Berufsausbildungsbeihilfe
Einstweiliger Rechtsschutz
Ausländer ohne Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für seine
Ausbildung zum "Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik".
Der Antragsteller ist Staatsangehöriger Kameruns und im Besitz einer Aufenthaltsgestattung mit Gültigkeit bis zum 27. Juni
2017. Sein am 17. Februar 2015 gestellter Asylantrag ist bisher nicht abschließend beschieden worden. Ausweislich des Ausbildungsvertrags
vom 28. Juli 2016 absolviert der Antragsteller seit dem 1. September 2016 eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-,
Heizungs- und Klimatechnik bei der H Haustechnik GmbH B. Er erhält eine monatliche Ausbildungsvergütung von zurzeit 500 Euro.
Am 14. November 2016 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Gewährung von BAB, nachdem die Stadt Brandenburg
mit Bescheid vom 30. November 2016 die Gewährung von Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz (
AsylbLG) mit Wirkung vom 1. Dezember 2016 aufgehoben hatte.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2016 lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von BAB ab und wies den dagegen erhobenen Widerspruch
mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2017 zurück.
Am 20. Januar 2017 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Potsdam (SG) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel der Gewährung von BAB gestellt. Die beantragte einstweilige Anordnung
sei erforderlich, da er andernfalls seine Ausbildung abbrechen müsse, denn er könne von seiner Ausbildungsvergütung von 500
Euro seinen Lebensunterhalt und die Kosten seiner Unterkunft von monatlich 330 Euro nicht mehr bestreiten. Im Hinblick auf
seine Ausbildung erhalte er seit dem 1. Dezember 2016 keine Leistungen nach dem
AsylbLG mehr. Sein Anspruch auf die BAB ergebe sich aus §
132 Abs.
1 S. 1 Nr.
2 i.V.m. §
56 SGB III. Sein Aufenthalt sei seit dem 17. Februar 2015 und mithin seit mehr als 15 Monaten gestattet. Auch sei zukünftig ein rechtmäßiger
und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten. Nach § 60a Abs. 2 S. 4 i.V.m. § 18a Abs. 1a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) habe er, sofern sein Asylantrag abgelehnt werden sollte, für die Dauer seiner Ausbildung einen Anspruch auf Erteilung einer
Duldung und nach Abschluss der Ausbildung auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Nach § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG sei eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von S. 3 zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte
Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnehme oder
aufgenommen habe. Gemäß § 18a Abs. 1a AufenthG sei nach erfolgreichem Abschluss dieser Berufsausbildung für eine der erworbenen beruflichen Qualifikation entsprechende
Beschäftigung eine Aufenthaltserlaubnis für die Dauer von zwei Jahren zu erteilen. Das von der Antragsgegnerin entsprechend
einer Internetseite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vorgetragene Argument, es komme auf eine "gute Bleibeperspektive"
an, die der Kläger als Staatsangehöriger Kameruns nicht habe, überzeuge nicht. Eine derartige gute Bleibeperspektive sei kein
Merkmal des Tatbestandes des §
132 Abs.
1 SGB III. Ein Antragsteller, der sich noch im laufenden Asylverfahren befinde, dürfe nicht genötigt sein, auf seine asylverfahrensrechtliche
Position zu verzichten, um die beantragte BAB erhalten zu können. Andererseits könne und dürfe der Antragsteller durch den
Umstand, dass über seinen Asylantrag bislang noch nicht entschieden worden sei, leistungsrechtlich nicht schlechter gestellt
werden als er stünde, wenn sein Asylantrag abgelehnt worden wäre.
Die Antragsgegnerin trägt vor, der Antragsteller gehöre nicht zum förderfähigen Personenkreis nach §
59 Abs.
1-3
SGB III und auch die Sonderregelung für die Ausbildungsförderung von Ausländern nach §
132 SGB III greife für ihn nicht. Das BAMF lege halbjährlich fest, welche Menschen aus welchen Herkunftsländern eine gute Bleibeperspektive
hätten. Für Menschen aus Kamerun gelte dies nicht.
Mit Beschluss vom 29. März 2017 hat das SG die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller dem Grunde nach ab dem 20. Januar 2017 bis zur Entscheidung in der Hauptsache
vorläufig BAB für die Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik bei der H Haustechnik GmbH
B unter Anrechnung der gewährten Ausbildungsvergütung von monatlich 500 Euro zu gewähren. Dem Antragsteller stehe ein Anordnungsgrund
zur Seite (besondere Eilbedürftigkeit). Er könne sich auch auf einen Anordnungsanspruch berufen. Hierbei dürften unter Beachtung
der Entscheidungen, die im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ergangen seien, die Anforderungen
an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs nicht überspannt werden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.
Februar 2008, L 5 B 10/08 AS ER, juris). Es werde zwar grundsätzlich den Ausführungen der Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2017
gefolgt, soweit diese auf die Regelungen des §§
56,
59,
132 SGB III und § 8 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) verweise. Jedoch sei die daraus gezogene Schlussfolgerung der Ablehnung der BAB weder durch die genannten Regelungen noch
durch die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes gedeckt. Der Aufenthalt des Antragstellers sei seit dem 17. Februar 2015, also seit mehr als 15 Monaten gestattet (§
132 Abs.
1 S. 1 Nr.
2 SGB III [eingefügt durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes vom 31. Juli 2016 mit Wirkung vom 6. August 2016, BGBl. I, S. 1939]). Es sei auch zukünftig ein rechtmäßiger
und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten (vgl. §
132 Abs.
1 S. 1
SGB III). Dies gelte insbesondere unter Beachtung des § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG, wonach eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne des Satzes 3 zu erteilen sei, wenn der Ausländer eine
qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland
aufnehme oder aufgenommen habe. Diese Voraussetzungen lägen hier aufgrund der vom Antragsteller seit dem 1. September 2016
absolvierten Ausbildung mit einer voraussichtlichen Dauer von 42 Monaten vor. Zudem sei eine Aufenthaltserlaubnis für die
Dauer von zwei Jahren nach erfolgreichem Abschluss dieser Berufsausbildung für eine der erworbenen beruflichen Qualifikation
entsprechende Beschäftigung zu erteilen (§ 18a Abs. 1a AufenthG).
Gegen den am 30. März 2017 zugestellten Beschluss richtet sich die von der Antragsgegnerin am 6. April 2017 bei dem Landessozialgericht
(LSG) Berlin-Brandenburg eingelegte Beschwerde. Die Auffassung des SG, dass bereits wegen der Aufnahme einer Berufsausbildung nunmehr ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt i.S.d. §
132 Abs.
1 SGB III zu erwarten sei, überzeuge nicht. Dieses Tatbestandsmerkmal bezeichne ausweislich der Gesetzesbegründung des Integrationsgesetzes
nur solche Ausländer, die eine gute Perspektive hätten, als Asylberechtigte anerkannt zu werden (Bundesratsdrucksache 266/16,
Seite 29). Es müsse also ex ante eine überwiegend wahrscheinliche Aussicht darauf bestehen, dass die jeweilige Person den
Status als Flüchtling (§ 3 ff. AsylG) oder einen subsidiären Schutz i.S.d. §
4 AsylVfG erlangen werde (Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu,
Sozialgesetzbuch III, §
132 Rn. 5 - 11 Beck-online). Die Antragsgegnerin könne im Rahmen der in §
132 Abs.
1 SGB III erforderliche Prognoseentscheidung den Ausgang des Asylverfahrens nicht vorwegnehmen. Insoweit sei das Abstellen auf die
Anerkennungsquote im Asylverfahren (sog. Gesamtschutzquote) als sachgerechtes Kriterium jedenfalls so lange nicht zu beanstanden,
als der Antragsteller Umstände glaubhaft mache, die eine belastbare andere Prognose erlauben würden. Für Asylbewerber aus
Kamerun liege keine Gesamtschutzquote von über 50 Prozent vor, dies betreffe derzeit nur Personen aus Syrien, Irak, Eritrea,
Somalia und dem Iran. Es werde angeregt, beim BAMF die Entscheidungsstatistik bezüglich der Asylanträge kamerunischer Staatsangehöriger
anzufordern.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 28. April 2017 die Entscheidungsstatistik des BAMF zu den Asylanträgen für das
Jahr 2017 vorgelegt. Danach sei über Asylanträge kamerunischer Staatsangehöriger in 565 Fällen entschieden worden. In 9 Fällen
sei die Anerkennung als Flüchtling erfolgt, in 9 weiteren Fällen sei ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 AufenthG festgestellt worden. Die Schutzquote liege hiernach bei etwa 3, 2 %.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 29. März 2017 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsteller trägt ergänzend vor, dass zum förderungsfähigen Personenkreis nach §
59 Abs.
2 SGB III auch geduldete Ausländer nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes mit ständigem Wohnsitz im Inland und nach einer Voraufenthaltszeit von 15 Monaten gehörten. Bei unverzüglicher Rücknahme
seines Asylantrags würde er nahtlos diesem Personenkreis unterfallen und die beantragte BAB erhalten. In betrieblicher Berufsausbildung
stehende noch nicht beschiedene Asylantragsteller, die nicht aus einem Land mit einer hohen Anerkennungsquote stammten, würden
hinsichtlich der BAB schlechter gestellt als jene Geduldeten, die auf die weitere Durchführung ihres Asylverfahrens durch
Rücknahme verzichtet hätten oder deren Asylanträge bereits negativ beschieden worden seien. Hierin liege ein eklatanter Wertungswiderspruch.
§
132 Absatz
1 S. 2
SGB III normiere lediglich eine widerlegbare gesetzliche Vermutung dahingehend, dass ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt
bei einem Asylbewerber nicht zu erwarten sei, der aus einem sicheren Herkunftsstaat nach § 29a des Asylgesetzes stamme. Eine vergleichbare Bezugnahme auf den Herkunftsstaat weise S. 1 der Vorschrift hinsichtlich der positiven Aufenthaltsprognose
demgegenüber nicht aus. Die sog. Gesamtschutzquote sei auch kein sachgerechtes Kriterium für die Prognoseentscheidung nach
§
132 Abs.
1 S. 1
SGB III, denn sie berücksichtige sämtliche, auch formale Entscheidungen über Asylanträge einschließlich derjenigen, in denen Asylverfahren
wegen Antragsrücknahme oder Nichtbetreibens des Verfahrens eingestellt oder wegen der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats
der Dublin-III-VO ohne inhaltliche Prüfung beendet würden. Vollkommen unbestimmt sei auch, welche Zeiträume für die Bestimmung
der Gesamtschutzquote maßgebend sein sollten. So gehöre nach der Erklärung der Antragsgegnerin Afghanistan nicht zu den Herkunftsländern
mit ausreichender Anerkennungsquote von mehr als 50 %, jedoch werde in der Asylgeschäftsstatistik des BAMF für das Jahr 2016
hinsichtlich Afghanistans eine Gesamtschutzquote von 55,8 % ausgewiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens und auch im übrigen zum Sach- und Streitstand wird auf den
Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
II.
Die nach §
172 Abs.
1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des SG vom 29. März 2017 ist begründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die von ihm im Wege der einstweiligen Anordnung
begehrte Gewährung von BAB.
Das Gericht kann nach §
86b Abs.
2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß §
86 b Abs.
2 Satz 4
SGG i. V. m. §
920 Abs.
2 Zivilprozessordung (
ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens des Anordnungsgrundes (die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile) als auch eines Anordnungsanspruchs. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen
Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht
(Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Auflage §
86 b Rdnr. 16 b).
Soweit das SG die Antragsgegnerin verpflichtet hat, dem Antragsteller dem Grunde nach ab dem 20. Januar 2017 vorläufig BAB zu gewähren,
fehlt es für eine rückwirkende Anordnung bereits am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Maßgebend für die Beurteilung der Frage,
ob eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, sind - auch im Beschwerdeverfahren - in der Regel die
tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis
eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkung für die Zukunft
entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit
kann in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen (vgl. im einzelnen Beschlüsse des Landessozialgerichts
(LSG) Berlin-Brandenburg vom 18. Oktober 2007 - L 28 B 1637/07 AS ER, und vom 4. September 2009 - L 14 AS 1063/09 B ER -, beide juris).
Der Antragsteller hat aber auch einen Anordnungsanspruch für den von ihm im einstweiligen Anordnungsverfahren erhobenen Anspruch
auf Gewährung von BAB nicht i.S.v. §
86 b Abs.
2 Satz 4
SGG i. V. m. §
920 Abs.
2 ZPO glaubhaft gemacht.
Nach § 132 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 gehören Ausländer, bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist zum
förderungsfähigen Personenkreis nach §
59 SGB III für Leistungen nach den §§
56 und
122 SGB III, wenn ihr Aufenthalt seit mindestens 15 Monaten gestattet ist. Durch Art. 1 des Integrationsgesetzes (vom 31. Juli 2016, in Kraft getreten am 6. August 2016, [BGBl. I S.1939]) wurden in §
132 SGB III befristet Sonderregelungen zur Ausweitung des förderungsfähigen Personenkreises nach §
59 SGB III für die Ausbildungsförderung von Ausländerinnen und Ausländern normiert.
Der Antragsteller fällt nicht unter den förderungsfähigen Personenkreis nach §
59 SGB III. Es liegen in seiner Person nicht die von Abs. 1 (und der allein in Betracht kommenden) Nr. 6 vor, denn er gehört nicht zu
den ausländischen Flüchtlingen im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951, die im Gebiet
der Bundesrepublik Deutschland nicht nur vorübergehend zum Aufenthalt berechtigt sind, denn der Antragsteller befindet sich
im Asylverfahren. Er gehört auch nicht zu dem in §
59 Abs.
3 SGB III aufgeführten Personenkreises, denn er hat sich weder vor Beginn der Berufsausbildung insgesamt fünf Jahre im Inland rechtmäßig
erwerbstätig aufgehalten noch hat er einen Elternteil, der während der letzten sechs Jahre vor Beginn der Berufsausbildung
sich insgesamt drei Jahre im Inland aufgehalten und rechtmäßig erwerbstätig gewesen ist.
Der Antragsteller gehört schließlich auch nicht zu dem von §
59 Abs.
2 SGB III erfassten Personenkreis. Zwar ist der zuvor geforderte 4-jährige Mindestaufenthalt vor Aufnahme einer beruflichen Ausbildung
mit Wirkung zum 1. August 2016 auf 15 Monate verkürzt worden (vgl. Art. 3 Nr. 4b und Art. 6 Abs. 5 des 25. BAföG, BGBl. I, S. 2475). Mit der Neuregelung wird das Ziel verfolgt, diese Personen unmittelbar anknüpfend an den Aufenthaltstitel
nach dem Aufenthaltsgesetz unabhängig von einer etwaigen Mindesterwerbsdauer zu fördern. Der Antragsteller hat jedoch unstreitig nicht den Status eines
Geduldeten, denn über seinen Asylantrag ist noch keine Entscheidung getroffen worden.
Auch die Voraussetzungen für die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe nach §
132 SGB III, welcher den Kreis der förderberechtigen Personen erweitert, liegen nicht vor. Der Antragsteller ist zwar Asylbewerber mit
Aufenthaltsgestattung bis zum 27. Juni 2017. Er gehört auch nicht zu den Ausländern aus sicheren Herkunftsstaaten (§
132 Abs.
1 S. 2
SGB III i.V.m. § 29a Asylgesetz Anlage II); hierzu gehören in Afrika nur Ghana und Senegal, und er wohnt nicht in einer Aufnahmeeinrichtung (§
132 Abs.
1 S. 3
SGB III), sondern in einer Wohnung in Brandenburg.
Der Senat geht jedoch in Übereinstimmung mit der Antragsgegnerin davon aus, dass das Begehren des Antragstellers daran scheitert,
dass bei ihm mit der erforderlichen Sicherheit kein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt i.S.v. §
132 Abs. 1. S. 1
SGB III zu erwarten ist. Da insoweit wohl noch keine Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit existiert, schließt sich der Senat
der bereits bestehenden obergerichtlichen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit zur Auslegung des Kriteriums "Erwartung
eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts", welches z.B. zur Bestimmung eines berechtigten Personenkreises zur Teilnahme
an einem Integrationskurs nach § 44 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 des AufenthG verwendet wird, an. Sowohl §
132 SGB III, der durch das Integrationsgesetz vom 6. August 2016 in seinem Anwendungsbereich auf bestimmte Personengruppen von Ausländern
erweitert wurde wie auch in § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG (vgl. das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20. Oktober 2015) werden Angehörige derselben Personengruppe mit denselben
Wortlaut angesprochen. Zu § 44 Abs. 4 AufenthG liegt eine umfangreich begründete Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahrens des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
(VGH) vor (Beschluss vom 21. Februar 2017, 19 CE 16.2204, juris), die sich u.a. mit dem Kriterium des "rechtmäßigen und dauerhaften
Aufenthalts" i.S.d. § 44 Abs. 4 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG einer aus Afghanistan und damit aus einem eher als unsicher einzustufenden Staat stammenden Antragstellerin auseinandergesetzt
und deren Gründe daher auch zur Bestimmung des Kriteriums in § 132 Abs. 1 S. 1 als geeignet erscheinen.
So führt der Bayerische VGH Folgendes aus (juris Rz. 18ff auszugsweise wiedergegeben):
"18 Die demnach entscheidungserhebliche Frage, ob bei der Antragstellerin als Asylbewerberin aus Afghanistan "ein rechtmäßiger
und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist" (§ 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG), ist von der Behörde und vom Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend beantwortet worden (eig. Anm. des Senats: Im Sinne
der Verneinung).
19 Für diese Formulierung finden sich in der Entwurfsbegründung (BT-Drs. 18/6185, Seiten 1 und 48 die Umschreibungen "gute
Bleibeperspektive", "Asylbewerber, die aus einem Land mit einer hohen Anerkennungsquote kommen" und "Asylbewerber, bei denen
eine belastbare Prognose für einen erfolgreichen Asylantrag besteht". Auf Seite 30 geht die Entwurfsbegründung davon aus,
dass für die Entscheidung über den Zulassungsantrag eines Asylbewerbers eine Abfrage zum Status des Asylbewerbers aus dem
Asylbereich des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge notwendig ist.
20 Daraus ergibt sich, dass die Frage, ob die Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts begründet ist, grundsätzlich
anhand der Gesamtschutzquote des Landes, aus dem der Asylbewerber kommt, zu beantworten ist, solange die Asylentscheidung
des Bundesamtes noch nicht ergangen ist.
..................
21 Der Sachstand des Asylverfahrens vor Bescheidserlass ist keine geeignete Grundlage für die Beurteilung, ob die genannte
Erwartung begründet ist. Gegen die Bildung einer Überzeugung betreffend die Erfolgsaussichten des Asylbegehrens spricht, dass
regelmäßig unterschiedliche Spruchkörper für die Asylsache und für die ausländerrechtliche Entscheidung nach § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG zuständig sind und deshalb für diese Überzeugungsbildung die Erfahrungen aus der asylrechtlichen Entscheidungspraxis nicht
genutzt werden können. Überdies wäre in vielen Fällen eine diesbezügliche Überzeugung nicht kurzfristig zu gewinnen, so dass
dem Ziel des Gesetzes nicht genügt würde, mit der Integration - soweit sinnvoll - möglichst frühzeitig zu beginnen. Auch dem
Gesetz und der Entwurfsbegründung ist nicht zu entnehmen, dass im Rahmen der Entscheidung nach § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG eine an den Einzelfallumständen orientierte Überzeugung betreffend die Erfolgsaussichten des Asylbegehrens gebildet werden
soll.
.............
23 Die in der Entwurfsbegründung angesprochene Abfrage zum Status des Asylbewerbers hat somit den Zweck festzustellen, ob
die Bundesamtsentscheidung bereits ergangen ist (als Vorgabe für die Frage der Erwartung) oder ob sie noch aussteht mit der
Folge, dass es auf die Gesamtschutzquote ankommt.
..............
26 Die Antragsgegnerin geht offensichtlich davon aus, dass bei einer Gesamtschutzquote von mehr als 50% die in § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG genannte Erwartung begründet ist, diese Quote jedoch eine gewisse Stabilität aufweisen muss. Sie führt in ihrem Internetauftritt
(http: www.bamf.de/DE/Infothek/FragenAntworten/IntegrationskurseAsylbewerber/integrationskurse-asylbewerber-node.html) aus,
es werde halbjährlich festgelegt, welche Herkunftsländer das Kriterium Schutzquote (>/= 50) erfüllen, und hat das Zulassungsbegehren
der Antragstellerin abgelehnt, die aus dem Land Afghanistan kommt, für das nach der Asylgeschäftsstatistik des Bundesamtes
für Migration und Flüchtlinge die Gesamtschutzquote im Jahr 2016 einschließlich September noch 47,0% betragen hat und erst
danach die 50%-Grenze überschritten hat (2016 einschließlich Oktober: 51,3%; 2016 einschließlich November: 55,5%, 2016 einschließlich
Dezember: 55,8%). Im Januar 2017 hat die Gesamtschutzquote für Afghanistan wieder bei 45,2% gelegten.
27 Das Stabilitätskriterium des Beurteilungsmaßstabes der Antragsgegnerin ist nicht zu beanstanden, denn der Frage, ob die
geforderte Gesamtschutzquote stabil erreicht ist, kommt hohes Gewicht zu. Die Gesamtschutzquote kann, wie die dargestellte
Entwicklung dieser Quote für das Herkunftsland Afghanistan belegt, erheblichen Schwankungen unterworfen sein; dies kann auf
Entwicklungen im Heimatland des Asylbewerbers, auf einem Wandel der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, auf fallgruppenorientierten
Arbeitsabläufen des Bundesamtes und auf sonstigen Gründen beruhen. Nur bei einer "hohen Anerkennungsquote", die über längere
Zeit hin erreicht wird, führen Veränderungen der Gesamtschutzquote nicht zu einem Wechsel von Entstehen der Anwendbarkeit
des § 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG und Wegfall seiner Anwendbarkeit innerhalb kurzer Fristen (möglicherweise sogar innerhalb der Zeit, die ein Integrationskurs
dauert) und wird einigermaßen vermieden, dass es bereits wegen des Umgangs mit der Gesamtschutzquote zu Fehlförderungen in
einem Ausmaß kommt, das den Zielen des Gesetzgebers (vgl. Nr. 2) widerspricht.
.................
29 Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz ist durch die sogenannte Flüchtlingskrise veranlasst worden, also durch die tatsächliche,
rechtliche und gesellschaftliche Problematik im Zusammenhang mit der massenhaften Einreise von Flüchtlingen und Migranten
in den Jahren 2015 und 2016 nach Europa und vor allem nach Deutschland. Ziel des Gesetzes ist es vor allem (ausweislich der
Entwurfsbegründung, BT-Drs. 18/6185 S. 1), die Asylverfahren zu beschleunigen. Weiterhin soll einerseits die Rückführung vollziehbar
Ausreisepflichtiger vereinfacht und sollen Fehlanreize, die zu einem weiteren Anstieg ungerechtfertigter Asylanträge führen
können, beseitigt werden; andererseits soll die Integration derjenigen, die über eine gute Bleibeperspektive verfügen, verbessert
werden. Diesen Zielen liegt offensichtlich der Wille zu Grunde, nicht nur das Asylverfahren zu beschleunigen, sondern auch
das voraussichtliche Ergebnis des Asylverfahrens jeglicher Art effektiv und beschleunigt umzusetzen, also die Nachteile zu
verringern, die mit einem während längerer Zeit offenen Asylverfahren verbunden sind. Dies spricht für eine Gleichgewichtigkeit
des Integrations- und des Rückführungs-Ziels (auch das letztgenannte Ziel liegt offensichtlich weiterhin im Fokus des Gesetzgebers,
wie die zwischenzeitlich fortgeschrittenen Bemühungen um ein "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" zeigen).
Mit dem Begriff der Asylbewerber, die einen "rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalt zu erwarten" haben (§ 44 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AufenthG), sollen zur Minderung der Nachteile langdauernder Asylverfahren möglichst frühzeitig diejenigen Asylbewerber grob erfasst
werden, die in irgendeiner Form Aufnahme finden werden, um sie baldmöglich in die Integrationsförderung einzubeziehen. Dem
Gesetz und der Entwurfsbegründung ist zu entnehmen, dass diese grobe Prognose auch bezweckt, voraussichtlich nicht aufzunehmende
Asylbewerber möglichst von Integrationsleistungen fernzuhalten, denn eine Einbeziehung solcher Asylbewerber in die Integrationsförderung
widerspräche im Grundsatz dem Ziel, die Rückführung vollziehbar Ausreisepflichtiger zu vereinfachen, sowie dem Ziel, Fehlanreize
zu beseitigen, die zu einem weiteren Anstieg ungerechtfertigter Asylanträge führen können...."
Unter Heranziehung dieser Kriterien hat der Antragsteller, der nicht aus einem der vom BAMF ermittelten Länder mit einer Gesamtschutzquote
von über 50 Prozent stammt (derzeit Syrien, Irak, Eritrea, Somalia, Iran), sondern vielmehr aus einem Land mit einer Schutzquote
von ca. 3,2 %, keine Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts im Sinne von §
132 SGB III, so dass die begehrte Förderung durch BAB abzulehnen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§
177 SGG).