Substantiierung eines entscheidungserheblichen Mangels des Berufungsverfahrens
Begriff der Divergenz
Gründe:
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Pflicht des Klägers,
Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. nachzuzahlen.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Hamburg vom 4.12.2013 ist in entsprechender
Anwendung von §
169 S 2 und 3
SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen §
160a Abs
2 S 3
SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß §
160 Abs
2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl
BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 20.6.2014 auf alle drei Zulassungsgründe.
1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden
Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit)
und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem
Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht
zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).
Der Kläger wirft auf Seite 2 der Beschwerdebegründung die Frage auf,
"ob Personenbeförderung von freiberuflich tätigen Fahrzeugführern ausgeübt werden darf oder ob im personenbefördernden Verkehr
grundsätzlich Sozialversicherungspflicht besteht".
Zur Begründung führt er an, dass der Taxi- und Mietwagenverkehr in letzter Zeit grundlegende Veränderungen erfahre. Auf dem
Taxi- und Mietwagenmarkt seien seit dem letzten Jahr verstärkt Unternehmen tätig, die Fahrten nicht von angestellten Fahrern
sondern von angeblich freiberuflich tätigen Chauffeuren durchführen ließen. Träfe die angefochtene Entscheidung zu, wären
diese Fahrer aber sozialversicherungspflichtig. Auch sei ihm nicht bekannt, ob die Beklagte bei diesen Unternehmen wie bei
ihm Betriebsprüfungen durchgeführt habe bzw durchführen werde.
Den Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage - ihre Qualität als hinreichend konkrete,
in einem späteren Revisionsverfahren prüfbare Rechtsfrage unterstellt - genügt der Kläger damit nicht. Als höchstrichterlich
geklärt muss eine Rechtsfrage auch dann angesehen werden, wenn das Revisionsgericht sie zwar - für einzelne Berufsgruppen
oder bestimmte Tätigkeitsfelder - noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung der anzuwendenden gesetzlichen Vorschrift
jedoch schon viele höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von
der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. Hier kommt es dann in der Regel (lediglich) auf die Anwendung
der von der Rechtsprechung erarbeiteten Grundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt - eine bestimmte Berufsgruppe oder ein
bestimmtes Tätigkeitsfeld - an (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 22). Ergeben sich hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage Zweifel, muss die Beschwerde diese ausräumen.
Hierzu gehört auch, die bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung auf (gemeinsame) Beurteilungsgesichtspunkte
hin zu untersuchen oder in der gebotenen Weise Widersprüche und damit Klärungsbedarf herauszuarbeiten. Diesen Anforderungen
wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Der Kläger befasst sich überhaupt nicht mit der bereits vorliegenden höchstrichterlichen
Rechtsprechung, auf die das LSG im angefochtenen Urteil ausdrücklich hingewiesen hat (vgl zB zur Frage der Sozialversicherungspflicht
von Transportfahrern BSG Urteil vom 11.3.2009 - B 12 KR 21/07 R - Juris). Der Kläger zeigt schon nicht auf, warum sich die von ihm gestellte Frage nicht bereits aus der vorliegenden höchstrichterlichen
Rechtsprechung beantworten lässt. Demzufolge legt der Kläger die von ihm behauptete Klärungsbedürftigkeit seiner Frage nicht
hinreichend dar.
2. Divergenz iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde
gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt
oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt
hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von §
160 Abs
2 Nr
2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen
abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte
Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung
des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).
Auf Seite 3 behauptet der Kläger, das angefochtene Urteil weiche "von der obergerichtlichen Rechtsprechung" ab. Er führt sodann
mehrere Entscheidungen des LSG Hamburg, eine Entscheidung des SG Berlin sowie eine Entscheidung des BSG (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7) an, die hinsichtlich einzelner Aspekte in vermeintlich vergleichbaren Fällen zu anderen Ergebnissen gekommen seien
als das LSG im vorliegenden Fall.
Auch insoweit genügt die Beschwerdebegründung nicht den Zulässigkeitsanforderungen. Der Kläger berücksichtigt bereits nicht,
dass nach §
160 Abs
2 Nr
2 SGG eine entscheidungserhebliche Divergenz als Revisionszulassungsgrund nur in Bezug auf die dort genannten Gerichte - BSG, GmSOGB und BVerfG - in Betracht kommt. Soweit er sich auf eine Entscheidung des BSG (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 7) bezieht und ihr die vermeintliche Aussage entnimmt, entscheidend sei, ob der freiberufliche Mitarbeiter in die Ablauforganisation
wie ein fest angestellter Mitarbeiter eingebunden sei, ist schon fraglich, ob er damit - wie erforderlich - der zur Frage
der Versicherungspflicht eines stillen Gesellschafters einer Steuerberatungs-GmbH ergangenen Entscheidung des BSG einen abstrakten Rechtssatz entnommen hat. Jedenfalls stellt er der von ihm abgeleiteten Aussage keinen der angefochtenen
Entscheidung entnommenen konkreten Rechtssatz des LSG zum Nachweis der von ihm behaupteten Divergenz gegenüber.
3. Auf Seite 5 der Beschwerdebegründung macht der Kläger geltend, sein Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sei verletzt
worden, weil das LSG zu keinem Zeitpunkt angekündigt habe, dass es beabsichtige, "von den vergleichbaren und rechtskräftigen
Entscheidungen des 3. Senats des LSG Hamburg" abzuweichen.
Einen Verfahrensmangel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG hat der Kläger dadurch nicht bezeichnet (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels s exemplarisch
BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap
IX, RdNr 202 ff). Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn
der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht
allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend
gemachten Verfahrensmangel beruht. Entsprechende Ausführungen enthält die Beschwerdebegründung aber nicht. Die Beschwerdebegründung
zeigt bis auf die unsubstantiierte Behauptung des Klägers, die anderen Entscheidungen seien "vergleichbar", keinerlei Aspekte
auf, die auch nur ansatzweise geeignet wären, den geltend gemachten Gehörsverstoß zu belegen.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen, §
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 S 1 Halbs 3
SGG iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 VwGO.
6. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §
197a Abs
1 S 1 Halbs 1
SGG iVm §
63 Abs
2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht beanstandeten Festsetzung durch das LSG.