Rücknahme eines zum Rentenantrag umgedeuteten Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
Gründe:
I. Die klagende Krankenkasse fordert vom beklagten Rentenversicherungsträger die Erstattung von für den Zeitraum vom 6.7.2000
bis 23.1.2001 in Höhe von EUR 3.114,43 gezahltem Krankengeld.
Die im Jahre 1964 geborene Versicherte war ab 6.1.2000 arbeitsunfähig erkrankt. Vom 6.1. bis zum 5.7.2000 zahlte ihr der Arbeitgeber
das Arbeitsentgelt fort. Am 27.1.2000 ging ihr Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Reha) bei der Beklagten
ein. Die Klägerin teilte der Versicherten mit Schreiben vom 17.2.2000 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) mit, dass dieser Antrag
ohne die Zustimmung der Kasse nicht zurückgenommen werden könne; dies gelte auch für den Fall, dass der Antrag in einen Rentenantrag
umgedeutet werde. Vom 6.7.2000 bis zum 23.1.2001 erhielt die Versicherte Krankengeld. Ab dem 24.1.2001 (Beginn einer Reha-Maßnahme)
erhielt sie Übergangsgeld von der Beklagten, ab 2.3.2001 Leistungen des Arbeitsamts.
Den ausdrücklichen Antrag der Versicherten vom 28.2.2001 auf Rente wegen Erwerbs- bzw Berufsunfähigkeit lehnte die Beklagte
mit Bescheid vom 24.7.2001 ab. Im Widerspruchsverfahren überzeugte sich die Beklagte von der Erwerbsunfähigkeit (bzw vollen
Erwerbsminderung) der Versicherten. Nachdem die Beklagte Kenntnis vom Schreiben der Klägerin an die Versicherte vom 17.2.2000
erlangt hatte, klärte sie ihrerseits die Versicherte mit Schreiben vom 21.2.2002 auf, die Anspruchsvoraussetzungen für eine
Rente seien seit dem 6.1.2000 erfüllt.
Sie habe die Wahl zwischen einem Rentenbeginn (Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer, uU zunächst Übergangsgeld) am 1.2.2000
oder am 1.2.2001 (Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 22.2.2001, zuvor Übergangsgeld). Zwar stehe der Versicherten kein
Gestaltungsrecht zu, wenn sie von der Krankenkasse oder vom Arbeitsamt dazu aufgefordert worden sei, den Reha-Antrag zu stellen.
Unbeachtlich sei jedoch - wie im vorliegenden Fall geschehen - eine verspätete Einschränkung dieses Gestaltungsrechts. Die
Beklagte fügte Probeberechnungen bei, ausgehend von einem Rentenbeginn sowohl zum 1.2.2000 als auch zum 1.2.2001. Die Versicherte
entschied sich mit Schreiben vom 16.4.2002 für den Rentenbeginn zum Februar 2001. Daraufhin gewährte die Beklagte mit Bescheid
vom 14.5.2002 der Versicherten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.2.2001.
Den Erstattungsanspruch der Klägerin, den diese mit Schreiben vom 24.5.2002 anmeldete, lehnte die Beklagte - auch nach weiterem
Schriftwechsel zwischen den beteiligten Trägern - ab.
Auf die am 21.8.2003 eingegangene Klage hat das Sozialgericht München (SG) - nach Beiladung der Versicherten - die Beklagte verurteilt, an die Klägerin das für den Zeitraum vom 6.7.2000 bis 23.1.2001
gezahlte Krankengeld nebst Beiträgen in Höhe von EUR 3.114,43 zu erstatten. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die
Berufung der Beklagten mit Urteil vom 10.5.2006 zurückgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG) sei auch eine nachträgliche Beschränkung der Dispositionsbefugnis iS des §
51 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (
SGB V) möglich. Sie entspreche gerade dem vom Gesetzgeber gewollten Interessenausgleich. Damit habe die Versicherte der Umdeutung
ihres Reha-Antrags in einen Rentenantrag nicht widersprechen dürfen; der Rentenbescheid vom 14.5.2002 sei insoweit offensichtlich
rechtswidrig, als hierin der Rentenbeginn nicht auf den 1.2.2000 festgesetzt werde. Deshalb könne sich die Beklagte im Erstattungsverfahren
nicht auf die Bindungswirkung des Bescheides berufen. Ebenso wenig berufen könne sie sich auf eine fehlende Ermessungsausübung
im Bescheid der Klägerin vom 17.2.2000. Zwar lasse der Bescheid keine Ermessensentscheidung erkennen. Allerdings seien berechtigte
Interessen der Versicherten weder ersichtlich noch von der Beklagten oder der Versicherten dargetan worden.
Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten. Sie rügt inhaltlich eine Verletzung des §
51 SGB V und trägt vor, es bestehe kein Erstattungsanspruch der Klägerin.
Sie (die Beklagte) habe für den Zeitraum des Bezugs von Krankengeld keine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit geleistet.
Mit Rentenbescheid vom 14.5.2002 habe sie vielmehr eine Rente erst ab 1.2.2001 bewilligt. Sie müsse sich auch nicht im Rahmen
des § 86 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) entgegenhalten lassen, der Bewilligungsbescheid sei insoweit offensichtlich rechtswidrig. Denn die Versicherte sei in ihrer
Dispositionsbefugnis, sich gegen die Umdeutung des Reha-Antrages in einen Rentenantrag zu entscheiden, jedenfalls nicht in
der Weise eingeschränkt gewesen, dass dies Folgen für den im vorliegenden Fall streitigen Erstattungsanspruch habe. Dies gelte
unabhängig vom Zeitpunkt einer Aufforderung der Krankenkasse an die Versicherte. Jedenfalls aber könnten "nachgeschobene"
Aufforderungen die Beklagte keineswegs binden.
Die Beklagte beantragt, unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen LSG vom 10.5.2006 und des Urteils des SG München vom 6.10.2004
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat klargestellt, dass sie mit der Klage nur die Erstattung des Krankengelds, nicht jedoch der hierauf entrichteten
Beiträge verlangt; sie beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und trägt im Übrigen vor, die Dispositionsbefugnis der Versicherten werde durch eine
Aufforderung der Krankenkasse nach §
51 SGB V wirksam eingeschränkt, es sei denn, in der Person der Versicherten lägen berechtigte Gründe für einen späteren Rentenbeginn
vor; solche Gründe wären aber von der Beigeladenen vorzutragen und zu begründen gewesen. Sei jedoch die Dispositionsbefugnis
der Versicherten eingeschränkt, habe dies auch Auswirkungen auf einen evtl Erstattungsanspruch der Krankenkasse jedenfalls
dann, wenn diese im Verwaltungsverfahren des Rentenversicherungsträgers nicht beteiligt worden sei; dies gelte auch dann,
wenn die Aufforderung der Krankenkasse erst nach Stellung eines Reha-Antrages ausgesprochen worden sei. Ebendies sei Sinn
und Zweck der Vorschrift des §
51 SGB V.
Die Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch zu. Den Entscheidungen der Vorinstanzen ist im Ergebnis zuzustimmen.
Nach der Klarstellung der Klägerin in der Revisionsinstanz, sie begehre nicht (auch) die Erstattung der für das Krankengeld
entrichteten Beiträge, gilt dies jedoch nur mit folgender Maßgabe:
Bereits der Entscheidungssatz des vom LSG bestätigten erstinstanzlichen Urteils ist nicht so zu verstehen, dass die Beklagte
hiernach verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin das gesamte im streitigen Zeitraum an die Beigeladene ausgezahlte Krankengeld
(von der Klägerin in einem dem SG übergebenen Schreiben vom 5.5.2003 beziffert mit insgesamt EUR 3.114,43) und daneben noch die hierauf entrichteten Beiträge
(zur Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung) zu erstatten. Vielmehr ist schon das SG ausdrücklich von einer Gesamterstattungssumme von EUR 3.114,43 ausgegangen (anders als im Regelfall überstiegen nach der
vom SG zugrunde gelegten Berechnung die von der Beklagten im streitigen Zeitraum zu erbringenden Leistungen - Übergangsgeld bzw
Rente - das gezahlte Krankengeld).
1. Zu Recht sind die Vorinstanzen von folgenden Grundlagen des von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsanspruchs ausgegangen:
Der Erstattungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte richtet sich nach § 103 SGB X. Im Rahmen eines derartigen Erstattungsverfahrens hat grundsätzlich jeder Träger die wirksamen Verwaltungsakte (Bescheide)
des anderen Trägers gegen sich gelten zu lassen. Hiervon gilt wegen der Pflicht der Leistungsträger, bei der Erfüllung ihrer
Aufgaben eng zusammenzuarbeiten (§ 86 SGB X), nur dann eine Ausnahme, wenn ein derartiger Verwaltungsakt sich als offensichtlich fehlerhaft erweist und sich dies zum
Nachteil des anderen Leistungsträgers auswirkt (hierzu Senatsurteil vom 1.9.1999, SozR 3-1300 § 86 Nr 3 S 5 f).
Bei der Prüfung der offensichtlichen Fehlerhaftigkeit eines Bescheides im Rahmen eines Erstattungsverfahrens kommt es lediglich
auf bereits vorhandene tatsächliche Feststellungen an; diese sind unter Zugrundelegung objektiver Gesichtspunkte zu beurteilen.
Weitere Ermittlungen sind nicht durchzuführen (BSG vom 13.9.1984, SozR 1300 § 103 Nr 3 S 12; BSG vom 28.11.1985, USK 85142;
Senatsurteile vom 1.9.1999, SozR 3-1300 § 86 Nr 3 S 8 f und vom 26.7.2007, SozR 4-2600 § 116 Nr 1 RdNr 18).
Die "offensichtliche Fehlerhaftigkeit" in diesem Sinne ist nicht gleichbedeutend mit der Nichtigkeit eines Bescheides (§ 40 SGB X), die einen "besonders schwerwiegenden Fehler" des Verwaltungsakts voraussetzt, der "bei verständiger Würdigung der in Betracht
kommenden Umstände offensichtlich ist". Der nichtige Verwaltungsakt ist - im Gegensatz zu einem offensichtlich fehlerhaften
im obigen Sinne - von vornherein unwirksam (§ 39 Abs 3 SGB X), während sich die Problematik der Bindung eines offensichtlich fehlerhaften Bescheides im Erstattungsverfahren nur dann
stellt, wenn dieser wirksam war.
2. Wendet man die obigen Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, bedeutet dies, dass der Klägerin ein Erstattungsanspruch
hinsichtlich des von ihr im Zeitraum zwischen dem 6.7.2000 und dem 23.1.2001 gezahlten Krankengelds zusteht, wenn der Bescheid
der Beklagten vom 14.5.2002, mit dem der Versicherten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (erst) ab 1.2.2001 gewährt
wurde, im obigen Sinne offensichtlich fehlerhaft war.
Dies haben die Vorinstanzen deshalb angenommen, weil die Klägerin mit Bescheid vom 17.2.2000 der Versicherten untersagt hatte,
den Reha-Antrag ohne ihre Zustimmung zurückzunehmen; dies gelte auch für den Fall seiner Umdeutung in einen Rentenantrag.
Hiermit sei die Dispositionsbefugnis der Versicherten wirksam eingeschränkt worden; im Erstattungsstreit unschädlich sei,
dass die Klägerin in diesem Bescheid kein Ermessen ausgeübt habe, obwohl sie hierzu gesetzlich verpflichtet gewesen sei, denn
es lägen keine gegen die getroffene Entscheidung sprechenden Ermessensgesichtspunkte vor. Dass der Bescheid tatsächlich berechtigte
Interessen der Versicherten verletzt haben könnte, sei nicht ersichtlich.
3. Dem Ergebnis dieser Erwägungen schließt sich der Senat an. Der Rentenbescheid der Beklagten vom 14.5.2002 war im obigen
Sinne (s unter 1.) offensichtlich fehlerhaft, weil er den Beginn der Leistungen der Beklagten (Übergangsgeld bzw Rente) nicht
auf den 1.2.2000 festgelegt hat.
a) Zu diesem Zeitpunkt lag ein Rentenantrag als Anspruchsvoraussetzung für den Rentenbeginn (§ 115 Abs 1 Satz 1 iVm § 99 Abs
1 Satz 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch [SGB VI]) vor, weil der am 27.1.2000 bei der Beklagten eingegangene Reha-Antrag
gemäß §
116 Abs
2 SGB VI als Antrag auf Rente gilt. Denn die Versicherte war bereits damals vermindert erwerbsfähig und die ihr danach gewährte Leistung
zur medizinischen Reha war nicht erfolgreich, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert hat.
b) Die Beklagte hätte der Versicherten die Rente (bzw Übergangsgeld) auch bereits ab 1.2.2000 gewähren müssen, obwohl diese
mit Schreiben vom 16.4.2002 sich für einen Rentenbeginn am 1.2.2001 entschieden, sich also der Umdeutung ihres Reha-Antrags
widersetzt hat und insoweit nur ihren ausdrücklichen Rentenantrag vom 28.2.2001 gelten lassen wollte. Denn auf der Grundlage
des Bescheides der Klägerin vom 17.2.2000 stand der Versicherten insoweit keine Dispositionsbefugnis mehr zu.
Bei der Aufforderung der Krankenkasse nach §
51 Abs
1 Satz 1
SGB V an den Versicherten, innerhalb von zehn Wochen einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Reha und zur Teilhabe am Arbeitsleben
zu stellen, die ebenfalls zur Einschränkung der Dispositionsfreiheit führt (BSG vom 7.12.2004, BSGE 94, 26 = SozR 4-2500 § 51 Nr 1, RdNr 13 ff), handelt es sich um einen Verwaltungsakt (§ 31 SGB X; s bereits BSG vom 4.6.1981, BSGE 52, 26, 31 = SozR 2200 § 1248 Nr 33; BSG vom 4.6.1981, USK 81125, S 510; vgl auch BSG vom 27.7.2000, BSGE 87, 31, 37 f = SozR 3-4100 § 134 Nr 22 zur entsprechenden Aufforderung des Arbeitsamts nach § 134 Abs 3c Arbeitsförderungsgesetz; wenn Dörr/Jährling-Rahnefeld, SGb 2003, 549, 552 f die Aufforderung nach §
51 Abs
1 Satz 1
SGB V nicht als Verwaltungsakt gelten lassen wollen, übersehen sie gerade die mit der Aufforderung einhergehende Einschränkung
der Dispositionsfreiheit des Versicherten). Dann ist auch die hier vorliegende "nachträgliche Aufforderung" denknotwendigerweise
ein Verwaltungsakt.
c) Bestand aber eine bescheidmäßig geregelte Einschränkung der Dispositionsbefugnis der Versicherten, ist diese auch im Erstattungsstreit
grundsätzlich (s jedoch unten zu g) maßgebend, wenn dieser Bescheid nicht offensichtlich fehlerhaft war. Der Bescheid der
Klägerin vom 17.2.2000 kann jedoch jedenfalls nicht als offensichtlich fehlerhaft angesehen werden.
Zwar bestand, wie die Beklagte zu Recht vorträgt, zuvor noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung dahin gehend, dass die
Krankenkassen auch eine derartige nachträgliche Aufforderung mit den genannten Rechtsfolgen aussprechen dürfen. Insoweit wird
eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit jedoch zumindest dadurch ausgeschlossen, dass das BSG diese Berechtigung außerhalb der
tragenden Gründe bejaht hat (Senatsurteil vom 9.8.1995, BSGE 76, 218, 224 = SozR 3-2500 § 50 Nr 3; für eine solche Berechtigung zB auch Buschmann, SGb 1996, 279, 280; Noftz in Hauck/Noftz,
SGB V, K §
51 RdNr 34, Stand: 2001).
d) Hieran hält der Senat fest: Die Krankenkasse darf die Dispositionsbefugnis des Versicherten, der bereits einen Reha- oder
Renten-Antrag gestellt hat, auch mit einer "nachträglichen (nachgeschobenen) Aufforderung" einschränken; diese hat dann insoweit
dieselbe Rechtswirkung wie die Aufforderung nach §
51 Abs
1 Satz 1
SGB V, einen Reha-Antrag zu stellen. Bei einer solchen Aufforderung aber gilt nach ständiger Rechtsprechung, dass ein Versicherter,
der aufgrund eines entsprechenden Verlangens einen Reha- oder Renten-Antrag gestellt hat, diesen nur noch mit Zustimmung der
Krankenkasse wirksam zurücknehmen oder beschränken kann (vgl BSG vom 4.6.1981, BSGE 52, 26, 29 ff = SozR 2200 § 1248 Nr 33; BSG vom 4.6.1981, USK 81125; BSG vom 9.8.1995, BSGE 76, 218, 223 = SozR 3-2500 §
50 Nr
3). Denn nur so kann der gesetzgeberische Zweck des §
51 Abs
1 SGB V erfüllt werden, der sich aus der Gesetzgebungsgeschichte ableiten lässt (hierzu zB Erlenkämper, MedSach 1995, 101):
Vor Inkrafttreten des Rehabilitationsangleichungsgesetzes (RehaAnglG vom 7.8.1974, BGBl I 1881) konnten die Krankenkassen nach § 183 Abs 7 der
Reichsversicherungsordnung (
RVO) den längerfristig arbeitsunfähigen Versicherten eine Frist zur Stellung eines Rentenantrags stellen (vgl insoweit auch heute
noch §
51 Abs
1 Satz 2
SGB V für Versicherte mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland). Im Rahmen des RehaAnglG wurde dies durch die Pflicht zur Stellung eines Antrags auf Maßnahmen zur Reha ersetzt. Damit sollte jedoch nicht erreicht
werden, dass bei erheblich geminderter Leistungsfähigkeit ausschließlich Reha zu betreiben sei. Vielmehr wurde gleichzeitig
die Rentenantragsfiktion des § 1241d Abs 3
RVO eingeführt.
Nach Einordnung des Kranken- und des Rentenversicherungsrechts in das SGB wird diese Rechtslage durch §
51 Abs
1 SGB V und §
116 Abs
2 SGB VI fortgesetzt. Hieraus ist abzuleiten, dass die Rangfolge zwischen Krankengeld einerseits und der Rente wegen Berufs- oder
Erwerbsunfähigkeit (bzw teilweiser oder voller Erwerbsminderung) andererseits, die in §
50 SGB V geregelt ist, nicht durch eine Einschränkung der Möglichkeit der Krankenkassen leerlaufen darf, einen Rentenantrag ihres
Versicherten zumindest mittelbar zu veranlassen.
Hierzu aber gehört auch, dass, wie bereits nach der ständigen Rechtsprechung zu § 183 Abs 7
RVO, ein derart initiierter Rentenantrag vom Versicherten (ohne Zustimmung seiner Krankenkasse) nicht zurückgenommen werden darf;
eine derartige Möglichkeit würde die Einwirkungsmöglichkeiten der Krankenkassen im Rahmen des beschriebenen Verfahrens ad
absurdum führen (ebenso auch BSG vom 7.12.2004, BSGE 94, 26 = SozR 4-2500 § 51 Nr 1, RdNr 13 ff, dort auch in Auseinandersetzung mit teilweise abweichenden Meinungen der Kommentarliteratur).
Auf dieser Grundlage aber kann nichts anderes für eine sog nachträgliche Aufforderung gelten (nachdem der Versicherte bereits
von sich aus einen Reha- oder Rentenantrag gestellt hatte).
Die Dispositionsfreiheit der Versicherten wird auch dann eingeschränkt, wenn die Aufforderung bereits ergeht, bevor die Krankenkasse
Krankengeld zahlt. Letzteres kann bereits dem Gesetzeswortlaut entnommen werden, der in §
51 Abs
1 SGB V den Krankengeldbezug des Versicherten nicht als Voraussetzung nennt. Im Gegenteil erlaubt er die Aufforderung bereits dann,
wenn die Erwerbsfähigkeit "erheblich gefährdet oder gemindert" ist; dann aber braucht noch nicht einmal Arbeitsunfähigkeit
vorzuliegen.
e) Im Ergebnis zu Recht ist das LSG weiter davon ausgegangen, dass der Bescheid der Klägerin vom 17.2.2000 auch nicht im obigen
Sinne offensichtlich fehlerhaft ist, weil er keine Ermessensausübung erkennen lässt.
Denn zwar steht im Ermessen der Krankenkasse, ob sie von ihrem Recht nach §
51 Abs
1 Satz 1
SGB V Gebrauch macht; dies geht bereits aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ("kann") hervor. Dennoch ist ein derartiger Bescheid,
der ohne Ausübung des Ermessens ergeht, nicht bereits deswegen offensichtlich fehlerhaft. Denn das Verbot, sich im Erstattungsverfahren
auf offensichtlich fehlerhafte (eigene) Verwaltungsakte zu berufen, verpflichtet (lediglich) zur Prüfung, ob die berechtigten
Belange des anderen Verwaltungsträgers angemessen berücksichtigt sind (s das grundlegende Urteil des BSG vom 13.9.1984, SozR
1300 § 103 Nr 3 S 11 f).
Insoweit aber kann es nur auf die materielle Rechtslage ankommen. Verfahrensfehler, auf die sich zwar uU der Versicherte berufen
könnte (zB mangelnde Anhörung, mangelnde Ermessensausübung), die jedoch die materielle Richtigkeit der Regelung des Verwaltungsakts
(hier: Einschränkung der Dispositionsfreiheit) nicht als offensichtlich fehlerhaft erscheinen lassen, können den berechtigten
Belangen des anderen Verwaltungsträgers nicht zuwiderlaufen.
Dieser kann vom Gegner des Erstattungsverfahrens nur verlangen, dass jener der materiell-rechtlichen Abgrenzung der Leistungszuständigkeiten
(hier: zwischen Kranken- und Rentenversicherung) Rechnung trägt, nicht jedoch, dass er gegenüber dem Versicherten die Regelungen
des Verwaltungsverfahrensrechts einhält (in diesem Sinne bereits das Senatsurteil vom 17.6.1993, BSGE 72, 281, 283 f = SozR 3-1300 § 103 Nr 4).
f) Im vorliegenden Fall kann offen bleiben, ob im Rahmen der Frage einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit des Bescheides
der Klägerin vom 17.2.2000 erheblich werden kann, ob berechtigte Interessen der Versicherten vorlagen, die die Klägerin verpflichtet
hätten, von vornherein von der Erteilung dieses Bescheides und damit der Einschränkung der Dispositionsbefugnis abzusehen
(zu den insoweit geltenden Maßstäben s Höfler in Kasseler Komm, §
51 SGB V RdNr 10, 10a, Stand: 2006, mwN).
Denn auch insoweit war der Bescheid der Klägerin vom 17.2.2000 nicht offensichtlich fehlerhaft. Dies gilt bereits deshalb,
weil im Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides vom 17.2.2000 nicht vorhergesehen werden konnte, ob ein späterer Rentenbeginn
der Versicherten Vorteile bringen würde. Denn damals stand der Zeitpunkt des zur Wahl stehenden Rentenbeginns in keiner Weise
fest.
g) Schließlich ist im vorliegenden Fall auch die zusätzlich zu stellende Voraussetzung erfüllt, dass der Rentenversicherungsträger
- hier: die Beklagte - vor Erteilung des der Disposition des Versicherten entsprechenden Rentenbescheides von der wirksamen
Einschränkung der Dispositionsbefugnis durch die Krankenkasse weiß. Denn nur dann kann sie diesen Umstand bei der Bescheiderteilung
gegenüber dem Versicherten berücksichtigen. Die entsprechende Benachrichtigung des Rentenversicherungsträgers durch die Krankenkasse
entspricht im Übrigen auch der Pflicht der engen Zusammenarbeit nach § 86 SGB X. Der anzustrebenden möglichst einfachen Abwicklung des Erstattungsverfahrens liefe zuwider, insoweit nicht auf die (positive)
Kenntnis des Rentenversicherungsträgers abzustellen, sondern auf ein "Kennenmüssen" oder "-können". Dies würde nur auf eine
unerquickliche Einzelfallprüfung hinauslaufen, die es insoweit nach Möglichkeit zu vermeiden gilt.
h) Damit aber war auch die Beklagte an die Einschränkung der Dispositionsfreiheit der Versicherten durch die Klägerin gebunden
(s zu der aus der Bindung folgenden notwendigen Beiladung des Rentenversicherungsträgers im Streit des Versicherten mit der
Krankenkasse um Zustimmung zu einer Rücknahme des nach §
116 Abs
2 SGB VI fingierten Rentenantrags: BSG vom 7.12.2004, BSGE 94, 26 = SozR 4-2500 § 51 Nr 1, RdNr 10).
Auf dieser Grundlage ist der Erstattungsanspruch der Klägerin begründet: Die offensichtliche Fehlerhaftigkeit des von der
Beklagten mit Bescheid vom 14.5.2002 festgesetzten Rentenbeginns folgt bereits daraus, dass die Klägerin mit ihrem - nicht
offensichtlich fehlerhaften - Bescheid vom 17.2.2000 die Dispositionsfreiheit der Versicherten wirksam eingeschränkt hatte,
so dass deren Erklärung, sie widerspreche der Umdeutung ihres Reha-Antrags in einen Rentenantrag, auch für die Beklagte unbeachtlich
war.
i) Offen bleiben kann, ob bei einem Erstattungsanspruch der vorliegenden Art zu prüfen ist, ob nicht (offensichtlich) ein
Anspruch der Versicherten bestanden hätte, im weiteren Verfahren - nach Erteilung des Bescheides vom 17.2.2000 - von der Krankenkasse
zu verlangen, ihre Zustimmung zu einem Hinausschieben des Rentenbeginns zu erteilen (s hierzu BSG vom 4.6.1981, BSGE 52, 26, 31 = SozR 2200 § 1248 Nr 33; BSG vom 7.12.2004, BSGE 94, 26 = SozR 4-2500 § 51 Nr 1, RdNr 15).
Eine entsprechende Prüfung ist hier nämlich von vornherein entbehrlich. Denn wenn der Rentenversicherungsträger die ordnungsgemäße
Klärung des Anspruchs des Versicherten auf Zustimmung zur Verschiebung des Rentenbeginns vereitelt, kann er sich im Erstattungsverfahren
nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, ein solcher Anspruch habe (und sei es offensichtlich) bestanden. So aber lag der
Fall hier. Die Beklagte hat verhindert, dass - wie es einem ordnungsgemäßen Ablauf entsprochen hätte - die Versicherte sich
um die Zustimmung der Klägerin bemühte, wie nach deren Bescheid vom 17.2.2000 erforderlich. Sie hat im Aufklärungsschreiben
vom 21.2.2002 an die Versicherte - zu Unrecht - ausgeführt, die "verspätete" Einschränkung des Gestaltungsrechts sei unbeachtlich.
Dies war bereits deshalb unzutreffend, weil selbst dann, wenn die Klägerin eine derartige Einschränkung nicht hätte aussprechen
dürfen, der dennoch ergangene Bescheid ungeachtet der Frage seiner Rechtswidrigkeit wirksam war und damit Versicherte wie
Beklagte gebunden hat (s § 39 SGB X).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197a des Sozialgerichtsgesetzes iVm §
154 Abs
2, §
162 Abs
3 Verwaltungsgerichtsordnung. Kosten der Beigeladenen, die sich am Verfahren nicht beteiligt hat, sind nicht zu erstatten.