Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
Verfahrensrüge
Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht
Warnfunktion eines Beweisantrages
Gründe:
Das LSG Niedersachsen-Bremen hat im Urteil vom 29.1.2014 einen Anspruch der Klägerin im Zugunstenverfahren auf Rente wegen
Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab 1.1.2003 verneint.
Die Klägerin macht mit ihrer beim BSG erhobenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil ausschließlich Verfahrensmängel geltend.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung vom 19.5.2014 genügt nicht der vorgeschriebenen Form,
denn die geltend gemachten Verfahrensmängel (§
160 Abs
2 Nr
3 SGG) sind nicht formgerecht bezeichnet (§
160a Abs
2 S 3
SGG).
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhen könne (§
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 1
SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§
160a Abs
2 S 3
SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist
die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem
Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl stRspr, zB Senatsbeschluss vom 12.12.2003
- B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 §
160a Nr
3 RdNr
4). Gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 Halbs 2
SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§
109 und
128 Abs
1 S 1
SGG und auf eine Verletzung des §
103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt
ist.
Die Klägerin hat bereits den Sachverhalt, der dem Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt; ihren Schilderungen
können allenfalls Fragmente der entscheidungserheblichen Tatsachen entnommen werden. Eine verständliche Sachverhaltsschilderung
gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes. Denn es ist nicht
Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen
Urteil selbst herauszusuchen (stRspr, zB Senatsbeschluss vom 12.6.2017 - B 13 R 144/17 B - Juris RdNr 9 mwN). Ohne Sachverhaltswiedergabe kann das BSG nicht beurteilen, ob die Entscheidung des LSG auf dessen vermeintlich verfahrensfehlerhaftem Verhalten beruht. Dies gilt
umso mehr, wenn es sich wie hier um einen sehr umfangreichen Lebenssachverhalt handelt, der sich über viele Jahre der Auseinandersetzung
der Beteiligten hingezogen hat. In einer solchen Situation ist zu erwarten, dass die Tatsachenfeststellungen, die für das
LSG und aus Sicht der Beschwerde entscheidungserheblich sind, in einer geordneten Abhandlung und nicht, wie hier erfolgt,
im Rahmen der Begründung fragmentarisch dargelegt werden sowie ohne den Hinweis, ob diese Darstellung der entspricht, die
das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (vgl Senatsbeschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 214/16 B - Juris RdNr 6).
Unabhängig davon genügt die Beschwerdebegründung aber auch im Weiteren nicht den gesetzlichen Formerfordernissen.
Die Klägerin rügt ausschließlich eine Verletzung des §
103 SGG. Wird ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§
103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne
Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, und den der Beschwerdeführer bis zuletzt aufrechterhalten
oder das LSG in der angefochtenen Entscheidung wiedergegeben hat, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer
bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des
voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG
auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses
der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte
gelangen können (zum Ganzen s Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).
Diesen Erfordernissen an eine Sachaufklärungsrüge wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Hierzu trägt die Klägerin vor,
sie habe bereits in ihrer Berufungsbegründung vom 31.8.2012 zum Nachweis der Geringfügigkeit ihrer selbstständigen Tätigkeit,
für die sie die Anerkennung von Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 1.11.1988 bis 31.3.1994 begehre, die Einvernahme
von vier namentlich benannten Zeugen sowie hinsichtlich der medizinischen Voraussetzungen der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Diesen Beweisanträgen sei das LSG ohne hinreichende Begründung nicht
gefolgt. Die Klägerin versäumt es jedoch darzulegen, dass sie diese Beweisanträge bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung
vor dem Berufungsgericht am 29.1.2014, in der sie durch einen Rechtsanwalt vertreten war, zu Protokoll aufrechterhalten habe
oder sie im LSG-Urteil wiedergegeben seien (zu diesem Erfordernis vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr
11 mwN). Denn nach Sinn und Zweck des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG soll eine Sachaufklärungsrüge die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch
einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Aufklärungspflicht des Gerichts (§
103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (Warnfunktion des aufrechterhaltenen Beweisantrags; stRspr, zB BSG Beschluss vom 24.5.1993 - 9 BV 26/93 - SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; BSG Beschluss vom 19.12.2013 - B 9 V 53/13 B - Juris RdNr 6).
Aber selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausginge, das LSG habe durch die in der Beschwerdebegründung wiedergegebenen
Ausführungen, warum es die benannten Zeugen nicht hören wolle, ihren Beweisantrag auf Zeugenvernehmung im Urteil erwähnt,
hat sie nicht dargelegt, dass das angefochtene Urteil ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG auf diesem Verfahrensmangel
beruhen könne. Denn das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass selbst wenn die selbstständige Tätigkeit der Klägerin - entsprechend
ihrer nach dem Beschwerdevortrag unter Zeugenbeweis gestellten Behauptung - von November 1988 bis März 1994 geringfügig gewesen
wäre und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anzuerkennen seien, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für
die begehrte Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit "letztmalig bis Juni 1997" erfüllt gewesen wären. Zu diesem Zeitpunkt
hätten allerdings nach den aktenkundigen Befundberichten und Gutachten die medizinischen Voraussetzungen für die begehrte
Rente nicht vorgelegen.
Sofern die Klägerin mit der Auswertung und Würdigung der medizinischen Berichte und Sachverständigengutachten durch das LSG
nicht einverstanden ist, wendet sie sich gegen dessen Beweiswürdigung (§
128 Abs
1 S 1
SGG). Hierauf kann jedoch gemäß §
160 Abs
2 Nr
3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§
160a Abs
4 S 2 Halbs 2
SGG).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß §
160a Abs
4 S 1 Halbs 2 iVm §
169 S 2 und 3
SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §
193 SGG.