ansatz. Entgegen
der Auffassung der Beklagten kann auch nicht unter Hinweis auf ein nach §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV hypothetisch hochgerechnetes Bruttoarbeitsentgelt von einem höheren Anspruch der Beigeladenen zu 1) bis 4) auf Arbeitsentgelt
ausgegangen werden.
Nach §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung
und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind. Daraus folgt, dass auch in solchen Fällen - wie nach §
14 Abs
2 Satz 1
SGB IV bei einer (legalen) Nettoarbeitsentgeltvereinbarung - die Gesamtsozialversicherungsbeiträge nach dem sog Abtastverfahren
zu ermitteln sind. Als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt gelten danach die Einnahmen des Beschäftigten iSv §
14 Abs
1 SGB IV zuzüglich der auf sie entfallenden (direkten) Steuern und des gesetzlichen Arbeitnehmeranteils an den Beiträgen zur Sozialversicherung
und zur Arbeitsförderung. Zunächst war mit den Beigeladenen zu 1) bis 4) keine (legale) Nettolohnarbeitsentgeltvereinbarung
getroffen worden. Schon angesichts der Verkürzung der gemeldeten gegenüber den tatsächlich gezahlten Arbeitsentgelten zum
Zwecke der Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen ist auszuschließen, dass es dem ausdrücklichen oder konkludenten
Willen der APL entsprach, die Steuern und Beitragsanteile der Beigeladenen zu 1) bis 4) zu übernehmen. Der Anwendungsbereich
des §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV beschränkt sich jedoch auf das Sozialversicherungsrecht und erstreckt sich nicht auf bürgerlich-rechtliche Rechtsverhältnisse
(Bundesarbeitsgericht (BAG) 21.09.2011, 5 AZR 629/10, BAGE 139, 181). Entgegen der Auffassung der Beklagten stand den Beigeladenen zu 1) bis 4) damit kein Anspruch auf Arbeitsentgelt in der
im angefochtenen Bescheid aufgrund der Hochrechnung festgestellten Höhe zu. Die Argumentation der Beklagten, der Gesamtsozialversicherungsbeitrag
sei aus dem nach dem Entstehungsprinzip zu berücksichtigenden Lohnanspruch der Beigeladenen zu 1) bis 4) zu berechnen, greift
daher nicht. Insoweit besteht auch nicht die Gefahr, dass gegenüber APL und dem Kläger unterschiedlich hohe Lohnansprüche
der Beigeladenen zu 1) bis 4) bestehen würden. Sehr wohl besteht aber die Möglichkeit, dass Verleiher und Entleiher für den
Gesamtsozialversicherungsbeitrag in unterschiedlicher Höhe haften.
Jedoch sind die Voraussetzungen zur Anwendung des §
14 Abs
2 Satz 2
SGB IV hinsichtlich einer Beitragsfestsetzung gegenüber dem Kläger erfüllt. Zwar kann der auf Seiten der APL auch aus Sicht des
Senats angesichts der kriminellen Vorgehensweise bestehende Vorsatz dem Kläger nicht zugerechnet werden, denn hierfür gibt
es keine Rechtsgrundlage (für eine Hochrechnung nur bei Vorsatz des Entleihers auch Lanzinner/Nath, NZS 2015, 251, 257). Wie der Vertreter des Klägers zutreffend ausgeführt hat, bezieht sich die Gesamtschuldnerschaft zwischen Verleiher
und Entleiher auf bestehende Ansprüche in gleicher Höhe. Ein Zurechnungszusammenhang für divergierende Ansprüche wird dadurch
nicht herbeigeführt. Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass der Kläger selbst zumindest mit bedingtem Vorsatz handelte.
Objektiv lag ein illegales Beschäftigungsverhältnis vor. Die in § 1 Abs 3 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (SchwarzArbG) in der erst ab 18.07.2019 geltenden Fassung (Gesetz vom 11.07.2019, BGBl I 1066) enthaltene Legaldefinition des Begriffs
der illegalen Beschäftigung kann für den streitigen Zeitraum zwar noch keine Geltung beanspruchen. Inhaltlich hat sich insoweit
jedoch keine Änderung ergeben, denn das BSG hatte bereits zuvor den objektiven Tatbestand des illegalen Beschäftigungsverhältnisses dahin ausgelegt, dass jedenfalls
Fälle des Verstoßes gegen zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten des Sozialversicherungsrechts und des Steuerrechts erfasst
sind (BSG 09.11.2011, B 12 R 18/09 R, SozR 4-2400 § 14 Nr 13). Auch der Gesetzgeber geht hinsichtlich der neu eingeführten Legaldefinition in § 1 Abs 3 SchwarzArbG von einer Klarstellung aus (vgl BT-Drs 19/8691 S 43). Entsprechende Verletzungen arbeitgeberbezogener Pflichten liegen hier
in mehrfacher Form vor, ua wegen des Verstoßes gegen § 1b Satz 1 AÜG (vgl jetzt § 1 Abs 3 Nr 3 Buchst b SchwarzArbG). Danach ist Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 in Betrieben des Baugewerbes für Arbeiten, die üblicherweise von Arbeitern verrichtet werden, unzulässig. Eine nach § 1b Satz 2 AÜG erlaubte Arbeitnehmerüberlassung zwischen Baubetrieben derselben Branche liegt nicht vor.
Es fehlt auch nicht an dem erforderlichen mindestens bedingten Vorsatz des Klägers (dazu BSG 09.11.2011, B 12 R 18/09 R, SozR 4-2400 § 14 Nr 13). Es genügt insoweit, dass der Arbeitgeber seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge
billigend in Kauf genommen hat (Senatsurteil vom 13.03.2018, L 11 R 609/17). Zwar musste der Kläger nicht damit rechnen, dass die APL die Lohnabrechnungen systematisch verkürzt um dadurch Sozialversicherungsbeiträge
zu sparen. Anders sieht dies jedoch hinsichtlich der grundsätzlich seit Jahrzehnten verbotenen Arbeitnehmerüberlassung auf
dem Bau aus, die nur innerhalb der einzelnen Branchen ausnahmsweise erlaubt ist (vgl § 1b AÜG). Dass die Firma APL kein Bauunternehmen ist sondern Personalvermittler, ist offensichtlich. Diese Problematik war dem Kläger
durchaus bewusst, denn er wollte, wie auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt wurde, eigentlich Werkverträge
schließen. Entsprechende Werkverträge wurden jedoch nicht abgeschlossen. APL bot in dem vorliegenden Mitteilungsblatt (Bl
6 Verwaltungsakte) an, innerhalb von 5 Werktagen das geeignete Personal ab einem Pauschalsatz von 22 EUR zur Verfügung zu
stellen. Weiter hieß es: "Die klassischen Arbeitgeberpflichten (zB Lohnabrechnung, Abführung der Lohnsteuer und Sozial-Abgaben)
verbleiben zur Ihrer Entlastung beim Auftragnehmer (APL)." Mit diesem Formular meldete der Kläger Bedarf für zwei Dachdecker/Zimmermann
(nur ausgebildetes Fachpersonal) an. Handschriftliche Vermerke auf dem Formular (Bl 7 Verwaltungsakte) belegen, dass es um
Personal aus Polen gehen sollte und die Themen eigenes Auto, Deutschkenntnisse und Fachkenntnisse besprochen wurden. Bei einem
Werkvertrag wäre der erste Punkt ohne Bedeutung und Deutschkenntnisse auch nicht zwingend. Mit Angebot vom 21.03.2012 bot
die APL daraufhin Dachdecker zu einem Stundenlohn von 25 EUR an. In der entsprechenden Auftragsbestätigung vom 21.03.2012
(Bl 9 Verwaltungsakte) wird ausgeführt: "Für eine korrekte Ausfertigung unserer Werkverträge bitten wir Sie folgende Punkte
auszufüllen und uns umgehend zurückzuschicken " In dem Formular fügte der Kläger daraufhin ein: "Einlatten, Fenster einbauen,
eindecken mit Biberschwanzziegel. Arbeitsbeginn 7.00 Uhr, Arbeitsende 16.30 -17.00 Uhr" nebst Anschrift der Baustelle. Dieser
Ablauf spricht eindeutig dafür, dass sehenden Auges eine Umgehungslösung angestrebt wurde, um das dringend benötigte Personal
zu erhalten. Auch der weitere Ablauf bestätigt, dass ernsthaft zu keiner Zeit Werkverträge gewollt waren. So war der Kläger
mit den überlassenen Arbeitern nicht zufrieden. Auf Bl 11 der Verwaltungsakte findet sich ein handschriftlicher Vermerk über
eine telefonische Beschwerde bei APL am 29.03.2012 wegen der Punkte: - kein Fachpersonal (Tischler + Schlosser), - AN noch
nie auf dem Dach gearbeitet - keine Materialkenntnis - keine Sprachkenntnisse. Dies belegt, dass die Arbeiter aus Polen hier
tatsächlich von Anfang an in die Arbeitsabläufe auf der Baustelle und damit in den Betrieb des Klägers eingegliedert werden
sollten. In gleicher Weise erfolgte die Vermittlung der nachfolgenden zwei Arbeiter, die auch nicht den Vorstellungen des
Klägers entsprachen. Hier findet sich unter dem 17.04.2012 die Nachricht an APL: "Wir werden sie für die KW 16 weiter beschäftigen.
Für die KW 17 aber müssen sie nicht mehr kommen." Insoweit teilt der Senat die Bewertung des AG D. nicht, dass hier nur ein
Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen ist. Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, dass nach diesem gesamten Ablauf der Kläger
nicht davon ausging, das vertragliche Konstrukt mit der APL zur Umgehung der Problematik der verbotenen Leiharbeit sei als
Werkvertrag rechtlich nicht zu beanstanden. Entsprechende rechtliche Grundkenntnisse sind bei der zweifach abgelegten Meisterprüfung
vorhanden. Um seine Aufträge trotz Personalmangels bewältigen zu können, nahm er vielmehr die Nichtabführung von Beiträgen
billigend in Kauf. Dass sich Frau V., Mitarbeiterin des Klägers und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat anwesend,
nach eigenen Angaben noch erkundigt hatte, ob APL Sozialversicherungsbeiträge abführt und Steuern zahlt, spielt für die Frage
der verbotenen Arbeitnehmerüberlassung auf dem Bau keine Rolle. Davon abgesehen hätte es beim Abschluss von Werkverträgen
einer derartigen Nachfrage überhaupt nicht bedurft. Die Berechnung der Beiträge im Einzelnen ist nicht zu beanstanden. Auf
die Anlage zur Berechnung im angefochtenen Bescheid vom 26.09.2016 wird insoweit Bezug genommen.
Die Befugnis zur Festsetzung von Säumniszuschlägen beruht auf §
24 Abs
1 SGB IV. Wird eine Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt, ist ein darauf entfallender Säumniszuschlag
nach §
24 Abs
2 SGB IV nur dann nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht
hatte. Da der Kläger mit bedingtem Vorsatz handelte, bestand keine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungsverpflichtung
(BSG 12.12.2018, B 12 R 15/18 R, SozR 4-2400 § 24 Nr 8). Die Säumniszuschläge sind auch der Höhe nach zutreffend festgesetzt.
Auch hinsichtlich der vom SG ausgesprochenen Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung der überzahlten Beiträge/Säumniszuschläge war das Urteil aufzuheben.
Da die Forderung der Beklagten in der gesamten Höhe rechtmäßig ist, besteht kein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch
gerichtet auf Rückzahlung. Abgesehen davon hätte die Beklagte aber auch aus anderen Gründen nicht zur Rückzahlung verpflichtet
werden dürfen. Voraussetzung ist, dass die Verwaltung in der Lage ist, die Vollziehung des Verwaltungsakts rückgängig zu machen,
denn niemand kann zu einer unmöglichen Leistung verpflichtet werden (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt,
SGG, 12. Aufl, §
131 Rn 6). Da die Einziehung der Beiträge jedoch nicht durch die Beklagte, sondern die beigeladene Einzugsstelle erfolgt, kann
auch die Beklagte nicht zur Rückzahlung verpflichtet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a SGG i.V.m. §
154 Abs
1 VwGO. Da die Beigeladenen keine Anträge gestellt und damit kein Kostenrisiko auf sich genommen haben, ist eine Belastung des Klägers
mit deren außergerichtlichen Kosten nicht veranlasst (§
197a SGG i.V.m. §
162 Abs
3 VwGO; vgl BSG 17.03.2009, B 14 AS 34/07 R).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §
197a Abs
1 SGG i.V.m. §§ 1 Abs 2 Nr
3, 47 Abs 1 und 2, 52 Abs 3 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert grundsätzlich
nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag
des Klägers wie vorliegend eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend
(§ 52 Abs 3 Satz 1 GKG). Im Berufungsverfahren bestimmt sich der Wert durch die Anträge des Rechtsmittelführers (§ 47 Abs 2 Satz 1 GKG).
Gründe für die Zulassung der Revision (§
160 Abs
2 Nrn 1 und 2
SGG) liegen nicht vor.