Aufhebung eines Widerspruchsbescheides
Grundsatzrüge
Bezeichnung einer Rechtsfrage
Isolierte Anfechtung eines Widerspruchsbescheids
Formelle Beschwer
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit hat der Kläger - in den Vorinstanzen erfolglos - die
Aufhebung eines Widerspruchsbescheides begehrt, da dieser seiner Meinung nach nicht habe erlassen werden dürfen. Das Bayerische
LSG hat seine nur noch gegen den Widerspruchsbescheid gerichtete Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig
angesehen, nachdem der Kläger zuvor eine auf Informationserteilung und Auskunft gerichtete Untätigkeitsklage wegen zwischenzeitlicher
Erlangung der begehrten Information für erledigt erklärt hat.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen LSG vom 25.3.2014 ist in entsprechender
Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
1. Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 17.9.2014 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Der Kläger formuliert auf Seite 2 der Beschwerdebegründung folgende Frage:
"Besteht auch ohne materiell-rechtliche Beschwer ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage gegen einen 'isolierten'
Widerspruchsbescheid, den die Widerspruchsbehörde erlassen hat, obwohl es sowohl an einem Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger
als auch an einem Widerspruch des Klägers fehlt?"
Zu Unrecht habe das LSG das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses verneint. Er sei nämlich "schon wegen der ihm auferlegten
Anfechtungslast" durch den Widerspruchsbescheid beschwert. Darüber hinaus sei der Widerspruchsbescheid aber auch wegen des
Rechtsscheins aufzuheben, den dieser Bescheid nach wie vor in rechtswidriger Weise zu seinen Lasten erzeuge. Solange der Widerspruchsbescheid
noch in der Welt sei, entfalte er Tatbestandswirkung. Er könne ua als Beweismittel dafür dienen, dass er - der Kläger - einen
Widerspruch eingelegt habe, obwohl dies nicht der Fall gewesen sei. Es sei "nicht einzusehen", weshalb er "die Bestandskraft
eines an ihn adressierten, rechtswidrigen belastenden Widerspruchsbescheids dulden und nicht zuletzt auch die Kosten eines
ihm von der Beklagten aufgedrängten Prozesses tragen" müsse.
Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge nicht (vgl hierzu exemplarisch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 Nr 70 mwN). Denn der Kläger hat - obwohl auch Fragen des Verfahrensrecht geeignet sein können, die grundsätzliche Bedeutung
der Sache anzunehmen - schon keine hinreichend klar erkennbare abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich
oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl dazu allgemein BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer solchen aus sich heraus verständlichen und auf eine bestimmte - hier
das sozialgerichtliche Verfahren betreffende - Rechtsnorm bezogenen Frage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht
an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).
Der Kläger legt zudem die Klärungsbedürftigkeit seiner Frage - deren Charakter als Rechtsfrage unterstellt - nicht hinreichend
dar. Er zeigt nicht auf, inwieweit sich die Antwort auf die von ihm gestellte Frage für den Bereich der Sozialgerichtsgerichtsbarkeit
nicht bereits nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG beantworten lässt. Geklärt ist eine Frage auch dann, wenn zur Auslegung vergleichbarer Rechtsfragen und Regelungen höchstrichterliche
Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte dafür geben, wie die konkret aufgeworfene Frage zu beantworten
ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 §
160 Nr 8; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
160 RdNr 8 mwN). Dazu bedarf es näherer Darlegungen. Trotz Bestehens solcher Anhaltspunkte im vorliegenden Fall geht der Kläger
darauf aber nicht hinreichend ein. Er selbst nimmt sogar unter Berücksichtigung einer von ihm zitierten Entscheidung des BSG (Urteil vom 25.3.1999 - B 9 SB 14/97 R - SozR 3-1300 § 24 Nr 14, Juris RdNr 20) an, dass diese zwar für die Bejahung der aufgeworfenen Frage spreche, sieht aber
gleichwohl die Klärungsbedürftigkeit als gegeben an, indem er in seine Fragestellung nun noch mit einer ganz spezifisch gelagerten
Sachverhaltsvariante verwebt und verfeinert (= vermeintliches Fehlen eines Verwaltungsakts und eines Widerspruchs). Seine
Ausführungen befassen sich indessen gar nicht damit, dass der 6. Senat des BSG in seiner jüngeren Rechtsprechung (Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 42/06 R - BSGE 99, 145 = SozR 4-2500 § 116 Nr 4, RdNr 16 mwN; vgl auch Keller in Meyer-Ladewig ua, aaO, § 54 RdNr 4b mwN sowie Leitherer in ebenda,
§ 95 RdNr §c, 3e mwN) - abweichend von der Ansicht des Klägers - für die isolierte Anfechtung eines Widerspruchsbescheides
im Klageverfahren ein berechtigtes Interesse in Gestalt einer möglichen Verletzung eigener materiell-rechtlicher Rechtspositionen
fordert und eine nur formelle Beschwer - soweit eine solche vorliegend vom Kläger überhaupt hinreichend dargelegt wurde -
insoweit gerade nicht ausreichen lässt.
Darüber hinaus legt der Kläger auch die Klärungsfähigkeit seiner Frage nicht hinreichend dar. Er berücksichtigt nicht, dass
das LSG seine Berufung noch mit der weiteren Begründung zurückgewiesen hat, dass das SG (im Ergebnis) zu Recht die Klage abgewiesen habe, weil nach Erreichen seines Rechtsschutzziels (= Informationserlangung)
nur noch eine "objektiv sinnlose Klage" vorgelegen habe, die mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig gewesen sei. Das
LSG hat in diesem Zusammenhang bereits ausgeführt, dass das Klagebegehren insoweit auf allenfalls eine - nicht erhobene bzw
im Wege der Klageänderung weiterverfolgte - Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Beklagten hätte
gerichtet werden können (= Fortsetzungsfeststellungsantrag nach §
131 Abs
1 S 3
SGG). Die Beschwerdebegründung zeigt dazu nicht auf, inwieweit die gestellte Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren überhaupt
beantwortet werden könnte, wenn doch möglicherweise andere sachgerechte Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung standen, von
denen hier jedoch kein Gebrauch gemacht wurde.
Der Kläger berücksichtigt darüber hinaus bereits nicht, dass die bloße Behauptung, das Berufungsurteil sei in einem bestimmten
Punkt inhaltlich unrichtig, nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache führen kann (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7). Eine - an andere besondere Darlegungserfordernisse geknüpfte - Verfahrensrüge (Zulassungsgrund des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG), die sich auch darauf beziehen kann, dass zu Unrecht durch Prozessurteil entschieden worden sei (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde,
2. Aufl 2010, RdNr 658 mwN), hat der Kläger nicht erhoben.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen, §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Halbs 3
SGG iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 S 1 Halbs 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.