Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren, Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
Gründe:
Mit Urteil vom 2.3.2007 hat das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Gewährung höherer
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw höherer Altersrente verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim Bundessozialgericht (BSG) Beschwerde eingelegt.
Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensfehler.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung vom 7.6.2007 genügt den gesetzlichen Anforderungen
nicht, weil keiner der in §
160 Abs
2 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) abschließend aufgeführten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl §
160a Abs
2 Satz 3
SGG).
Die vom Kläger behauptete grundsätzliche Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) hat eine Rechtssache nur dann, wenn diese eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der
Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer
muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen
aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren
eine derartige Klärung erwarten lässt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).
Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) Eine konkrete Rechtsfrage,
(2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die
über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung). Diesen Anforderungen
wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Der Kläger sieht folgende Fragen als grundsätzlich bedeutsam an:
"Darf ein Gesetz, das mit einem verfassungs- und mit menschenrechtswidrigen Konzept und ausgehend von später als haltlos erwiesenen
Verdachtsmomenten und fehlerhaften Unterstellungen zu dem Zweck geschaffen worden ist, Eingriffe in das Eigentum der beigetretenen
Bürger und in den dauerhaft zugesicherten Bestands- und Vertrauensschutz zu ermöglichen, im Rechtsstaat eine Grundlage insbesondere
für behördliche Entscheidungen und Urteile sein, mit denen genau diesem Konzept entsprechende Verletzungen der Rechte der
Bürger vorgenommen werden, im vorliegenden Fall in Form drastischer, hunderte von Euro monatliche umfassender Kürzungen des
monatlichen Alterseinkommens des Bf.?" (1)
"Darf das BSG bei der Vorbereitung neuer aktueller Entscheidungen auf Grundlage des RÜG entgegen seinen Verpflichtung aus
dem
SGG (§ 160a), neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu prüfen, diese und von den Beschwerdeführern vorgelegte Probleme ignorieren
und entgegen seinen Verpflichtungen aus dem
SGG, Entscheidungen auf Grundlage einer umfassenden Aufklärung des Sachverhalts und der Rechtslage (im Rahmen der Amtsermittlungspflicht)
zu gewährleisten, wozu auch eine genaue Einschätzung der nachteiligen Wirkungen der bestehenden Gesetze (z.B. hinsichtlich
der Verminderung des Alterseinkommens bzw. der Rente) gehört, die Unterlassung solcher Feststellungen durch die Instanzgerichte
zulassen, obwohl von dem Ergebnis der Prüfungen Erfolg bzw. Misserfolg der Anträge des Bf abhängen." (2)
"Kann ein Gesetz, das mit einem verfassungs- und menschenrechtswidrigen Konzept und ausgehend von später als haltlos erwiesenen
Verdachtsmomenten und fehlerhaften Unterstellungen geschaffen worden ist, um Eingriffe in das Eigentum der mit Vertrauen auf
den Rechtsstaat beigetretenen Bürger und in den diesen Bürgern dauerhaft zugesicherten Bestands- und Vertrauensschutz sowie
um deren dauerhafte Ungleichbehandlung den 'alten' Bundesbürgern gegenüber zu ermöglichen und um die Betroffenen dann lebenslang
zu diskriminieren, einen Ausgangspunkt für rechtsstaatliches Handeln bieten? Darf ein solches Gesetz in einem Rechtsstaat
Grundlage für behördliche Entscheidungen und Urteile sein?" (3)
"Ist die Feststellung berechtigt, dass ein solches Gesetz wie das RÜG in einem Rechtsstaat nichts zu suchen hat?" (4)
"Wie muss der zum 30.06.90/01.07.90 geschützte Betrag bzw. die Vergleichsrente berechnet werden? Stellt die Negierung der
Beweisanträge des Klägers einen Verfahrensfehler dar und sind damit die Pflichten des Gerichts verletzt worden?" (5)
"Verletzen die Regelungen und die Verfahrensweise, insbesondere die Dauer des noch immer nicht abgeschlossenen Streites um
ein angemessenes Alterseinkommen, das die angemessene tägliche Lebensführung des Bf im Alter und zuvor bei Invalidität oder
bei Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit absichern sollte, die vom
GG und der EMRK vorgegebenen Grundsätze für ein faires und zügiges rechtsstaatliches Verfahren und kann es zulässig sein, dass seit dem 01.07.90
das RÜG sowie die Rentenanpassungs- und -angleichungsvorschriften und deren Umsetzung das Leben des Beschwerdeführers nachhaltig
negativ beeinflusst haben, indem ihm aus unterschiedlichen und für ihn bis heute nicht nachvollziehbaren Gründen die Gewährung
der in der DDR für die soziale Absicherung seines Lebensunterhalts im Fall der Invalidität, der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit
sowie im Alter rechtmäßig erworbenen angemessenen und keineswegs überhöhten Ansprüche verweigert: Der Bf wurde zu aufwendigen,
ihn auch psychisch unerhört beeinträchtigenden und noch immer nicht beendeten Prozessen gezwungen?" (6)
Offen bleiben kann, ob der Kläger damit konkrete Rechtsfragen aufgeworfen hat, die im angestrebten Revisionsverfahren vom
Revisionsgericht zu beantworten wären. Hinsichtlich der zu (1) und (2) formulierten Fragen ist dies schon deshalb zweifelhaft,
weil sie sich auf ein ganzes Gesetz (RÜG) beziehen, eine konkrete, im vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Vorschrift
aber nicht angesprochen wird. Jedenfalls fehlen Darlegungen, inwieweit die aufgeworfenen Fragen klärungsbedürftig, dh nicht
bereits durch Gesetz und Rechtsprechung beantwortet sind. Teilweise führt der Kläger vielmehr (insbesondere S 14, 19 und 24)
Rechtsprechung des BSG und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) an, wonach zuvor aufgeworfene Fragen bereits beantwortet
seien.
Soweit seinem Vorbringen zu entnehmen ist, dass er sich gegen die Anwendung verfassungs- und menschenrechtswidriger Gesetze
durch Behörden und Gerichte wendet, fehlen Darlegungen, inwieweit die angesprochenen Fragen klärungsbedürftig, dh nicht bereits
durch Gesetz und Rechtsprechung beantwortet sind. Entsprechendes gilt für die (Rechts-)Fragen, inwieweit das BSG neue wissenschaftliche
Erkenntnisse zu prüfen und eine Einschätzung der nachteiligen Wirkungen bestehender Gesetze vorzunehmen oder auf deren Beachtung
durch die Instanzgerichte hinzuwirken hat. Der Kläger weist selbst darauf hin, dass eine Nichtbeachtung dem Gesetz (
SGG) widerspräche. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, das klägerische Vorbringen darauf zu untersuchen,
ob sich aus ihm evtl eine Rechtsfrage herausfiltern lässt (vgl BSG Beschlüsse vom 5.2.2005 - B 4 RA 66/02 B - und vom 5.3.2003 - B 4 RA 100/02 B - beide veröffentlicht bei Juris; Senatsbeschluss vom 14.2.2007 - B 13 R 477/06 B).
Auch soweit der Kläger den Zulassungsgrund der Divergenz (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG) geltend macht, genügt die Beschwerdebegründung den Anforderungen des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG an die Bezeichnungspflicht nicht. Dies gilt von vornherein insoweit, als eine Abweichung auch von Urteilen des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR [S 25 der Beschwerdebegründung]) geltend gemacht wird. Denn insoweit stellen Abweichungen keinen Zulassungsgrund dar (§
160 Abs
2 Nr
2 SGG).
Zur formgerechten Rüge des Zulassungsgrundes der Divergenz (Abweichung) ist ferner in der Beschwerdebegründung nicht nur die
Entscheidung genau zu benennen, von der die Entscheidung des LSG abweichen soll; es ist auch deutlich zu machen, worin genau
eine Abweichung zu sehen sein soll. Der Beschwerdeführer muss daher darlegen, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine die Berufungsentscheidung
tragende Abweichung in deren rechtlichen Ausführungen enthalten sein soll. Er muss mithin einen abstrakten Rechtssatz der
vorinstanzlichen Entscheidung und einen abstrakten Rechtssatz aus dem höchstrichterlichen Urteil so bezeichnen, dass die Divergenz
erkennbar wird. Nicht hingegen reicht es aus, auf eine bestimmte höchstrichterliche Entscheidung mit der Behauptung hinzuweisen,
das angegriffene Urteil weiche hiervon ab. Schließlich ist darzulegen, dass die berufungsgerichtliche Entscheidung auf der
gerügten Divergenz beruhe (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29). Diesen Kriterien hat der Kläger in seiner Beschwerdebegründung vom 7.6.2007 nicht hinreichend Rechnung getragen.
Der Kläger führt bezogen auf die behauptete Divergenz lediglich aus, das Berufungsurteil weiche von Rechtssätzen des BSG,
des BVerfG und des EGMR ab (S 2 der Beschwerdebegründung). Ausgehend von diesen Divergenzen seien einige der aufgeworfenen Rechtsfragen erneut klärungsbedürftig
(S 24 der Beschwerdebegründung). Dies erfüllt die vorstehend aufgezeigten Anforderungen an die Darlegungspflicht nicht ansatzweise.
Ebenso wenig hat der Kläger einen Verfahrensmangel iS des §
160a Abs
2 Satz 3
SGG bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensfehler vorliege, muss nämlich zur Bezeichnung des
Verfahrensmangels dieser Zulassungsgrund schlüssig dargetan werden (BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 4 S 11 mwN). Darüber hinaus
ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf
dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 §
160a Nr
14, 36). Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbsatz 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Dies erkennt auch der Kläger, wenn er ausführt, dass "die Negierung der Beweisanträge des Klägers einen Verfahrensfehler darstellt"
(S 18 der Beschwerdebegründung) und sich gegen "die Einordnung des Beweisantrages als 'unzulässigen Ausforschungsantrag (§
359 Nr 1
ZPO'" wendet (S 20 der Beschwerdebegründung). Einen konkreten Beweisantrag, den das LSG übergangen habe, bezeichnet er jedoch
nicht; er trägt vielmehr nur vor, das LSG habe die erforderliche intensive Amtsermittlung "unter völlig neuen Bedingungen"
nicht durchgeführt; es habe "die zu anderen Zeiten und für andere Sachverhalte als Hilfe für ein effektives Verfahren und
die Ermittlung der objektiven Wahrheit geschaffenen verfahrensrechtlichen Vorschriften in Verfahren wie dem vorliegenden nicht
angemessen und diesem hohe Ziel entsprechend genutzt" (vgl S 21 der Beschwerdebegründung). Dieser Vortrag ist nicht geeignet,
die Revisionsinstanz zu eröffnen.
Soweit der Kläger einen Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens rügt (vgl S 23 der Beschwerdebegründung), fehlt
es ebenfalls an der hinreichenden Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Für das angeblich unfaire Verfahren führt der Kläger
im Wesentlichen nur an, aufgrund der Unbestimmtheit der Regelungen des Versorgungs- und Alterssicherungsrechts und der langen
Dauer des Verfahrens sei ein faires Verfahren zur Durchsetzung der Forderungen der Betroffenen überhaupt nicht möglich. Einen
das Verfahren vor dem LSG betreffenden Vorwurf erhebt er insoweit nicht.
Mit seinem Vortrag, die Entscheidung verstoße insbesondere gegen den Einigungsvertrag, rügt der Kläger die - vermeintliche - inhaltliche Unrichtigkeit des Berufungsurteils und damit die Sachentscheidung als
solche, die aber nicht zum Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde gemacht werden kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und damit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 Satz 2 Halbsatz 2
SGG iVm §
169 Satz 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.