Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung; Prüfung der Angemessenheit im Stadtgebiet Berlins
Gründe:
I
Die Klägerinnen begehren von dem Beklagten die Gewährung höherer Kosten für Unterkunft (KdU) und Heizung für die Zeit vom
1.4.2007 bis zum 31.3.2008.
Die 1965 geborene, alleinerziehende Klägerin zu 1 und ihre am 2005 geborene Tochter, die Klägerin zu 2, beziehen von dem beklagten
Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende seit dem 1.1.2005 (die Klägerin zu 2 seit ihrer Geburt) durchgehend Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnen eine 91 qm große Zweizimmerwohnung
in Berlin-Friedrichshain. Für diese Wohnung zahlte die Klägerin zu 1 im streitigen Zeitraum eine monatliche Gesamtmiete in
Höhe von 620 Euro.
Der Beklagte gewährte den Klägerinnen bis einschließlich März 2007 Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft
und Heizung in Höhe von 620 Euro. Mit Schreiben vom 8.6.2006 und ergänzend mit Bescheid vom 30.6.2006 teilte er den Klägerinnen
mit, die KdU seien nicht angemessen. Für Zweipersonenhaushalte gelte insoweit ein Richtwert für die Bruttowarmmiete von 444
Euro. Mit Schreiben vom 21.6.2006 und vom 2.3.2007 legte die Klägerin zu 1 dar, sie sei seit März 2006 wieder arbeitsuchend
und wolle im März 2007 wieder voll in den Beruf einsteigen. In ihrer Wohnumgebung habe sie ein Netzwerk an Bezugs- und Betreuungspersonen
für ihre Tochter aufgebaut, das ihr ermögliche, ihre bisherige berufliche Tätigkeit wieder aufzunehmen. Von einer Absenkung
der Mietkosten müsse daher abgesehen werden, da eine Kombination zweier atypischer Fälle vorliege.
Für die Zeit vom 1.4.2007 bis zum 30.9.2007 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 7.3.2007 monatliche Leistungen in Höhe
von 855 Euro und legte dabei KdU in Höhe von 444 Euro zugrunde. Widerspruch und Klage gerichtet auf die Übernahme der KdU
in Höhe von 620 Euro blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 12.7.2007; Gerichtsbescheid des Sozialgerichts [SG] Berlin
vom 3.4.2008).
Für die Zeit vom 1.10.2007 bis zum 31.3.2008 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 12.9.2007 monatliche Leistungen in Höhe
von 859 Euro und legte dabei weiterhin Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 444 Euro zugrunde. Widerspruch und Klage
hiergegen blieben ebenfalls ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 29.11.2007; Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 23.4.2008).
Das gegen beide Entscheidungen angerufene Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat die Berufungen zur gemeinsamen
Verhandlung und Entscheidung verbunden und mit Urteil vom 31.3.2009 zurückgewiesen. Für die Klägerin zu 1, die im streitigen
Zeitraum Berechtigte im Sinne des § 7 Abs 1 SGB II (in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur
optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004, BGBl I 2014) gewesen sei und ihre
Tochter, die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebe und deshalb nach § 7 Abs 2 Satz 1 SGB II Leistungsberechtigte sei, ergäben
sich Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem Beklagten bewilligt nach Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten nach
der sog Produkttheorie nicht.
Hinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte
Wohnraumgröße zugrunde zu legen. Nach Maßgabe der in Berlin geltenden Regelungen sei eine Wohnungsgröße von bis zu 60 qm für
die Klägerinnen angemessen. Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließe, die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und
Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür
seien die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte
für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten zugrunde zu legen. Für eine Wohnfläche von sechzig und mehr
Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine Nettokaltmiete von gerundet 4,55 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen Mittelwerten
geteilt durch 11), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von insgesamt 273 Euro. Zu der Nettokaltmiete seien die
angemessenen kalten Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom Deutschen
Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2007" veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de) zu bestimmen, die sich
auf 1,75 Euro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben) monatlich beliefen. Zuzüglich einer angemessenen Bruttokaltmiete
von insgesamt 378 Euro seien Heizkosten in Höhe von 0,85 Euro pro qm (ebenfalls unter Rückgriff auf den Betriebskostenspiegel
2007) als angemessen anzusehen, sodass sich bei einer Wohnungsgröße von 60 qm eine angemessene monatliche Bruttowarmmiete
in Höhe von insgesamt 429 Euro (378 Euro + 51 Euro) ergebe.
Es sei davon auszugehen, dass eine konkrete Unterkunftsalternative zu dem von dem Beklagten zugrunde gelegten Mietzins tatsächlich
anmietbar sei. Die von den Klägerinnen vorgetragenen Gründe seien nicht geeignet, im Einzelfall einen höheren Mietzins als
angemessen anzusehen. Die Betreuungssituation der Klägerin zu 2 könne auch bei Umzug in eine preisgünstigere Wohnung im Grundsatz
aufrechterhalten werden. Solche Wohnungen seien nach den Recherchen des Senats im Internet im selben Bezirk wenige Straßen
weiter und auch im nahegelegenen Berlin-Neukölln verfügbar. Die vorgetragene mindestens halbstündige Betreuung durch weitere
Hausbewohner verbessere die Betreuungssituation nicht so maßgeblich, dass hierauf Rücksicht genommen werden müsse. Es sei
auch nicht dargetan, weshalb die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Klägerin zu 1 nur in der jetzt bewohnten
Wohnung stattfinden könne. Versuche der Klägerinnen, eine preisgünstigere Wohnung anzumieten (etwa über eine Wohnungsbaugenossenschaft),
seien schließlich nicht erkennbar geworden; es sei aber nicht Aufgabe des Beklagten oder des LSG, den Klägerinnen entsprechende
Wohnmöglichkeiten nachzuweisen.
Hiergegen richten sich die Klägerinnen mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügen eine Verletzung des § 22 Abs 1
SGB II. Das LSG habe den räumlichen Vergleichsraum unzutreffend bestimmt. Maßgeblich sei der bewohnte Bezirk (hier Friedrichshain-Kreuzberg),
denn die Bezirke unterschieden sich in ihren Lebensverhältnissen und dabei insbesondere im Mietniveau erheblich. Der Mietspiegel
sei damit kein geeigneter Ausgangspunkt für die Bestimmung der Referenzmiete, denn es werde nicht ersichtlich, welche Miethöhe
für einfache Wohnungen im Bezirk anzusetzen seien. Für den maßgeblichen Vergleichsraum Friedrichshain-Kreuzberg ergebe sich
für einfache Wohnlagen eine durchschnittliche Nettokaltmiete in Höhe von 5,90 Euro bzw 6,20 Euro pro Quadratmeter, wie sich
aus Quellen eines weltweit tätigen Finanz-, Dienstleistungs- und Beratungsunternehmens im Immobilienbereich ergebe. Zuzüglich
der vom LSG zugrunde gelegten kalten und warmen Betriebskosten ergebe sich ein Bruttowarm-Quadratmeterpreis von 8,50 Euro
bzw 8,80 Euro und damit eine angemessene Vergleichsmiete von 510 Euro monatlich für das Jahr 2007 und 528 Euro monatlich für
das Jahr 2008.
Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 31. März 2009, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom
3. April 2008 und den Bescheid des Beklagten vom 7. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2007 sowie
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 23. April 2008 und den Bescheid des Beklagten vom 12. September 2007 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägerinnen für den
Zeitraum 1. April 2007 bis 31. Dezember 2007 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 510 Euro monatlich sowie für den
Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. März 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 528 Euro monatlich zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er ist der Revision entgegengetreten und hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerinnen ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG
begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob sie höhere Leistungen
für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen können, als sie der Beklagte bewilligt hat.
1. Streitgegenstand sind allein Ansprüche der Klägerinnen auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von
April 2007 bis März 2008. Die Klägerinnen haben den Streitstoff in der Sache schon mit Klageerhebung auf die Kosten der Unterkunft
und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18). Nach zulässiger Verbindung der beiden Verfahren durch das Berufungsgericht (vgl
§
113 Abs
1 SGG) ist vorliegend der Zeitraum vom 1.4.2007 bis zum 31.3.2008 zu überprüfen. Dabei sind Gegenstand des Verfahrens der Bescheid
des Beklagten vom 7.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2007 sowie der Bescheid vom 12.9.2007 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2007.
2. Die Klägerin zu 1 gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil sie das 15. Lebensjahr vollendet und das 65.
Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik
Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Sie lebt mit ihrer minderjährigen, nicht erwerbsfähigen Tochter, der Klägerin zu
2, in einer Bedarfsgemeinschaft (§ 7 Abs 3 SGB II), sodass der Klägerin zu 2 Ansprüche auf Sozialgeld (§ 7 Abs 2 iVm § 28
SGB II) zustehen. Neben der Regelleistung (ggf unter Einschluss eines Mehrbedarfs wegen Alleinerziehung) haben die Klägerinnen
damit Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung.
3. KdU werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II).
Welche Aufwendungen für die Unterkunft vorliegend tatsächlich angefallen sind, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht
abschließend entnehmen, denn das LSG hat die Gesamtaufwendungen für Unterkunft nicht von denen der Heizung getrennt ausgewiesen.
Das LSG wird dies nach Zurückverweisung des Rechtsstreits im Einzelnen nachzuholen und die Prüfung der Unterkunftskosten getrennt
von den Kosten der Heizung durchzuführen haben (vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23).
4. Die Angemessenheit von KdU ist unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren:
Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung
dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab
sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten
auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt
als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten
zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene
Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder die Beklagte noch das LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.
a) Zutreffend hat das LSG eine Wohnungsgröße von 60 qm als angemessen für einen Zweipersonenhaushalt zugrunde gelegt. Bei
der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau
abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) iVm §
5 Wohnungsbindungsgesetz (
WoBindG) in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (nF) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen
Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG (als Nachfolgeregelung zu §
5 Abs
2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu §
5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der
maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der
Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an Einzelpersonen
Wohnraum bis zu 50 qm und an Zwei-Personen-Haushalte Wohnraum von bis zu 60 qm überlassen werden (vgl bereits BSG Urteil vom
19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 22 mwN).
b) Zutreffend hat das LSG ferner bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet
von Berlin herangezogen (vgl BSG aaO RdNr 24). Auch ein Arbeitnehmer mit vergleichbar geringem Einkommen wird eine Ersatzwohnung
innerhalb des gesamten Stadtgebiets für den Fall suchen, dass er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln eine innegehabte
Wohnung nicht (mehr) finanzieren kann. Den besonderen Belangen und der konkreten Situation des jeweiligen Hilfebedürftigen
(zB von Alleinerziehenden oder von Familien mit minderjährigen schulpflichtigen Kindern) ist nicht bereits bei der (abstrakt-generell
vorzunehmenden) Festlegung der Vergleichsräume, sondern erst im Rahmen der Zumutbarkeitsregelung des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB
II Rechnung zu tragen (vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 23, dazu unter 6.).
c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard
widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender
Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zugrunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment
liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen
und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin
so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten.
Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts
zu ermitteln (vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - FEVS 60, 145).
aa) Wie der Senat bereits dargelegt hat und wovon auch das LSG ausgegangen ist, sind die Ausführungsvorschriften zur Ermittlung
angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des
Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften
vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen), zur Entscheidung über die Angemessenheit von Unterkunftskosten
ungeeignet (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 26).
bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete auf Grundlage des
Berliner Mietspiegels 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) bestimmt. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d Bürgerlichen
Gesetzbuches ([BGB] wie der Berliner Mietspiegel) können Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs 1 SGB II
sein (vgl im Einzelnen für den Berliner Mietspiegel BSG aaO RdNr 27 mwN). Wenn der Träger der Grundsicherung - wie in Berlin
- keine Daten und/oder Auswertungen vorlegt, muss das Gericht auf solche bereits vorhandene Datengrundlagen (soweit sie geeignet
erscheinen) bei der Bestimmung eines angemessenen Referenzwertes zurückgreifen, bevor es seine Amtsermittlungspflicht auf
die Feststellung der "Obergrenze" nach den Tabellenwerten des § 8 Wohngeldgesetz aF (jetzt § 12; ggf erhöht um einen Zuschlag) reduziert (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 23 [Essen]).
Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung
auf Daten bestimmter Baualtersklassen grundsätzlich nicht zulässig (vgl bereits BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25 [München]). Dies gilt - wie der Senat ebenfalls bereits dargelegt hat (BSG Urteil vom 19.10.2010
- B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 29) - allerdings nicht für die im Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 noch gesondert
abgebildeten Baualtersklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung
und/oder ohne [Dusch-]Bad), unabhängig davon, mit welcher Häufigkeit solche Wohnungen noch verfügbar sind. Zur Bildung eines
grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad
können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden.
cc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Baualtersklassen als abschließenden
Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokaltvergleichsmiete, wie ihn das LSG vorgenommen hat, erfüllt
die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht.
Zum einen ist nicht nachvollziehbar, weshalb das LSG den aus seiner Sicht relevanten Mittelwert aus den Werten der Wohnungen
mit einer Wohnungsgröße 60 qm und größer gebildet hat, wenn es selbst (zutreffend) davon ausgeht, dass 60 qm die Obergrenze
für das in Bezug zu nehmende Segment darstellen. Eine Differenzierung nach Wohnungsgrößen ist bei Rückgriff auf einen qualifizierten
Mietspiegel deshalb geboten, weil nach den Besonderheiten des jeweils maßgebenden örtlichen Wohnungsmarktes, insbesondere
aus Gründen der Bevölkerungs- und Sozialstruktur und wegen städtebaulicher Entwicklungen sowohl das Angebot als auch die Nachfrage
hinsichtlich kleinerer und größerer Wohnungen erheblich differieren können. Insbesondere kleinere Wohnungen weisen oftmals
einen höheren Quadratmeterpreis auf (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 18). Es sind dann aber Rückschlüsse aus den Werten
des Mietspiegels zu ziehen, die die Wohnungsgrößen abbilden, in denen ggf eine Ersatzwohnung in erster Linie zu suchen ist.
Das ist im vorliegenden Falle das Marktsegment der Wohnungen von 40 bis unter 60 qm. Die Wohnungen, die exakt 60 qm groß sind,
werden davon statistisch zwar nicht erfasst. Diese Ungenauigkeit ist aber hinzunehmen, wenn diese Wohnungen für eine abstrakt
angemessene Vergleichswohnung die Obergrenze bilden und sämtliche übrigen Wohnungen bis unter 90 qm wegen ihrer Größe nicht
das maßgebliche Marktsegment darstellen.
Die Bildung eines arithmetischen Mittelwertes bietet zum anderen bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel
wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines
Mietpreises im einfachen Segment abbildet (im Einzelnen bereits BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 30). Weil die Werte der einzelnen Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung
der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit
belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den
übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment
realistisch abgebildet wird.
Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten
Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen (zur grundsätzlichen
Eignung der Grundlagendaten für diese Prüfung bereits BSG aaO RdNr 31). Für solche notwendig erscheinenden Auswertungen ist
in erster Linie der kommunale Träger im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 §
22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als
Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin mit der AV-Wohnen der Fall ist.
Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben,
dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich
den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen
ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten
arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Baualtersklassen
zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin
Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse
entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei
erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder
zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren
Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl
die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in
sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich
auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.
d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des §
556 Abs
1 und
2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufstellung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen
([BetrKV] vom 25.11.2003, BGBl I 2346) - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt
mit einzubeziehen sind. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus
Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich
daraus ergebenden Durchschnittswerte (vgl im Einzelnen BSG aaO RdNr 33 f). Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben,
dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden,
kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe sind bislang nicht ersichtlich.
5. Das LSG wird abschließend die Heizkosten getrennt von den Unterkunftskosten zu bestimmen haben (dazu nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23). Anhaltspunkte dafür, dass die tatsächlich gezahlten Kosten sich danach als unangemessen erweisen,
ergeben sich bislang nicht.
6. Sollten sich die Aufwendungen der Klägerinnen für Unterkunft und Heizung als unangemessen erweisen, könnten ihnen höhere
Leistungen allenfalls nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zustehen. Soweit danach die Aufwendungen für die Unterkunft den die Besonderheiten
des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft
so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht
zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder in sonstiger Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel
jedoch längstens für sechs Monate. Bislang ist allerdings nicht erkennbar, dass das LSG diese Prüfung auf Grundlage der hierzu
ergangenen Rechtsprechung rechtsfehlerhaft vorgenommen hat. Alleinerziehung (insbesondere von schulpflichtigen Kindern) kann
zwar zu einer eingeschränkten Zumutbarkeit eines Wohnungswechsels führen (vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 35), wovon auch das LSG ausgegangen ist. Die tatrichterliche Würdigung, dass ein Wechsel der
unmittelbaren Betreuungspersonen (insbesondere der Tagesmutter) bei einem Umzug in eine günstigere (und dabei in erster Linie
kleinere) Wohnung in der Umgebung nicht notwendig gewesen wäre, ist von den Klägerinnen im Revisionsverfahren nicht mehr angegriffen
worden. Sie haben bislang nichts vorgetragen, was gegen die Annahme des LSG sprechen könnte, dass ein Umzug in entferntere
Ortsteile nicht erforderlich ist, um eine kostenangemessene Wohnung anzumieten. Ein Umzug über nahegelegene Bezirksgrenzen
hinweg ist für sich genommen jedenfalls kein Grund für dessen Unzumutbarkeit; auch das nähere soziale Umfeld geht damit nicht
notwendigerweise verloren.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.