Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
Verfahrensrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Tenor
Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der
Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Juni 2018 - L 13 AS 152/17 - gewährt.
Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen- Bremen vom 26. Juni 2018 - L 13 AS 152/17 - aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Mit Urteil vom 26.6.2018 - L 13 AS 152/17 - hat das LSG nach mündlicher Verhandlung durch die Berichterstatterin und zwei ehrenamtliche Richter die Berufung des Klägers
gegen einen Gerichtsbescheid des SG zu Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zurückgewiesen. Der am Tag zuvor gefasste Übertragungsbeschluss auf die Berichterstatterin wurde nach dem Protokoll der mündlichen
Verhandlung den Sitzungsvertretern des Beklagten, nicht aber dem Kläger übergeben, der zwar im Sitzungssaal anwesend gewesen
sei, aber erklärt habe, nicht die geladene Person zu sein. Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im
Urteil des LSG rügt der Kläger die Besetzung des Gerichts als verfahrensfehlerhaft; den Beschluss des LSG zur Übertragung
der Berufung auf die Berichterstatterin habe er nicht erhalten.
II
Dem Kläger ist Wiedereinsetzung in die Beschwerde- und Beschwerdebegründungsfrist zu gewähren (vgl §
67 SGG) wegen der fristgerechten Stellung eines PKH-Antrags durch ihn und der fristgerechten Beschwerdeeinlegung und -begründung
seiner Prozessbevollmächtigten nach der Bewilligung der PKH durch den Senat.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig und im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und Zurückverweisung
der Sache begründet (§
160a Abs
5 SGG).
Das Urteil des LSG vom 26.6.2018 beruht auf einem von dem Kläger hinreichend bezeichneten (§
160a Abs
2 Satz 3
SGG) Verfahrensmangel iS des §
160 Abs
2 Nr
3 SGG. Das LSG hat den Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art
101 Abs
1 Satz 2
GG) verletzt, weil die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entschieden hat, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen
hierfür nicht vorlagen.
Gesetzlicher Richter für die Entscheidung von Verfahren vor dem LSG ist grundsätzlich ein Senat in der Besetzung mit einem
Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (§
33 Abs
1 Satz 1
SGG). Hiervon macht §
153 Abs
5 SGG (eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des
Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444) eine Ausnahme. Danach kann das LSG in den Fällen einer Entscheidung des SG durch Gerichtsbescheid (§
105 SGG) die Berufung durch Beschluss der berufsrichterlichen Mitglieder des Senats dem Berichterstatter übertragen, der zusammen
mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Das erfordert einen schriftlich abzufassenden, der Geschäftsstelle zu übergebenden
(§
153 Abs
1 iVm §
142 Abs
1 und §
134 SGG) und den Beteiligten zuzustellenden (§
133 Satz 2
SGG; vgl nur BSG vom 27.4.2010 - B 2 U 344/09 B - SozR 4-1500 § 153 Nr 8 RdNr 7; BSG vom 24.10.2013 - B 13 R 240/12 B - RdNr 9) Beschluss, woran es vorliegend fehlt, nachdem der Beschluss nach dem Akteninhalt lediglich dem Beklagten, nicht aber dem
Kläger durch Aushändigung in der mündlichen Verhandlung am 26.6.2018 zugestellt wurde (§
202 SGG iVm §
173 ZPO). Das ist nicht durch rügelose Einlassung (§
202 SGG iVm §
295 ZPO) heilbar (vgl BSG vom 14.2.2018 - B 14 AS 423/16 B - und BSG vom 14.2.2018 - B 14 AS 426/16 B - jeweils RdNr 6); dass der Kläger eine Zustellung des Beschlusses vereitelt habe, wie der Beklagte rügt, kann der vorliegenden Akte nicht
entnommen werden, weil die Zustellung durch Aushändigung an der Amtsstelle die Bereitschaft zur Annahme voraussetzt (Neumann in Hennig,
SGG, §
63 RdNr 67 mwN, Stand Mai 2018) und die Zustellungsfiktion nach §
179 Satz 3
ZPO insoweit nicht gilt (Häublein/Müller in Münchener Kommentar zur
ZPO, 6. Aufl 2020, §
173 RdNr 4).
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten; ebenso
kann über einen PKH-Antrag des Klägers für das Berufungsverfahren, wie mit Schriftsatz vom 15.11.2019 geltend gemacht, nur
das LSG befinden (§
73a Abs
1 Satz 1
SGG iVm §
119 Abs
1, §
127 Abs
1 Satz 2
ZPO).