Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Berücksichtigung von Krankengeld als Einkommen; Zulässigkeit der Absetzung
des Freibetrages bei Erwerbstätigkeit
Gründe:
I
Im Revisionsverfahren ist die Gewährung von Alg II im Zeitraum vom 1.12.2008 bis 14.4.2009 - ua unter Absetzung eines Erwerbstätigenfreibetrags
vom Krankengeld der Klägerin - streitig.
Die Klägerin ist seit 1998 durchgehend bei den Städtischen Kliniken in K. sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Sie erzielte
vor dem streitigen Zeitraum ein Nettoarbeitsentgelt zwischen 700 und 800 Euro monatlich. Im November 2008 erhielt sie eine
Jahressonderzahlung von ihrem Arbeitgeber (Weihnachtsgeld) in Höhe von 861,77 Euro brutto (= 677,70 Euro netto). Am 5.7.2008
erkrankte sie arbeitsunfähig, wurde am 28.8.2008 operiert und nahm ihre Erwerbstätigkeit am 15.4.2009 wieder auf. Während
der Arbeitsunfähigkeit bezog sie zunächst sechs Wochen lang Entgeltfortzahlung von ihrem Arbeitgeber und ab dem 16.8.2008
Krankengeld von der Krankenkasse in Höhe von kalendertäglich 21,87 Euro nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge (= 25,09
Euro brutto).
Die Klägerin erhielt seit dem 1.1.2005 bis zum Beginn des streitigen Zeitraumes aufstockendes Alg II, im Juli 2008 in Höhe
von 105,77 Euro (Bescheid vom 25.6.2008). Ab August 2008 bis 30.11.2008 bewilligte der Beklagte Alg II in Höhe von 114,94
Euro (Bescheid vom 25.6.2008 und Bescheid vom 19.8.2008). Am 21.10.2008 stellte die Klägerin einen Fortzahlungsantrag. Der
Beklagte hob die Leistungsbewilligung für den Zeitraum ab dem 1.10.2008 auf (Bescheid vom 29.10.2008) und lehnte die Leistungsgewährung
ab November 2008 ganz ab (weiterer Bescheid vom 29.10.2008). Die Widersprüche der Klägerin hiergegen wies er durch Widerspruchsbescheid
vom 17.11.2008 zurück. Zur Begründung führte er aus, durch den Krankengeldbezug sei ab dem 1.10.2008 eine wesentliche Änderung
der Verhältnisse iS des § 48 SGB X eingetreten. Mit dem Krankengeld könne die Klägerin nunmehr ihren Bedarf, zusammengesetzt aus 351 Euro Regelleistung und
283,97 Euro Aufwendungen für Unterkunft und Heizung decken. Dem Bedarf stehe um Absetzbeträge nach § 11 SGB II und den Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 SGB II bereinigtes und zu 1/12 monatlich zu berücksichtigendes Erwerbseinkommen (Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung) sowie das
Krankengeld gegenüber. Das Einkommen der Klägerin übersteige dabei ihren Bedarf um 20 Euro. Der berücksichtigungsfähige Teil
des Krankengeldes sei nicht unter Absetzung des Erwerbstätigenfreibetrags zu berechnen. Dieser Freibetrag sei lediglich bei
Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Berücksichtigung bei der Berechnung des Alg II in Abzug zu bringen. Erwerbseinkommen
werde insoweit gegenüber Lohnersatzleistungen privilegiert, weil im SGB II für die Erzielung von Erwerbseinkommen ein besonderer Leistungsanreiz habe geschaffen werden sollen. Aus diesem Grunde bestehe
auch ab dem 1.11.2008 kein Anspruch auf Alg II mehr.
Das SG Karlsruhe hat die Klage hiergegen, unter Bestätigung der Rechtsauffassung des Beklagten, abgewiesen (Urteil vom 21.10.2009).
Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG den Streitgegenstand auf Leistungen bis zum 14.4.2009 beschränkt. Das LSG Baden-Württemberg hat die Berufung der Klägerin
im Wesentlichen zurückgewiesen (Urteil vom 13.10.2010). Lediglich im Hinblick auf die Leistungsgewährung für den Monat Oktober
2008 hat es der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 29.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2008
insoweit aufgehoben. Für den Monat Oktober 2008 liege eine Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides vom 19.8.2008 von Anfang
an iS des § 45 SGB X vor. § 45 SGB X rechtfertige jedoch keine Aufhebung für die Vergangenheit, denn die Klägerin könne sich insoweit auf Vertrauensschutz berufen.
Das Krankengeld sei erst ab November 2008 in tatsächlich geleisteter Höhe (netto) als Einkommen bei der Berechnung des Alg
II zu berücksichtigen. Sowohl der Wortlaut des § 30 Abs 1 SGB II als auch die Gesetzesbegründung sprächen dafür, die Entgeltersatzleistung nicht um einen Erwerbstätigenfreibetrag zu bereinigen.
Soweit das BAG bei der Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse für die Bewilligung von PKH im Rahmen des §
115 ZPO den Erwerbstätigenfreibetrag auch vom Krankengeld in Abzug bringe, könne hieraus nicht auf die Notwendigkeit dessen auch
bei der Berechnung der SGB II-Leistung geschlossen werden. Dieses gelte umso mehr, als bereits das BVerwG zu der Vorgängervorschrift des § 76 Abs 2a BSHG den Abzug des Erwerbstätigenfreibetrags auf die Fälle des Erwerbseinkommens begrenzt habe. Schließlich entspreche dieses
Vorgehen auch der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG, der bei Berücksichtigung von Krankengeld als Einkommen lediglich die Versicherungspauschale und Beiträge für die Kfz-Haftpflichtversicherung
in Abzug gebracht habe.
Mit ihrer Revision zum BSG rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 11 und 30 SGB II. Zur Begründung führt sie aus, dass nach der Gesetzesbegründung zum "Freibetragsneureglungsgesetz" die Freibetragsregelungen
einerseits zur Verwaltungsvereinfachung neu gefasst und andererseits ausdrücklich der Wille zum Ausdruck gebracht worden sei,
verbesserte Anreize für Beschäftigungen im Niedriglohnbereich zu schaffen. Bei dem Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 SGB II handele es sich systematisch um eine Ergänzung und Konkretisierung des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 und Satz 2 SGB II. Dabei sei der Begriff des Erwerbseinkommens weit auszulegen. So werde dem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer auch während der
Zeit der Entgeltfortzahlung dieser Freibetrag zugebilligt. Der Unterschied beim Übergang ins Krankengeld sei nicht erkennbar.
Im vorliegenden Fall komme hinzu, dass die Klägerin neben der Entgeltersatzersatzleistung zugleich Entgelt von ihrem Arbeitgeber
erhalten habe, welches monatlich über einen Zeitraum von einem Jahr zur Berücksichtigung bei der Berechnung des Alg II aufgeteilt
worden sei. Da das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden sei, folge hieraus, dass auch während des Krankengeldbezuges die
zur Ausübung der Erwerbstätigkeit notwendigen Aufwendungen bestehen blieben. Zudem sei die Vorstellung unzutreffend, das Krankengeld
beruhe nicht auf einer gegenwärtigen entgeltlichen Verwertung der eigenen Arbeitskraft.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Oktober 2010 zu ändern sowie das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe
vom 21. Oktober 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 29. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.
November 2008 aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis 14. April 2009
Alg II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Auffassung des LSG für zutreffend und verweist auf die Vergleichbarkeit von Kranken- und Arbeitslosengeld, sodass
auch unter diesem Gesichtspunkt eine Berücksichtigung des Erwerbstätigenfreibetrags bei der Berechnung der Höhe des Einkommens
aus Krankengeld nicht zu erfolgen habe. Der Leistungsberechtigte erspare in beiden Situationen Aufwendungen, die während der
Ausübung einer Erwerbstätigkeit entstünden.
Schriftsätzlich und in einem Vergleich vor dem BSG hat der Beklagte weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum bis zum 30.11.2008 anerkannt. Ferner legt
er seiner Leistungsberechnung nunmehr zu Grunde, dass das Urlaubsgeld nicht zur Einkommensberücksichtigung über den Zuflussmonat
hinaus zu verteilen ist, sondern - da es den Bedarf eines Monats nicht überstieg - nur im Monat des Zuflusses als einmalige
Einnahme zu berücksichtigen war. Die Klägerin hat das Anerkenntnis angenommen und die Klage gegen den Änderungsbescheid vom
29.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2008 zurückgenommen.
II
Die Revision ist zulässig sowie im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§
170 Abs
2 Satz 2
SGG).
Der Senat vermochte nicht abschließend zu beurteilen, ob die Klägerin zwischen dem 1.12.2008 und dem 14.4.2009 Anspruch auf
Alg II hat. Ein Anspruch auf Alg II könnte nur dann gegeben sein, wenn von dem im streitigen Zeitraum zu berücksichtigenden
Einkommen aus Krankengeld und "verteiltem" Weihnachtsgeld monatliche Absetzungen in einer Höhe vorzunehmen sind, die zu einem
den Bedarf nach dem SGB II überschießenden Anteil führen (2.). Der Erwerbstätigenfreibetrag iS des § 30 SGB II (idF des Gesetzes zur Neuregelung der Freibetragsregelungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige - Freibetragsneuregelungsgesetz
- vom 14.8.2005, BGBl I 2407) ist grundsätzlich nicht vom Krankengeld als Entgeltersatzleistung in Abzug zu bringen. Seine
Absetzfähigkeit ist auf Erwerbseinkommen beschränkt (a). Freibeträge nach § 11 Abs 2 Satz 1 SGB II, insbesondere nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II (idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748) können jedoch auch vom Krankengeld als Teil
des Gesamteinkommens vor der Berücksichtigung als Einkommen bei der Berechnung des Alg II abgesetzt werden. Ob die Klägerin
im hier streitigen Zeitraum tatsächliche Aufwendungen hatte, die nach § 11 Abs 2 SGB II mit Ausnahme der Versicherungspauschale abzugsfähig waren, konnte der Senat nach den Feststellungen des LSG nicht abschließend
beurteilen (b). Das LSG wird bei der Bestimmung der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens zudem zu beachten haben, dass
der Nettobetrag des Weihnachtsgeldes als einmaliger Einnahme vor ihrer Verteilung über einen Zeitraum von 12 Monaten zunächst
um den Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 SGB II sowie den Betrag nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II zu bereinigen ist. Alsdann sind von dem Gesamteinkommen aus verteilter einmaliger Einnahme und Entgeltersatzleistung monatlich
anfallende weitere Absetzungen nach § 11 Abs 2 SGB II vorzunehmen. Zu Letzteren fehlt es ebenfalls an hinreichenden Feststellungen des LSG (c). Das LSG wird zur abschließenden
Beurteilung auch über die Höhe des Bedarfs zu befinden haben (3.).
1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der Bescheid vom 29.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17.11.2008, mit dem der Beklagte Alg II abgelehnt hat. Die Beteiligten haben in einem Termin zur Erörterung der Sach-
und Rechtslage vor dem BSG am 27.8.2011 alle weiteren Streitgegenstände (Aufhebung des Änderungsbescheides vom 29.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 17.11.2008, Leistungen auch für den November 2008) aufgrund eines Vergleichs für erledigt erklärt. Der Beklagte sieht
von einer Verteilung des Urlaubsgeldes ab und hat sich insbesondere zur Zahlung von Alg II für den Monat November 2008 in
Höhe von 114,94 Euro auf Grundlage des Bescheides vom 19.8.2008 bereit erklärt, nachdem er den Aufhebungsbescheid insoweit
zurückgenommen hatte. Leistungen für den Monat Oktober 2008 waren von vornherein nicht mehr Streitgegenstand des Revisionsverfahrens,
da das LSG den Bescheid vom 29.10.2008, der die Aufhebung des Bescheides vom 19.8.2008 ab dem 1.10.2008 betraf, für den Monat
Oktober 2008 als rechtswidrig befunden und durch sein Urteil aufgehoben hat sowie der Beklage insoweit nicht in die Revision
gegangen ist. Die Klägerin hat ihr Begehren im Antrag vor dem Senat auf den Zeitraum ab dem 1.12.2008 begrenzt. Sie hat zugleich
in der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2009 vor dem SG Karlsruhe den Streitgegenstand auf Grundlage eines Vergleichs zwischen
den Beteiligen auf Leistungen bis zum 14.4.2009 beschränkt; am 15.4.2009 hat sie die Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen und
der Beklagte hat sich verpflichtet, ab diesem Tag die Leistungen neu zu berechnen.
2. Ob die Klägerin einen Anspruch auf Alg II im streitigen Zeitraum hat, vermochte der Senat an Hand der Feststellungen des
LSG nicht abschließend zu entscheiden. Insoweit gilt es zu prüfen, in welcher Höhe unter Absetzung von nach dem SGB II eingeräumten Freibeträgen das Krankengeld bei der Berechnung des Alg II zu berücksichtigen ist und welche Freibeträge ggf
zu welchem Zeitpunkt von dem von dem Beklagten als einmalige Einnahme über einen Zeitraum von einem Jahr verteilten Weihnachtsgeld
abzusetzen sind. Ergibt sich ein durch die Absetzungen niedrigeres Einkommen der Klägerin als der nach §§ 19, 20 und 22 iVm § 9 SGB II zu ermittelnde Bedarf, so bestünde ein Alg II-Anspruch in der Höhe der Differenz. Ob sich ein derartiger Differenzbetrag
ergibt, der zu einem Anspruch der Klägerin auf aufstockendes Alg II führt, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren
festzustellen haben.
Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§
163 SGG) wäre die Klägerin leistungsberechtigt, wenn sie hilfebedürftig wäre. Sie erfüllt mit Ausnahme der sogleich zu prüfenden
Nr 3 des § 7 Abs 1 SGB II (§ 7 SGB II idF des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demographische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen
der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007, BGBl I 554) die Leistungsvoraussetzungen für die Gewährung von Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II ist nach § 9 Abs 1 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vom 20.7.2006, BGBl I 1706), wer seinen Lebensunterhalt,
... nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen
oder Vermögen sichern kann. Nach § 11 Abs 1 SGB II (idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748) sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen
in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem BVG und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem BEG für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden,
bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Beim Krankengeld handelt es sich - wie der erkennende Senat bereits entschieden hat - um Einkommen in diesem Sinne (vgl
BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 19). Das Krankengeld ist mithin zur Minderung des Hilfebedarfs einzusetzen und daher bei der Berechnung
des Alg II zu berücksichtigen. Die Höhe des berücksichtigungsfähigen Einkommens ergibt sich grundsätzlich aus § 11 Abs 2 SGB II iVm der Alg II-V und § 30 SGB II. Die dort benannten "Absetz- und Freibeträge" sind von der jeweiligen Einnahme vor der Gegenüberstellung von jeweiliger Einnahme
und Bedarf abzuziehen.
a) Beim Krankengeld ist der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 SGB II jedoch nicht vor der Berücksichtigung bei der Berechnung des Alg II in Abzug zu bringen.
Nach § 30 SGB II (idF des Freibetragsneuregelungsgesetzes) ist bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, von dem monatlichen
Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Die Formulierung "weiterer Betrag" bezieht sich auf den Absetzbetrag
des § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II (hierzu weiter unten). Der Höhe nach macht der Erwerbstätigenfreibetrag gemäß § 30 Satz 2 Nr 1 SGB II einen Betrag aus von 20 vH des Einkommensteils, der das monatliche Einkommen von 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 800
Euro beträgt. Aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte, systematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung folgt jedoch,
dass dieser Erwerbstätigenfreibetrag einzig vom Erwerbs- und nicht von Erwerbsersatzeinkommen, auch nicht vom Krankengeld
in Abzug zu bringen ist.
Der Wortlaut des § 30 Halbs 1 SGB II knüpft den Freibetrag an Einkommen, das aus der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gezogen wird (vgl zur Anknüpfung an die Erwerbstätigkeit
in § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II: BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 16). Beim Krankengeld handelt es sich jedoch nicht um Erwerbseinkommen, sondern eine Entgeltersatzleistung,
die nach §
44 Abs
1 SGB V gerade deswegen gewährt wird, weil die Erwerbstätigkeit wegen Arbeitsunfähigkeit nicht verrichtet werden kann und damit das
Erwerbseinkommen ausfällt. Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass das Entgelt aus dem Arbeitsverhältnis Bemessungsgrundlage
für das ihr gewährte Krankengeld gewesen sei und das Arbeitsverhältnis während des Krankengeldbezugs nur geruht habe, ändert
dies nichts daran, dass es sich gleichwohl aktuell nicht um Einkommen aus einer ausgeübten Erwerbstätigkeit handelt.
Auch nach der Zielsetzung der Freibetragsregelung, wie sie sich aus der Begründung zum Entwurf des Freibetragsneuregelungsgesetzes
ergibt, war die Freistellung eines Teils des Krankengeldes vor der Berücksichtigung bei der Berechnung des Alg II nicht mit
§ 30 SGB II intendiert. Ziel sollte vielmehr sein, Hilfebedürftigen stärkere Anreize als bislang zur Aufnahme oder Weiterführung einer
Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu bieten, damit diese mittelfristig aus eigenen Kräften und möglichst ohne
Unterstützung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten (BT-Drucks 15/5446,
S 1). Diese Zielsetzung geht bei Bezug von Entgeltersatzleistungen jedoch ins Leere. Die Absetzung von Freibeträgen und damit
die Minderung des zu berücksichtigenden Einkommens oder umgekehrt, die Erhöhung des Teils der Entgeltersatzleistung, der zur
Lebensunterhaltssicherung neben dem Alg II verbleiben würde, setzte den gegenteiligen Anreiz.
Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung in dem systematischen Zusammenhang, in den die Vorschrift des § 30 SGB II in das Grundsicherungsrecht eingebettet ist. Die Tragweite der Vorschrift des § 30 Satz 2 SGB II und die aus ihr folgenden Berechnungsschritte erschließen sich nur aus der Zusammenschau mit § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II. Nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II ist bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, an Stelle der Beträge nach Satz 1 Nr 3 bis 5 ein Betrag von
insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen. Der dort benannte "Grundfreibetrag" von 100 Euro spiegelt sich in § 30 Satz 2 Nr 1 SGB II als vom Erwerbstätigenfreibetrag ausgenommener Betrag wider. Nach § 30 Satz 2 Nr 1 SGB II ist bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer
Betrag abzusetzen. Dieser beläuft sich 1. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 Euro übersteigt ..., auf 20 vom
Hundert ... Der Erwerbstätigenfreibetrag setzt mithin erst oberhalb des Grundfreibetrags an, geht über ihn hinaus. Der Grundfreibetrag
nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II ersetzt zugleich die Freibeträge nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3 bis 5 SGB II, stellt also das Erwerbseinkommen von Aufwendungen frei, die mit der Ausübung der Erwerbstätigkeit und der Erzielung von
Erwerbseinkommen verbunden sind. Aus diesem Zusammenspiel von §§ 11 Abs 2 Satz 2 und 30 Satz 2 Nr 1 SGB II wird zugleich deutlich - anders als die Klägerin vorbringt -, dass es bei der Absetzung nach § 30 SGB II nicht um die Abgeltung konkreter, mit der Erwerbstätigkeit und der Erzielung des Einkommens verbundener Aufwendungen (Fahrkosten,
Altersvorsorgebeiträge, Beiträge zum Berufsverband etc) geht, sondern hier die sich bereits aus der Begründung zum Entwurf
des Freibetragsneuregelungsgesetz ergebende abstrakte Anreizfunktion im Hinblick auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit im
Vordergrund steht. Bezweckt werden soll ua, gering entlohnte Arbeit auf dem regulären Arbeitsmarkt mit ergänzendem Bezug von
Alg II attraktiver als die Beschäftigung in Arbeitsgelegenheiten zu machen (BT-Drucks 15/5446, S 4). Insoweit stellt § 30 SGB II im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin keine systematische Ergänzung des § 11 Abs 2 SGB II dar, sondern ein Förderinstrument eigener Art, das auch eigenen Regeln unterliegt.
Soweit neben dem Krankengeld einmalige Leistungen vom Arbeitgeber erbracht werden, ist es zwar zutreffend, wenn die Klägerin
darauf hinweist, dass dies für das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses spreche und der durch die Erwerbsarbeit entstehende
Aufwand durch Freibeträge gedeckt werden müsse. Hieraus folgt jedoch nicht zwingend, dass der Erwerbstätigenfreibetrag vom
Krankengeld abgesetzt werden muss. Vielmehr ist dann das neben der Entgeltersatzleistung gezahlte Erwerbseinkommen in der
Gestalt der einmaligen Einnahme Weihnachtsgeld vor der Berücksichtigung bei der Berechnung des Alg II um die Absetzbeträge
des § 11 Abs 2 Satz 1 Nrn 1, 2 und 5 SGB II sowie den Erwerbstätigenfreibetrag des § 30 SGB II zu bereinigen (dazu näher unter c).
Die Beschränkung der Absetzbarkeit des Erwerbstätigenfreibetrags auf Erwerbseinkommen entspricht auch der Rechtsprechung zur
Vorgängerregelung des § 76 Abs 2a BSHG (vgl Niedersächsisches OVG Beschluss vom 12.2.2001 - 12 L 3959/00, FEVS 52, 431; VGH Baden-Württemberg Urteil vom 21.9.1998 - 7 S 913/98, FEVS 49, 414; BVerwG Urteil vom 21.7.1994 - 5 C 32/91, BVerwGE 96, 246), wobei der Senat nicht verkennt, dass die Ausgestaltungen der Regelungen im Einzelnen durchaus unterschiedlich sind (vgl
zur Übertragbarkeit: Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 30 RdNr 2). Wie im Grundsicherungsrecht war in der sozialhilferechtlichen Rechtsprechung jedoch anerkannt, dass Erwerbstätiger
nur jemand ist, der "eine wirtschaftlich verwertbare Leistung gegen Entgelt erbringt, um damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen".
Hieraus ist gefolgert worden, dass als Erwerbstätigkeit nur eine Tätigkeit angesehen werden könne, die zu Erträgen zur Bestreitung
des Lebensunterhalts führe. Demnach sollte es darauf ankommen, dass der Hilfeempfänger tatsächlich einer Erwerbstätigkeit
nachgeht und durch eigenes Erwerbseinkommen in der Lage ist, jedenfalls zu einem Teil für seine Lebensgrundlage aus eigenen
Kräften zu sorgen. Nur so könnten die Absetzungsbeträge ihren Sinn und Zweck, einerseits einen pauschalierten Ausgleich für
arbeitsbedingte Mehraufwendungen und andererseits einen Anreiz zur Stärkung des Arbeitsund Selbsthilfewillens zu bieten, erfüllen.
Dabei hat die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung auch zwischen den Absetzbeträgen nach § 76 Abs 2 BSHG - vergleichbar denen des § 11 Abs 2 Satz 1 SGB II - und den Freibeträgen nach § 76 Abs 2a BSHG - vergleichbar denen des § 30 SGB II - differenziert und nur bei Erwerbseinkommen den Freibetrag nach § 76 Abs 2a BSHG zum Abzug gebracht, während es den Aufwendungsausgleich für mit der Erzielung von Einkommen verbundenen notwendigen Ausgaben
iS des § 76 Abs 2 BSHG relativ großzügig auch auf andere Einkommensarten ausgedehnt hat (s BVerwG Urteil vom 4.6.1981 - 5 C 46/80, BVerwGE 62, 275).
Soweit das SG Stade zwischen dem Krankengeldbezug differenziert, dem eine Arbeitsunfähigkeit während des bestehenden Arbeitsverhältnisses
und bei bestehender Arbeitslosigkeit zugrunde liegt, um den Abzug des Erwerbstätigenfreibetrags bei ersterem zu rechtfertigen
(SG Stade Urteil vom 4.5.2010 - S 17 AS 455/09), vermag dieses nicht zu überzeugen. Das Gericht begründet seine Auffassung damit, dass das Krankengeld im Falle des "Aufstockers"
den Charakter des echten Ersatzes des Erwerbseinkommens habe; es müsse dann - vergleichbar dem Insolvenzgeld (s BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 29/08 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 22) - die Verknüpfung des Ersatzeinkommens mit der tatsächlichen Erwerbstätigkeit für die leistungsrechtliche
Behandlung des Einkommens ausschlaggebend sein. Dabei verkennt es jedoch den Unterschied zwischen der Situation im Insolvenz-
und Krankengeldbezug. Der erkennende Senat hat in seiner Rechtsprechung zum Insolvenzgeld (BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 29/08 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 22) deutlich gemacht, dass die InsG-Versicherung im Ergebnis gewährleistet, dass die Arbeitnehmer
ungeachtet des Umstandes, dass der in Zahlungsschwierigkeiten befindliche Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht oder nicht
vollständig zahlt, zunächst für die Dauer des InsG-Anspruches weiterarbeiten kann (Voelzke in Hauck/Noftz,
SGB III §
103 RdNr 16). Insoweit tritt das InsG - anders als zB die Entgeltersatzleistung Arbeitslosengeld oder das Krankengeld - an die
Stelle des Arbeitsentgeltanspruchs als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung. Das ist jedoch beim Krankengeld gerade
nicht der Fall.
Auch aus der Absetzung des Erwerbstätigenfreibetrags von der Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers während der ersten sechs
Wochen der Arbeitsunfähigkeit kann kein Argument für dessen Abzug auch vom Krankengeld gewonnen werden. Der Entgeltfortzahlungsanspruch
ist ein Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den Arbeitgeber und der Krankengeldanspruch ein solcher auf eine sozialversicherungsrechtliche
Entgeltersatzleistung. Soweit der nach dem SGB II Leistungsberechtigte jedoch Entgelt aus einer Erwerbstätigkeit bezieht, ist es unbestritten, dass von diesem Entgelt bereits
vom Wortlaut her der Erwerbstätigenfreibetrag des § 30 SGB II in Abzug zu bringen ist, bevor das Einkommen der Berechnung des Alg II zugrunde gelegt wird. Nicht von Bedeutung ist insoweit,
dass der Arbeitnehmer auch während der Zeit der Entgeltfortzahlung wegen der Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitsleistung erbringt.
Hier kommt es einzig auf die rechtliche Wertung des
Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG) an. Danach handelt es sich bei der Entgeltfortzahlung um Arbeitsentgelt, trotz der Unmöglichkeit der Leistung des Arbeitnehmers.
Nach § 3 Abs 1 Satz 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer, der durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert wird, ohne dass
ihn ein Verschulden trifft, einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der
Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. In der Zeit der Entgeltfortzahlung wird dem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer
das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortgezahlt (§ 4 Abs 1 EFZG). Anders als beim Krankengeld behält der Arbeitnehmer daher in den ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit seinen Anspruch
auf Arbeitsentgelt (vgl nur Dörner in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl 2011, § 3 EFZG, RdNr 1). Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass Grundlage der Regelung in § 3 EFZG die Regelungen des bürgerlichen Rechts in den §§
275 Abs
1 (Unmöglichkeit der Leistungserbringung) und 326 Abs
1 BGB (Entfallen des Anspruchs auf Gegenleistung bei Unmöglichkeit der Leistungserbringung) sind. § 3 EFZG verdrängt §
326 Abs
1 BGB und gewährleistet einen Anspruch auf Fortzahlung des dem Arbeitnehmer für einen bestimmten Zeitraum zustehenden Entgelts
nach §
611 BGB (Dörner in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl 2011, § 3 EFZG, RdNr 3). Zugleich verdrängt die Entgeltfortzahlung nach dem EFZG auch den Krankengeldanspruch. Er ruht in dieser Zeit nach §
49 Abs
1 Nr
1 SGB V, soweit und solange der Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhält. Auch sozialversicherungsrechtlich
wird mithin die bürgerlich-rechtliche Wertung des Entgeltfortzahlungsanspruchs als Arbeitsentgelt, also Entgelt aus Erwerbstätigkeit,
nachvollzogen. Der Krankengeldanspruch, als die sozialversicherungsrechtliche Entgeltersatzleistung bei Arbeitsunfähigkeit,
ist in dieser Zeit subsidiär, sodass aus der Absetzung des Erwerbstätigenfreibetrags von dem im Wege der Entgeltfortzahlung
geleisteten Arbeitsentgelt nicht darauf geschlossen werden kann, dieses müsse damit zwingend auch beim Krankengeld der Fall
sein. Gerade im Fall der Entgeltfortzahlung greift zudem die eingangs dargelegte Anreizfunktion des Erwerbstätigenfreibetrags.
Es soll ein Anreiz dafür gesetzt werden, die Erwerbstätigkeit so bald wie möglich fortzusetzen, um nicht anschließend auf
die niedrigere Entgeltersatzleistung verwiesen zu werden.
Soweit das BAG im Rahmen des §
115 ZPO zu einer anderen Wertung gelangt (BAG Beschluss vom 22.4.2009 - 3 AZB 90/08), unterliegt diese sachlichen Unterschieden zwischen dem prozessualen und materiellen Fürsorgerecht und gebietet keine Übertragung
auf die Leistungsgewährung nach dem Grundsicherungsrecht für Arbeitsuchende. Die Prozesskostenhilfe soll das grundgesetzliche
Gebot sichern, dem Minderbemittelten einen Rechtsschutz zu gewährleisten, der demjenigen des Bemittelten wenigstens einigermaßen
entspricht. Dabei darf das Kostenrisiko nicht zu einer Rechtswegsperre werden (vgl Baubach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 65. Aufl 2007 Übers §
114 RdNr 3). Aufgabe der Sozialhilfe/des Grundsicherungsrechts ist es hingegen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu sichern,
die für die physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben
des Hilfebedürftigen unerlässlich sind (BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua, BVerfGE 125, 175). Daher sind Unterschiede im Prozesskostenhilferecht gegenüber dem Sozialhilferecht, etwa bei den Einkommensgrenzen, nach
der Rechtsprechung des BVerfG auch durchaus gerechtfertigt (für den umgekehrten Fall der im Prozesskostenhilferecht niedrigeren
Einkommensgrenzen gegenüber der Sozialhilfe s BVerfG Beschluss vom 26.4.1988 - 1 BvL 84/86, BVerfGE 78, 118). Dieses gilt umso mehr, wenn - wie im Falle des Freibetragsabzugs vom Einkommen - die Regelungszwecke derart auseinanderfallen
- hier die Sicherung der Möglichkeit zur Prozessführung, die nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des angemessenen
Lebensunterhalts führen soll (vgl Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 65. Aufl 2007 §
115 RdNr 1), und dort die Existenzsicherung, verbunden mit dem Anreiz, sich aus dem steuerfinanzierten Transfersystem aus eigenen
Kräften zu befreien, die Lebensunterhaltssicherung durch eigene Mittel zu bewerkstelligen (§ 2 Abs 2 SGB II).
b) Anders als der Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 SGB II sind jedoch die Absetzbeträge iS des § 11 Abs 2 Satz 1 SGB II iVm der Alg II-V - hier § 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V (idF vom 17.12.2007, BGBl I 2942), mit Ausnahme der Absetzbeträge nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 1 und 6 SGB II (Nr 1 - Abzug von Steuern, s jedoch Steuerfreiheit der meisten Entgeltersatzleistungen, Krankengeld hier steuerfrei nach §
3 Nr 1a
EStG [s zum Progressionsvorbehalt nach §
32b EStG, der bei der Berücksichtigung von weiterem steuerpflichtigem Einkommen neben der Sozialleistung im Rahmen der Grundsicherung
wohl nicht in Betracht kommen dürfte] und Nr 6 - Verweis auf § 30 SGB II - s oben), die einen Ausgleich für Aufwendungen während oder durch die Erzielung des Einkommens bewirken sollen, auch vom
Krankengeld in Abzug zu bringen. Dies hat der erkennende Senat bereits im Jahre 2008 entschieden (BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 19). Zwar sind in dem dortigen Fall lediglich die Versicherungspauschale und nachgewiesene Kosten
für eine Kfz-Haftpflichtversicherung vom Krankengeld vor der Berücksichtigung als Einkommen bei der Berechnung des Alg II
abgesetzt worden. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass nicht weitere Absetzungen zu erfolgen haben, wenn die
Aufwendungen tatsächlich entstanden sind. In den Gründen des Urteils aus dem Jahre 2008 wird ausdrücklich Bezug auf die der
Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen des LSG genommen. Welche absetzbaren Aufwendungen die Klägerin im vorliegenden
Fall tatsächlich hatte, konnte der Senat in Ermangelung hinreichender Feststellungen des LSG jedoch nicht beurteilen.
Grundsätzlich gilt insoweit, dass sämtliche Absetzbeträge des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 2 bis 5 und Nr 7 bis 8 SGB II - ggf iVm der Alg II-V - als Abzugsposten auch von der Entgeltersatzleistung geeignet sind. Nach § 11 Abs 2 Satz 1 SGB II sind dieses: 2. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung, 3. Beiträge zu öffentlichen
oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund
und Höhe angemessen sind; hierzu gehören Beiträge a) zur Vorsorge für den Fall der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit für
Personen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig sind, b) zur Altersvorsorge von Personen,
die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, soweit die Beiträge nicht nach § 26 SGB II bezuschusst werden, 4. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach §
82 EStG, soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach §
82 EStG nicht überschreiten, 5. die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben, 7. Aufwendungen zur Erfüllung
gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung
festgelegten Betrag, 8. bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, deren Einkommen nach dem Vierten Abschnitt des BAföG oder §
71 oder §
108 SGB III bei der Berechnung der Leistungen der Ausbildungsförderung für mindestens ein Kind berücksichtigt wird, der nach den Vorschriften
der Ausbildungsförderung berücksichtigte Betrag. Ob und in welcher Höhe die Klägerin im vorliegenden Fall Aufwendungen hatte,
die vom Krankengeld abzusetzen sein könnten, wird das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren im Einzelnen zu ermitteln
haben (soweit es um das Verhältnis der Absetz- und Freibeträge vom Krankengeld zu den Abzügen vom daneben bezogenen Erwerbseinkommen
geht, s unter c). Dabei wird das LSG zu beachten haben, dass es sich bei den von der Klägerin im Revisionsverfahren etwa benannten
Aufwendungen für Fahrtkosten, Beiträgen zum Berufsverband oder Altersvorsorgeaufwendungen durchaus um Aufwendungen iS des
§ 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II handeln kann, also um mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben.
Nach dem Wortlaut von § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II können die dort benannten Absetzungen nicht nur vom Erwerbseinkommen, sondern auch vom sonstigen Einkommen vorgenommen werden.
§ 11 Abs 2 Satz 1 SGB II stellt in der Nr 5 lediglich auf "Einkommen" und nicht auf Einkommen von Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ab. Hieraus folgt zwar, dass
bei Einkommen, das nicht aus einer Erwerbstätigkeit stammt, nicht auf die Pauschalen nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II oder § 6 Abs 1 Nr 2 Alg II-V zurückgegriffen werden kann, sondern die Aufwendungen konkret entstanden sein müssen. Wenn somit die Voraussetzungen für
die anzuerkennenden Aufwendungen bei der Erzielung von Erwerbseinkommen und der dieses Erwerbseinkommen ersetzenden Entgeltersatzleistung
letztlich die gleichen sind (s auch § 11 Abs 2 Satz 3 SGB II), ist - zumindest solange das Arbeitsverhältnis besteht - auch keine unterschiedliche Auslegung des weiteren Tatbestandsmerkmals
des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II der "Verbundenheit" gerechtfertigt (so auch BVerwG Urteil vom 4.6.1981 - 5 C 46/80, BVerwGE 62, 275). Das Korrektiv hat ggf über das Tatbestandsmerkmal der "Notwendigkeit" zu erfolgen, wie weiter unten darzulegen sein wird.
Eine Verbundenheit der Aufwendungen mit der Erzielung des Einkommens liegt nach der Rechtsprechung des BVerwG, der sich der
erkennende Senat anschließt, bereits dann vor, wenn die Zielrichtung der Aufwendung mit der Einkunftsart in einer Beziehung
steht (vgl BVerwG Urteil vom 4.6.1981 - 5 C 46/80, BVerwGE 62, 275). Anhaltspunkte dafür, dass die Verbundenheit nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II oder nach § 76 Abs 2 BSHG iS einer conditio sine qua non zu verstehen sein könnte, sind nicht vorhanden. Ein Kausalzusammenhang soll bereits vom Wortlaut
her durch das Wort "Verbundenheit" nicht hergestellt werden. Das bedeutet, der Begriff der "Verbundenheit" stellt zwar einen
Zusammenhang zur Erzielung des Einkommens her, führt jedoch nicht zu dem Erfordernis, dass die Erzielung des Einkommens ohne
die Aufwendung undenkbar wäre (vgl BVerwG Urteil vom 4.6.1981 - 5 C 46/80, BVerwGE 62, 275). Das BVerwG hat dieses am Beispiel des Gewerkschaftsbeitrags oder der Fahrtkosten exemplifiziert. Die Notwendigkeit der
Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, so das BVerwG, sei nicht Voraussetzung für die Ausübung der nicht selbstständigen Erwerbstätigkeit.
Der Beitrag sei jedoch gleichwohl eng mit der Ausübung der Erwerbstätigkeit verbunden. Also könne dieses für den Fall der
Weiterzahlung dieses Beitrags während des Bezugs der Entgeltersatzleistung "Rente" auch nicht anders bewertet werden (BVerwG
Urteil vom 4.6.1981 - 5 C 46/80, BVerwGE 62, 275).
Nach der Rechtsprechung des BVerwG bestimmt zwar diese Auslegung des Begriffs der "Verbundenheit" auch das Verständnis von
der "Notwendigkeit" der Aufwendung. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen. Gleichzeitig ist jedoch zu differenzieren zwischen
den Aufwendungen, die während des Bezugs einer Entgeltersatzleistung nicht entstehen müssen, weil keine "Notwendigkeit" besteht,
die an sich mit der Erzielung des Erwerbseinkommens ursprünglich verbundenen Aufwendungen zu tätigen und solchen, die weiter
anfallen, weil die Verbundenheit mit der Einkommensart so eng ist, dass eine Einstellung des Aufwandes nicht erwartet werden
oder während des Entgeltersatzanspruchs nicht ohne Weiteres reduziert werden kann. Zu denken ist hier einerseits an die vom
BVerwG bereits behandelten Gewerkschaftsbeiträge, deren weitere Aufwendung auch während des Bezugs einer Entgeltersatzleistung
als notwendig zu werten ist, etwa wegen des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes auch während des Bezugs der Entgeltersatzleistung.
Anders ist es mit Fahrtkosten, die wegen des Weges zur Ausübung der Erwerbstätigkeit entstanden sind (zB Jahreskarte für den
öffentlichen Nahverkehr), die nun aber während des Bezugs der Entgeltersatzleistung ggf nicht anfallen. Hier gilt allerdings
die vom Senat wiederholt verwendete Formel, dass die Aufwendungen weiterhin notwendig sind, wenn der Berechtigte deren Rückgängigmachung
aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne Weiteres realisieren kann (- Schonfrist - Urteil vom 9.11.2010 - B 4 AS 7/10 R; SozR 4-4200 § 11 Nr 34).
c) Das LSG wird im wieder eröffneten Berufungsverfahren zudem zu beachten haben, dass mit dem Nachweis weiterer Absetzbeträge
vom Krankengeld allein sich der Leistungsanspruch der Klägerin nicht feststellen lässt. Dieser hängt ferner davon ab, ob und
ggf welche Beträge vom Gesamteinkommen aus Krankengeld und "verteiltem" Weihnachtsgeld in Abzug zu bringen sind. Nur so kann
das dem Bedarf nach dem SGB II gegenüberzustellende berücksichtigungsfähige Einkommen bestimmt werden.
Grundsätzlich ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte das Weihnachtsgeld nach § 2 Abs 4 Satz 3 Alg II-V (idF vom 17.12.2007, aaO) als einmalige Einnahme auf einen Zeitraum von zwölf Monaten verteilt hat (zum so genannten Verteilzeitraum
vgl Urteile des erkennenden Senats vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R, BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15 und B 4 AS 57/07 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 16; vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R und des 14. Senats vom 26.10.2009 - B 14 AS 55/08 R; vom 21.12.2009 - B 14 AS 46/08 R; vom 18.2.2010 - B 14 AS 76/08 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 27). § 2 Abs 4 Satz 2 Alg II-V in der hier maßgebenden Fassung bestimmte, dass einmalige Einnahmen, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt
ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen sind.
Entfällt durch die Berücksichtigung der einmaligen Einnahme die Hilfebedürftigkeit des Leistungsberechtigten und die Leistungspflicht
des Grundsicherungsträgers in vollem Umfang und bleibt gleichwohl die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung
bestehen, liegt ein Regelfall iS des § 2 Abs 4 Satz 3 Alg II-V vor, der eine Aufteilung der einmaligen Einnahme über mehrere Monate rechtfertigt (s zum Regelfall ausführlich BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16). Zwar hat das BSG bisher nicht ausdrücklich darüber befunden, ob eine Verteilung über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten hinaus noch
angemessen ist. Angedeutet hat der Senat dieses in der Ausgangsentscheidung vom 30.9.2008 (s oben) jedoch bereits. Bei einer
für ein Jahr bestimmten Einnahme, die zudem in der Gesamtsumme den monatlichen Anspruch auf Alg II übersteigt (s hierzu BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16) und für ein Kalenderjahr bestimmt ist, spricht jedoch nichts dagegen, den angemessenen Zeitraum
als einen jährlichen festzulegen und die Einnahme damit in zwölf Teile aufzuteilen. Erstmals mit dem am 1.4.2011 in Kraft
getretenen neuen § 11 Abs 3 Satz 2 SGB II (BGBl I 453) hat der Gesetzgeber den "Verteilzeitraum" zeitlich eindeutig auf einen Zeitraum von sechs Monaten eingegrenzt.
Hieraus können jedoch keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden. Es war bis
dato der unbestimmte Rechtsbegriff des "angemessenen Zeitraums" als Bewertungsgrundlage heranzuziehen.
Bisher ebenfalls höchstrichterlich nicht entschieden ist, wie bei einer "verteilten" Einnahme die Absetzungen zu erfolgen
haben. Den vom Senat beigezogenen Erläuterungen des Beklagten zu seinen Bescheiden vom 29.10.2008 könnte zwar zu entnehmen
sein, dass er ausschließlich die einmalige Nettoeinnahme auf zwölf Monate umgelegt hat. Dies wäre rechtlich unzutreffend.
Denn vor der Berücksichtigung der einmaligen Einnahme im Monat des Zuflusses - wenn es sich um Erwerbseinkommen handelt -
sind die Absetzbeträge nach § 11 Abs 2 Nr 1 und 2 SGB II (Steuern und Sozialversicherungsbeiträge), der Erwerbstätigenfreibetrag und der Absetzbetrag nach § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II (s nunmehr § 11b Abs 1 Satz 2 SGB II) in Abzug zu bringen. Der danach verbleibende Betrag ist zu verteilen. Dieses Vorgehen hat der Senat bereits in seiner Entscheidung
vom 30.9.2008 (B 4 AS 57/07 R, SozR 4-4200 § 11 Nr 16) angedeutet. In jedem Monat des Verteilzeitraums sind alsdann monatlich Absetzungen vom Gesamteinkommen
- verteiltes Entgelt und anderes Einkommen - vorzunehmen, soweit die Belastungen monatlich tatsächlich und rechtlich zu berücksichtigend
anfallen, nicht nur von einer bestimmten Einkommensart abgesetzt werden können und nicht bereits (vorab) in voller Höhe oder
anteilig abgesetzt worden sind.
3. Das LSG wird in seine abschließende Beurteilung auch die Höhe des Bedarfs, insbesondere unter Berücksichtigung der Daten
bezüglich der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung aus dem Anerkenntnis des Beklagten im Schriftsatz vom 27.7.2011 einbeziehen
müssen.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.