Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende; Voraussetzungen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft
Gründe:
I
Streitig ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.6.2007 bis 31.12.2010.
Die 1947 geborene Klägerin wohnt seit 1975 mit dem 1941 geborenen L zusammen. 1986 zogen sie in ein gemeinsam finanziertes
und im jeweils hälftigen Eigentum stehendes Eigenheim. Die laufenden Ausgaben für die Finanzierung des Hauses, die Versorgung
mit Energie und den Telefonanschluss finanzieren die Klägerin und L seither über ein gemeinsames Konto. Darüber hinaus verfügen
beide über eigene Konten, für die dem jeweils anderen eine Verfügungsvollmacht erteilt wurde. Für die das Hauseigentum und
den Hausrat betreffenden Versicherungen (Wohngebäude-, Hausrat- und Haftpflichtversicherung) sind beide Versicherungsnehmer.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin ab 20.5.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Durch Bescheid vom 14.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2007 lehnte er die Fortzahlung für die
Zeit ab 1.6.2007 ab. Er ging vom Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft mit L aus. Hilfebedürftigkeit sei nicht gegeben. L bezog
seinerzeit eine Altersrente aus der DRV (1705,75 Euro netto monatlich) sowie eine monatliche Firmenpension (230,24 Euro netto
monatlich). Die Klägerin erfülle sowohl die Voraussetzungen des § 7 Abs 3a Nr 1 SGB II, wonach ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet werde, wenn
Partner länger als ein Jahr zusammenlebten, als auch des § 7 Abs 3a Nr 4 SGB II, wonach die Vermutungsregel zum Tragen komme, wenn Partner befugt seien, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.
Die Klägerin habe die gesetzliche Vermutung auch nicht widerlegt.
Nach Anhörung der Klägerin und Vernehmung des L als Zeugen hat das SG die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.4.2009) und das LSG hat die Berufung der Klägerin hiergegen zurückgewiesen (Urteil vom
8.9.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe für die Zeit ab Juni 2007 keinen Leistungsanspruch
gegen den Beklagten, weil sie nicht hilfebedürftig iS des SGB II sei. Sie sei nicht außerstande, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und
Vermögen sowie aus dem Einkommen und Vermögen ihres Partners L, zu sichern. Voraussetzung für die Annahme einer Partnerschaft
iS des § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Sozialhilfe- als
auch Arbeitsförderungsrecht nur eine derart dichte und auf Dauer angelegte Verbindung, dass angenommen werden könne, die Partner
fühlten sich so füreinander verantwortlich, dass sie zunächst ihren gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellten, bevor sie
ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwendeten. Seiner Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen
einer Einstehensgemeinschaft zwischen der Klägerin und L habe der Beklagte bereits in Anwendung der Vermutungsregel des §
7 Abs 3a Nr 4 SGB II genügt. Selbst nach dem unstreitigen tatsächlichen Vorbringen der Klägerin seien die Voraussetzungen für die Annahme einer
Bedarfsgemeinschaft gegeben. Denn abgesehen davon, dass die Klägerin und L ein gemeinsames Girokonto unterhielten, über das
die gemeinsamen Ausgaben für das Hausgrundstück getätigt würden, bestünden auch für die von beiden allein geführten Girokonten
wechselseitige Vollmachten. Darauf, dass die Klägerin nach ihrem eigenen Vorbringen von der erteilten Vollmacht bislang niemals
Gebrauch gemacht habe, komme es nicht an, denn bereits die diesbezügliche Verfügungsbefugnis genüge, um eine Partnerschaft
zu indizieren. An der Verfassungsmäßigkeit dieser Anknüpfung habe der Senat keine Zweifel. Das BVerfG (Urteil vom 17.11.1992
- 1 BvL 8/87) habe die Befugnis, über das Partnervermögen zu verfügen, als tragendes äußeres Anzeichen für das Bestehen eines gegenseitigen
Einstandswillens bereits hervorgehoben. Ob daneben zusätzlich auch die Voraussetzungen der Vermutungsregel des § 7 Abs 3a Nr 1 SGB II vorlägen, lasse der Senat dahinstehen. Die Klägerin habe die bestehende Vermutung einer Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft
nicht widerlegen können. Insoweit werde auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen. Aus dem
eigenen Vortrag der Klägerin sowie den Angaben des L lasse sich unstreitig entnehmen, dass beide etwa 1988/89 vereinbart hätten,
ein weiteres Zusammenleben auf einer als "freundschaftlich" gekennzeichneten Basis zu versuchen. Sie sähen in der gemeinsamen
Erhaltung des Wohnhauses eine die Zukunftsvorstellung prägende Lebensgrundlage. Zudem hätten beide anderweitige Beziehungen
auch seit 1988/89 kaum jemals, allenfalls kurzzeitig und stets nur außerhalb der häuslichen Sphäre unterhalten, nicht zuletzt
um eine Störung ihres internen Verhältnisses zu vermeiden. Das langjährige Zusammenleben der Klägerin mit L habe daher auch
nach 1988/89 auf einer Beziehung beruht, die trotz einer in wesentlichen Teilen selbstständigen alltäglichen Lebensführung
für beide eine existenziell wichtige und anderweitige partnerschaftliche Beziehungen ausschließende Bedeutung habe. Maßgeblich
sei insoweit das Bestehen einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft, die daneben keine Lebensgemeinschaft gleicher Art
zulasse und sich durch eine enge innere Bindung auszeichne, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründe.
Da hier von der nicht widerlegten Vermutung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft auszugehen sei, komme es nicht
mehr darauf an, ob daneben eine den Alltag prägenden Gemeinschaftlichkeit der Haushaltsführung oder sexuelle Beziehungen bestünden.
Der Senat lasse die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, weil der Klärung bedürfe, ob in Übereinstimmung mit der von
ihm vertretenen Rechtsauffassung auch eine solche Beziehung als Partnerschaft iS von § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II anzusehen sei, in der es an einer indiziellen Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft ebenso wie an einer sexuellen Beziehung fehle,
bei der jedoch der insoweit selbstständigen Lebensführung in einer langjährigen gemeinsamen Wohnung eine über Jahrzehnte aufrechterhaltene
persönliche Beziehung zugrunde liege, neben der anderweitige Beziehungen lediglich sporadisch und außerhalb des häuslichen
Bereichs eingegangen würden, und die mit einer existenziellen Verflechtung der wirtschaftlichen Sphären der Partner durch
die gemeinsame Finanzierung des Wohneigentums einhergehe.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 7 Abs 3 Nr 3c, Abs 3a SGB II. Selbst bei Vorliegen der Vermutungstatbestände müsse berücksichtigt werden, dass eine Partnerschaft dann nicht bestehe,
wenn jemand sein Einkommen oder Vermögen ausschließlich zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse oder zur Erfüllung eigener
Verpflichtungen verwende. Dies sei in der Person des Zeugen L der Fall. Ein Wille, für die Klägerin einzustehen, habe nicht
bestanden. Die Bedienung der Hausschulden sei Jahr für Jahr strikt getrennt hälftig durch die Klägerin und L erfolgt. Ferner
habe sie seit Einstellung der Leistungen nach dem SGB II ihren Lebensunterhalt in Form von monatlichen Abhebungen von dem Sparbuch ihrer Schwester bestritten. Durch Vorlage der Kontoauszüge
und der Auszahlung des Lebensversicherungsvertrages habe sie die Vermutung des § 7 Abs 3a Nr 4 SGB II widerlegt. Aus dem Vorhandensein einer wechselseitigen Kontovollmacht, die auf Verlangen der Bank bei Abschluss der Darlehnsverträge
für den Hauskauf ausgestellt worden sei und von der über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren noch niemals Gebrauch gemacht
worden sei, könne nicht der wechselseitige Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, entnommen
werden. Das bloße Bestehen einer wechselseitigen Kontovollmacht erfülle nicht den Tatbestand des gemeinsamen Wirtschaftens
aus einem Topf, welches für die Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft einer Einstehensgemeinschaft als Voraussetzung vorzuliegen
habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 28. April 2009 und das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom
8. September 2011 sowie den Bescheid des Beklagten vom 14. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. November
2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ab 1. Juni 2007 bis 31. Dezember 2010 Leistungen zur Sicherung
des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des Herrn L zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Ausführungen des LSG für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet.
Der Senat vermag nicht abschließend zu beurteilen, ob der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem
SGB II zustehen. Es kann nach den Feststellungen des LSG nicht erkannt werden, ob die Klägerin und L eine Bedarfsgemeinschaft bilden,
in der das Einkommen und Vermögen des L bei der Berechnung des Alg II der Klägerin zu berücksichtigen ist und ihre Hilfebedürftigkeit
damit entfällt. Insoweit mangelt es insbesondere an Feststellungen, die die Bewertung zulassen, dass die Klägerin und L in
einer Partnerschaft sowie einer Wohnund Wirtschaftsgemeinschaft leben. Sollte das LSG im wiedereröffneten Berufungsverfahren
das Vorliegen dieser beiden objektiven Tatbestandsmerkmale bejahen, wird es gleichwohl, insbesondere unter Beachtung der Revisionsbegründung,
zu prüfen haben, ob die Vermutung einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft zwischen den beiden widerlegt ist.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 14.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.11.2007,
mit dem der Beklagte die Weitergewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 1.6.2007 mangels Hilfebedürftigkeit der Klägerin aufgrund der Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens
des L abgelehnt hat. Die Klägerin hat den streitigen Zeitraum, für den sie Leistungen begehrt, in der mündlichen Verhandlung
vor dem erkennenden Senat bis zum 31.12.2010 beschränkt. Sie bezieht seit dem 1.1.2011 eine Altersrente und ist damit ab diesem
Zeitpunkt gemäß § 7 Abs 4 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
2. Die Vorinstanz hat festgestellt, dass die Voraussetzungen der Nr 1, 2 und 4 des § 7 Abs 1 S 1 SGB II für einen Anspruch auf Alg II vorliegend gegeben sind. Ob bei der Klägerin auch Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II besteht, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen. So mangelt es an Feststellungen des LSG, ob der Hilfebedarf der
Klägerin durch Zuwendungen ihrer Schwester und/oder eigenes Einkommen sowie ggf ab wann gemindert oder gedeckt war. Ausgehend
von seiner Rechtsauffassung brauchte das LSG dies zwar keiner näheren Prüfung zu unterziehen, denn es hat das Vorliegen einer
Bedarfsgemeinschaft der Klägerin und L iS des § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II bejaht, in der das Einkommen und Vermögen des L nach § 9 Abs 2 SGB II zur Bedarfsdeckung der Klägerin zu verwenden wäre, sodass ihre Hilfebedürftigkeit iS des § 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II entfallen sein könnte. Nach § 9 Abs 2 S 1 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.
Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt nach § 9 Abs 2 S 3 SGB II jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig (vgl hierzu nur
BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 15). Das Vorliegen einer derartigen Bedarfsgemeinschaft vermag der Senat allerdings nach den
Feststellungen des LSG im konkreten Fall nicht abschließend nachzuvollziehen.
Nach § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II (in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006,
BGBl I 1706) gehört als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Person zur Bedarfsgemeinschaft, die mit ihm in einem
gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung
füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille wird nach § 7 Abs 3a SGB II vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben (Nr 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr 3) oder befugt sind,
über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr 4). Ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft in diesem
Sinne vorliegt, ist anhand von Indizien und im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen.
Es mangelt hier bereits an Feststellungen des LSG zum Vorliegen einer Partnerschaft zwischen der Klägerin und L sowie des
Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt. Das LSG hat bei seiner rechtlichen Prüfung unbeachtet gelassen, dass § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II für das Vorliegen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft drei Voraussetzungen normiert, die kumulativ vorliegen
müssen: Es muss sich 1. um Partner handeln, die 2. in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, und zwar 3. so, dass nach
verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen
(siehe Hänlein in Gagel, SGB II, Stand 1/2009, § 7 RdNr 46 ff; S. Knickrehm in KSW, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 17; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 44 ff;
Sächsisches LSG Urteil vom 7.1.2011 - L 7 AS 115/09 - juris RdNr 31; Sächsisches LSG Beschluss vom 10.9.2009 - L 7 AS 414/09 B ER - juris RdNr 58; Bayerisches LSG Beschluss vom 9.12.2009 - L 16 AS 779/09 B ER - juris RdNr 14). Bei den Kriterien zu 1. und 2. (Partnerschaft und Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt) handelt
es sich um objektive Tatbestandsvoraussetzungen, die nach der Systematik des § 7 Abs 3 Nr 3 SGB II kumulativ zu der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssen. Partnerschaft und
Zusammenleben im gemeinsamen Haushalt sind zugleich Anknüpfungspunkte der Vermutung des § 7 Abs 3a SGB II (siehe auch Wolff-Dellen in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl 2011, § 7 RdNr 31b). Die subjektive Seite, dass die in einem Haushalt zusammenlebendenden Partner auch den gemeinsamen Willen, füreinander
Verantwortung zu tragen und füreinander einzustehen, haben müssen, wird nach § 7 Abs 3a SGB II bei positiver Feststellung einer der dort aufgezählten vier Fälle - die ebenso wie die beiden objektiven Kriterien von Amts
wegen ermittelt werden müssen (§ 20 SGB X bzw §
103 SGG) - allerdings vermutet. Es obliegt dann dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, diese Vermutung zu widerlegen. § 7 Abs 3a SGB II regelt mithin (nur) die subjektive Voraussetzung einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft und gibt mit den dort aufgezählten,
nicht abschließenden (BT-Drucks 16/1410, 19) Fallgestaltungen Indizien für eine gesetzliche Vermutung von Tatsachen vor, mit
deren Hilfe auf den inneren Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, geschlossen werden kann.
Das SGB II knüpft insoweit an die bisherige Rechtslage und Rechtsprechung zu § 193
SGB III bzw § 137 AFG und § 122 BSHG an. Insbesondere die Notwendigkeit, dass für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft zwingend eine objektiv festzustellende
Partnerschaft sowie Wohnund Wirtschaftsgemeinschaft - neben dem subjektiven Einstehens- und Verantwortungswillen - gegeben
sein muss, folgt dem bisherigen Konzept der Einkommens- und Vermögensberücksichtigung bei existenzsichernden Transferleistungen.
§ 137 Abs 2a AFG (eingefügt zum 1.1.1986 durch das Siebte Gesetz zur Änderung des AFG vom 20.12.1985, BGBl I 2484) regelte für den Bereich der Alhi vor Inkrafttreten des § 193
SGB III, dass Einkommen und Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, wie das Einkommen
und Vermögen eines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen sind. Nach der Rechtsprechung des BSG war eine eheähnliche Gemeinschaft iS des § 137 Abs 2a AFG gegeben, wenn zwei miteinander nicht verheiratete Personen, zwischen denen die Ehe jedoch rechtlich grundsätzlich möglich
ist, so wie ein nicht getrennt lebendes Ehepaar in gemeinsamer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft leben, sie also in Übereinstimmung
einen gemeinsamen Haushalt so führen, wie es für zusammenlebende Ehegatten typisch ist (BSG Urteil vom 24.3.1988 - 7 RAr 81/86 - BSGE 63, 120, 123 = SozR 4100 § 138 Nr 17; BSG Urteil vom 26.4.1989 - 7 RAr 116/87). Das BSG bezog sich hierbei (auch) auf die Vorschrift des früheren § 149 Abs 5 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG, idF vom 23.12.1956, BGBl I 1018 - Bekanntmachung
der Neufassung vom 3.4.1957, BGBl I 321 - § 141e Abs 5 desselben Gesetzes idF vom 16.4.1956, BGBl I 243), wonach im Rahmen
der dortigen Bedürftigkeitsprüfung bei der Alhi ebenfalls das Einkommen und Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen
in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, in gleicher Weise zu berücksichtigen war wie das Einkommen und Vermögen des Ehegatten.
Diese Vorschrift hatte das BVerfG (Beschluss vom 16.12.1958 - 1 BvL 3/57, 4/57 und 8/58 - BVerfGE 9, 20 = SozR Nr 42 zu Art
3 GG) als mit dem
GG vereinbar erklärt und als wesentliches Vergleichselement darauf abgestellt, dass in der eheähnlichen Gemeinschaft wie in
einer Ehe "aus einem Topf" gewirtschaftet werde.
Ebenfalls auf das objektive Kriterium des "Wirtschaftens aus einem Topf" in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft stellte
die Rechtsprechung im Bereich der Sozialhilfe ab (siehe nur BVerwG Urteil vom 27.2.1963 - BVerwGE 15, 306; BVerwG Urteil vom 20.1.1977 - BVerwGE 52, 11; BVerwG Urteil vom 20.11.1984 - BVerwGE 70, 278), wonach gemäß § 122 BSHG Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfanges der Sozialhilfe nicht
besser gestellt werden durften als Ehegatten.
Zwar forderte das BVerfG in seinem Urteil vom 17.11.1992 (1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3) zu § 137 Abs 2a AFG, dass die Beziehungen in einer eheähnlichen Gemeinschaft über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen
müssten. Die Partner müssten in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft dergestalt leben, dass sie zunächst den gemeinsamen
Lebensunterhalt sicherstellten, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwendeten. Demnach
ist zusätzlich ein subjektives Element iS eines Verantwortungs- und Einstehenswillens erforderlich (wie ihn § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II iVm § 7 Abs 3a SGB II nunmehr auch ausdrücklich anführt). An dem Erfordernis einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft als Grundvoraussetzung
änderte dies jedoch nichts. Im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG änderte sowohl das BSG als auch das BVerwG seine Rechtsprechung zwar. Sie bezogen die weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen einer eheähnlichen
Gemeinschaft mit ein. Das BSG ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass daneben weiter das Bestehen einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen
den Partnern erforderlich sei (siehe nur BSG Urteil vom 29.4.1998 - B 7 AL 56/97 R - SozR 3-4100 § 119 Nr 15; BSG Urteil vom 17.10.2002 - B 7 AL 96/00 R - BSGE 90, 90, 94 = SozR 3-4100 § 119 Nr 26; BSG Urteil vom 17.10.2002 - B 7 AL 72/00 R - SozR 3-4300 § 144 Nr 10; BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 11a/7a AL 52/06 R - SozR 4-4300 §
144 Nr 16 RdNr 17; ebenso in der Literatur Ebsen in Gagel,
SGB III, Stand 7/1999, § 193 RdNr 54 ff; Henke in Hennig, AFG, Stand 7/1997, § 137 RdNr 33).
Dass auch nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II ein "Wirtschaften aus einem Topf" vorab als Voraussetzung für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft zu prüfen ist, zeigt
auch die Entwicklung des § 7 SGB II sowie die Gesetzesbegründung hierzu. In § 7 Abs 3 Nr 3b SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, BT-Drucks 15/1516, 52)
hieß es zunächst "Zur Bedarfsgemeinschaft gehören als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ... b) die Person, die mit
dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt". Die mit dem Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung
für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) zum 1.8.2006 erfolgte Änderung des § 7 Abs 3 Nr 3b SGB II sollte lediglich bewirken, dass auch Partner einer nicht eingetragenen gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft eine Bedarfsgemeinschaft
bilden können und damit eine Schlechterstellung von Ehepartnern, Partnern einer eheähnlichen Gemeinschaft aber auch Partnern
einer gleichgeschlechtlichen eingetragenen Lebenspartnerschaft im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensanrechnung aufheben
(vgl BT-Drucks 16/1410, 19). Auswirkungen auf die bis dahin aufgestellten Voraussetzungen einer "eheähnlichen Gemeinschaft"
waren damit nicht verbunden. Vielmehr ließen sich nun diese Voraussetzungen auch auf nicht eingetragene gleichgeschlechtliche
Lebenspartnerschaften übertragen. Mit der gleichzeitigen Einfügung des § 7 Abs 3a SGB II hat der Gesetzgeber lediglich zu dem vom BVerfG geforderten wechselseitigen Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und
füreinander einzustehen, eine Vermutungsregelung eingefügt, ohne hierdurch die objektiven Voraussetzungen einer Bedarfsgemeinschaft
unter nicht verheirateten Partnern zu verändern.
a) Von dem Bestehen einer Partnerschaft ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung von BVerfG (Urteil vom 17.11.1992 -
1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3) und BSG (s nur BSG BSGE 90, 90, 100 = SozR 3-4100 § 119 Nr 26, RdNr 39) auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft
daneben zulässt. Zudem muss zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und dem Dritten die grundsätzliche rechtlich zulässige
Möglichkeit der Heirat bzw Begründung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG bestehen (s Hänlein in Gagel SGB II/SGB III, Stand 01/2009, § 7 SGB II RdNr 47; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 45). Anhand dieser Kriterien wird das LSG nunmehr - ohne gleichzeitige Einbeziehung des subjektiven Merkmals des Einstehens-
und Verantwortungswillens - aufgrund der objektiven Gegebenheiten eine insoweit eigenständige Beweiswürdigung vornehmen müssen.
Dabei wird es insbesondere die von ihm selbst dargelegten Aspekte der fehlenden sexuellen Beziehungen zwischen der Klägerin
und L, der nur seltenen anderweitigen partnerschaftlichen Beziehungen beider Beteiligter und des Pflegens von anderen Beziehungen
nur außerhalb des gemeinsamen häuslichen Bereichs in seine Wertung einzubeziehen haben.
b) Das "Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt" iS des § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II erfordert - wie bereits dargelegt - das Bestehen einer "Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft". § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II stellt damit bereits vom Wortlaut her (im Gegensatz zu § 7 Abs 3 Nr 3a und b SGB II für den nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten bzw Lebenspartner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, siehe auch BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, RdNr 14) auf zwei Elemente ab, nämlich das Zusammenleben und kumulativ das Wirtschaften aus einem
Topf (BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14 AS 6/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 6 RdNr 15; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 68/07 R - BSGE 102, 258 = SozR 4-4225 § 1 Nr 1, RdNr 3; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 5/09 R - juris RdNr 15; BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 16; s auch Hackethal in jurisPK-SGB II, Stand 15.8.2011, § 7 RdNr 56; Hänlein in Gagel, SGB II, Stand 1/2009, § 7 RdNr 47; S. Knickrehm in KSW, 2. Aufl 2011, § 7 RdNr 17; A. Loose in GK-SGB II, Stand 7/2010, § 7 RdNr 56.1; Sauer in Sauer, SGB II, § 7 RdNr 25; Spellbrink in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 46; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 1/2012, § 7 RdNr 216).
Unter "Zusammenleben" in einer Wohnung ist mehr als nur ein bloßes "Zusammenwohnen", wie es bei Wohngemeinschaften der Regelfall
ist, zu verstehen. Andererseits ist es für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft unter nicht ehelich verbundenen Partnern
zwingend, dass sie in "einer Wohnung" zusammenleben. Auch bei einer Ehe ist die häusliche Gemeinschaft zwar ein Grundelement
der ehelichen Lebensgemeinschaft; jedoch kann bei Vereinbarung einer abweichenden Lebensgestaltung auch eine Ehe ohne räumlichen
Lebensmittelpunkt (Ehewohnung) eine solche iS des §
1353 BGB sein (Palandt/Brudermüller,
BGB, 69. Aufl 2010, §
1353 BGB RdNr 6 ff; MünchkommBGB, 5. Aufl 2010, §
1565 RdNr 23; BGH, Urteil vom 7.11.2001 - XII ZR 247/00 - NJW 2002, 671; s auch BSGE 105, 291 = SozR 3-4200 § 7 Nr 16, RdNr 13). Haben die Ehegatten bei oder nach der Eheschließung einvernehmlich ein Lebensmodell gewählt,
das eine häusliche Gemeinschaft nicht vorsieht, kann allein der Wille, diese auf absehbare Zeit nicht herzustellen, ein Getrenntleben
nach familienrechtlichen Grundsätzen nicht begründen (Staudinger/Rauscher,
BGB, 2004, §
1567 RdNr 51). Hier ist vielmehr regelmäßig der nach außen erkennbare Wille eines Ehegatten erforderlich, die häusliche Gemeinschaft
nicht herstellen zu wollen, weil er die eheliche Gemeinschaft ablehnt (§
1567 Abs
1 BGB). Da es bei einer nichtehelichen Partnerschaft an der einzig durch die Eheschließung bereits nach außen dokumentierte Verbundenheit
mangelt und dort diese nur dann verneint werden kann, wenn sie ausdrücklich nach außen hin dokumentiert wird, erfordert die
Annahme einer Bedarfsgemeinschaft unter nicht verheirateten bzw nicht nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz verbundenen Partnern umgekehrt, dass deren Verbundenheit durch das Zusammenleben in einer Wohnung nach außen erkennbar wird.
Zusätzlich bedarf es zum zweiten des gemeinsamen Wirtschaftens. Die Anforderungen an das gemeinsame Wirtschaften gehen dabei
über die gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und ggf Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende
gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigungs- und Sanitärartikeln aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen
Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet noch keine Wirtschaftsgemeinschaft. Entscheidend insoweit ist, dass der Haushalt
von beiden Partnern geführt wird, wobei die Beteiligung an der Haushaltsführung von der jeweiligen wirtschaftlichen und körperlichen
Leistungsfähigkeit der Partner abhängig ist. Die Haushaltsführung an sich und das Bestreiten der Kosten des Haushalts muss
gemeinschaftlich durch beide Partner erfolgen, was allerdings nicht bedeutet, dass der finanzielle Anteil der Beteiligung
am Haushalt oder der Wert der Haushaltsführung selbst gleichwertig sein müssen. Ausreichend ist eine Absprache zwischen den
Partnern, wie sie die Haushaltsführung zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens untereinander aufteilen.
Hierzu mangelt es an Feststellungen des LSG. Es hat das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen der Klägerin
und L im Ergebnis offen gelassen. Das LSG wird im wieder eröffneten Berufungsverfahren die von ihm benannten Aspekte der gemeinsamen
Finanzierung des Hauses sowie der Unterhaltungs- und Betriebskosten hierfür, die gegenseitige Erteilung von Kontovollmachten,
die getrennten Haushaltskassen und im Wesentlichen getrennte Zubereitung und Einnahme der Mahlzeiten einerseits, aber ua auch
die sich aus dem Vorbringen der Klägerin und den Akten ergebenden Erkenntnisse zur Haushaltsführung an sich, sei es die Organisation
des Einkaufs, das Reinigen der Wohnung und der Wäsche sowie der Finanzierungshilfen durch die Schwester der Klägerin in seine
Wertung einzubeziehen haben.
c) Sind die unter a) und b) benannten objektiven Voraussetzungen gegeben, gilt es den Einstehens- und Verantwortungswillen
der Partner festzustellen. Diesen hat das LSG zwar für den Senat bindend, weil nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen
(§
163 SGG), bejaht. Es wird in der erneuten Entscheidung jedoch die Ausführungen der Klägerin in der Revisionsbegründung einer zusätzlichen
Betrachtung unter dem Aspekt der Widerlegbarkeit der Vermutung zu unterziehen haben.
26 Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.