Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Erstattung veruntreuter Gelder durch eine Optionskommune
Gründe:
I
Umstritten ist die Erstattung von veruntreuten Geldern, die vom klagenden Landkreis, einem zugelassenen kommunalen Träger
(zkT), bei der beklagten Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des § 6b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) abgerufen worden waren.
Aufgrund der Verwaltungsvereinbarung zwischen den Beteiligten vom 19.4.2005 "über die vom Bund zu tragenden Aufwendungen des
zugelassenen kommunalen Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende" (im Folgenden: Verwaltungsvereinbarung) war der Kläger
zur Teilnahme am automatisierten Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (sog HKR-Verfahren) berechtigt.
Die Wahrnehmung der Aufgaben gemäß § 6a Abs 5 SGB II erfolgt beim Kläger verwaltungsintern durch den "Geschäftsbereich Arbeit". In diesem war Frau M als persönliche Ansprechpartnerin
für die Vermittlung und Eingliederung von Langzeitarbeitslosen tätig. Sie war befugt, für diese Eingliederungsleistungen,
wie Schulungen, Lehrgänge, Jobtrainings, durch Aufträge an Dritte bis zu einer Höhe von jeweils 5000 Euro selbstständig zu
bewilligen.
Nach dem Auftreten von konkreten Verdachtsmomenten wurde M am Morgen des nächsten Tages, dem 25.3.2010 freigestellt. Die durchgeführten
Ermittlungen ergaben in zahlreichen Akten Vorgänge mit strafrechtlicher Relevanz: M hatte ua Zahlungsanweisungen in Höhe von
510 053,88 Euro zu Gunsten von Scheinfirmen bewirkt, hinter denen ihr Ehemann und sie selbst standen, ohne dass entsprechende
Eingliederungsleistungen an Hilfebedürftige erbracht worden waren. Zudem hatte M Barauszahlungen in Höhe von 47 052,60 Euro
vom Kassenautomaten vereinnahmt und auf den dafür notwendigen Auszahlungsanordnungen die Unterschrift von Hilfebedürftigen
gefälscht oder sich von Hilfebedürftigen einen Geldempfang bestätigen lassen, obwohl diese das Geld weder in bar noch später
durch eine Überweisung erhielten. Insgesamt erlangte sie so 557 106,48 Euro. M gab am 10.5.2010 ein notarielles Schuldanerkenntnis
gegenüber dem Kläger in Höhe von 486 177,88 Euro nebst Zinsen ab.
Nachdem die Beklagte vom Kläger die Erstattung der von M rechtswidrig verausgabten Beträge begehrt hatte, weil sie nur Aufwendungen
der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II zu tragen habe, und einen Ausschluss des Klägers vom HKR-Verfahren angedroht hatte, überwies der Kläger am 22.6.2011 der
Beklagten 503 167,35 Euro "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter dem Vorbehalt einer gerichtlichen Prüfung". Der
Betrag beruhte nach Zahlungen, die der Kläger von M erhalten und an die Beklagte überwiesen hatte, auf einer Hauptforderung
von nunmehr 500 823,50 Euro zuzüglich von der Beklagten verlangter Zinsen in Höhe von 2343,85 Euro.
Der Kläger, der bis Anfang April 2012 insgesamt einen Teilbetrag von 76 974,13 Euro von M beitreiben konnte, erhob am 23.4.2012
vor dem Hessischen Landessozialgericht (LSG) Klage gegen die Beklagte auf Rückzahlung von 482 476,20 Euro zuzüglich Zinsen
ab Rechtshängigkeit, weil diese keinen Anspruch auf die Rückzahlung des strittigen Betrags gehabt habe und sie die Aufwendungen
eines fehlerhaften Gesetzesvollzugs zu tragen habe. Da der Kläger bis zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG weitere Beträge
von M erlangte, hat er in dieser nur noch beantragt, den Beklagten zur Rückzahlung von 469 647,58 Euro zuzüglich Zinsen zu
verurteilen. Das LSG hat den Beklagten verurteilt, diesen Betrag an den Kläger Zug um Zug gegen die Abtretung der gegen M
bestehenden Ansprüche wegen der rechtswidrigen Verwendung der SGB II-Leistungen sowie Herausgabe der Notarurkunde über das Schuldanerkenntnis zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen
(Urteil vom 3.9.2014). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gegen die Beklagte in der ausgeurteilten
Höhe einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch, weil die Beklagte ihrerseits keinen solchen Anspruch gegen den Kläger
wegen der von diesem im HKR-Verfahren abgerufenen Mittel habe. Der Kläger habe die Mittel zunächst mit Rechtsgrund im HKR-Verfahren
nach § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II erhalten. Dieser Rechtsgrund falle nicht bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Handeln des Amtswalters weg, ebenso wenig
bei etwaigen Mängeln des Verwaltungs- und Kontrollsystems des Klägers. Auch die Voraussetzungen einer Zweckverfehlungskondiktion
lägen - unabhängig von deren Anerkennung beim öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch - nicht vor, denn ein zusätzliches
Erfordernis für das Behaltendürfen der Leistung sei nicht erkennbar. Wegen der Gegenansprüche sei aber nur eine Verurteilung
Zug um Zug auszusprechen gewesen, daher scheide ein Zinsanspruch des Klägers aus.
In ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 6b Abs 2 SGB II, des Art
106 Abs
8 Grundgesetz (
GG) sowie des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, weil es keine voraussetzungslose Kostentragungspflicht
der Beklagten gebe. Die umstrittenen Mittel seien nicht für Leistungen nach dem SGB II verwandt worden. Dies sei jedoch für die Beurteilung deren endgültiger vermögensrechtlicher Zuordnung entscheidend und nicht
die Befugnis zum Mittelabruf im HKR-Verfahren. Der Anspruch scheitere auch nicht an der sich aus den Grundsätzen der Haftungskernrechtsprechung
ergebenden Haftungseinschränkung, denn diese greife nicht bei grob fahrlässigem oder vorsätzlichem Fehlverhalten, wie es hier
vorliege.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. September 2014 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er meint, die Mittel seien unstreitig aus dem HKR-Verfahren im Zusammenhang mit dem Tätigkeitsbereich der M für die Finanzierung
von Eingliederungsmaßnahmen bestimmt gewesen und deren Abrufung mit Rechtsgrund erfolgt. Die Maßgaben der Haftungskernrechtsprechung
kämen nur als Kontrollüberlegung zum Tragen, wenn feststehe, dass ein bereicherungsrechtlicher Anspruch dem Grunde nach bestehe,
was vorliegend jedoch nicht der Fall sei.
II
Die zulässige Revision der beklagten Bundesrepublik ist im Wesentlichen begründet (§
170 Abs
2 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Das Urteil des LSG vom 3.9.2014 ist zu ändern, die Beklagte ist nur zu verurteilen, an den klagenden Landkreis die
von diesem gezahlten 2343,85 Euro Zinsen zuzüglich Prozesszinsen zurückzuzahlen (dazu 4.). Im Übrigen - hinsichtlich der von
dem Kläger begehrten und vom LSG zugesprochenen Zahlung von 469 647,58 Euro - ist die Klage abzuweisen (dazu 2. und 3.).
1. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. M musste nicht notwendig beigeladen werden,
weil die Voraussetzung, dass die Entscheidung ihr gegenüber nur einheitlich ergehen kann, nicht vorliegt (§
75 Abs
2 Alt 1
SGG). Auf die Höhe und die Durchsetzbarkeit möglicher Ansprüche gegenüber M kommt es für die hier zu treffende Entscheidung nicht
an. Das LSG war für die vom Kläger zu Recht erhobene allgemeine Leistungsklage (§
54 Abs
5 SGG) erstinstanzlich zuständig (§
29 Abs
2 Nr
3 SGG), weil die Klage erst nach dem Inkrafttreten der Vorschrift erhoben worden ist.
2. Der klagende zkT hat zu Recht die von ihm im sog HKR-Verfahren bei der Beklagten abgerufenen Mittel, soweit diese von seiner
Mitarbeiterin M für Scheinfirmen, hinter denen sie oder ihr Ehemann standen, und für Barauszahlungen, die sie sich aneignete,
verwandt worden waren, an die Beklagte zurückgezahlt. Demgemäß hat er insoweit keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte.
a) Zur Beurteilung der materiellen Rechtslage bei Streitigkeiten zwischen einem zkT und der Bundesrepublik über die Erstattung
von Zahlungen, die im Rahmen der Übernahme der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 6b Abs 2 SGB II für Zeiten vor dem 1.1.2011 erfolgten, und in denen eine mit dem vorliegenden Verfahren strukturell vergleichbare Sachlage
einschließlich der Rückzahlung der zunächst von dem zkT abgerufenen Mittel von diesem an die Bundesrepublik sowie nun einer
Klage des ersteren gegen die letztere vorlag, hat der 4. Senat in seinen Urteilen vom 2.7.2013 (B 4 AS 72/12 R - BSGE 114, 55 = SozR 4-4200 § 6b Nr 1, auf das sich die nachstehenden RdNr-Angaben beziehen, sowie - B 4 AS 74/12 R - SozR 4-4200 § 6b Nr 2, das mit dem zuvor genannten Urteil weitgehend wörtlich übereinstimmt) ausgeführt: Die zwischen
den Beteiligten bestehende Rechtsbeziehung sei dem öffentlichen Recht zuzuordnen (RdNr 30). Innerhalb dieser Rechtsbeziehung
können sowohl Erstattungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte als auch der Beklagten gegen den Kläger bestehen (RdNr 27).
Es bestehe ein Zahlungsanspruch des zkT, weil dieser einen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die
Bundesrepublik habe, während diese keinen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen den zkT habe (RdNr
28 f, 36). Der heutige § 6b Abs 5 SGB II sei für die Zeit vor seinem Inkrafttreten am 1.1.2011 nicht anwendbar (RdNr 32). Ein Zahlungsanspruch der Beklagten gegenüber
dem Kläger folge nicht aus § 5 Abs 2 der Verwaltungsvereinbarung (RdNr
34), ebenso wenig unmittelbar aus Art
106 Abs
8 GG (RdNr
35). Auch Art
104a Abs
5 Satz 1
GG sei auf eine Haftung zwischen Bund und Kommunen bzw ihren Verbänden nicht unmittelbar anwendbar (RdNr 38). Der Kläger habe
die von ihm im HKR-Verfahren abgerufenen Mittel mit Rechtsgrund erhalten, denn sie seien ihm vermögensrechtlich endgültig
zugeordnet worden (RdNr 40). Die Zuordnung der im HKR-Verfahren bereitgestellten Mittel richte sich nach der rechtlichen Grundlage
der Finanzierung der Aufgaben der zkT, die finanzverfassungsrechtlich in Art
106 Abs
8 GG, einfachgesetzlich in § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II zu finden sei (RdNr 40). Systematisch betrachtet behandele § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II die Kostentragung, nicht hingegen Erstattungsfragen (RdNr 41). Tatbestandliche Voraussetzung des § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II sei, dass die Aufwendungen solche der Grundsicherung für Arbeitsuchende seien (RdNr 41).
Zur Prüfung dieser Voraussetzung hat der 4. Senat im Weiteren darauf abgestellt, ob die zwischen den Beteiligten strittige
Mittelverwendung sich im Rahmen der dem SGB II zugrunde liegenden Ziele, Zwecke und Prinzipien bewegt habe (RdNr 47 f). Selbst wenn aber die Mittelverwendung nicht den
Zielen und Zwecken des SGB II entspreche, habe der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch hier das Begehren der beklagten Bundesrepublik
nicht stützen können. Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch im Verhältnis des Bundes zu einem Land greife
nicht bereits bei jeglicher fahrlässiger Falschanwendung des Gesetzes ein, sondern lediglich bei grob fahrlässigem oder gar
vorsätzlichem Fehlverhalten. Dieser Haftungseinschränkung, die mit den Grundsätzen der Haftungskernrechtsprechung sowohl des
Bundessozialgerichts (BSG) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) übereinstimme und Art
104a Abs
5 Satz 1
GG entlehnt sei, bedürfe es, weil andernfalls in der direkten Finanzbeziehung zwischen der Bundesrepublik und einer Kommune
eine weitergehende Haftung bestünde als im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und einem Bundesland. Letzteres könne aber
den einer ihm angehörigen Kommune entstehenden vermögensrechtlichen Schaden im Wege einer Drittschadensliquidation gegenüber
der Bundesrepublik geltend machen, auf die dann Art
104a Abs
5 Satz 1
GG anzuwenden sei. Insoweit sei eine erstattungs- wie auch haftungsrechtliche Gleichstellung geboten (RdNr 49).
b) Übertragen auf das vorliegende Verfahren und den umstrittenen Betrag unter Ausschluss der vom Kläger an den Beklagten bezahlten
Zinsen bedeutet dies: Der klagende zkT hat den strittigen Betrag im Rahmen des Verwaltungsrechtsverhältnisses mit der beklagten
Bundesrepublik aufgrund des HKR-Verfahrens rechtmäßig von der Beklagten zur Bewirtschaftung und zur Wahrnehmung seiner Aufgaben
erhalten.
Gemäß den dargestellten wechselseitigen Erstattungsansprüchen zwischen dem zkT und der Bundesrepublik kommt es für die Beurteilung
des Behaltendürfens des Betrags seitens des Klägers und seines Rückerstattungsanspruchs gegen die Bundesrepublik aufgrund
der zwischenzeitlichen Zahlung an diese sowie deren Erstattungsanspruch gegen den zkT darauf an, ob die strittige Mittelverwendung
sich im Rahmen der dem SGB II zugrunde liegenden Ziele, Zwecke und Prinzipien bewegt hat oder, wenn dies nicht der Fall ist, ob ein grob fahrlässiges oder
vorsätzliches Fehlverhalten gegeben ist. Nur bei einem solchen Fehlverhalten hat die Kommune für die entsprechende Mittelverwendung
gegenüber der Bundesrepublik "zu haften".
Ausgehend von diesen Voraussetzungen hat der Kläger kein Recht zum Behaltendürfen des Betrags und keinen Rückerstattungsanspruch
gegen die Bundesrepublik aufgrund seiner zwischenzeitlichen Zahlung an diese, während der Erstattungsanspruch der Bundesrepublik
gegen den zkT aufgrund der vorherigen Zurverfügungstellung des Betrags begründet ist.
Denn die vom Kläger im HKR-Verfahren abgerufenen Mittel wurden keiner Mittelverwendung im Rahmen der dem SGB II zugrunde liegenden Ziele, Zwecke und Prinzipien zugeführt. Vielmehr ist ein vorsätzliches Fehlverhalten der Bediensteten
M des Klägers zu bejahen, weil diese die Zahlungsanweisungen an Scheinfirmen ihrerseits und ihres Ehemanns über 510 053,88
Euro und die Barauszahlungen von 47 052,60 Euro an sich selbst vorsätzlich veranlasste, ohne dass diese Zahlungen zu Leistungen
an Leistungsberechtigte nach dem SGB II führten.
3. Im Hinblick auf die an den Entscheidungen des 4. Senats geübte Kritik einer Vermischung des verschuldensunabhängigen Bereicherungsausgleichs
nach dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch mit einem systemwidrigen Verschuldensmaßstab aus dem Haftungsrecht
(so zB das LSG in dem angefochtenen Urteil, aber auch Vorholz, SGb 2014, 406, 407 f in ihrer Anmerkung zu den Entscheidungen) ist ergänzend auf Folgendes hinzuweisen:
a) Unabhängig von der Antwort auf die Frage, ob die Zurverfügungstellung oder der Abruf der strittigen Mittel im HKR-Verfahren
eine auf eine endgültige Vermögensmehrung abzielende Leistung der Beklagten gegenüber dem Kläger war, ist die entscheidende
Voraussetzung für den zuvor bejahten allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger,
dass ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der strittigen Mittel seitens des Klägers fehlt. Ob es einen solchen Rechtsgrund
gibt, ist beim allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ebenso wie im zivilrechtlichen Bereicherungsrecht oftmals
nicht zuvörderst aus dem Erstattungsanspruch oder Bereicherungsrecht heraus zu beantworten, sondern aus außerhalb des Erstattungs-
oder Bereicherungsrechts liegenden Regelungen und Wertungen, die auf das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten Anwendung
finden (Schmidt-Kessel/Hadding in Soergel,
Bürgerliches Gesetzbuch, Schuldrecht 9/3, 13. Aufl 2012, Vor §
812 RdNr 1 ff; Sprau in Palandt,
BGB, 74. Aufl 2015; Einf von §
812 RdNr 5 f). Deutlich wird dies insbesondere an den Regeln der Anspruchskonkurrenz, zumal vertragliche Ausgleichsansprüche
den allgemeinen bereicherungsrechtlichen vorgehen und einen Rechtsgrund für ein Behaltendürfen beinhalten oder auch verneinen
können (Schmidt-Kessel/Hadding, aaO, RdNr 24; Sprau, aaO).
b) Vorliegend werden die zwischen den Beteiligten bestehenden Erstattungsansprüche durch das zwischen ihnen bestehende Verwaltungsrechtsverhältnis
konkretisiert, das hinsichtlich der Übernahme der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende seitens der Bundesrepublik
gegenüber dem klagenden zkT seine Grundlage in § 6b Abs 2 SGB II findet.
Zutreffend hat der 4. Senat zu dessen Auslegung klargestellt: Trotz des oft verwandten Begriffs "Erstattung" regelt § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II - systematisch betrachtet - die Kostentragung für bestimmte Aufwendungen, nicht hingegen Erstattungsfragen wie zB die §§
102 ff Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) (BSG Urteil vom 2.7.2013 - B 4 AS 72/12 R - BSGE 114, 55 = SozR 4-4200 § 6b Nr 1, RdNr 41), zumal im Erstattungsrecht oft Verwaltungskosten nicht zu tragen sind (vgl § 109 Satz 1 SGB X). Tatbestandliche Voraussetzung des § 6b Abs 2 Satz 1 SGB II ist, dass die Aufwendungen, die vom Bund zu tragen sind, solche der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der
Verwaltungskosten sind (BSG, aaO, RdNr 41). Zur Beurteilung, ob bestimmte Mittelverwendungen oder Ausgaben des zkT solche Aufwendungen sind, ist darauf
abzustellen, ob die Mittelverwendungen sich im Rahmen der dem SGB II zugrunde liegenden Ziele, Zwecke und Prinzipien bewegen (BSG, aaO, RdNr 47). Das Vorliegen einer solchen Aufwendung der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten
ist nicht bereits bei jeglicher fahrlässiger Falschanwendung des Gesetzes zu verneinen, sondern lediglich bei grob fahrlässigem
oder gar vorsätzlichem Fehlverhalten (BSG, aaO, RdNr 49).
Dieser vom 4. Senat vorgenommenen Unterscheidung zwischen vorsätzlichem und grob fahrlässigem Verhalten auf der einen und
"normaler" oder leichter Fahrlässigkeit auf der anderen Seite ist aus den von ihm genannten Gründen, wie insbesondere dem
Verweis auf die sog Haftungskernrechtsprechung des BVerwG zu Art
104a Abs
5 GG (ähnlich Höfling, Landkreis 2011, 158, 163), zuzustimmen. Zumal dies eine im Sozialrecht (vgl § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X) und in anderen Rechtsgebieten (vgl § 839a Bürgerlichts Gesetzbuch [BGB]) häufig anzutreffende und in Fällen der vorliegenden Art sachgerechte Differenzierung ist.
c) Ausgehend von diesen Voraussetzungen waren - wie dargestellt - die Zahlungsanweisungen der M an Scheinfirmen ihrerseits
und ihres Ehemanns über 510 053,88 Euro und ihre Barauszahlungen von 47 052,60 Euro keine Mittelverwendung für Aufwendungen
der Grundsicherung für Arbeitsuchende iS des § 6b Abs 2 SGB II. Der Kläger hat diese Beträge daher zu Recht an die Beklagte zurückgezahlt, und die Beklagte muss auf dessen Klage hin diese
Beträge nicht an ihn zurückzahlen.
Dies steht im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Urteil des BVerwG vom 18.5.1994 (11 A 1.92 - BVerwGE 96, 45: untreue BAföG-Mitarbeiterin), in dem ein Anspruch des Bundes gegen das Land wegen des Fehlverhaltens der Mitarbeiterin bejaht wurde, aber
auch mit dem vom 30.11.1995 (7 C 56.93 - BVerwGE 100, 56: zu viel gezahltes Kindergeld), in dem der Anspruch der Gemeinde gegen das Land bejaht wurde, weil ihrerseits keine schwere
Pflichtverletzung vorliege, sowie dem Urteil vom 15.5.2008 (5 C 25.07 - BVerwGE 131, 153: Erstattung von Wohngeld), in dem ein Anspruch der Gemeinde gegen das Land verneint wurde, weil nicht feststand, dass es
sich um tatsächliche und nicht nur fiktive Aufwendungen der Gemeinde handele.
d) Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte nicht nur die Aufwendungen für bestimmte Leistungen der Grundsicherung
für Arbeitsuchende als solche, sondern ebenso die Verwaltungskosten dafür zu tragen hat. Denn auch insofern hat die Bundesrepublik
grundsätzlich nur rechtmäßige Ausgaben zu übernehmen, was jedoch mangels eines anderen tragbaren Maßstabs wie bei den Aufwendungen
selbst nicht bereits bei jeglicher fahrlässigen Falschanwendung des Gesetzes, sondern lediglich bei grob fahrlässigem oder
gar vorsätzlichem Fehlverhalten zu verneinen ist.
Das allein entscheidende Fehlverhalten, das zu den rechtswidrigen Mittelverwendungen führte, war das Verhalten der beim Kläger
tätigen M. Dass der Kläger in dem Verwaltungsrechtsverhältnis zur Beklagten für das Verhalten seiner Bediensteten M einstehen
muss, wird von keiner Seite bezweifelt. Inwieweit etwas anderes gilt, zB eine Quotelung des Schadens im Rahmen der Verwaltungskosten,
wenn Personen oder zB EDV-Programme der Beklagten an der sachwidrigen Mittelverwendung schuldhaft mitgewirkt haben, ist vorliegend
mangels dahingehender Feststellungen des LSG oder entsprechender Rügen nicht zu entscheiden.
4. Die Zinsen in Höhe von 2343,85 Euro, die die Beklagte neben der Hauptforderung wegen der abgerufenen und veruntreuten Mittel
gegenüber dem Kläger geltend machte und von diesem ebenfalls an jene - jedoch unter Vorbehalt - gezahlt wurden, sind von der
Beklagten an den Kläger zurückzuzahlen.
Eine Rechtsgrundlage für einen solchen Zinsanspruch ist nicht zu erkennen, selbst die Verwaltungsvereinbarung enthält keine
entsprechende Regelung. Der heutige § 6b Abs 5 Satz 2 SGB II scheidet als Rechtsgrundlage aus, weil der zuvor bejahte Hauptanspruch der Beklagten aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des
erst zum 1.1.2011 eingeführten Absatzes 5 stammt und dieser vorliegend nicht anwendbar ist (siehe oben unter 2. a).
Das BVerwG hat in der Entscheidung vom 18.5.1994 (BVerwGE 96, 45, 59) einen solchen Zinsanspruch ausdrücklich unter Hinweis auf §
233 Satz 1
Abgabenordnung, nach dem Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur verzinst werden, soweit dies gesetzlich vorgeschrieben ist, verneint.
Dem ist zuzustimmen, weil es zahlreiche Regelungen über Zinsen im Sozialrecht gibt, aber keine generelle Vorschrift zB über
Verzugszinsen wie in §§
284,
288 BGB, sodass diese auch in einem Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen zwei Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht entsprechend
anzuwenden sind (vgl Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 9/2014, K § 61 RdNr 102 ff). Erstattungsansprüche von Sozialleistungsträgern untereinander sind zB grundsätzlich nicht zu verzinsen (vgl
die Ausnahmeregelung in § 108 Abs 2 SGB X).
Aus der Entscheidung des 1. Senats des BSG sowie der ständigen Rechtsprechung des BVerwG zu Ansprüchen aus Art
104a Abs
5 Satz 1
GG (vgl nur BSG Urteil vom 15.12.2009 - B 1 AS 1/08 KL - BSGE 105, 100 = SozR 4-1100 Art 104a Nr 1, RdNr 57 mwN) folgt nichts anderes, weil ein solcher Anspruch dem Zinsbegehren der Beklagten
nicht zugrunde liegt.
Da seitens der Beklagten kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Zinsen besteht und der Kläger ihr den Betrag ausdrücklich
ohne Anerkennung einer Rechtspflicht überwiesen und damit geleistet hat, hat der Kläger gegen sie aufgrund des allgemeinen
öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs einen Anspruch auf Rückzahlung des Betrags.
5. Ein Anspruch des Klägers auf Prozesszinsen für die zurückzuzahlenden Zinsen folgt aus den mittlerweile nach zutreffender,
neuerer Ansicht entsprechend anwendbaren §§
291,
288 BGB (vgl nur mwN Henning Müller, SGb 2010, 336 ff).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
197a Abs
1 Satz 1 Teilsatz 3
SGG iVm §
155 Abs
1 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt das geringfügige Obsiegen des Klägers. Eine Streitwertfestsetzung ist wegen der Gerichtskostenfreiheit
der beklagten Bundesrepublik (§ 2 Abs 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz) und des klagenden Landkreises als zkT in Streitigkeiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 64 Abs 3 Satz 2 SGB X) entbehrlich.