Leistung wegen eines Mehrbedarfs für eine psychiatrische Behandlung
Gründe:
I
Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II einschließlich einer Leistung
wegen Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 SGB II für den Zeitraum vom 27.12.2005 bis 31.5.2006.
Der Kläger war in dem zuvor benannten Zeitraum schwerbehindert iS des §
2 Abs
2 SGB IX mit einem GdB von 60, ab November 2006 mit einem GdB von 70, wegen der Auswirkungen einer HIV-Erkrankung. Die Gewährung einer
Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Deutsche Rentenversicherung Bund durch Bescheid vom 25.4.2007 ab. Nach Ablauf des
hier streitigen Zeitraums nahm der Kläger vom 21.6. bis 28.6.2006 an einer Berufsfindungs- und Arbeitserprobungsmaßnahme teil
und durchlief vom 2.7. bis 14.12.2007 einen Lehrgang mit dem Ziel "Medienoperator". Am 27.9.2007 schloss der Kläger mit dem
Integrationsfachdienst (IFD) einen Vertrag zur Vermittlung schwerbehinderter Menschen. Vom 1.6. bis 2.11.2008 hatte er eine
Arbeitsgelegenheit inne und nahm vom 3.11. bis 12.12.2008 an einer erweiterten Arbeitserprobung/Berufsfindung teil. In der
mündlichen Verhandlung vor dem LSG legte er ein Attest des Dipl-Psych. W vom 7.10.2007 vor, in dem von einer seit dem 10.1.2006
durchgeführten psychotherapeutischen Einzelbehandlung wegen krankheitswerter psychischer Probleme berichtet wird. Ferner heißt
es in dem Attest, für die Durchführung der aktuellen Umschulungsmaßnahme (Anm: Lehrgang zum "Medienoperator") sei eine fortlaufende
psychotherapeutische Begleitung erforderlich.
Seit dem 1.1.2005 bezieht der Kläger Alg II, wobei ihm ab dem 1.3.2005 eine Mehrbedarfsleistung wegen kostenaufwändiger Ernährung
nach § 21 Abs 5 SGB II gewährt wurde. Für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.5.2006 bewilligte der Beklagte ihm Alg II in Höhe
von 690,23 Euro monatlich, zusammengesetzt aus der Regelleistung von 345 Euro, Leistung für Mehrbedarf nach § 21 Abs 5 SGB
II von 25,56 Euro und Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von 319,67 Euro. Am 27.12.2005 beantragte er Leistungen wegen
eines Mehrbedarfs aufgrund der Erbringung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bzw zur Erlangung eines geeigneten Platzes
im Arbeitsleben nach § 21 Abs 4 SGB II. Durch Bescheid vom 16.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.4.2006
lehnte der Beklagte die Gewährung der Mehrbedarfsleistung nach § 21 Abs 4 SGB II mit der Begründung ab, es fehle hier an einer
Leistung zur Teilhabe - es seien nur Leistungen zur Beratung und Vermittlung iS des §
33 Abs
3 Nr
1 SGB IX erbracht worden.
Das SG hat die Klage auf Mehrbedarfsleistungen für den Zeitraum vom 27.12.2005 bis 31.5.2006 abgewiesen, weil es in diesem Zeitraum
an der Erbringung einer Teilhabeleistung iS des § 21 Abs 4 SGB II gemangelt habe. Beratung und Vermittlung durch den Beklagten
alleine sei insoweit nicht ausreichend (Urteil vom 30.5.2007). Das LSG hat durch Urteil vom 1.12.2009 die Berufung des Klägers
hiergegen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe sein Begehren in der mündlichen Verhandlung vor
dem LSG auf Leistungen für den Zeitraum vom 27.12.2005 bis 31.5.2006 begrenzt. Bescheide für weitere Leistungszeiträume seien
ebenso wenig wie die Bescheidung des Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Im Streit stehe die Höhe des Alg II insgesamt, da die Mehrbedarfsleistung keinen selbstständigen
Streitgegenstand darstelle. Der Bescheid vom 16.3.2006 ergänze insoweit den Bescheid vom 8.11.2005. Ein Anspruch auf die Mehrbedarfsleistung
des § 21 Abs 4 SGB II sei jedoch nicht gegeben. Der Kläger habe im streitigen Zeitraum nicht an einer Maßnahme iS des §
33 SGB IX teilgenommen, das sei erst ab 21.6.2006 der Fall gewesen, also nach Ablauf des hier streitigen Zeitraums. Mit der psychotherapeutischen
Maßnahme sei ihm keine regelförmige Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht worden. Es handele sich vielmehr um eine
Krankenbehandlung iS des §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGB V. Zudem mangele es an einer Bewilligung der Leistung nach §
33 SGB IX durch Verwaltungsakt. Auch die allgemeine Beratungs- und Unterstützungsleistung des Beklagten sei keine regelförmige Maßnahme,
sodass eine hierauf gegründete Mehrbedarfsleistung ebenfalls ausscheide.
Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügt eine Verletzung des § 21 Abs 4 SGB II. Er macht geltend,
dass er mit der psychotherapeutischen Behandlung eine sonstige Hilfe iS des § 21 Abs 4 SGB II erhalten habe. Zielrichtung
der Psychotherapie und der medizinischen Versorgung sei es gewesen, den Kläger soweit zu stabilisieren, dass er ein Mindestmaß
an Leistungsfähigkeit aufrechterhalten könne. Die Bewilligung durch Verwaltungsakt sei nicht erforderlich und stelle eine
reine "Förmelei" dar. Es sei vielmehr die Rechtslage nach dem BSHG fortzuschreiben, sodass es nicht auf die Bewilligung, sondern ausschließlich auf die Zugehörigkeit zum Kreis der behinderten
Menschen ankomme.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Dezember 2009 und des Sozialgerichts Berlin vom 30. Mai 2007
sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2006 aufzuheben
und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheides vom 8. November 2005 im Zeitraum vom 27. Dezember 2005
bis 31. Mai 2006 höheres Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung einer Leistung für Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB II zu
gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen in der Entscheidung des LSG für zutreffend.
II
Die Revision ist unbegründet.
Das LSG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf pauschale Leistungen wegen Mehrbedarfs aufgrund der
Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben iS des § 21 Abs 4 SGB II hat. Dem Kläger sind weder mit der allgemeinen
Beratungs- und Betreuungsleistung durch den Beklagten, noch der Durchführung einer psychotherapeutischen Behandlung Teilhabeleistungen
iS des §
33 SGB IX oder eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben erbracht worden.
1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß §
70 Nr 1
SGG beteiligtenfähig (vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua - B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten
Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation
des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war entsprechend von Amts wegen
zu berichtigen.
Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB
II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art
91e Abs
1 und
3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt (BSG Urteile vom 18.1.2011, ua - B 4 AS 99/10 R).
2. Streitig ist der Zeitraum vom 27.12.2005 bis zum 31.5.2006. Der Kläger hat eine Begrenzung des streitigen Zeitraums in
der mündlichen Verhandlung vor dem LSG auf den Zeitpunkt ab der Beantragung der Mehrbedarfsleistung vorgenommen. Insofern
obliegt ihm die Dispositionsbefugnis selbst dann, wenn diese auf einer falschen Rechtsauffassung beruht. Denn eines solchen
Antrags hätte es im Lichte des § 37 SGB II nicht bedurft. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (BSG Urteile vom 22.3.2010
- B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38; 23.3.2010 - B 14 AS 6/09 R - BSGE 106, 78 = SozR 4-4200 § 37 Nr 2; 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3) ist der Antrag im SGB II jeweils so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst
weitgehend zum Tragen kommt (Grundsatz der Meistbegünstigung, vgl BSG Urteile vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38; 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13; 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217, 230 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1). Daher sind mit dem Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 1.11.2005 alle Leistungen als
beantragt iS des § 37 SGB II anzusehen, die nach Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen. Der Antrag auf Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts umfasst mithin auch Leistungen für einen Mehrbedarf iS des § 21 Abs 4 SGB II. Insoweit bedarf
es der gesonderten Antragstellung nicht, auch nicht für den erst nach Erlass des Bewilligungsbescheides behaupteten Bedarf
durch die Psychotherapie (vgl BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 62/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 38).
3. Die Bescheide des Beklagten vom 8.11.2005 und 16.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.4.2006 sind - im
Hinblick auf die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und soweit der Beklagte die Gewährung
einer Leistung wegen Mehrbedarfs nach § 21 Abs 4 SGB II abgelehnt hat - rechtmäßig. Sie waren nicht gemäß §§ 44 ff SGB X (iVm § 40 Abs 1 SGB II) aufzuheben. Das LSG hat zu Recht ausgeführt, dass eine Begrenzung des Streitgegenstandes auf die Leistung für Mehrbedarf
nicht erfolgen kann und deshalb hier eine Entscheidung über alle Anspruchsvoraussetzungen der Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts iS des § 19 Satz 1 Nr 1 SGB II idF des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003
(BGBl I 2954) dem Grunde und der Höhe nach vorzunehmen ist. Es ist dabei zunächst davon auszugehen, dass dem Kläger für den
streitigen Zeitraum vom 27.12.2005 bis zum 31.5.2006 Leistungen nach den §§ 20, 21 Abs 5 und 22 SGB II in zutreffender Höhe
bewilligt worden sind. Dieses ist nicht zu beanstanden, denn gegen die in dem Bescheid vom 8.11.2005 aufgeführten Berechnungen
bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist durch den Antritt der Psychotherapie am 10.1.2006 der Bewilligungsbescheid vom
8.11.2005 nicht durch eine nachträglich eintretende wesentliche Änderung der Verhältnisse rechtswidrig geworden (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X). Ebenso ist der Bescheid im Hinblick auf die Beratungs- und Betreuungsleistungen des Beklagten nicht ursprünglich rechtswidrig
(§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X). Zutreffend hat das LSG entschieden, dass die Ablehnung einer Mehrbedarfsleistung nach § 21 Abs 4 SGB II durch den Beklagten
nicht zu beanstanden war. Daher ist auch der Bewilligungsbescheid insoweit rechtmäßig.
4. Einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen eines Mehrbedarfs auf Grund
der Teilnahme an einer Teilhabeleistung hat der Kläger nicht. Nach § 21 Abs 4 SGB II idF des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen
am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) erhalten erwerbsfähige behinderte Hilfebedürftige, denen Leistungen zur Teilhabe
am Arbeitsleben nach §
33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben oder Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige
angemessene Tätigkeit erbracht werden, einen Mehrbedarf von 35 vom Hundert der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung.
Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen dieser Normen insofern, als er zum Kreis der erwerbsfähigen behinderten Hilfebedürftigen
gehört.
a) Der Senat hat bereits entschieden, dass die fragliche Leistungsgewährung nicht zwingend auf Bewilligungsbescheiden des
Grundsicherungsträgers beruhen muss. Ausreichend für die Erfüllung des Merkmals "erbracht werden" ist, dass eine in der Regelung
bezeichnete Eingliederungsmaßnahme tatsächlich durchgeführt wird (BSG Urteil vom 25.6.2008 - B 11b AS 19/07 R - BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1). Darüber hinaus ist unerheblich, ob die Leistung durch den Grundsicherungsträger durch Verwaltungsakt
bewilligt worden ist (vgl aber auch Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 21). Ausreichend ist vielmehr, dass die Leistungsgewährung
auf Veranlassung des Grundsicherungsträgers oder eines anderen Sozialleistungsträgers, etwa des Rentenversicherungsträgers
(Fortführung von BSG Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9) erfolgt. Erbracht worden sind die Leistungen im vorliegenden Fall durch den Beklagten selbst und
die gesetzliche Krankenkasse. Es hat sich dabei allerdings nicht um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder eine sonstige
Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes gehandelt.
b) Die Bewertung der Beratungs- und Betreuungsleistungen des Beklagten als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben iS des
§
33 SGB IX scheitert bereits daran, dass es sich insoweit nicht um Leistungen im Rahmen einer regelförmigen Maßnahme handelt. Nach der
Rechtsprechung des erkennenden Senats ist nur die Teilnahme an einer regelförmigen besonderen Maßnahme grundsätzlich geeignet,
einen Mehrbedarf beim Betroffenen auszulösen (so ausdrücklich bereits BSGE 101, 79 = SozR 4-3500 § 54 Nr 1). Diese einschränkende Auslegung folgt aus dem Wortlaut und dem aus der Entstehungsgeschichte der
Norm herzuleitenden spezifischen Sinn und Zweck des Mehrbedarfs.
Die Begrenzung des aufgeführten Leistungsspektrums folgt aus Satz 2 der Vorschrift, denn danach wird eine weitere Gewährung
dieses Mehrbedarfs während einer angemessenen Übergangszeit nach Beendigung der in Satz 1 "genannten Maßnahmen" eröffnet.
Die Formulierung des Satzes 2 weist dementsprechend aus, dass sich die Leistungserbringung innerhalb eines organisatorischen
Rahmens vollziehen muss, der eine Bezeichnung als "Maßnahme" rechtfertigt.
Der Senat hat sich mit diesem Ergebnis durch den aus der Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck der Regelung bestätigt
gesehen. Vorgängervorschrift für § 21 Abs 4 SGB II war - worauf der Kläger zutreffend hinweist - die in § 23 Abs 3 BSHG getroffene Regelung (vgl BT-Drucks 15/1516 S 57), nach dessen Satz 1 für Behinderte, die das 15. Lebensjahr vollendet haben
und denen Eingliederungshilfe nach § 40 Abs 1 Nr 3 bis 5 BSHG gewährt wird, ein Mehrbedarf von 40 vH des maßgebenden Regelsatzes anerkannt wurde, soweit nicht im Einzelfall ein abweichender
Bedarf bestand. Durch den Verweis auf § 40 Abs 1 Satz 1 Nr 3 BSHG (idF durch Art 67 des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046) waren bereits die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
33 SGB IX sowie sonstige Hilfen zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben erfasst. § 23 Abs 3 BSHG geht wiederum zurück auf das Zweite Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vom 22.12.1981 (2. Haushaltsstrukturgesetz,
BGBl I 1523) und schloss eine Lücke, die ansonsten durch die Aufhebung der Mehrbedarfsregelung im Rahmen der Eingliederungshilfe
entstanden wäre (vgl Schellhorn/Jirasek/Seipp, Kommentar zum BSHG, 11. Aufl 1984, § 23 RdNr 15). Das zuvor geltende Recht der Eingliederungshilfe hatte in § 41 Abs 2 Satz 2 BSHG (idF des Bundessozialhilfegesetzes vom 30.6.1961, BGBl I 815) vorgesehen, dass für Behinderte, die nicht mehr im volksschulpflichtigen
Alter waren, für den laufenden Lebensunterhalt ein Mehrbedarf von mindestens 50 vH des maßgebenden Regelsatzes anzuerkennen
war, wenn der Lebensunterhalt nach Regelsätzen zu bemessen war. Sie lehnte sich an die Regelungen über die Ausbildungsbeihilfe
an (vgl BT-Drucks 3/1799 S 46 zu § 39), die in der Parallelregelung des § 33 Abs 2 Satz 2 BSHG ebenfalls einen entsprechenden Mehrbedarf vorgesehen hatte. Diese enge Anlehnung der Sätze an die Ausbildungsbeihilfe belegt,
dass der Mehrbedarf an strukturierte Maßnahmen geknüpft war, die über bloße Kontaktaufnahmen mit Beratung hinausgehen mussten
und jedenfalls vom Grundsatz her geeignet waren, einen zusätzlichen Bedarf hervorzurufen.
Dieses war nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG bei den allgemeinen Beratungs- und Betreuungsleistungen
des Beklagten nicht der Fall. Sie erfolgten aufgrund der allgemeinen Beratungs- und Unterstützungspflicht des Leistungsträgers
nach §§
13,
14 SGB I sowie der besonderen Beratungsverpflichtung im Rahmen des Förderauftrags des Grundsicherungsrechts nach §
14 Satz 1 SGB II.
Bei der Beratung und Betreuung des Klägers durch den Beklagten handelt es sich auch nicht um eine sonstige Hilfe zur Erlangung
eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben. Bereits aus systematischen Gründen muss die "sonstige Hilfe" iS des § 21 Abs 4 SGB
II über das hinausgehen, was dem Jobcenter etwa im Rahmen des § 14 Satz 1 SGB II als allgemeine Unterstützungsaufgabe zugewiesen
ist. Da die "sonstigen Hilfen" innerhalb des §
21 Abs
4 SGB II gleichwertig neben den Leistungen nach §
33 SGB IX aufgeführt werden, ist einerseits eine gewisse Gleichwertigkeit dieser Leistungen zu fordern. Eine sonstige Hilfe darf also
qualitativ nicht hinter den Anforderungen zurückstehen, die an die konkret in §
21 Abs
4 SGB II benannten Maßnahmen, insbesondere die Hilfen nach §
33 SGB IX (vgl auch Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 45) zu stellen sind. Andererseits muss es
sich bei den sonstigen Hilfen um andere als die nach §
33 SGB IX vorgesehenen handeln, denn ansonsten hätte es deren ausdrücklicher Benennung nebeneinander im Normtext nicht bedurft. Allgemeine
Beratungs- und Betreuungsleistungen scheiden daher bereits deswegen als sonstige Hilfe iS des §
21 Abs
4 SGB II aus, weil auch §
33 Abs
3 Nr
1 SGB IX Beratungsund Betreuungsleistungen als Teilhabeleistungen, beispielsweise im Sinne einer vermittlungsunterstützenden Leistung
vorsieht. Diese können nach der Rechtsprechung des Senats auch einen Leistungsanspruch nach § 21 Abs 4 SGB II auslösen, vorausgesetzt
die Unterstützung erfolgt beispielsweise durch den Integrationsfachdienst im Rahmen einer regelförmigen Maßnahme (BSG Urteil
vom 22.3.2010 - B 4 AS 59/09 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 9). Das war hier - ohne Präjudiz für die Bewertung der Sach- und Rechtslage außerhalb des streitigen
Zeitraums - frühestens mit dem Abschluss des Vertrages zwischen dem Kläger und dem Integrationsfachdienst am 27.9.2007 der
Fall.
c) Auch die Psychotherapie ist keine Maßnahme die iS des § 21 Abs 4 SGB II, die eine Mehrbedarfsleistung auslösen könnte.
An der Regelförmigkeit der Maßnahme dürfte im vorliegenden Fall die pauschale Mehrbedarfsgewährung zwar nicht scheitern. Es
handelt sich bei der Psychotherapie im hier streitigen Zeitraum jedoch nach Inhalt und Schwerpunkt der Maßnahme nicht um eine
solche zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
33 SGB IX.
Unbeachtlich ist insoweit allerdings die von dem Beklagten problematisierte Frage der Beauftragung bzw Kostenträgerschaft
für die hier fragliche Maßnahme. Denn den in § 21 SGB II geregelten Mehrbedarfen liegt übereinstimmend der Gedanke zugrunde,
dass bei bestimmten Gruppen von Hilfebedürftigen und besonderen Bedarfssituationen von vornherein feststeht, dass der in der
Regelleistung pauschalierte Bedarf den besonderen Verhältnissen nicht gerecht wird (Behrend in jurisPK-SGB II, 2. Aufl 2007,
§ 21 RdNr 15; Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 4). Trotz der pauschalierenden Betrachtungsweise
der Norm setzen die Mehrbedarfe allein bei der Situation des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen an, dem in Fällen bestimmter
festgelegter Bedarfslagen zusätzliche Leistungen gewährt werden sollen. Dies schließt es aus, hinsichtlich des Anspruchs auf
eine Mehrbedarfsleistung nach § 21 Abs 4 SGB II auf die Frage der Beauftragung bzw Kostenträgerschaft abzustellen. Denn bei
der Beauftragung bzw Kostenträgerschaft handelt es sich um Umstände, die außerhalb der Sphäre des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
liegen und seine Bedarfslage nicht beeinflussen. Auch soweit die hier fragliche Psychotherapie durch die Krankenkasse finanziert
worden ist, steht allein dies der Gewährung einer Mehrbedarfsleistung nicht entgegen.
Zutreffend hat das LSG für den hier streitigen Zeitraum jedoch die Psychotherapie als medizinische Maßnahme und nicht als
eine solche zur Teilhabe am Arbeitsleben beurteilt. Zwar umfassen die Leistungen nach §
33 Abs
6 SGB IX auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um die
in Absatz 1 genannten Ziele zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder
ihre Verschlimmerung zu verhüten. Ziel der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
33 Abs
1 SGB IX ist es jedoch, die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit
zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu
sichern. Daher ist nicht jede psychotherapeutische Maßnahme sogleich eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben. Psychotherapie
kann als Leistung der Akutbehandlung im Rahmen des §
27 SGB V ebenso wie als medizinische Rehabilitationsleistung iS des §
26 SGB IX oder Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §
33 SGB IX erbracht werden. Die Abgrenzung von medizinischen Akutmaßnahmen im krankenversicherungsrechtlichen Sinne, medizinischer und
beruflicher Rehabilitation hat danach zu erfolgen, wo nach dem Inhalt der Maßnahme deren Schwerpunkt liegt, also etwa in der
Verbesserung bzw Erhaltung des gesundheitlichen Zustandes oder der Befähigung zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl zur Abgrenzung
medizinische Rehabilitation und berufliche Rehabilitation: BSG Urteile vom 12.8.1982 - 11 RA 62/81 - BSGE 54, 54 = SozR 2200 § 1237 Nr 18; 23.4.1992 - 13 RJ 25/91 - SozR 3-2200 § 1237 Nr 2; 26.5.1976 - 12/7 RAr 41/75 - SozR 4100 § 56 Nr 4; 23.4.1992 - 13 RJ 27/91). Damit eine Maßnahme als eine solche der "beruflichen Rehabilitation" eingeordnet werden kann, muss sie final auf die in
§
33 Abs
1 SGB IX umschriebenen Ziele der Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben ausgerichtet sein, also der Vermittlung von Kenntnissen und
Fähigkeiten dienen, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit befähigen (BSG Urteil vom 26.5.1976 - 12/7 RAr 41/75 - SozR 4100 § 56 Nr 4). Das ist bei der im streitigen Zeitraum vom Kläger durchgeführten Psychotherapie nicht der Fall.
Das LSG hat die psychotherapeutische Behandlung insoweit als medizinische Akutbehandlung nach §
27 Abs
1 Satz 2 Nr
1 SGB V bewertet. Das ist nicht zu beanstanden. Nach §
27 Abs
1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre
Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ärztliche Behandlung einschließlich
Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung. In dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem
LSG vorgelegten Attest des Dipl-Psych. W vom 7.10.2007, das der Würdigung des Berufungsgerichts zugrunde liegt, wird von einer
seit dem 10.1.2006 durchgeführten psychotherapeutischen Einzelbehandlung wegen krankheitswerter psychischer Probleme berichtet.
Ausrichtung und Schwerpunkt der Therapie treten hier klar zu Tage. Es ging um die Behandlung einer Krankheit. Der Schwerpunkt
der hier durchgeführten Maßnahme lag mithin - wie vom LSG festgestellt und für den Senat nach §
163 SGG bindend, da der Kläger keine Verfahrensrügen insoweit vorgebracht hat - auf der Erhaltung und/oder Besserung seines Gesundheitszustandes.
Sie war damit nicht in erster Linie darauf ausgerichtet, die Erwerbsfähigkeit des Klägers zu erhalten, zu verbessern, herzustellen
oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern, wie es §
33 Abs
1 SGB IX voraussetzt. Letztlich scheint auch der Kläger dieser Einordnung zu folgen, wenn er in der Revisionsbegründung ausführt,
dass es sich bei der Psychotherapie um eine medizinische Versorgung gehandelt habe, deren Ziel seine "Stabilisierung" gewesen
sei. Ob sich diese Ausrichtung im Verlaufe der Zeit geändert hat, war hier nicht zu entscheiden. Zwar heißt es in dem Attest
weiter, für die Durchführung der aktuellen Umschulungsmaßnahme sei eine fortlaufende psychotherapeutische Begleitung erforderlich.
Ausweislich der bindenden Feststellungen des LSG hat der Kläger die "Umschulungsmaßnahme" im Rahmen eines Lehrgangs zum "Medienoperator",
auf die in dem Attest Bezug genommen wird, erst am 2.7.2007, also nach Ablauf des hier streitigen Bewilligungszeitraums begonnen.
Während des hier streitigen Zeitraums befand er sich in keiner Maßnahme der Berufsfindung, Arbeitserprobung oder Umschulung.
Dahinstehen konnte daher auch, ob die psychologischen Hilfen iS des §
33 Abs
6 SGB IX - wie vom Beklagten vorgebracht - nur dann als solche zur Teilhabe am Arbeitsleben bewertet werden können, wenn sie als Annexleistungen
bei der Durchführung einer Maßnahme iS des §
33 Abs
3 SGB IX erbracht werden (vgl hierzu Luik, juris-PK
SGB IX, §
33 RdNr 132; so wohl auch Voelzke in Neumann/Deinert, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, 2. Aufl 2009, § 11 RdNr
49).
Soweit der Kläger geltend macht, die Psychotherapie sei auch darauf ausgerichtet gewesen, ein Mindestmaß an Leistungsfähigkeit
aufrechtzuerhalten, ändert dieses nichts an der zuvor dargelegten Bewertung. Zum einen ist das Ziel, ein "Mindestmaß an Leistungsfähigkeit"
zu erlangen, kein spezifisches Ziel im Hinblick auf die Befähigung zur Teilhabe am Arbeitsleben, sondern kann sich ebenso
auf die körperliche und psychische Gesundheit beziehen. Des Weiteren liegt es im Wesen vieler, auch spezifischer Rehabilitationsmaßnahmen,
dass sie multifunktional wirken (BSG Urteil vom 23.4.1992 - 13 RJ 25/91 - SozR 3-2200 § 1237 Nr 2). So können medizinische Maßnahmen der Rehabilitation auf die Wiederherstellung oder den Erhalt
der Erwerbsfähigkeit ausgerichtet sein. Dieses kommt bereits im Wortlaut des §
26 Abs
1 SGB IX zum Ausdruck, wenn es dort heißt, zur medizinischen Rehabilitation behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen werden
die erforderlichen Leistungen erbracht, um (2.) Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit ... zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern,
eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug von laufenden Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen
zu mindern. Welches Ziel eine Maßnahme hat, ist jedoch - wie oben dargelegt - nach dem Inhalt und insbesondere nach dem Schwerpunkt
der Maßnahme zu ermitteln (BSG Urteil vom 12.8.1982 - 11 RA 62/81 - BSGE 54, 54 = SozR 2200 § 1237 Nr 18). Der lag hier auf der Erhaltung und Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers.
5. Soweit der Kläger in der Revisionsbegründung nunmehr vorbringt, im Zusammenhang mit der Psychotherapie und für rezeptfreie
Präparate seien ihm weitere Aufwendungen entstanden, handelt es sich um neuen, im Revisionsverfahren unbeachtlichen Tatsachenvortrag.
Ein Anspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen war daher vom erkennenden Senat nicht zu prüfen.
Die Kostentscheidung beruht auf §
193 SGG.