Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen
Grundsatzrüge
Verletzung des Gleichheitssatzes
Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen
Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit einer
gegenüber dem Kläger als Arbeitgeber geltend gemachten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung,
zur sozialen Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung - Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung wurden
entrichtet - aus der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 1.4. bis 20.8.2004. Der Kläger wendet insbesondere
ein, die Beigeladene zu 1. sei als Promotionsstudentin in ihrer Beschäftigung bei ihm versicherungsfrei gewesen.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen LSG vom 25.3.2014 ist gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG in entsprechender Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 16.9.2014 auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) und den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG).
1. Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde
gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt
oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt
hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen
abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte
Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung
des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
Der Kläger nimmt auf Seite 4 der Beschwerdebegründung an, es liege eine Divergenz zu einem Urteil des BSG vom 29.9.1992 (BSGE 71, 144 = SozR 3-2200 § 172 Nr 2) vor. Darin stelle das BSG den Rechtssatz auf, Versicherungsfreiheit scheide nicht nach dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss aus Rechtsgründen
aus; vielmehr komme es darauf an, ob das Erscheinungsbild einem Studierenden oder einem Beschäftigten entspreche. Demgegenüber
stelle das LSG in dem angefochtenen Urteil den Rechtssatz auf, Promotionsstudenten seien niemals ordentliche Studierende,
es komme nicht auf das Erscheinungsbild an.
Hierdurch legt der Kläger entgegen den sich aus §
160a Abs
2 S 3
SGG ergebenden Anforderungen an die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde eine Divergenz nicht dar. Insbesondere unterlässt
der Kläger hinreichende Ausführungen dazu, inwieweit die angeblich einander im Grundsätzlichen widersprechenden Entscheidungen
zum selben Gegenstand ergangen sind. Der Kläger setzt sich nicht damit auseinander, dass es in dem in Bezug genommenen Urteil
des BSG um ein "Erweiterungsstudium" ging.
2. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
a) Der Kläger wirft auf Seite 6 der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:
"Kommt es auch für die Frage, ob Promotionsstudenten 'ordentliche Studierende' im Sinne des §
6 Abs.
1 Nr.
3 SGB V, §
27 Abs.
4 Satz 1 Nr.
2 SGB III sind, - entsprechend den vom 12. Senat im Urteil vom 29.09.1992 - 12 RK 31/91 - BSGE 71, 144 ff. - juris aufgestellten Grundsätzen - auf das 'Erscheinungsbild als Student' an?"
Die Frage sei klärungsbedürftig. Zwar äußere sich das Urteil des BSG vom 29.9.1992 (BSGE 71, 144 = SozR 3-2200 § 172 Nr 2) nicht ausdrücklich zu Promotionsstudiengängen. Die dort entwickelten Grundsätze seien aber so allgemein formuliert,
dass sie auch auf Promotionsstudiengänge anwendbar seien, weshalb die aufgeworfene Rechtsfrage zu bejahen sei, auch wenn das
Urteil im konkreten Fall nur ein Erweiterungsstudium und kein Promotionsstudium betreffe. Im Hinblick auf die Rechtsprechung
des LSG in anderen Verfahren sei die Frage jedenfalls erneut klärungsbedürftig geworden. Auch aus dem Urteil des BSG vom 23.3.1993 (SozR 3-2500 § 5 Nr 10) ergebe sich keine Klärung, weil dieses nur die Frage der Versicherungspflicht als Student betreffe, nicht aber die
vorliegend relevante Frage der Versicherungsfreiheit. Ob aber Versicherungspflicht nach §
5 Abs
1 Nr
9 SGB V bestehe, sei für die Versicherungsfreiheit eines beschäftigten Studenten nach §
6 Abs
1 Nr
3 SGB V unerheblich (Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 6 Nr 17, Juris RdNr 17). Das LSG habe in einem anderen Urteil vom 29.9.2009, worauf es sich vorliegend stütze, mit dem Hinweis
auf eine Missbrauchsgefahr bei Promotionsstudiengängen und dem Fehlen von Rahmen und Vorgaben bei Promotionsvorhaben neue
Gesichtspunkte benannt, die die Annahme rechtfertigten, dass die Rechtsfrage jedenfalls wieder klärungsbedürftig geworden
sei.
Den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage - ihre Qualität als hinreichend konkrete,
in einem späteren Revisionsverfahren prüfbare Rechtsfrage unterstellt - genügt der Kläger damit nicht. Der Kläger setzt sich
weder hinreichend mit der Rechtslage und der Gesetzessystematik noch mit der hierzu bereits ergangenen Rechtsprechung auseinander.
Insbesondere unterlässt er die gebotene Untersuchung, inwieweit sich aus dem Zusammenspiel von §
5 Abs
1 Nr
9 SGB V und §
6 Abs
1 Nr
3 SGB V Rückschlüsse auf ein gesetzliches Konzept einer sozial(versicherungs)rechtlichen Privilegierung von Studenten ableiten lassen,
woraus sich wiederum Folgen für die von ihm aufgeworfene Frage ergeben können. Hierzu hätte Anlass bestanden, weil einerseits
nach §
5 Abs
1 Nr
9 SGB V Studenten beitragsprivilegiert (vgl §
245 Abs
1 SGB V) versicherungspflichtig und andererseits Studenten in einer Beschäftigung nach §
6 Abs
1 Nr
3 SGB V - in dieser Beschäftigung - versicherungsfrei und damit - wiederum in dieser Beschäftigung - beitragsfrei sein können. Ob
diesen systematischen Zusammenhängen ein gesetzgeberisches Programm zur - vom Kläger offenbar präferierten - uneingeschränkten
Privilegierung von Studenten entnommen werden kann, wäre näher darzulegen gewesen, zumal schon die beitragsprivilegierte Versicherungspflicht
als Student überhaupt nur innerhalb zeitlicher Höchstgrenzen besteht (vgl §
5 Abs
1 Nr
9 SGB V: 14. Fachsemester bzw 30. Lebensjahr). Hiermit setzt sich der Kläger nicht auseinander, sondern beschränkt sich insoweit
nur auf den Hinweis, zwischen Versicherungspflicht als Student und Versicherungsfreiheit als beschäftigter Student bestehe
ein Unterschied. Mit dem bloßen Hinweis auf die Unterschiede zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit unterlässt
er auch die notwendige Auseinandersetzung mit dem Urteil des BSG (SozR 3-2500 § 5 Nr 10) zur Versicherungspflicht von Doktoranden, ohne auf das dort explizit angesprochene Kriterium eines berufsqualifizierenden
Abschlusses (BSG aaO, Juris RdNr 15) einzugehen.
b) Auf Seite 11 der Beschwerdebegründung formuliert der Kläger die Frage, "ob es mit Art.
3 Abs.
1 GG vereinbar ist, Promotionsstudenten unabhängig von der Zahl der Fachsemester, für die das Studentenprivileg bereits in Anspruch
genommen werden konnte, von der Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung ausnahmslos auszuschließen
oder ob die Versicherungsfreiheit auch bei Promotionsstudenten erst nach dem Abschluss einer bestimmten Zahl von (beispielsweise
in Anlehnung an §
5 Abs.
1 Nr.
9 SGB V: vierzehn) Fachsemestern entfällt".
Auch damit genügt der Kläger den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage - ihre Qualität
als hinreichend konkrete, in einem späteren Revisionsverfahren prüfbare Rechtsfrage unterstellt - nicht. Wird in der Beschwerde
eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Einbeziehung der einschlägigen
Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; ferner zB BSG Beschluss vom 8.12.2008 - B 12 R 38/07 B - Juris RdNr 7 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die
Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Wird in der Beschwerde
eine Verletzung des Gleichheitssatzes geltend gemacht, muss die Beschwerdebegründung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des BVerfG darlegen, worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen (vgl
BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 45). Aus der Beschwerdebegründung geht schon nicht hervor, worin eine verfassungswidrige Gleich-
oder Ungleichbehandlung liegen soll, weil der Kläger insoweit keine Vergleichsgruppen bildet.
c) Der Kläger wirft im weiteren Verlauf der Beschwerdebegründung drei weitere Fragen auf.
aa) Auf Seite 13 der Beschwerdebegründung formuliert er die Frage, "ob ein Ausschluss der Promotionsstudenten von der Versicherungsfreiheit
eine Gefahr des Missbrauchs nicht nur abstrakt, sondern auch im konkreten Einzelfall voraussetzt".
bb) Auf Seite 15 hält es der Kläger für fraglich,
"ob schon der bloße Abschluss eines bloßen (nur wenige Semester umfassenden) Masterstudiums ohne vorangehendes ordentliches
Studium an einer inländischen Hochschule dazu führt, dass ein daran anschließendes weiteres Studium nicht mehr versicherungsfrei
sein kann".
cc) Schließlich formuliert der Kläger auf Seite 16 der Beschwerdebegründung die Frage,
"ob auch ein Studium im Ausland, während dessen der Student nicht der inländischen Versicherungsgemeinschaft angehörte, ein
'ordentliches Studium' sein kann, das zum Ausschluss der Versicherungsfreiheit für ein späteres Promotionsstudium führt".
Bei allen drei unter c) aufgeführten Fragen erfüllt der Kläger die Anforderungen an die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde
nicht. Es ist bereits zweifelhaft, ob er abstrakt-generelle Rechtsfragen - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit
einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl §
162 SGG) mit höherrangigem Recht - formuliert (vgl allgemein BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar,
damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181).
Bei der unter cc) genannten Frage fehlt es jedenfalls an einer nachvollziehbaren Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Der
Beschwerdebegründung kann nicht entnommen werden, inwieweit eine nach §
6 Abs
1 Nr
3 SGB V mögliche Versicherungsfreiheit - oder deren Ausschluss - vom Charakter und vom Ort eines früheren Studiums abhängen soll.
Schließlich fehlt es hinsichtlich der unter aa) und bb) genannten Fragen an der Darlegung der Klärungsfähigkeit. Der Beschwerdebegründung
kann nicht entnommen werden, inwieweit die Feststellungen des LSG in einem späteren Revisionsverfahren dem BSG eine Entscheidung über die aufgeworfenen Fragen ermöglichen würden. Zu der unter aa) genannten Frage nimmt der Kläger nur
Bezug auf ein anderes Urteil des LSG vom 29.9.2009, ohne aufzuzeigen, welche Feststellungen das LSG in dem angefochtenen Urteil
zu einer Gefahr des Missbrauchs getroffen hat. Zu der unter bb) genannten Frage fehlen Ausführungen zur Klärungsfähigkeit
gänzlich.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Teils 3
SGG iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 S 1 Teils 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.