Anspruch auf Prozesskostenhilfe im sozialgerichtlichen Verfahren; Beurteilungszeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussichten
Gründe:
I. Streitig ist, ob der Klägerin für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Sozialgericht Bayreuth (SG) Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist.
Mit ihrer am 19.10.2004 zum SG gegen den Bescheid vom 15.02.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2004 erhobenen Klage hat die Klägerin
die Überprüfung des Bescheides vom 14.01.2002 insbesondere dahingehend begehrt, ob die Regelung des § 22b Fremdrentengesetz (FRG) von der Beklagten zutreffend angewandt worden sei. Zugleich hat sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Vorlage
der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am 04.11.2004 beantragt.
Das SG hat wegen der Rechtshängigkeit vergleichbarer Streitverfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) mehrfach vergeblich die Anordnung
des Ruhens des Verfahrens angeregt und mit Gerichtsbescheid vom 08.04.2009 die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei der Rechtssprechung
des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (Urteil vom 12.12.2002 - L 5 Kn 2/02 -), nicht aber der Rechtsauffassung
u.a. des 4. und 13. Senates des BSG angeschlossen. Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht
eingelegt.
Bereits am 12.02.2009 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit vergleichbaren Ausführungen abgelehnt. Die Klage habe keine Aussicht
auf Erfolg.
Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§
172,
173 Sozialgerichtsgesetz -
SGG -) ist zulässig und auch begründet. Der Beschluss des SG ist aufzuheben und der Klägerin ist für das Verfahren vor dem SG Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.
Gemäß §
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
114 Zivilprozessordnung (
ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht,
nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende
Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Es genügt für die Annahme einer hinreichenden Erfolgsaussicht eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit, der Erfolg braucht nicht
mit Sicherheit feststehen. Das Wort "hinreichend" kennzeichnet dabei, dass das Gericht sich mit einer vorläufigen Prüfung
der Erfolgsaussicht begnügen darf. Der Erfolg braucht nicht gewiss zu sein, er muss aber immerhin nach den bisherigen Umständen
eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit ist nicht notwendig. Der Standpunkt des
Antragstellers muss zumindest objektiv vertretbar sein. Bei der Beurteilung, ob eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht,
muss der verfassungsrechtliche Rahmen berücksichtigt werden. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung
oder - Rechtsverteidigung selbst in das Prozesskostenhilfeverfahren vorzuverlagern. Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten
dürfen deswegen nicht überzogen werden (vgl. zum Ganzen: Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG. 9.Aufl, §
73a Rdnr 7, 7a). War eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist,
muss Prozesskostenhilfe bewilligt werden; ebenso ist zu verfahren bei einer Abweichung von der Rechtsprechung oder herrschenden
Meinung. Das Gericht darf über schwierige Rechtsfragen nicht in PKH-Verfahren, in denen nur eine summarische Prüfung vorzunehmen
ist, entscheiden (vgl. Leitherer aaO. Rdnr 7b). Vorliegend war über eine schwierige Rechtsfrage zu entscheiden, bezüglich
derer unterschiedliche Rechtsauffassungen in der Rechtsprechung vorlagen.
Maßgeblich für die Beurteilung der Erfolgsaussichten sind die Verhältnisse und der Kenntnisstand des Senates im Zeitpunkt
der Beschwerdeentscheidung (Philippi in Zöller,
ZPO, 26.Aufl 2007, §
119 Rdnr 44 mwN). Anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch
das Gericht pflichtwidrig verzögert wurde (vgl. Philippi aaO. § 119 Rdnr 47 mwN).
Vorliegend hätte das SG bereits am 04.11.2004 über den Antrag auf Prozesskostenhilfe entscheiden können. Nachdem es zu späteren Zeitpunkten beim
Kläger wegen der Anordnung des Ruhens mehrfach nachgefragt hatte - Entscheidungen des BSG in vergleichbaren Sachverhalten
standen aus -,war im Zeitpunkt der frühestmöglichen Entscheidung durch das SG auch nach dessen Ansicht die hierzu klärende Rechtsfrage zumindest noch streitig. Zu diesem Zeitpunkt war somit eine hinreichende
Erfolgsaussicht noch gegeben.
Nach alledem war auf die Beschwerde der Klägerin hin der Beschluss des SG aufzuheben und ihr für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§
177 SGG).