Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Leistungsausschluss während einer stationären Drogentherapie bei Aufenthalt
in einer Fachklinik zu einer stationären Langzeittherapie; Anwendung der Rückausnahme nach § 7 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 SGB II bei vorhergehendem Aufenthalt in einer anderen stationären Einrichtung
Gründe:
I
Im Streit ist die Zahlung von Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) während einer stationären Drogentherapie.
Der 1973 geborene Kläger unterzog sich wegen einer Drogenabhängigkeit vom 29.4. bis 2.6.2009 einer Entgiftungsbehandlung.
Anschließend war er zunächst bis 5.1.2010 in einer stationären Übergangseinrichtung der V. Klinik Gi. (Übergangseinrichtung)
und sodann ab 5.1. bis 5.7.2010 zur stationären Langzeittherapie in der Fachklinik zur Rehabilitation von Abhängigkeitserkrankungen
und angrenzenden psychosomatischen Störungen Haus Ge. (Fachklinik) untergebracht, wofür ihm die Deutsche Rentenversicherung
Bund (DRV) eine Bewilligung über eine stationäre Leistung zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von 26 Wochen erteilt
hatte. Zwischenzeitlich ist er ua wegen Betäubungsmittelstraftaten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden; diese ist mit
der Auflage, eine Langzeittherapie durchzuführen, zur Bewährung ausgesetzt worden. Der Kläger bezog während des Aufenthalts
in der Übergangseinrichtung existenzsichernde Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Im Anschluss an seine Entlassung aus der Fachklinik bezog er ab 6.7.2010 Alg II.
Den vom Kläger zu Beginn seiner Langzeittherapie in der Fachklinik gestellten Antrag auf Alg II lehnte das beklagte Jobcenter
ab, weil er sich schon zuvor in einer stationären Übergangseinrichtung befunden habe und auch weiterhin in stationärer Behandlung
und deshalb von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei (Bescheid vom 11.1.2010; Widerspruchsbescheid vom 27.1.2010). Vor dem Sozialgericht (SG) und dem Landessozialgericht (LSG) blieb der Kläger mit seinem Leistungsbegehren erfolglos (Gerichtsbescheid vom 9.5.2012;
Urteil vom 21.1.2015). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, dass der Kläger nach § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II wegen seines Aufenthalts in einer stationären Einrichtung vom Bezug von Alg II ausgeschlossen sei. Die Rückausnahme des §
7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II - ein Krankenhausaufenthalt für voraussichtlich weniger als sechs Monate - greife nicht zu seinen Gunsten ein, weil die Aufenthalte
in der Übergangseinrichtung und der Fachklinik zusammenzurechnen seien.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger eine Verletzung von § 7 Abs 4 SGB II geltend. Er sei während seines Aufenthalts in der Fachklinik nicht aufgrund von § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II vom Alg II ausgeschlossen, denn für ihn greife die Rückausnahme des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II ein. Sein vorangegangener Aufenthalt in der Übergangseinrichtung sei nicht in die danach zu treffende Prognoseentscheidung
einzubeziehen. Vielmehr sei allein auf den Zeitpunkt der Aufnahme in die Fachklinik abzustellen; zu diesem sei er nach dem
in einer Therapiebescheinigung vom 6.1.2010 ausgewiesenen absehbaren Aufenthalt vom 5.1.2010 bis 3.7.2010 für voraussichtlich
weniger als sechs Monate dort aufgenommen worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Januar 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom
9. Mai 2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Januar
2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 8. Januar 2010 bis zum 5. Juli 2010 Arbeitslosengeld
II unter Anrechnung der erhaltenen Sozialhilfe zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§
170 Abs
1 Satz 1
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Der Kläger hat im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Alg II, weil er während seines Aufenthalts in der Fachklinik
von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen war.
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind der klagabweisende Gerichtsbescheid des SG und das die Berufung zurückweisende Urteil des LSG sowie der Bescheid des Beklagten vom 11.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.1.2010, durch den dieser den Antrag des Klägers auf Alg II abgelehnt hat. Zeitlich umfasst der Streitgegenstand gemäß
dem Antrag des Klägers das Leistungsbegehren für den Zeitraum vom 8.1. bis 5.7.2010.
2. Zutreffende Klageart ist hier die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
1 Satz 1, Abs
4 SGG), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§
130 Abs
1 Satz 1
SGG), denn der Kläger begehrt die Aufhebung des seinen Antrag ablehnenden Bescheides des Beklagten und dessen Verurteilung zur
Zahlung von Alg II.
Die hierauf gerichtete Revision ist zulässig auch bei bereits erbrachten Leistungen nach dem SGB XII im streitigen Zeitraum unabhängig von deren Höhe und trotz der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) schon aufgrund der formellen Beschwer des Klägers, weil ihm vom LSG versagt worden ist, was er beantragt hat. Auch besteht
nach wie vor ein Rechtsschutzbedürfnis, weil der Kläger um die für ihn rechtlich zutreffenden Leistungen streitet und sich
an einen Alg II-Anspruch Fernwirkungen knüpfen können (vgl Bundessozialgericht [BSG] Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 16/07 R - BSGE 99, 88 = SozR 4-4200 § 7 Nr 7, RdNr 12). Zudem hat er ein schützenswertes Interesse an der Klärung, welche Leistungen ihm zugestanden
haben, weil die Höhe existenzsichernder Leistungen nach dem SGB II und SGB XII bei Unterbringung in einer stationären Einrichtung unterschiedlich sein kann und Leistungen nach dem SGB II während der Unterbringung in aller Regel höher sind.
Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Es bedurfte
insbesondere keiner echten notwendigen Beiladung des Sozialhilfeträgers nach §
75 Abs
2 Alt 1
SGG, weil in dessen Rechtssphäre durch die Entscheidung über den Alg II-Anspruch des Klägers nicht gleichzeitig unmittelbar und
zwangsläufig eingegriffen wird. Denn soweit er bereits Leistungen erbracht hat, würde nicht erst eine dem Kläger Alg II zusprechende
Entscheidung einen Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers begründen, sondern dieser Anspruch wäre bereits mit der Erbringung
der Vorleistung entstanden (vgl dazu Becker in Hauck/Noftz, SGB X, K § 107 RdNr 7a, Stand April 2012). Soweit er keine oder ggf zu geringe Leistungen erbracht hat, würde eine Alg II ablehnende Entscheidung
nicht zugleich eine Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers begründen.
3. Einer Begründetheit der Revision steht nicht bereits eine Unzulässigkeit der Berufung entgegen, denn der Kläger begehrte
mit seiner Berufung ein Grundurteil über seinen Anspruch auf Alg II. Den Wert des Beschwerdegegenstandes von 750 Euro nach
§
144 Abs
1 Satz 1 Nr
1 SGG überstieg schon die im streitigen Zeitraum maßgebliche Regelleistung nach § 20 SGB II in Höhe von monatlich 359 Euro. Hieran ändert es nichts, wenn für die Höhe eines Alg II-Zahlungsanspruchs des Klägers vom
Sozialhilfeträger bereits erbrachte Leistungen nach dem SGB XII wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs 1 SGB X zu berücksichtigen wären.
4. Der Kläger hat im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Alg II. Er war während seines Aufenthalts in der Fachklinik nach
§ 7 Abs 4 Satz 1 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Die Voraussetzungen der Rückausnahme hiervon nach § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II liegen nicht vor (§ 7 Abs 4 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706, der seit dem Inkrafttreten
am 1.8.2006 bis zum Ende des hier streitigen Zeitraumes nicht geändert worden ist und § 7 Abs 4 SGB II idF der Bekanntmachung vom 13.5.2011, BGBl I 850, entspricht).
a) Nach § 7 Abs 4 SGB II erhält Leistungen nach dem SGB II ua nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist (Satz 1). In Ausnahme von diesem grundsätzlichen Leistungsausschluss
erhält Leistungen nach dem SGB II gleichwohl, wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]) untergebracht ist (Satz 3 Nr 1). Eine Rückausnahme greift auch für den ein, der in
einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15
Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (Satz 3 Nr 2); für diese Rückausnahme spricht indes vorliegend nichts.
b) Im Sinne dessen ist der Aufenthalt des Klägers in der Fachklinik vom 5.1. bis 5.7.2010 ungeachtet der vom BSG aufgestellten Anforderungen an den Begriff der Unterbringung in einer stationären Einrichtung in § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II (vgl BSG Urteil vom 5.6.2014 - B 4 AS 32/13 R - BSGE 116, 112 = SozR 4-4200 § 7 Nr 36, RdNr 24 ff; BSG Urteil vom 2.12.2014 - B 14 AS 35/13 R - juris RdNr 20 ff) nach der Regelungssystematik des § 7 Abs 4 SGB II als Unterbringung schon deshalb anzusehen, weil die Fachklinik ein Krankenhaus iS von § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II ist und ein Krankenhaus die Anforderungen an den Begriff der stationären Einrichtung notwendig erfüllt, weil sonst die Rückausnahme
zu § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II ins Leere liefe. Zu diesen Krankenhäusern, auf die § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II Bezug nimmt, zählen nicht nur die Krankenhäuser iS des §
107 Abs
1 SGB V, sondern wegen des unbeschränkten Klammerzusatzes "§
107 des
Fünften Buches" auch die dort in Abs 2 aufgeführten Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen (vgl BSG Urteil vom 2.12.2014 - B 14 AS 66/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 42 RdNr 14). Dem steht nicht entgegen, dass mit der DRV ein Rentenversicherungsträger und nicht eine
Krankenkasse als Leistungsträger nach dem
SGB V die Kosten der Drogentherapie des Klägers getragen hat. Denn die Bezugnahme in § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II auf §
107 SGB V dient allein der Übernahme der dort konstituierten Anforderungen an Krankenhäuser und Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen
für den Einrichtungsbegriff des § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II, nicht aber begrenzt sie den Anwendungsbereich des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II auf Leistungen, für die eine Krankenkasse Kostenträger ist (vgl BSG aaO RdNr 15).
c) Ob ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II wegen Krankenhausunterbringung besteht oder dieser aufgrund der Rückausnahme nach § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II deshalb nicht eingreift, weil die Unterbringung eine Krankenhausversorgung von voraussichtlich weniger als sechs Monaten
Dauer betrifft, beurteilt sich allein nach den Umständen bei der Aufnahme in das Krankenhaus (vgl zum Folgenden im Einzelnen
bereits BSG Urteil vom 2.12.2014 - B 14 AS 66/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 42 RdNr 16 ff): Maßgebend für den Leistungsausschluss kann grundsätzlich nur die Lage bei Beginn der
Unterbringung sein, ohne dass es auf ihre Dauer zunächst ankommt. Diese hat Bedeutung nur für die Rückausnahme, die ihrerseits
für die gesamte Dauer der Unterbringung nur einheitlich zu beurteilen sein kann. Demgemäß ist die zu treffende Prognoseentscheidung
über die Dauer der voraussichtlichen Krankenhausunterbringung allein am Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus auszurichten
und nur aus der Perspektive bei der Aufnahme in das Krankenhaus anzustellen. Nur bei einer Unterbringung von voraussichtlich
mindestens sechs Monaten Dauer soll der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II von Beginn an eingreifen und damit verbunden ggf ein Wechsel in das Leistungssystem des SGB XII stattfinden.
Ausgehend hiervon kommt entgegen der Auffassung des LSG eine Zusammenrechnung der voraussichtlichen Dauer seiner Krankenhausunterbringung
mit der vom Kläger vor seiner Aufnahme in die Fachklinik verbrachten Zeit seiner stationären Unterbringung in der Übergangseinrichtung
nicht in Betracht. Einer Rückausnahme vom Leistungsausschluss steht nicht bereits entgegen, dass die zusammengerechneten Zeiten
länger als sechs Monate sind. Eine "rückschauende" Prognose, in die Zeiten einer vorangegangenen Unterbringung einbezogen
werden, ist im Zeitpunkt der Aufnahme zur Krankenhausunterbringung in der Fachklinik nicht anzustellen.
Dagegen spricht nicht, dass in den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II im Zusammenhang mit der Gleichstellung von Krankenhäusern und Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation ausgeführt ist:
"Dabei ist zu beachten, dass die Aufenthalte in beiden Einrichtungen zu addieren sind. Das heißt, eine Person, die sich zunächst
im Krankenhaus und im Anschluss daran in einer medizinischen Rehabilitationseinrichtung aufhält, ist vom Leistungsbezug ausgeschlossen,
wenn der prognostizierte Aufenthaltszeitraum insgesamt sechs Monate übersteigt" (BT-Drucks 16/1410 S 20). Dies sind Fallgestaltungen,
in denen schon bei Aufnahme in das Krankenhaus ein an den Krankenhausaufenthalt unmittelbar anschließender Aufenthalt in einer
Rehabilitationseinrichtung zu prognostizieren ist und die so verbundenen Aufenthalte im Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus
voraussichtlich nicht weniger als sechs Monate dauern werden (vgl dazu Leopold in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 7 RdNr 244; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 7 RdNr 250, Stand Oktober 2015).
So liegt es hier indes schon tatsächlich nicht, weil zu Beginn des Aufenthalts des Klägers in der Übergangseinrichtung nicht
gewiss war, ob und ggf wann er künftig eine stationäre Drogentherapie beginnen werde. Insbesondere lag zu diesem Zeitpunkt
nach den Feststellungen des LSG weder eine strafgerichtliche Verurteilung mit Bewährungsauflage noch eine Bewilligungsentscheidung
der DRV vor.
d) Gleichwohl greift vorliegend der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II ein, denn die Voraussetzungen der Rückausnahme liegen in keinem denkbaren Fall vor: Ist der Kläger nach den Umständen im
Zeitpunkt seiner Aufnahme in die Fachklinik für einen absehbar längeren Zeitraum (voraussichtlich sechs Monate oder länger)
aufgenommen worden, wäre er schon deshalb von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Ist er für voraussichtlich weniger als sechs Monate aufgenommen worden, lägen die Voraussetzungen der Rückausnahme
nach § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II mit Rücksicht auf ihren Regelungszweck nicht vor (dazu 5.).
5. a) Die Rückausnahme des § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II zum Grundsatz des § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II will nach ihrem Regelungszweck zur klaren Abgrenzung der Existenzsicherungssysteme des SGB II und des SGB XII einen Wechsel aus dem Leistungssystem des SGB II in das des SGB XII bei einer nur absehbar kurzzeitigen Krankenhausunterbringung vermeiden (vgl BT-Drucks 16/1410 S 20; vgl auch bereits BSG Urteil vom 2.12.2014 - B 14 AS 66/13 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 42 RdNr 18). In den Blick zu nehmen ist deshalb bei der am Zeitpunkt der Aufnahme einer SGB II-Leistungen begehrenden Person in das Krankenhaus auszurichtenden Prognoseentscheidung auch, ob die betreffende Person sich
schon vor dieser Aufnahme im Leistungssystem des SGB XII befand, ob sich also die Frage der Vermeidung eines Wechsels zwischen den existenzsichernden Leistungssystemen überhaupt
stellt.
Vor diesem teleologischen Hintergrund liegen die Voraussetzungen der Rückausnahme dann nicht vor, wenn im Prognosezeitpunkt
zu Beginn einer Krankenhausunterbringung zwar absehbar ist, dass diese weniger als sechs Monate dauert, die untergebrachte,
SGB II-Leistungen begehrende Person aber bereits unmittelbar zuvor in einer anderen stationären Einrichtung untergebracht war und
während dieser Unterbringung keine existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II, sondern nach dem SGB XII bezogen hatte. In diesem Fall greift der Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II, weil sich die Frage der Vermeidung eines Wechsels zwischen dem SGB II und dem SGB XII nicht stellt (Rückausnahme zur Rückausnahme). Nur so wird, wie vom Gesetz beabsichtigt, ein ggf nur kurzzeitiger Wechsel
zwischen den Leistungssystemen vermieden.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Krankenhausunterbringung zu Beginn der vorangegangenen Unterbringung in einer anderen
stationären Einrichtung schon absehbar war. Eine "rückschauende" Prognose ist auch insoweit nicht anzustellen. Es genügt vielmehr,
dass beide Unterbringungen zeitlich nahtlos aneinander anschließen. Mit Blick auf die vorangegangene Unterbringung kommt es
zudem nicht darauf an, ob auch diese eine Krankenhausunterbringung war und ob sie in einem nicht nur zeitlichen, sondern auch
sachlichen Zusammenhang mit der Krankenhausunterbringung stand. Denn zur Vermeidung eines Systemwechsels bei aneinander anschließenden
Unterbringungen sind beide Unterbringungen in den Blick zu nehmen schon dann, wenn vor der Krankenhausunterbringung überhaupt
eine Unterbringung in einer stationären Einrichtung iS des § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II bestand. Entscheidend ist allein, ob während der vorangegangenen Unterbringung existenzsichernde Leistungen nach dem SGB XII bezogen wurden. Ob dieser Leistungsbezug mit Blick auf die Abgrenzung der Existenzsicherungssysteme des SGB II und des SGB XII rechtmäßig war, ist für die Entscheidung über das SGB II-Leistungsbegehren während der Krankenhausunterbringung ohne Belang. Da es um die Vermeidung eines Wechsels zwischen den Leistungssystemen
geht, genügt es, dass solche Leistungen nach dem SGB XII bezogen wurden.
b) So liegt der Fall hier. Aus den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb den Senat bindenden Feststellungen
des LSG (§
163 SGG) ergibt sich, dass der Kläger vor Aufnahme in die Fachklinik am 5.1.2010 während seines an die Entgiftungsbehandlung vom
29.4. bis 2.6.2009 anschließenden Aufenthalts in der Übergangseinrichtung vom 2.6.2009 bis 5.1.2010 dort in einer stationären
Einrichtung iS des § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II untergebracht war und während dieser Zeit existenzsichernde Leistungen nach dem SGB XII und nicht nach dem SGB II bezogen hatte. Die Rückausnahme nach § 7 Abs 4 Satz 3 Nr 1 SGB II käme deshalb nach ihrem Regelungszweck auch bei einer nur absehbar kurzzeitigen Krankenhausunterbringung nicht zur Anwendung,
weil sich die Frage der Vermeidung eines Wechsels aus dem Leistungssystem des SGB II nicht stellt, denn der Kläger bezog schon zuvor während seiner Unterbringung in der Übergangseinrichtung Leistungen nach
dem SGB XII.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 Abs
1 SGG.