Gründe
I
Die Kläger wenden sich gegen die Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.
Die Kläger haben gegen das klageabweisende und ihnen am 10.4.2019 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 8.5.2019 beim SG Berufung eingelegt. Das LSG hat den Klägern mit Schreiben vom 21.5.2019 mitgeteilt, dass die Berufung(en) am 16.5.2019 eingegangen
sei(en). Es hat um Vorlage der Berufungsbegründung innerhalb eines Monats gebeten. Zugleich hat es darauf hingewiesen, dass
die Berufung verfristet sein dürfte und Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen gegeben. Es werde erwogen, die Berufung(en)
als unzulässig zu verwerfen.
Mit Beschluss vom 13.6.2019 hat das LSG die Berufung(en) wegen Verfristung als unzulässig verworfen. Am 21.6.2019 ging beim
LSG die Berufungsbegründung der Kläger ein.
Mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden rügen die Kläger unter Vorlage eines Faxberichtes vom 8.5.2019 zum einen einen Verstoß
gegen §
158 SGG; die Berufung sei bereits am 8.5.2019 beim SG eingelegt worden. Außerdem rügen die Kläger eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör; das LSG habe durch die
Aufforderung zur Berufungsbegründung binnen eines Monats zu verstehen gegeben, dass vor Ablauf dieser Frist keine Entscheidung
erfolgen werde. Sie hätten nicht damit rechnen müssen, dass das LSG dennoch nach Ablauf von 20 Tagen eine Entscheidung erlassen
würde. Sie hätten ohne die Entscheidung des LSG innerhalb der gesetzten Frist den Faxbericht beim LSG eingereicht und zusätzlich
vorsorglich einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt.
II
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG vom 13.6.2019 sind zulässig, denn sie
haben mit ihnen einen Verstoß gegen das grundrechtsgleiche Recht auf rechtliches Gehör nach Art
103 Abs
1 GG und damit einen Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet (§
160a Abs 2 Satz 3 iVm §
160 Abs
2 Nr
3 SGG). Die Beschwerden sind insoweit auch begründet.
1. a) Wenn ein Gericht den Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung binnen einer bestimmten Frist setzt, verlangt das grundrechtsgleiche
Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich, dass das Gericht den Ablauf der Äußerungsfrist abwartet, bevor es entscheidet
(BVerfG vom 24.1.1961 - 2 BvR 402/60 - BVerfGE 12, 110, 113, juris RdNr 8; BVerfG vom 30.6.1976 - 2 BvR 164/76 - BVerfGE 42, 243, 247, juris RdNr 10; BSG vom 12.10.2016 - B 11 AL 48/16 B - juris RdNr 7 mwN; BSG vom 31.3.2017 - B 12 KR 28/16 B - juris RdNr 8). Dies gilt auch dann, wenn dem Gericht die Sache entscheidungsreif erscheint (BVerfG vom 24.1.1961 - 2 BvR 402/60 - BVerfGE 12, 110, 113, juris RdNr 8). Ausnahmsweise muss es den Ablauf der von ihm gesetzten, angemessenen Frist zur Stellungnahme dann nicht abwarten, wenn ein
Beteiligter sich vor Fristablauf abschließend geäußert hat (BSG vom 12.10.2016 - B 11 AL 48/16 B - juris RdNr 7 mwN; BSG vom 31.3.2017 - B 12 KR 28/16 B - juris RdNr 8) und weitere Stellungnahmen nach Lage der Dinge nicht zu erwarten sind (BSG vom 31.3.2017 - B 12 KR 28/16 B - juris RdNr 8). Die Fristsetzung muss eindeutig sein. Dem Beteiligten muss klar sein, welche Frist für ihn gilt. Setzt das Gericht in einem
Schreiben unterschiedliche Fristen, muss es den Ablauf der längeren Frist abwarten.
b) Diesen Anforderungen genügt der Beschluss des LSG nicht. Das LSG hat den Klägern mit Schreiben vom 21.5.2019 den Eingang
ihrer Berufung(en) bestätigt. In diesem Schreiben hat es sie um Übersendung der Berufungsbegründung innerhalb eines Monats
gebeten. Zugleich hat es darauf hingewiesen, dass die Berufungsschrift verfristet eingegangen sein dürfte, und Gelegenheit
zur Äußerung binnen zwei Wochen eingeräumt. Es werde erwogen, die Berufung(en) als unzulässig zu verwerfen, sofern keine Wiedereinsetzungsgründe
glaubhaft gemacht würden.
Bei dieser Sachlage durften die Kläger darauf vertrauen, dass vor Ablauf der längeren Frist von einem Monat eine Entscheidung
des LSG nicht ergehen würde. Nach dem unwiderlegten Vorbringen der Kläger ist ihnen das Schreiben des LSG vom 21.5.2019 am
24.5.2019 zugegangen, sodass sie davon ausgehen durften, dass ihnen eine Äußerung bis zum Ablauf des 24.6.2019 (§
64 Abs
1, Abs
2 Satz 1
SGG) möglich gewesen wäre. Das LSG hat indes die Berufung(en) der Kläger bereits mit Beschluss vom 13.6.2019 als unzulässig verworfen.
Die Kläger haben auch darlegt, welches Vorbringen durch die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör verhindert worden
ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (vgl zu diesem Erfordernis BSG vom 31.3.2004 - B 4 RA 203/03 B - juris RdNr 10; BSG vom 25.2.2016 - B 9 V 69/15 B - juris RdNr 12; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-
SGG, 2017, § 160a RdNr 14 mwN; zum Beruhenszusammenhang auch Höfling/Burkiczak in Friauf/ Höfling, Berliner Kommentar zum
GG, Art 103 RdNr 104 ff <April 2009>; allgemein Karmanski in Roos/Wahrendorf, 2014,
SGG, §
160a RdNr 85 f mwN). Denn sie haben in der Beschwerdebegründung behauptet, die Berufung bereits am 8.5.2019 per Telefax beim SG eingelegt zu haben, und einen entsprechenden Faxbericht vorgelegt. Es ist nicht auszuschließen, dass das LSG Ermittlungen
zum Zeitpunkt des Eingangs der Berufungsschrift angestellt hätte, wenn es den Klägern möglich gewesen wäre, den im Beschwerdeverfahren
erfolgten Vortrag bereits vor der Entscheidung des LSG zu unterbreiten. Dass sich die Kläger in der am 21.6.2019 beim LSG
eingegangen Berufungsbegründung zur Frage der Wahrung der Berufungsfrist nicht geäußert haben, kann ihnen im hier gegebenen
konkreten Fall nicht entgegengehalten werden, da zu diesem Zeitpunkt die maßgebliche Äußerungsfrist noch nicht abgelaufen
war.
Ob weitere Verfahrensmängel vorliegen, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.
2. Der Senat macht von dem ihm durch §
160a Abs
5 SGG eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch, den Beschluss des LSG aufzuheben und den Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen.
3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.