Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
Zulässigkeit einer Klage auf Feststellung des Nichtbestehens einer Kostensenkungsobliegenheit im sozialgerichtlichen Verfahren
Gründe:
I
Im Streit ist, ob die Kläger verpflichtet sind, ihre Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu senken. Sie begehren die Feststellung,
dass eine entsprechende Obliegenheit nicht besteht, hilfsweise die Aufhebung einer Aufforderung des Beklagten zur Kostensenkung.
Die miteinander verlobten Kläger leben in einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft. Die Klägerin ist wegen einer Conterganschädigung
schwerbehindert (Grad der Behinderung 100, Merkzeichen G) und erhält ua Leistungen der Pflegeversicherung nach der Pflegestufe
2. Die Kläger zahlen für eine von ihnen bewohnte Vierzimmerwohnung in Freiburg mit einer Größe von 90,29 qm eine monatliche
Gesamtmiete in Höhe von 760 Euro (Grundmiete 627 Euro, Nebenkosten 80 Euro, Heizkosten 40 Euro, Abstellplatz 13 Euro) und
zusätzlich Abfallgebühren in Höhe von monatlich 11,15 Euro.
Ab dem 1.4.2011 bewilligte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und berücksichtigte dabei als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) die gesamten Wohnungsaufwendungen, mit Ausnahme der
Kosten für den Abstellplatz. Mit Schreiben vom 21.10.2011 wies er die Kläger darauf hin, dass diese alle Möglichkeiten zu
nutzen hätten, die überhöhten Kosten der Unterkunft auf den angemessenen Mietsatz von 364,80 Euro zu senken. Bei einem fehlenden
Nachweis entsprechender Bemühungen würden ab dem Folgemonat die KdUH abgesenkt. Dagegen machte die Klägerin geltend, sie sei
auf diese Wohnung angewiesen, weil sie behindertengerecht eingerichtet sei und sie dort von ihrer Schwester, die im gleichen
Haus wohne, betreut werden könne. Den Widerspruch der Kläger gegen das Schreiben vom 21.10.2011 verwarf der Beklagte als unzulässig
(Widerspruchsbescheid vom 27.9.2012), übernahm aber in der Folgezeit durchgehend die KdUH in der bisherigen Höhe, ausweislich
eines Aktenvermerks (vom 25.9.2012) aufgrund der "Gesamtumstände". Für einzelne Bewilligungsabschnitte vorgenommene Absenkungen
hatte der Beklagte auf Rechtsmittel der Kläger wieder zurückgenommen.
Das SG hat die gegen den Widerspruchsbescheid vom 27.9.2012 gerichtete Klage mit einer weiteren Klage zur gemeinsamen Verhandlung
und Entscheidung verbunden, mit der die Kläger beantragt haben, festzustellen, dass die derzeitigen Kosten der Unterkunft
angemessen iS von § 22 Abs 1 SGB II sind. Beide Klagen hat es sodann als unzulässig abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 8.7.2013). Im Berufungsverfahren hat der
Beklagte an seiner Auffassung ausdrücklich festgehalten, die KdUH der Kläger seien nicht angemessen und es bestehe weiterhin
eine Kostensenkungsobliegenheit (Schriftsatz vom 25.9.2014). Das LSG hat die Berufung der Kläger mit dem Antrag, den "Verwaltungsakt"
vom 21.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.9.2012 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass ihre Unterkunftskosten
im vorliegenden Fall angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II sind, zurückgewiesen (Urteil vom 29.1.2015). Zur Begründung hat es ausgeführt, die gegen die Kostensenkungsaufforderung ausdrücklich
erhobene Anfechtungsklage sei unzulässig, weil die Kostensenkungsaufforderung keinen Verwaltungsakt darstelle. Auch der hilfsweise
gestellte Feststellungsantrag sei unzulässig, weil es am erforderlichen Feststellungsinteresse fehle. Der Beklagte habe durchgehend
ungekürzte Kosten der Unterkunft gewährt, weil er selbst zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die mietvertraglich geschuldete
Kaltmiete aufgrund der Umstände des vorliegenden Einzelfalls weiter der Leistungserbringung zugrunde zu legen sei. Das BSG habe im Übrigen bereits entschieden, dass Leistungsberechtigte für eine bereits angemietete und bewohnte Unterkunft von dem
Grundsicherungsträger keine isolierte Zusicherung der Angemessenheit der Unterkunftskosten beanspruchen könnten.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehren die Kläger in der Hauptsache - anders als im Berufungsverfahren - die Feststellung,
dass eine Obliegenheit, ihre Unterkunftskosten zu senken, nicht besteht, und (nur noch) hilfsweise die Aufhebung der Kostensenkungsaufforderung.
Sie rügen sinngemäß eine Verletzung von Art
19 Abs
4 GG (Rechtsschutzgarantie) iVm §
55 SGG und § 31 SGB X. Es bestehe ein Anspruch auf die begehrte gerichtliche Feststellung. Mit der Kostensenkungsaufforderung werde eine Obliegenheit
begründet und damit ein Rechtsverhältnis, das Gegenstand einer Feststellungsklage nach §
55 SGG sein könne. Nach der Rechtsprechung des BSG sei es zulässig, das Bestehen einer Mitwirkungsobliegenheit nach §
60 SGB I zum Gegenstand einer Feststellungsklage zu machen. Für eine Kostensenkungsobliegenheit müsse dies erst recht gelten. Eine
solche setze die Betroffenen dem Risiko eines irreversiblen Grundrechtseingriffs aus. Entgegen der Auffassung des LSG handele
es sich bei einer Kostensenkungsaufforderung im Übrigen um einen Verwaltungsakt iS von § 31 SGB X, der mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden könne. Als hoheitlicher Akt auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts habe
die Kostensenkungsaufforderung unmittelbare Außenwirkung mit Regelungscharakter, denn sie konstituiere eine Obliegenheit.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29.01.2015 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg
vom 08.07.2013 aufzuheben und festzustellen, dass eine Obliegenheit der Kläger, ihre Unterkunftskosten zu senken, nicht besteht,
hilfsweise,
unter Aufhebung der genannten Entscheidungen den Verwaltungsakt des Beklagten vom 21.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 27.09.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision der Kläger ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§
170 Abs
2 S 2
SGG). Entgegen der Auffassung des LSG ist die Klage auf Feststellung, dass keine Kostensenkungsobliegenheit besteht, zulässig
(dazu 2.). Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat jedoch nicht möglich, weil das LSG - ausgehend von seiner
Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Aufwendungen der Kläger für KdUH angemessen
sind, sowie für den Fall unangemessener Aufwendungen, ob und ggf welche besonderen Umstände einer Obliegenheit der Kläger
zur Kostensenkung entgegenstehen (dazu 3.).
1. Streitgegenstand des Verfahrens ist nach dem im Revisionsverfahren erstmals in dieser Form gestellten Hauptantrag die Feststellung,
dass keine Obliegenheit der Kläger zur Kostensenkung besteht. Die Anfechtungsklage gegen die sog Kostensenkungsaufforderung
durch das Schreiben vom 21.10.2011, welche im Klage- und Berufungsverfahren noch Gegenstand des Hauptantrags war, wird nur
noch hilfsweise verfolgt und der Antrag auf Feststellung, ob die beanspruchten KdUH angemessen sind, ausdrücklich nicht mehr
gestellt. Diese Umstellung der Klageanträge ist zulässig, denn darin liegt keine - im Revisionsverfahren gemäß §
168 S 1
SGG unzulässige - Klageänderung. Nach §
99 Abs
3 Nr
2 SGG ist es nicht als Klageänderung anzusehen, wenn der Klageantrag in der Hauptsache erweitert oder beschränkt wird. Diese aus
Gründen der Prozessökonomie angeordnete Fiktion (vgl Bieresborn in Roos/Wahrendorf,
SGG, 1. Aufl 2014, §
99 RdNr 52; so bereits Pawlak in Hennig,
SGG, §
99 RdNr 17, Stand April 1996) setzt indes voraus, dass eine Umstellung der Anträge ohne Änderung des Klagegrundes erfolgt, dh
der dem Verfahren zugrunde liegende Lebenssachverhalt unverändert bleibt (vgl BSG Urteil vom 5.5.2010 - B 11 AL 28/09 R - SozR 4-4300 §
57 Nr 5 RdNr 10; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
99 RdNr 3; Bieresborn in Roos/Wahrendorf,
SGG, 1. Aufl 2014, §
99 RdNr 52). Von einer solchen Modifikation der Klageanträge ohne Änderung des Klagegrundes ist hier auszugehen. Eine Veränderung
des dem Verfahren zugrunde liegenden Lebenssachverhalts, der rechtlich zu überprüfen ist, hat sich nicht ergeben, die Beschränkung
des Antrags auf die Feststellung des Nichtbestehens einer Obliegenheit statt der Angemessenheit der KdUH beeinflusst den zu
würdigenden Lebenssachverhalt ebenfalls nicht. Auch dass der Hauptantrag zunächst - in einer weitergehenden Fassung - als
Hilfsantrag gestellt worden ist, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, denn das LSG hat über diesen Hilfsantrag wegen der
Erfolglosigkeit des im Berufungsverfahren gestellten Hauptantrags mitentschieden.
Den Feststellungsantrag als Hauptantrag zu formulieren ist im Übrigen sachgerecht, weil die verlangte Feststellung weiter
geht als die Anfechtung der Kostensenkungsaufforderung vom 21.10.2011, selbst wenn diese als Verwaltungsakt anzusehen wäre.
Abgesehen davon, dass sich dieses Schreiben bereits erledigt haben könnte, weil der Beklagte von einer Absenkung der KdUH
zum angekündigten Zeitpunkt ausdrücklich abgesehen hatte (zur Erforderlichkeit einer neuen Kostensenkungsaufforderung vgl
nur BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - BSGE 114, 1 = SozR 4-4200 § 22 Nr 69, RdNr 36), ist die Frage, ob es einen Verwaltungsakt darstellt, ohnehin als Vorfrage im Rahmen der
Zulässigkeitsprüfung der Feststellungsklage zu beantworten. Deren Zulässigkeit könnte nämlich - wenn man von einem Verwaltungsakt
ausgehen würde - im Hinblick auf den Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage entgegenstehen, dass die Anfechtungsklage
als vorrangiges Rechtsmittel in Betracht kommt (dazu später). Die Angemessenheit der KdUH ist ebenfalls als Vorfrage der Feststellung
einer bestehenden Obliegenheit zur Kostensenkung zu klären und damit als isolierter Gegenstand einer Feststellung - ungeachtet
deren Zulässigkeit - verzichtbar. Folgerichtig ist es letztlich auch, die Anfechtungsklage (nur) hilfsweise für den Fall zur
Entscheidung zu stellen, dass der Hauptantrag erfolglos bleibt, da nur dann ein weiterer Rechtsschutzbedarf bestehen würde.
2. Die Feststellungsklage mit dem Antrag, dass keine Obliegenheit der Kläger zur Kostensenkung besteht, ist zulässig. Den
Klägern stehen andere Möglichkeiten, effektiven Rechtsschutz zu erlangen, nicht zur Verfügung und solche werden durch die
Feststellungsklage auch nicht umgangen (dazu a.). Die konkret begehrte Feststellung kann zudem grundsätzlich Gegenstand einer
Feststellungsklage sein (dazu b.). Für sie besteht vorliegend auch das erforderliche Feststellungsinteresse (dazu c.).
a. Die Feststellungsklage ist gegenüber der Gestaltungs- oder Leistungsklage im vorliegenden Fall nicht subsidiär. Zwar gilt
auch im sozialgerichtlichen Verfahren insoweit der Nachranggrundsatz (vgl nur BSG Urteil vom 28.3.2013 - B 4 AS 42/12 R - BSGE 113, 177 = SozR 4-1200 §
60 Nr 3, RdNr 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
55 RdNr 1,
19 ff mwN). Danach muss zunächst die Prüfung anderer zumutbarer Möglichkeiten effektiven Rechtsschutzes erfolgen. Solche liegen
hier nicht vor.
Zwar hätten die Kläger die Möglichkeit, einer Anfechtungs- bzw Anfechtungs- und Leistungsklage im Falle der Absenkung der
Kosten der Unterkunft durch den Beklagten, womit sie für zurückliegende Bewilligungsabschnitte auch erfolgreich gewesen sind.
Doch versagt diese Möglichkeit, wenn - wie hier - eine Absenkung (noch) nicht erfolgt. Effektiver Rechtsschutz kann in Fällen
wie dem vorliegenden allein durch eine Feststellungsklage gewährt werden, denn es ist den Hilfebedürftigen auch mit Rücksicht
darauf, dass existenzsichernde Leistungen im Streit stehen, nicht zumutbar, stets weiter abzuwarten, ob und wann der Beklagte
tatsächlich eine Kostensenkung vornimmt (vgl BSG Urteil vom 28.3.2013 - B 4 AS 42/12 R - BSGE 113, 177 = SozR 4-1200 § 60 Nr 3, RdNr 12). Der Feststellungklage kommt insoweit eine verfassungsrechtlich gebotene Auffangfunktion
zu (vgl Ulmer in Hennig,
SGG, §
55 RdNr 1 und 8, Stand Februar 2009). Denn zur Gewährleistung der Rechtsschutzgarantie in Art
19 Abs
4 S 1
GG darf der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden
(vgl nur BVerfG [Kammer] Beschluss vom 21.10.2015 - 2 BvR 912/15 - RdNr 22 mwN; zuletzt BSG Urteil vom 24.2.2016 - B 13 R 31/14 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 164 Nr 4 vorgesehen, RdNr 13). Dies war hier bei der Auslegung und Anwendung des
Nachranggrundsatzes zu beachten.
Auf eine vorrangige Anfechtungsklage gegen die Kostensenkungsaufforderung durch das Schreiben vom 21.10.2011 sind die Kläger
schon deshalb nicht zu verweisen, weil eine solche unzulässig wäre. Eine Kostensenkungsaufforderung stellt - entgegen der
Auffassung der Revisionsführer - keinen anfechtbaren Verwaltungsakt dar. Vielmehr handelt es sich dabei nach der ständigen
Rechtsprechung des BSG (lediglich) um ein Informationsschreiben mit Aufklärungs- und Warnfunktion (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 29 f; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 RdNr 15 f; BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 41/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 7 RdNr 20; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40). Es stellt ein Angebot an den Leistungsberechtigten dar, in einen Dialog über die Angemessenheit
der Unterkunftskosten einzutreten, ohne dabei aber den Leistungsträger zu verpflichten, im Einzelnen aufzuzeigen, auf welche
Weise die KdUH gesenkt werden könnten (BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 RdNr 15; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40).
Die Ausführungen der Kläger geben keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Selbst wenn eine Information über
die als angemessen anzusehenden KdUH, verbunden mit der Aufforderung, die tatsächlichen Kosten zu senken, im Regelfall eine
Voraussetzung für die im Gesetz vorgesehene Absenkung der Leistungen ist, beinhaltet diese Information für sich betrachtet
noch keine Regelung iS von § 31 SGB X. Eine Regelung setzt voraus, dass eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt wird (vgl nur Engelmann in von Wulffen/Schütze,
SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 23). Allein durch den Hinweis auf bestehende Obliegenheiten zur Kostensenkung wird eine solche Rechtsfolge jedoch noch
nicht gesetzt, sondern eine (mögliche) Änderung der Rechtsposition des Betroffenen lediglich vorbereitet. Ein solcher Hinweis
unterscheidet sich insoweit beispielsweise nicht von einer nach § 24 SGB X vorgeschriebenen Anhörung, die für sich genommen ebenfalls noch keinen Eingriff in Rechte bedeutet und nur als Vorbereitungshandlung
zu qualifizieren ist (vgl nur Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 26).
Den Obliegenheiten entwachsen, anders als die Revisionsführer meinen, keine unmittelbar durchsetzbaren Rechtswirkungen. Dadurch
unterscheiden sie sich von Verwaltungsakten iS von § 31 SGB X. Vielmehr handelt es sich bei Obliegenheiten (lediglich) um Verhaltensaufforderungen/Gebote, deren Verletzung zwar zu gesetzlich
vorgesehenen Rechtsnachteilen führen können (allgemein zu Obliegenheiten Seewald in Kasseler Komm zum Sozialversicherungsrecht,
Vor §§
60-
67 SGB I RdNr 24 ff, Stand Dezember 2010; Mrozynski,
SGB I, 5. Aufl 2014, §
60 RdNr 2). Aber diese Nachteile treten eben nicht unmittelbar durch eine Verletzung der Obliegenheit ein, sondern bedürfen
erst noch der Konkretisierung durch weitere Verwaltungsentscheidungen. So bedarf es - um die Rechtsposition des Betroffenen
verbindlich zu verändern - im Falle einer Mitwirkungspflichtverletzung etwa noch der Versagung oder Entziehung der Leistung
oder im Falle der Verletzung einer Kostensenkungsobliegenheit einer Absenkung der KdUH. Im Unterschied dazu begründen Verwaltungsakte
unmittelbar Rechte und Pflichten, beispielsweise in Form von - jeweils vollstreckbaren - Leistungsansprüchen oder Erstattungspflichten.
b. Die hier begehrte Feststellung, dass keine Obliegenheit zur Kostensenkung besteht, kann gleichwohl von ihrem Inhalt her
grundsätzlich Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Nach §
55 Abs
1 Nr
1 SGG kann mit der Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger
ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Hiervon erfasst wird bereits die Feststellung einzelner Beziehungen
oder Berechtigungen, auch wenn diese aus einem umfassenderen Rechtsverhältnis herrührt (vgl nur BSG Urteil vom 20.11.2001 - B 1 KR 31/00 R - SozR 3-5915 § 3 Nr 1, Juris RdNr 14; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 10/08 R - Juris RdNr 10; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
55 RdNr 6). Als sogenannte vorbeugende Feststellungsklage kann sich die begehrte Feststellung des Weiteren darauf beziehen,
künftiges Verwaltungshandeln aus einem bestehenden Rechtsverhältnis zu unterbinden, wenn ein solches in Form belastender Maßnahmen
bevorsteht (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
55 RdNr 8c; Ulmer in Hennig,
SGG, §
55 RdNr 26, Stand Februar 2009). Unter der Voraussetzung, dass ein Streit der Beteiligten im Ganzen bereinigt wird, ist auch
die Feststellung einzelner Elemente eines Rechtsverhältnisses (Elementenfeststellungsklage) zulässig (vgl BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 5/10 R - Juris RdNr 17; BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 27/14 R - SozR 4-2500 § 76 Nr 3 RdNr 24 mwN; zuletzt Urteil des Senats vom 15.6.2016 - B 4 AS 45/15 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 9a). Bezogen auf das Rechtsverhältnis zwischen Leistungsempfänger nach dem SGB II und dem Leistungsträger hat der Senat insbesondere konkrete Mitwirkungspflichten als zulässigen Gegenstand von Feststellungsklagen
angesehen (vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 10/08 R - [Pflicht zur Vorlage von Kontoauszügen]; BSG Urteil vom 28.3.2013 - B 4 AS 42/12 R - BSGE 113, 177 = SozR 4-1200 § 60 Nr 3 [Pflicht zum Ausfüllen der Anlage "EKS" zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit]).
Hier begehren die Kläger eine Klärung ihrer Obliegenheit zur Senkung der Aufwendungen für KdUH. Ihre rechtssystematische Grundlage
hat eine solche Obliegenheit in § 22 Abs 1 S 3 SGB II iVm § 22 Abs 1 S 1 SGB II (vgl BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 RdNr 13 ff; BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 30; Knickrehm/Hahn in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015,
§ 22 SGB II RdNr 21). Danach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt,
soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II). Übersteigen die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, sind sie als
Bedarf (nur) so lange zu berücksichtigen, wie es dem alleinstehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich
oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in
der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs 1 S 3 SGB II). Erst die Verletzung einer solchen (bestehenden) Kostensenkungsobliegenheit kann demnach dazu führen, dass statt der tatsächlichen
Aufwendungen für KdUH nur die angemessenen Aufwendungen übernommen werden (ausführlich zum Kostensenkungsverfahren Krauß in
Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 144 ff, Stand Oktober 2012).
Bei der Kostensenkungsobliegenheit handelt es sich daher um einen Teil des umfassenderen (Leistungs-)Rechtsverhältnisses zwischen
den Klägern und dem Beklagten, das sich von allgemeinen Mitwirkungspflichten allerdings dadurch unterscheidet, dass eine Verletzung
nicht zur Leistungsversagung oder -entziehung führen kann (§
66 Abs
1 S 1
SGB I), sondern bereits Einfluss auf die (abschließende) Entscheidung über einen Leistungsanspruch hat. Die enge Verbindung zwischen
der Kostensenkungsobliegenheit und der Frage, ob die KdUH angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB II sind, erfordert es jedoch, an die grundsätzliche Zulässigkeit einer auf eine Kostensenkungsobliegenheit gerichtete Feststellungsklage
vergleichbare Anforderungen zu stellen, wie an die Zulässigkeit einer Elementenfeststellungsklage. Eine solche Feststellungsklage
ist daher stets nur dann zulässig, wenn durch sie eine Klärung des Streites der Beteiligten im Ganzen ermöglicht wird. Davon
ist vorliegend auszugehen, denn nach den Feststellungen des LSG bestehen neben der offenen Frage, ob persönliche Umstände
der Kläger einer Kostensenkung entgegenstehen, keine weiteren Streitpunkte.
Der grundsätzlichen Zulässigkeit einer auf eine Kostensenkungsobliegenheit gerichteten Feststellungsklage steht entgegen der
Auffassung des LSG auch die Entscheidung des Senats vom 22.11.2011 (B 4 AS 219/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 57) nicht entgegen. Denn in diesem Verfahren war im Rahmen einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage
allein der Anspruch auf Erteilung einer Zusicherung Streitgegenstand, der in Ermangelung des Vorliegens der tatbestandlichen
Voraussetzungen des § 22 Abs 2 SGB II aF (jetzt § 22 Abs 4 SGB II) verneint wurde. Über eine Feststellungsklage war in diesem Verfahren nicht zu befinden.
c. Schließlich liegt auch ein berechtigtes Interesse der Kläger an der begehrten Feststellung iS von §
55 Abs
1 SGG vor. Insoweit genügt im Allgemeinen zwar bereits ein nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse rechtlicher
Natur (vgl hierzu nur BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 10/08 R - Juris RdNr 12 mwN). Einschränkend ist in Fällen wie dem vorliegenden aber die Zukunftsbezogenheit der begehrten Feststellung
zu berücksichtigen, mit Elementen einer vorbeugenden Feststellung. Hieraus folgt, dass eine auf die Kostensenkungsobliegenheit
gerichtete Feststellungsklage stets nur Ultima Ratio sein kann. Es sind besondere Anforderungen auch an das Feststellungsinteresse
zu stellen. Erforderlich ist insoweit zunächst, wie stets bei vorbeugendem Rechtsschutz (vgl dazu nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 11. Aufl 2014, §
55 RdNr 8c; Ulmer in Hennig,
SGG, §
55 RdNr 26, Stand Februar 2009), dass überhaupt eine belastende Verwaltungsmaßnahme aufgrund der vermeintlich bestehenden Kostensenkungsobliegenheit
bevorsteht. Hiervon kann frühestens dann auszugehen sein, wenn der mit der Kostensenkungsaufforderung initiierte "Dialog"
über die Angemessenheit der KdUH als abgeschlossen anzusehen ist. Unzulässig ist danach insbesondere jede unmittelbar im Anschluss
an eine Kostensenkungsaufforderung erhobene Feststellungsklage. Ein Feststellungsinteresse kann auch nicht auf die allgemeine
Behauptung gegründet werden, die Höhe der vom Beklagten bestimmten Angemessenheitsgrenze sei unzutreffend, denn hierbei handelt
es sich nur um eine Vorfrage der Kostensenkungsobliegenheit. Vielmehr ist es erforderlich, eine auf Tatsachen gestützte Unzumutbarkeit
oder Unmöglichkeit der Kostensenkung iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB II darzulegen.
Das so umschriebene Feststellungsinteresse liegt hier vor. Die Kläger haben Umstände für eine Unzumutbarkeit der Kostensenkung
vorgebracht und sie werden sich für den Fall, dass die zu erwartende Klärung nicht erfolgt, auch künftig im Rahmen ihres Leistungsbezugs
- soweit sich keine wesentlichen Änderungen in den tatsächlichen und rechtlichen Umständen ergeben - der Forderung nach Senkung
ihrer KdUH ausgesetzt sehen (zur Wiederholungsgefahr vgl BSG Beschluss vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 7). Entgegen der Auffassung des LSG ist diese Gefahr nicht deshalb ausgeschlossen, weil der
Beklagte bisher durchgehend die gesamten Aufwendungen der Kläger als KdUH übernommen hat. Denn trotz des konkreten Vorbringens
der Kläger zur Unzumutbarkeit der Kostensenkung, unter Hinweis darauf, dass die derzeitige Wohnung behindertengerecht ausgestattet
und das für die Pflege erforderliche Umfeld gegeben sei, hat der Beklagte noch im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten,
es bestehe weiterhin eine Kostensenkungsobliegenheit.
3. Ob die danach zulässige Feststellungsklage auch begründet ist, vermag der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen
durch das LSG nicht zu beurteilen. Wie oben dargelegt, setzt eine Obliegenheit zur Kostensenkung voraus, dass die Aufwendungen
für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen (vgl § 22 Abs 1 S 3 SGB II). Erst wenn der Vergleich zwischen tatsächlichen Unterkunftskosten und der - unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung
entwickelten Grundsätze - ermittelten Referenzmiete (vgl dazu zuletzt BSG Urteil vom 16.6.2015 - B 4 AS 44/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 85 RdNr 14 ff; BSG Urteil vom 17.2.2016 - B 4 AS 12/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-4200 § 22 Nr 88 vorgesehen, RdNr 18 mwN) ergibt, dass die Aufwendungen der konkret angemieteten
Wohnung die Vergleichsmiete übersteigen, ist der Hilfeempfänger im Sinne einer Obliegenheit gehalten, Maßnahmen zur Kostensenkung
zu ergreifen (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 40).
Von dieser Obliegenheit müssen die Leistungsempfänger zum einen Kenntnis haben, die ihnen in der Regel durch die Kostensenkungsaufforderung
vermittelt wird. Zum anderen müssen Kostensenkungsmaßnahmen sowohl subjektiv zumutbar als auch objektiv möglich sein (grundlegend
dazu BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 30 ff). Hierzu hat der Senat beispielhaft ausgeführt, dass eine subjektive Unzumutbarkeit
der Kostensenkung etwa vorliegen kann, wenn Menschen aufgrund von Behinderung, Pflegebedürftigkeit oder aus sonstigen gesundheitlichen
Gründen auf eine besondere Infrastruktur oder ein spezielles soziales Umfeld angewiesen sind (BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, RdNr 35; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 33). Zudem verlangt die Regelung des § 22 Abs 1 S 4 SGB II seit dem 1.1.2011 (durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453) einen Wirtschaftlichkeitsvergleich (dazu BSG Urteil vom 12.6.2013 - B 14 AS 60/12 R - BSGE 114, 1 = SozR 4-4200 § 22 Nr 69, RdNr 31; Knickrehm/Hahn in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015,
§ 22 SGB II RdNr 23a). Nach § 22 Abs 1 S 4 SGB II darf eine Absenkung der nach S 1 unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der
bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Diesem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit kann
etwa dann Bedeutung zukommen, wenn besondere Wohnbedürfnisse behinderter Menschen - wie hier der Klägerin - bei einem Umzug
Folgekosten wegen erforderlicher Umbaumaßnahmen oder einer Neuorganisation der Pflege nach sich ziehen (vgl Knickrehm/Hahn
in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 4. Aufl 2015, § 22 SGB II RdNr 23a).
Das LSG wird deshalb im wiedereröffneten Berufungsverfahren in einem ersten Schritt zunächst Feststellungen zur Referenzmiete
als Grundlage für die Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen der Kläger für KdUH zu treffen haben. Ergeben diese
Feststellungen, dass deren Aufwendungen als angemessen anzusehen sind, bedarf es keiner weiteren Ermittlungen. Eine Obliegenheit
der Kläger zur Kostensenkung entbehrt dann schon grundsätzlich jeder Grundlage und der Feststellungsklage wäre zu entsprechen.
Führen die Ermittlungen zu dem Ergebnis, dass die Aufwendungen der Kläger für KdUH unangemessen sind, bedarf es in einem weiteren
Schritt der Aufklärung, ob unter Berücksichtigung der konkreten Lebenssituation der Kläger subjektiv zumutbare und objektiv
mögliche Kostensenkungsmaßnahmen in Betracht kommen und wirtschaftlich wären. Ist dies zu bejahen, würde die Feststellungsklage
ebenfalls keinen Erfolg haben können.
Nur in diesem Fall der Erfolglosigkeit des Hauptantrags hätte das LSG noch über die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage bezogen
auf die Kostensenkungsaufforderung vom 21.10.2011 zu entscheiden. Diese Klage wäre indes schon deshalb abzuweisen, weil es
sich bei dem Schreiben vom 21.10.2011 - wie oben dargelegt - nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt handelt. Ob sich das
Schreiben - unbeschadet seiner rechtlichen Einordnung - nicht ohnehin bereits erledigt hat, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.