Rente wegen voller anstelle teilweiser Erwerbsminderung
Übergehen eines Beweisantrags
Umreißen des Beweisthemas
Aufrechterhaltener Beweisantrag
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann ein anwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags nach §
160 Abs.
2 Nr.
3 Halbsatz 2 i.V.m. §
103 SGG gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten
hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt.
2. Der Sinn dieser Anforderungen ist es, dass - ohne gesonderte Ermittlungen - auch für das Rechtsmittelgericht klar ist,
welche Anträge nach dem Ergebnis des Sach- und Streitstands und der Auffassung eines Beteiligten beim Schluss der mündlichen
Verhandlung vom Gericht noch zu behandeln (gewesen) sind.
3. Mit diesen Anträgen muss sich das Urteil befassen, wenn es ihnen nicht folgt.
4. Erforderlich ist, dass ein rechtskundig vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung für bestimmte Tatsachen bestimmte
Beweismittel benennt, um der Warnfunktion des Beweisantrags gerecht zu werden.
5. Er muss das Beweisthema zumindest umreißen und angeben, was die Beweisaufnahme ergeben soll.
Gründe:
Mit Urteil vom 5.3.2015 hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen
voller Erwerbsminderung anstelle der ihm gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung verneint. Gegen die Nichtzulassung
der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde eingelegt und das Vorliegen eines Verfahrensmangels gerügt, weil das
LSG seine im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge übergangen habe, ein weiteres nervenärztliches Gutachten
nach ambulanter Untersuchung einzuholen und die Akte des Sozialgerichts (SG) München S 7 KR 503/14 beizuziehen.
Die Beschwerde ist unzulässig. Der geltend gemachte Zulassungsgrund des Vorliegens eines Verfahrensfehlers (§
160 Abs
2 Nr
3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist nicht in der nach §
160a Abs
2 S 3
SGG gebotenen Weise bezeichnet worden.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung
erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen
kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Soweit - wie hier - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht
ohne weiteres auffindbaren prozessordnungsgerechten Beweisantrags, der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten
worden und dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, auf Grund deren bestimmte Tatfragen
als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung hätten drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen
Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich
fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen
Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen
können (vgl nur BSG SozR 1500 § 160 Nr 5, 35, 45 und § 160a Nr 24, 34). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung vom 30.6.2015 nicht gerecht.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann ein anwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags nach §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2 iVm §
103 SGG gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten
hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr Nr 11; BSG, Beschlüsse vom 3.3.1997 - 2 BU 19/97; vom 23.9.1997 - 2 BU 31/97; BSG SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 3, 5; § 160 Nr 9; 29, 31; SozR 1500 § 160 Nr 64; Beschlüsse vom 8.3.2001 - B 9 SB 63/00 B, mwN; vom 11.9.2001 - B 9 SB 24/01 B; vom 23.12.2003 - B 9 V 31/02 B; vom 21.4.2004 - B 9 VG 22/03 B; vom 9.5.2006 - B 9a SB 74/05 B; vom 8.5.2001 - B 3 P 4/01 B, Juris). Der Sinn dieser Anforderungen ist es, dass - ohne gesonderte Ermittlungen - auch für das Rechtsmittelgericht klar
ist, welche Anträge nach dem Ergebnis des Sach- und Streitstands und der Auffassung eines Beteiligten beim Schluss der mündlichen
Verhandlung vom Gericht noch zu behandeln (gewesen) sind. Mit diesen Anträgen muss sich das Urteil befassen, wenn es ihnen
nicht folgt (vgl BSG, Beschluss vom 25.1.2006 - B 10 LW 5/05 B, mwN, Juris). Erforderlich ist, dass ein rechtskundig vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung für bestimmte
Tatsachen bestimmte Beweismittel benennt, um der Warnfunktion des Beweisantrags gerecht zu werden. Er muss das Beweisthema
zumindest umreißen und angeben, was die Beweisaufnahme ergeben soll (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG-Komm, 11. Aufl 2014, §
160 RdNr 18a ff mwN). Der Beweisantrag ist so exakt zu formulieren, dass er als solcher erkennbar ist. Von dem grundsätzlichen
Erfordernis einer Feststellung solcher Anträge im Protokoll (vgl §
122 SGG iVm §
160 Abs
3 Nr
2, Abs
5 Zivilprozessordnung) kann nur abgesehen werden, wenn der betreffende Beweisantrag im Berufungsurteil angeführt worden ist. Vorliegend hat der
Kläger das Aufrechterhalten prozessordnungsgerechter Beweisanträge bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung weder dargetan
noch finden solche Erwähnung im Urteil des LSG.
Soweit der Kläger angibt, im Termin zur mündlichen Verhandlung am 5.3.2015 die Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens
auf nervenärztlichem Fachgebiet nach erfolgter ambulanter Untersuchung beantragt zu haben, behauptet er nicht, diesen Beweisantrag
bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten zu haben. Das vom Kläger ausdrücklich in Bezug genommene Protokoll
vom 5.3.2015 weist vielmehr aus, dass er nach Schließung und Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung sowie deren nochmaliger
Unterbrechung nach einem Hinweis des Senats auf mögliche negative Kostenfolgen nur noch einen Sachantrag gestellt hat. Er
gibt auch weder an noch lässt sich dies dem Inhalt des angefochtenen Urteils entnehmen, dass das LSG insoweit von der Stellung
eines förmlichen Beweisantrags ausgegangen ist, den es bescheiden müsse. Vielmehr hat das Berufungsgericht nur seine Überzeugung
zum Ausdruck gebracht, dass sich der Kläger auch bei einem weiteren Begutachtungstermin seiner Mitwirkungsobliegenheit nicht
nachkommen werde. Damit ist insoweit das Übergehen eines Beweisantrags durch das LSG nicht dargetan.
Soweit der Kläger beantragt hat, die Akte des SG München zum Aktenzeichen S 7 KR 503/14 beizuziehen, hat er bereits keinen prozessordnungsgerechten Beweisantrag bezeichnet. Denn er hat nicht angegeben, dass er
habe protokollieren lassen, welche streitige Tatsache durch die Aktenbeiziehung unter Beweis gestellt werden solle (Beweisthema)
und was die Beweisaufnahme ergeben werde. Dass auch das LSG insoweit nicht von einem Beweisantrag ausgegangen ist, lässt sich
dessen Hinweis im Urteil entnehmen, vom Kläger sei nicht mitgeteilt worden, inwieweit die Aktenbeiziehung für das vorliegende
Verfahren hilfreich sein könne.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung
beizutragen (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des §
193 SGG.