Gründe:
I
Die Klägerin begehrt höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 700,51 Euro.
Die Klägerin steht im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie bewohnt eine
Wohnung, für die sie zuletzt 445 Euro Miete zuzüglich einer Betriebskosten- und Warmwasserpauschale zu zahlen hatte. Der Beklagte
wies die Klägerin mehrfach darauf hin, dass ihre Miete die Richtwerte nach den Berliner Ausführungsvorschriften zur Ermittlung
angemessener Kosten der Unterkunft übersteige. Gleichwohl bewilligte er der Klägerin im gesamten Jahr 2007 bis einschließlich
April 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe.
Unter dem 29.12.2008 erhielt die Klägerin für ihre Mietwohnung die Betriebs- und Heizkostenabrechnung für den Zeitraum 1.1.
bis 31.12.2007 in Höhe von 700,51 Euro. Am 5.1.2009 beantragte sie die Übernahme dieser Kosten. Dies lehnte der Beklagte mit
Bescheid vom 19.2.2009 ab, weil die tatsächlichen Kosten letztmalig bis zum 30.4.2008 übernommen worden seien. Den Widerspruch
der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7.4.2009 zurück.
Das SG hat den Beklagten unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Betriebskostennachforderung in Höhe von 700,51
Euro zu übernehmen (Urteil vom 12.6.2009). Das LSG hat die Berufung des Beklagten mit Beschluss vom 28.12.2009 zurückgewiesen
und ausgeführt: Das Nachzahlungsverlangen gehöre zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat. Es sei § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II
anzuwenden. Das BSG habe entschieden, dass diese Regelung auch für Heizkosten gelte. Akzeptiere die Behörde die Kosten der
Unterkunft als angemessen, könne der Leistungsberechtigte davon ausgehen, dass die Kosten der Unterkunft in vollem Umfang
übernommen würden. Maßgeblich sei, ob der Betroffene die Aufwendungen senken könne. Rückwirkend bereits entstandene Verpflichtungen
und bereits erfolgter Verbrauch könne nicht mehr gesenkt werden. Ob die Miete und die Heizkosten tatsächlich unangemessen
seien, brauche nicht entschieden zu werden.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 22 SGB II. Er trägt vor, die Klägerin habe
nicht auf die Leistung vertrauen dürfen, weil sie seit Mitte 2006 die positive Kenntnis davon gehabt habe, dass ihre Wohnung
als unangemessen eingestuft worden sei. Der Auffassung, dass die Verwaltungsvorschriften AV-Wohnen hier keine Anwendung fänden,
weil es sich um Betriebs- und Heizkosten handele, könne nicht gefolgt werden. Auch die Begründung, wonach der Leistungsberechtigte
auf die Angemessenheit der Betriebskosten vertrauen könne, wenn die Unterkunftskosten als angemessen akzeptiert worden seien,
treffe nicht zu. Der Beklagte habe lediglich die Kosten vorläufig übernommen und die Übergangsfrist wegen eines Härtefalls
entsprechend den Regelungen der damaligen AV-Wohnen verlängert. Zwar habe die Klägerin nachträglich auf die bereits entstandene
Verpflichtung keinen senkenden Einfluss mehr nehmen können. Hierauf könne sie sich jedoch nicht berufen, weil die Grundannahme
des Beklagten, die Wohnung sei unangemessen, von ihm stets aufrechterhalten worden sei.
Der Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 28. Dezember 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom
12. Juni 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
II
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat zu Recht die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin hat
gegen den Beklagten einen Anspruch auf Übernahme der Betriebskostennachzahlung.
1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß §
70 Nr 1
SGG beteiligtenfähig (vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua - B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten
Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation
des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen
zu berichtigen.
Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB
II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art
91e Abs
1 und
3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt (BSG Urteile vom 18.1.2011, ua - B 4 AS 99/10 R).
2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein der Bescheid vom 19.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.4.2009,
mit dem der Beklagte die Übernahme der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2007 in Höhe von 700,51 Euro abgelehnt hat. Die
Klägerin verfolgt ihr Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§
54 Abs
1 und 4
SGG iVm §
56 SGG).
3. Die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids misst sich an §
40 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGB II iVm §
330 Abs
3 Satz 1
SGB III und § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, weil der Beklagte bei der Leistungsbewilligung mit dem Bescheid vom 31.10.2008 für den Zeitraum vom 1.11.2008 bis 30.4.2009
Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 353,37 Euro monatlich bewilligt hatte und die Betriebskostenabrechnung zeitlich
in diesen Bewilligungsabschnitt fällt. Mit ihren in den Vorinstanzen gestellten Anträgen auf Übernahme der Betriebskostenerstattung
hat die Klägerin den Streitstoff ausdrücklich auf höhere Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkt (zur Zulässigkeit einer
derartigen Beschränkung siehe nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 18). Der Höhe nach ist die Überprüfung im Revisionsverfahren auf weitere Kosten
für Unterkunft und Heizung in Höhe von 700,51 Euro begrenzt, weil nur der Beklagte gegen den zusprechenden Beschluss Berufung
eingelegt hat.
4. Ob der Klägerin die Betriebskostennachforderung zusteht, richtet sich nach § 48 Abs 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, hier der Bewilligungsbescheid betreffend den Zeitraum 1.11.2008 bis 30.4.2009 vom 31.10.2008,
mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass
vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Hierzu ist der Anspruch auf Kosten der Unterkunft
und Heizung dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl nur BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38). Es ergeben sich jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, dass die "gedeckelten" Unterkunftskosten
der Klägerin, die die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm § 19 Satz 1, § 22 SGB II erfüllt, zu hoch festgesetzt worden
sein könnten.
Mit der Geltendmachung der Betriebskostennachforderung durch den Vermieter ist eine rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen
Verhältnisse eingetreten. § 22 Abs 1 SGB II erfasst nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung
(BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - BSGE 102, 194 ff = SozR 4-4200 § 22 Nr 16, jeweils RdNr 26). Soweit eine Nachforderung in einer Summe fällig wird, ist sie als tatsächlicher,
aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (BSG Urteil
vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 36). Nachzahlungen gehören demzufolge zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (vgl nur BSG
Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 13).
Eine wesentliche Änderung iS von § 48 Abs 1 SGB X kann nicht mit der Argumentation verneint werden, die Klägerin habe im Januar 2009 keine höheren Leistungen für Unterkunft
und Heizung beanspruchen können, weil ihr seit Mai 2008 lediglich noch Leistungen in abgesenkter Höhe gewährt worden seien.
Hierbei kann der Senat dahinstehen lassen, ob die Annahme des Beklagten zutrifft, die Unterkunftskosten seien (von vornherein)
unangemessen gewesen. Denn aus der Zuordnung des Bedarfs zum Bewilligungszeitraum der Fälligkeit der Nachforderung folgt nicht,
dass auch die Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizkosten nach den Verhältnissen im Fälligkeitsmonat zu beurteilen ist.
Klarzustellen ist vielmehr, dass die Fälligkeit der Betriebskostennachforderung im Januar 2009 nicht dazu führt, diesen Bedarf
auch materiell diesem Monat zuzuordnen. Vielmehr beurteilt sich die Rechtslage nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen
des Zeitraums, dem die fragliche Forderung nach ihrer Entstehung im tatsächlichen Sinne zuzuordnen ist. Für eine derartige
Auslegung spricht schon die Überlegung, dass der Leistungsberechtigte allein in diesem Zeitraum die Unterkunfts- und Heizungskosten
im Sinne seiner Obliegenheit zur Kostensenkung beeinflussen konnte. Nur eine derartige Auslegung des § 22 Abs 1 Satz 1 und
3 SGB II wird ferner der den Vorschriften innewohnenden Schutzfunktion gerecht. Der Anspruch beurteilt sich deshalb dem Grunde
und der Höhe nach ausschließlich nach den Verhältnissen des Jahres 2007.
Unerheblich ist demgegenüber, dass der Beklagte bereits für den fraglichen Zeitraum durch mehrere Kostensenkungsaufforderungen
deutlich gemacht hatte, dass er die Unterkunftskosten für unangemessen hoch hielt. Bis zur Umsetzung der Kostensenkung ab
Mai 2008 stand der Klägerin zumindest ein Anspruch nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II zu. Dieser umfasste auch die fragliche Betriebskostennachzahlung.
Insoweit hat das BSG bereits ausdrücklich entschieden, dass der Anwendungsbereich des § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II sich auch auf
die tatsächlichen Heizkosten erstreckt (BSG Urteil vom 19.9.2008 - B 14 AS 54/07 R - RdNr 21 f). Dies ist zwischenzeitlich auch vom Gesetzgeber klargestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
193 SGG.