Unzulässigkeit der Berufung im sozialgerichtlichen Verfahren bei einer fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung
Die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung, die Berufung sei zulässig, ist keine Entscheidung über die Zulassung. Legt ein Beteiligter
entsprechend der Belehrung Berufung ein, ist diese unzulässig und es bleibt beim Grundsatz, dass das Landessozialgericht nicht
über die Zulassung der Berufung entscheiden darf, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht vorliegt. Eine Auslegung oder
Umdeutung der Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde kommt nicht in Betracht, wenn der Kläger der falschen Rechtsmittelbelehrung
folgend wirklich Berufung einlegen wollte. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tatbestand:
Die Beklagte erließ gegenüber dem 1950 geborenen Kläger, der Arbeitslosenhilfe bezog, am 10.09.2004 einen Bewilligungsbescheid,
mit dem sie vom 29.07.2004 bis 31.12.2004 wöchentliche Arbeitslosenhilfe in Höhe von 211,33 Euro anerkannte. Berechnungsgrundlage
war das wöchentliche Bemessungsentgelt von 700,00 Euro.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch von 23.09.2004 machte der Kläger geltend, dass die Beklagte ihm mit dem früheren Bescheid
vom 01.06.2004 von diesem Tag bis 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 216,51 Euro bewilligt hatte. Er habe auf die unveränderte
Weiterzahlung vertrauen dürfen.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2004 den Widerspruch zurück. Aufgrund einer gesetzlichen Regelung werde
das Bemessungsentgelt für die Arbeitslosenhilfe jeweils nach Ablauf eines Jahres seit dem Entstehen des Anspruchs um 3 % abgesenkt.
Seit dem letzten Anpassungstermin am 14.07.2003 sei ein Jahr verstrichen.
Mit Bescheid vom 13.12.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe vom 29.10.2004 bis 11.11.2004 auf wegen
eines Meldeversäumnisses; für diese zwei Wochen ruhe der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.
Der Kläger hat hiergegen am 14.12.2004 beim Sozialgericht München (SG) Klage erhoben (S 37 AL 1917/04); das SG hat sie mit Beschluss vom 24.08.2007 mit einem anderen Verfahren (S 37 AL 1118/05) verbunden und in der mündlichen Verhandlung am 10.10.2008 abgetrennt (S 37 AL 1013/08). Es hat mit Urteil vom gleichen Tage die Klage in der Sache S 37 AL 1013/08 abgewiesen und in der Rechtsmittelbelehrung festgestellt, das Urteil könne mit der Berufung angefochten werden.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 22.03.2009, mit der der Kläger die Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe nach
der früheren Berechnungsgrundlage im Änderungsbescheid vom 01.06.2004 geltend macht. Auf den Hinweis der Beklagten, dass der
Beschwerdewert 108,04 Euro betrage und damit die Berufung unzulässig sei, hat der Kläger mitgeteilt, er werde die Rechtslage
klären.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.10.2008 aufzuheben und den Bescheid vom 10.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 22.11.2004 abzuändern.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Berufung zu verwerfen.
Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist gemäß §
158 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) als unzulässig zu verwerfen. Ist die Berufung nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich
oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt, so ist sie
als unzulässig zu verwerfen.
Die Berufung ist nicht statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 Euro nicht übersteigt. Gemäß §
144 Abs.
1 Nr.
1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts,
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten
Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Dieser Betrag wird durch die Absenkung des Bemessungsentgelts mit Bescheid
vom 10.09.2004 nicht erreicht. Der Wert des Beschwerdegegenstandes errechnet sich aus der Anzahl der hier streitigen Tage
vom 29.07.2004 bis 31.12.2004 abzüglich des Ruhenszeitraums aufgrund des Meldeversäumnisses von zwei Wochen multipliziert
mit der Absenkung der Arbeitslosenhilfe (5,18 Euro). Dies ergibt nach dem von der Beklagten im Schriftsatz vom 19.05.2009
dargestellten Berechnungsgang, auf den Bezug genommen wird, einen streitigen Betrag von 108,04 Euro.
Die Berufung betrifft auch nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr und das SG hat die Berufung nicht rechtswirksam zugelassen. Denn die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung, die Berufung sei zulässig,
ist keine Entscheidung über die Zulassung. Legt ein Beteiligter entsprechend der Belehrung Berufung ein, ist diese unzulässig
und es bleibt beim Grundsatz, dass das Landessozialgericht nicht über die Zulassung der Berufung entscheiden darf, weil eine
Nichtzulassungsbeschwerde nicht vorliegt. Eine Auslegung oder Umdeutung der Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde kommt
nicht in Betracht, weil der Kläger der falschen Rechtsmittelbelehrung folgend wirklich Berufung einlegen wollte (ständige
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts: vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 9. Aufl., §
144, Rn. 45).
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§
160 Abs.
2 Nr.
2,
3 SGG).