SGB II - Leistungen
Rücknahme der Leistungsbewilligung wegen eines Glücksspielgewinns
Grundsatzrüge
Wiederholte Berücksichtigung von Vermögen
Verschweigen anspruchsausschließender Vermögenswerte
1. Das BSG hat in bereits entscheiden, dass keine Vorschriften ersichtlich sind, die einer wiederholten Berücksichtigung von Vermögen
entgegenstehen, sodass auch keine Zurechnung des Vermögens auf einen fiktiven Verbrauchszeitraum erfolgen darf; sich hierauf
beziehenden Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig.
2. Hieraus wird im Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung übereinstimmend gefolgert, dass wegen des Verschweigens anspruchsausschließender
Vermögenswerte alle ergangenen anfänglich rechtswidrigen Bewilligungen vollständig aufzuheben und die erhaltenen Leistungen
zurückzufordern seien.
3. Vor diesem Hintergrund reicht es zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht aus, allein in Frage zu stellen, dass die
Entscheidung des BSG auf den in Streit stehenden Sachverhalt übertragbar sei, ohne sich mit Schrifttum und Rechtsprechung weiter auseinanderzusetzen.
Gründe:
I
Die seit 2006 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II beziehenden Klägerinnen, eine Mutter und ihre 2005 geborene Tochter, wenden sich gegen die Rücknahme der Leistungsbewilligung
für die Zeit vom 1.8.2007 bis 31.7.2009 und gegen einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 12 571,51 Euro. Der Klägerin
zu 1. war im April 2007 ein Glücksspielgewinn in Höhe von 25 000 Euro zugeflossen, was dem Beklagten erst im August 2011 bekannt
wurde. Klage und Berufung gegen Rücknahme- und Erstattungsbescheide, die den streitbefangenen Zeitraum betrafen, sind erfolglos
geblieben (Urteil des SG Hannover vom 15.10.2014; Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.10.2016). Zur Begründung seiner
Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Voraussetzungen für die Rücknahme der Leistungsbewilligung und den damit verbundenen
Erstattungsanspruch lägen vor, weil zumindest grob fahrlässig fehlerhafte Angaben gemacht worden seien. Ein fiktiver Verbrauch
von Vermögenswerten sei entgegen der Auffassung der Klägerinnen nicht zu berücksichtigen.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das LSG machen die Klägerinnen geltend, es komme der Rechtsfrage
grundsätzliche Bedeutung zu, ob "bei der Berechnung eines Erstattungsbetrages für nach SGB II aufgrund vorhandenen Vermögens zu Unrecht erbrachte Leistungen das tatsächlich vorhandene Vermögen um einen fiktiven Verbrauch
für den betroffenen Leistungszeitraum zu bereinigen" sei.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die Klägerinnen den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen
Bedeutung nicht in der gebotenen Weise dargelegt haben (§
160a Abs
2 S 3
SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§
160a Abs
4 S 1 Halbs 2
SGG, §
169 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung (§
160 Abs
2 Nr
1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit
oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss
anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums,
angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen
der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung
erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte)
Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Die Beschwerdebegründung der Klägerinnen wird diesen Anforderungen nicht gerecht, denn die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen
Rechtsfrage ist nicht ausreichend dargetan. Das BSG hat in der vom LSG zitierten Entscheidung in einem Beschwerdeverfahren ausgeführt, dass keine Vorschriften ersichtlich seien,
die einer wiederholten Berücksichtigung von Vermögen entgegenstehen würden, sodass auch keine Zurechnung des Vermögens auf
einen fiktiven Verbrauchszeitraum erfolgen dürfe; die sich hierauf beziehenden Rechtsfragen seien nicht klärungsbedürftig
(BSG Beschluss vom 30.7.2008 - B 14 AS 14/08 B - RdNr 5). Hieraus wird im Schrifttum und in der Instanzrechtsprechung übereinstimmend gefolgert, dass wegen des Verschweigens
anspruchsausschließender Vermögenswerte alle ergangenen anfänglich rechtswidrigen Bewilligungen vollständig aufzuheben und
die erhaltenen Leistungen zurückzufordern seien (vgl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, K § 12 SGB II RdNr 223 f, Stand I/16, mwN). Vor diesem Hintergrund reicht es zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht aus, allein
in Frage zu stellen, dass die Entscheidung des BSG auf den hier vorliegenden Sachverhalt übertragbar sei, ohne sich mit Schrifttum und Rechtsprechung weiter auseinanderzusetzen.
Es erschließt sich zudem auch nicht ohne Weiteres, dass - wie in der Beschwerdebegründung ausgeführt - ein redlicher Anspruchssteller,
der durch einen sparsamen Lebenswandel zu berücksichtigende Vermögenswerte nicht verbraucht, durch die weitere Berücksichtigung
dieses Vermögens schlechter zu behandeln sein soll als ein solcher, der durch das Verschweigen von Vermögenswerten Leistungen
zu Unrecht bezogen hat.
Soweit die Klägerinnen in der Rücknahme- und Erstattungsentscheidung Verstöße gegen verfassungsrechtliche Grundsätze erkennen
wollen, wird die Beschwerde den Begründungserfordernissen nicht gerecht, weil sie nicht darlegt, warum diese Frage als zweifelhaft
bezeichnet werden kann. Weder wird durch eine solche, sich auf die Vergangenheit beziehende Entscheidung das (nur) gegenwärtig
zu gewährleistende Existenzminimum gefährdet noch stellt die Anrechnung von Vermögen im Recht der Grundsicherung eine Enteignung
dar. Ebenso fernliegend ist die Annahme, dass im Falle einer strafrechtlichen Ahndung des Verschweigens von anzurechnendem
Vermögen die Rücknahme einer rechtswidrigen Leistungsbewilligung im Verwaltungsverfahren, die mit einem Erstattungsanspruch
verbunden wird, eine nach Art
103 Abs
3 GG unzulässige Doppelbestrafung erfolgt.
Da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
114 ZPO), ist den Klägerinnen auch keine PKH zu bewilligen. Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§
73a Abs
1 S 1
SGG iVm §
121 Abs
1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des §
193 Abs
1 SGG.