Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung; Ermittlung der Angemessenheit der Wohnungsgröße
über ein schlüssiges Konzept
Gründe:
I
Streitig ist die Höhe der Kosten für Unterkunft (KdU) und Heizung im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006.
Die verheirateten Kläger leben seit 24 Jahren in der Gemeinde G (ca 11 000 Einwohner) im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald.
G grenzt direkt an das Stadtgebiet der Stadt Freiburg im Breisgau (ca 220 000 Einwohner), die den Stadtkreis Freiburg bildet.
Die Kläger bewohnen seit 2004 eine knapp 80 qm große, ihrem Sohn gehörende Drei-Zimmer-Wohnung, für die sie eine monatliche
Kaltmiete in Höhe von 572 Euro entrichten. Der Beklagte bewilligte seit Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts
nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen KdU und Heizung (Bescheid vom 27.11.2004), wies die Kläger aber gleichzeitig darauf
hin, dass die Wohnung unangemessen teuer sei und die tatsächlichen Unterkunftskosten nur für eine Übergangszeit von längstens
sechs Monaten übernommen werden könnten. Ab 1.7.2005 könne nur noch ein Betrag in Höhe von 306,60 Euro entsprechend einem
Mietpreis von 5,11 Euro/qm für eine 60 qm große Wohnung in einem Zweipersonenhaushalt als Kaltmiete anerkannt werden. Einen
erneuten Hinweis auf die für angemessen erachtete Miete sowie zur Senkung der Unterkunftskosten enthielt der Bescheid des
Beklagten vom 29.4.2005, mit dem Leistungen für die Zeit vom 1.6.2005 bis 30.11.2005 bewilligt wurden. Der Antrag der Kläger
auf Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006, mit dem
der Beklagte für den Bewilligungszeitraum vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro monatlich zuzüglich
Nebenkosten bewilligte, war ohne Erfolg (Bescheid vom 3.7.2006; Widerspruchsbescheid vom 27.7.2006). Für den weiteren Bewilligungszeitraum
vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 erkannte der Beklagte gleichfalls nur noch KdU in Höhe von 306,60 Euro an (Bescheid vom 24.5.2006;
Widerspruchsbescheid vom 3.7.2006).
Das SG hat den Beklagten unter Änderung der Bewilligungsbescheide und Aufhebung des Bescheids vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 27.7.2006 verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 unter Berücksichtigung einer Kaltmiete in Höhe von 572 Euro monatlich zu gewähren
(Urteil vom 18.7.2008). Ihnen sei es nicht möglich gewesen, die Wohnkosten auf das tatsächlich angemessene Maß zu senken,
weil sie von dem Beklagten nicht zutreffend belehrt worden seien.
Das LSG hat den Beklagten unter Abänderung des Urteils des SG verurteilt, den Klägern im Zeitraum vom 1.12.2005 bis 30.11.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Zugrundelegung von Unterkunftskosten einschließlich kalter Nebenkosten in Höhe von monatlich 446,25 Euro zu gewähren,
im Übrigen die Klage abgewiesen sowie die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Eine wirksame Kostensenkungsaufforderung
liege vor. Der Beklagte habe in dem vorliegend streitigen Zeitraum aber kein schlüssiges Konzept für die Ermittlung der angemessenen
KdU und Heizung. Der von ihm angenommene Quadratmeterpreis beruhe auf Erfahrungen, Bestätigung durch die sozialhilferechtliche
Rechtsprechung zum BSHG, Beobachtung des Wohnungsmarktes und der Berücksichtigung des Freiburger Mietspiegels. Für den Vergleichsraum existiere kein
Mietspiegel. Für den streitigen Zeitraum von 12/2005 bis 11/2006 könne der Beklagte - auch unter Mithilfe des Gerichts - ein
schlüssiges Konzept nicht mehr erarbeiten oder ein bisheriges Konzept durch Verfeinerung bzw Ergänzung der Datenerhebung verändern.
Auch das Gericht könne unter Einsatz der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen und -mittel im Rahmen der Amtsermittlung,
insbesondere auch Einholung eines Sachverständigengutachtens, für die inzwischen vier bzw fünf Jahre zurückliegenden Zeiträume
weder ein schlüssiges Konzept noch eine entsprechende Datengrundlage ermitteln. Es seien daher grundsätzlich die tatsächlichen
Aufwendungen der Kläger, "nach oben" begrenzt durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (Höchstbetrag der Tabelle), maßgebend, die um einen - hier angemessenen fünfprozentigen - "Sicherheitszuschlag" zu erhöhen
seien. Für die Höhe des Zuschlags sei maßgeblich, dass der Ort G einerseits zu einem eher ländlich geprägten Vergleichsraum
im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gehöre und andererseits die bestehende räumliche und infrastrukturelle Verbindung zur
Großstadt Freiburg aufweise. Ein Vergleich mit dem Mietspiegel der Stadt Freiburg ergebe, dass der Zuschlag angemessen sei.
Soweit die Aufwendungen der Kläger den angemessenen Mietpreis von 446,25 Euro überstiegen, handele es sich um unangemessene
Kosten, die grundsätzlich nicht mehr übernommen würden. Der Senat habe den von den Klägern im Schriftsatz vom 21.6.2010 sowie
in der mündlichen Verhandlung vom 22.6.2010 gestellten Beweisanträgen nicht nachgehen müssen, weil diese unzulässig seien.
Mit ihren Revisionen machen die Kläger eine Verletzung von § 22 SGB II, §§
103,
128 SGG geltend. Der Beklagte habe im streitigen Zeitraum die tatsächliche Nettokaltmiete in Höhe von monatlich 572 Euro zu übernehmen.
Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Beklagten festgesetzte Angemessenheitsgrenze fehlerhaft
sei. Dies führe zur Unwirksamkeit der Kostensenkungsaufforderung, weil dieser Wert auch dort genannt werde mit der Folge,
dass die tatsächlichen Kosten zu übernehmen seien. Wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis komme, dass die fehlerhaft bezifferte
Angemessenheitsgrenze "nicht ursächlich" dafür sei, dass sie keine angemessene Wohnung gefunden hätten, weil sie gar nicht
versucht hätten, eine andere Wohnung zu finden oder die Kosten zu senken, sei dies schlicht falsch. Sie hätten sich - wie
ihre Dokumentation belege - umfangreich um eine günstigere Wohnung bemüht. Das LSG habe es versäumt, sachgerechte Ermittlungen
zur Situation auf dem einschlägigen Wohnungsmarkt im streitigen Zeitraum anzustellen, obwohl umfangreiches Datenmaterial zur
Verfügung gestanden habe (Hinweis auf Gutachten zum Mietspiegel 2007 der Stadt Freiburg i.Br., Gemeinderatsdrucksache G-09/024,
Untersuchung des Amtes für Statistik der Stadt Freiburg i.Br. aus 2004, Untersuchung des "Runden Tisches" der Stadt Freiburg
i.Br. aus 2006 und Studie des Immobilienverbandes Deutschland [IVD] von 2008). Ein Rückgriff auf § 8 WoGG sei deshalb unzulässig. Bei Auswertung der Erkenntnisquellen hätte das Berufungsgericht festgestellt, dass die tatsächlichen
KdU angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II gewesen seien.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Juni 2010 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das
Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Juli 2008 zurückzuweisen.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen des LSG im Wesentlichen für zutreffend. Die Stadt Freiburg i.Br. sei als Referenz- und Vergleichsmaßstab
für den Flächenlandkreis Breisgau-Hochschwarzwald nicht tauglich.
II
Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet
(§
170 Abs
2 S 2
SGG).
1. Gegenstand des Verfahrens ist zunächst der Bescheid vom 3.7.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.7.2006,
mit dem der Beklagte den Überprüfungsantrag der Kläger in Bezug auf den Bewilligungsbescheid vom 11.11.2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 11.1.2006 betreffend die KdU und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 abgelehnt
hat. Weiterer Verfahrensgegenstand ist der Bewilligungsbescheid vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
3.7.2006, wobei auch hier nur höhere Leistungen der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 im Streit
sind. Bei den Leistungen der Unterkunft und Heizung handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass
eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (vgl nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f; vgl zur Nichtberücksichtigung der Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 [BGBl I 453] zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte:
BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11).
2. Ob die Kläger einen Anspruch auf (teilweise) Rücknahme des Bewilligungsbescheids vom 11.11.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 11.1.2006 nach § 40 Abs 1 S 1 SGB II iVm § 44 SGB X und damit verbundenen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 sowie für die
Zeit vom 1.6.2006 bis 30.11.2006 in Abänderung des Bescheides vom 24.5.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.7.2006
haben, lässt sich aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Zwar sind die Kläger Berechtigte iS
des § 7 Abs 1 SGB II (idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014), weil dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen des LSG zu
entnehmen ist, dass sie im streitigen Zeitraum das 15. Lebensjahr, nicht jedoch das 65. Lebensjahr vollendet haben (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II), erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II) und hilfebedürftig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II) waren und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatten (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Es fehlen jedoch Feststellungen sowohl zu den KdU als auch zu den Heizkosten.
Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind
(vgl § 22 Abs 1 S 1 SGB II). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle.
Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der
maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und
Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt,
dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 [Essen], RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R [Duisburg], RdNr 14, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).
Zwar reichen die Feststellungen des LSG zur angemessenen Wohnfläche (3) sowie zum Fehlen eines tragfähigen schlüssigen Konzepts
des Beklagten (4) aus, nicht jedoch diejenigen zum Erkenntnisausfall zur Höhe der angemessenen Unterkunftskosten (5). Das
LSG ist aber zutreffend davon ausgegangen, dass die Kostensenkungsaufforderungen des Beklagten nicht bereits zur Übernahme
der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit der Kostensenkung führen (6). Sollte das LSG - nach weiterer Prüfung - auf die Tabellenwerte
nach § 8 WoGG zurückgreifen, ist die Höhe des vom LSG zu den Tabellenwerten erhobenen Zuschlags zu korrigieren (7).
3. Das LSG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass als angemessene Wohnungsgröße eine Wohnfläche von 60 qm zu berücksichtigen
ist. Das Land Baden-Württemberg hat keine gesetzlichen Ausführungsvorschriften erlassen, jedoch ist nach der Verwaltungsvorschrift
des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung vom 12.2.2002
(GABl S 240, idF vom 22.1.2004, GABl S 248) für Zweipersonenhaushalte von einer Wohnfläche von 60 qm auszugehen. An diese
Regelung für die Belegung von gefördertem Wohnraum ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen.
4. Nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (vgl §
163 SGG) lag dem von dem Beklagten im streitigen Zeitraum im Vergleichsraum als angemessen erachteten Quadratmeterpreis kein schlüssiges
Konzept zugrunde, das den Anforderungen der Rechtsprechung des BSG gerecht wird (vgl nur BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 18 ff). Die weitere Feststellung des LSG, dass sich für den streitigen Zeitraum eine entsprechende Datengrundlage
zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete nicht mehr ermitteln lässt und insofern ein Erkenntnisausfall vorliegt, reicht
für eine Überprüfung durch den Senat aber nicht aus.
5. Zwar hat der erkennende Senat für den Fall des Ausfalls von lokalen Erkenntnismöglichkeiten aufgrund von fehlenden Ermittlungen
des Grundsicherungsträgers eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte für zulässig erachtet und ausdrücklich
betont, dass es im Wesentlichen Sache der Grundsicherungsträger sei, für ihren Zuständigkeitsbereich ein schlüssiges Konzept
zu ermitteln (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 [Essen], RdNr 23; BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30 [Wilhelmshaven], RdNr 26; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R [Duisburg], RdNr 21). Insbesondere für weit zurückliegende Zeiträume (vgl zum Fehlen von Ermittlungsmöglichkeiten etwa
durch Zeitablauf BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 27) brauchen deshalb nicht unverhältnismäßig aufwändige Ermittlungen durchgeführt zu werden.
Dies entbindet jedoch nicht von nachvollziehbaren Darlegungen dazu, warum ein schlüssiges Konzept auf der Grundlage der vorhandenen
Erkenntnisse und Daten nicht entwickelt werden kann. Auch bei der Annahme eines Fehlens von Erkenntnismöglichkeiten und -mitteln
nach Würdigung der Tatsacheninstanzen muss erkennbar sein, dass das Gericht bei dieser Feststellung die generellen rechtlichen
Anforderungen für die Erstellung eines schlüssigen Konzepts berücksichtigt hat.
Hieran fehlt es vorliegend. Zwar können die Feststellungen des LSG, dass ein Mietspiegel und weitere Erkenntnismöglichkeiten
und -mittel nicht vorhanden seien, insbesondere - hier - auch ein Sachverständigengutachten für die inzwischen mehrere Jahre
zurückliegenden Zeiträume nicht mehr eingeholt werden könne, einen Rückgriff auf die Tabellenwerte des WoGG rechtfertigen. Den Ausführungen des LSG kann jedoch nicht zweifelsfrei entnommen werden, auf welchen Vergleichsraum sich
diese Feststellungen beziehen, inwieweit es im streitigen Zeitraum - also den Jahren 2005 und 2006 - konkret an einer hinreichenden
Datengrundlage fehlt und hierauf aufbauend, warum hierdurch wiederum die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts für die hier
denkbaren Vergleichsräume ausscheidet. Obgleich hierzu im sozialgerichtlichen Verfahren von den Beteiligten unterschiedliche
Auffassungen vertreten worden sind, hat das LSG im Ergebnis offen gelassen, wie sich der Vergleichsraum im konkreten Fall
darstellt. Auch wenn davon auszugehen ist, dass jedenfalls die Gemeinde G als Wohnort der Kläger Teil des Vergleichsraums
ist, muss das LSG als Tatsacheninstanz anhand der allgemeinen rechtlichen Vorgaben für die Festlegung des Vergleichsraums
(vgl hierzu BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19 [München], RdNr 20 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42 [Berlin], RdNr 24) bestimmen, ob hier weitere Umlandgemeinden, Teile von Freiburg bzw das gesamte Stadtgebiet von Freiburg
in die Festlegung des Vergleichsraums einzubeziehen sind. Nur vor diesem Hintergrund ist erkennbar, ob die Feststellung des
Erkenntnisausfalls auf einem zutreffenden rechtlichen Maßstab zur Bestimmung eines Vergleichsraums erfolgt ist. Das LSG wird
mithin im wiedereröffneten Berufungsverfahren zunächst den Vergleichsraum zu bestimmen haben.
6. Der Senat folgt dem Berufungsgericht aber darin, dass die Kostensenkungsaufforderung des Beklagten nicht zur Übernahme
der tatsächlichen KdU wegen Unmöglichkeit bzw Unzumutbarkeit der Kostensenkung führt.
Soweit die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten für seine Unterkunft die angemessene Referenzmiete überschreiten,
sind diese solange zu berücksichtigen, wie es ihm konkret nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch Anmietung einer als
angemessen eingestuften Wohnung, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens
für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 2 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, der durch die Einführung
des neuen S 2 durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 - BGBl I 1706 - ohne
inhaltliche Änderung zu S 3 wurde). Die Kläger wurden mit den Bewilligungsbescheiden vom 27.11.2004 und 29.4.2005 durch die
Angabe der aus Sicht des Beklagten angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 306,60 Euro sowie über die aus seiner Sicht
bestehende Rechtslage hinreichend informiert. Dies ist ausreichend. Wie die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende
zuständigen Senate des BSG bereits mehrfach entschieden haben, stellt § 22 Abs 1 S 2 SGB II keine über eine Aufklärungs- und Warnfunktion hinausgehenden Anforderungen (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 29; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 7, RdNr 20 ff; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19 [München], jeweils RdNr 40; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 [Essen], RdNr 16). Der Streit darüber, ob die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit
der Unterkunftskosten zutreffend ist, ist grundsätzlich bei der Frage zu klären, welche Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II abstrakt angemessen sind (BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, RdNr 34).
7. Kommt das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren erneut zu dem Ergebnis, dass ein schlüssiges Konzept für den festgelegten
Vergleichsraum nicht erarbeitet werden kann, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden
dann wiederum durch die Tabellenwerte zu § 8 WoGG (bzw für Zeiträume ab 1.1.2009 § 12 WoGG) im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt. Wegen der nur abstrakten, vom Einzelfall und den konkreten Umständen
im Vergleichsraum losgelösten Begrenzung ist zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten
(vgl § 5 Abs 1 WoGG aF bzw nunmehr § 9 Abs 1 WoGG) nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei § 8 WoGG auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle, also die rechte Spalte, zurückzugreifen und ein "Sicherheitszuschlag" einzubeziehen
(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27 im Anschluss an BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26, RdNr 21). Der Sicherheitszuschlag ist im Interesse des Schutzes des elementaren Bedürfnisses des Leistungsberechtigten
auf Sicherung des Wohnraums erforderlich. Denn es kann beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt
werden, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 29, RdNr 27).
Vor diesem Hintergrund ist das LSG vorliegend von unzutreffenden Kriterien zur Bestimmung des Zuschlags ausgegangen. Die in
§ 8 WoGG festgeschriebenen Werte erheben nicht den Anspruch, die realen Verhältnisse auf dem Markt zutreffend abzubilden. Der Sinn
und Zweck des WoGG liegt nicht darin, die Mieten für Wohnraum bei Vorliegen der einkommensrechtlichen Voraussetzungen voll oder zu einem erheblichen
Teil zu übernehmen (vgl Stadler/Gutekunst/Dietrich/Fröba, WoGG, Loseblatt, 65. Lfg Mai 2011, § 12 RdNr 13). Vielmehr handelt es sich beim Wohngeld um einen Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum (vgl § 1 WoGG aF). Die Höhe ist abhängig von der zu berücksichtigenden Miete, den Haushaltsmitgliedern und dem Einkommen. Übersteigt die
tatsächliche Miete den in § 8 WoGG festgesetzten Betrag, bleibt der übersteigende Teil bei der Wohngeldberechnung außer Betracht. Die iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB II angemessene Miete muss hingegen gewährleisten, dass zu dem als angemessen erachteten Wert Wohnraum vorhanden ist.
Bei der Bestimmung des Zuschlages ist daher zu beachten, dass es sich nicht um eine einzelfallbezogene Anwendung auf einen
konkreten, tatsächlichen Sachverhalt, die dem LSG unter Beachtung der Verhältnisse des regionalen Wohnungsmarktes obliegt,
handelt. Vielmehr ist er unter Berücksichtigung genereller, abstrakter Kriterien festzulegen. Ein Rückgriff auf die regionalen
Verhältnisse kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil gerade erst der Ausfall der Erkenntnismöglichkeiten im räumlichen
Vergleichsgebiet zur Anwendung von § 8 WoGG führt. Bereits durch die jeweiligen im WoGG verankerten Mietenstufen fließen regionale Unterschiede in die Bestimmung der zu übernehmenden KdU ein. In Anbetracht dessen
erachtet der Senat für die Tabellenwerte des § 8 WoGG (rechte Spalte) einen Zuschlag in Höhe von 10 % als angemessen, aber auch ausreichend (vgl BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 23; ebenfalls 10 % bejahend: LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 24.4.2007 - L 7 AS 494/05; Urteil vom 11.3.2008 - L 7 AS 332/07; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 26.5.2010 - L 12 [20] SO 37/07; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 26.8.2010 - L 5 AS 4/08; Hessisches LSG Urteil vom 20.12.2010 - L 9 AS 239/08; LSG Sachsen Anhalt Urteil vom 3.3.2011 - L 5 AS 181/07; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 30.9.2011 - L 3 AS 17/09; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 8.12.2011 - L 25 AS 1711/07).
8. Da es das LSG unterlassen hat, Feststellungen zu den angemessenen Heizkosten zu treffen, kann der Senat die Höhe der den
Klägern zustehenden Leistungen für die Heizung nicht überprüfen. Das LSG wird deshalb im wiedereröffneten Berufungsverfahren
auch die getrennt von den Unterkunftskosten auf ihre Angemessenheit zu prüfenden Heizkosten zu bestimmen haben.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.