Erstattungsanspruch des Bundes gegen einen Landkreis als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende
nach Anwendung der vertikalen Einkommensanrechnungsmethode
Gründe:
I
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Rückzahlung von unter Vorbehalt an die Beklagte gezahlten 1 265 186,86 Euro für den
Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 31.5.2007.
Der Kläger ist als sog Optionskommune nach § 6a SGB II iVm § 1 der Verordnung zur Zulassung von kommunalen Trägern als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 24.9.2004 (BGBl
I 2349) als Träger der Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II zugelassen.
Unter dem 6.1.2005 schlossen die Beteiligten eine "Verwaltungsvereinbarung über die vom Bund zu tragenden Aufwendungen des
zugelassenen kommunalen Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende". Diese Vereinbarung lautet auszugsweise:
"Präambel
[...]. Gegenstand der Verwaltungsvereinbarung sind Verfahrensregelungen hinsichtlich der vom Bund zu tragenden Aufwendungen.
Abschnitt 1
§ 1 Grundsatz
Der Landkreis ist verpflichtet
1. die Ordnungsmäßigkeit der Berechnung und Zahlung sowie den wirtschaftlichen und sparsamen Einsatz der vom Bund zu tragenden
Aufwendungen sicherzustellen,
2. dem BMWA auf Anforderung zeitnah Prüfungen zu ermöglichen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob Aufwendungen nach Grund
und Höhe vom Bund zu tragen sind.
Das BMWA verzichtet unter dieser Voraussetzung - unbeschadet der Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofes - grundsätzlich auf
eine Prüfung von Einzelnachweisen für die vom Bund zu tragenden Aufwendungen.
§ 2 Leistungen zum Lebensunterhalt
(1) Der Bund ermöglicht dem Landkreis vorbehaltlich der Einreichung der erforderlichen Formanträge die Teilnahme am automatisierten
Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (HKR-Verfahren). Durch dieses Verfahren ermächtigt der
Bund den Landkreis, Bundesmittel auf der Grundlage von § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II und unter Beachtung dieser Verwaltungsvereinbarung sowie der Verfahrensrichtlinien des Bundesministeriums der Finanzen für
Mittelverteiler/Titelverwalter zu bewirtschaften und beim Bund abzurufen. Das BMWA behält sich den Widerruf der Ermächtigung
vor, soweit der Landkreis diese Vereinbarung oder die Verfahrensrichtlinien nicht beachtet. [...].
§ 3 Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sowie Verwaltungskosten
(1) Das BMWA legt nach § 46 Abs. 2 SGB II im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung die Maßstäbe für die regionale Verteilung der
Mittel für
1. die Verwaltungskosten für die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende
2. die Eingliederung in Arbeit
fest. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsverordnung wird dem Landkreis jährlich ein Ermächtigungsrahmen eingeräumt. Der Ermächtigungsrahmen
kann schrittweise freigegeben werden. Der Landkreis stellt sicher, dass der freigegebene Ermächtigungsrahmen nicht überschritten
wird. [...].
(2) Die zugewiesenen Mittel sind von dem Landkreis so zu bewirtschaften, dass eine Bewilligung und Erbringung der einzelnen
Leistungen im gesamten Haushaltsjahr gewährleistet ist.
(3) Für das Verfahren der Geldversorgung ist § 2 Abs. 1 und 2 entsprechend anzuwenden, soweit die Besonderheiten der Leistungen
nicht entgegenstehen.
Abschnitt 2
Berichtspflichten und Finanzkontrolle [...]
§ 5 Finanzkontrolle
(1) Der Landkreis richtet ein Verwaltungs- und Kontrollsystem ein, das die Ordnungsmäßigkeit der Berechnung und Zahlung der
vom Bund hinsichtlich der besonderen Einrichtung des Landkreises nach § 6a Abs. 6 SGB II i.V.m. Art. 106 Abs. 8 zu tragenden Aufwendungen sicherstellt (§ 1 Satz 2), und überwacht sein einwandfreies Funktionieren. Um sowohl den Entwicklungsaufwand
für die Erarbeitung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme zu reduzieren als auch um deren Einheitlichkeit und die Vergleichbarkeit
der Ergebnisse sicherzustellen, bietet das BMWA an, kurzfristig gemeinsam mit Vertretern aus Landkreisen und Städten ein einheitliches
Verwaltungs- und Kontrollsystem zu erarbeiten.
(2) Soweit sich bei der Prüfung durch das Kontrollsystem, bei der Schlussabrechnung oder bei einer Überprüfung nach § 1 Nr.
2 ergibt, dass Aufwendungen nicht vom Bund gemäß § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II zu tragen sind, sind Überzahlungen unverzüglich auf das vom BMWA angegebene Konto zu erstatten.
(3) Der Landkreis übermittelt dem BMWA jährlich zum 28. Februar des Jahres, erstmals im Jahr 2006,
1. eine auf Grundlage der monatlichen Anweisungsnachweise erstellte Schlussrechnung über die Ausgaben für Leistungen zum Lebensunterhalt
(§ 2) und Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sowie Verwaltungskosten (§ 3) im Vorjahr;
2. eine Erklärung, dass die dem BMWA übermittelte Schlussrechnung und die durch die Anweisungen veranlasste Kostentragung
des Bundes gemäß § 6b Abs. 2 Satz 1 SGB II für die im Vorjahr angefallenen Aufwendungen des Landkreises ordnungsgemäß erfolgt ist sowie dass der Landkreis zur Sicherung
der Ordnungsmäßigkeit ein funktionierendes Verwaltungs- und Kontrollsystem aufweist. Für die Bescheinigung des Landkreises
ist das dieser Vereinbarung als Anlage beigefügte Muster zu verwenden;
3. eine kurze Darstellung des Verwaltungs- und Kontrollsystems sowie eine Übersicht über die Ergebnisse der im Vorjahr durchgeführten
Kontrollen.
(4) Die Aufsicht der zuständigen Landesbehörde und die Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofs bleiben unberührt."
Im streitgegenständlichen Zeitraum erbrachte der Kläger Leistungen nach dem SGB II an Mitglieder von Bedarfsgemeinschaften. Die Individualansprüche der einzelnen Mitglieder berechnete er nach der sog "vertikalen
Einkommensanrechnungsmethode". Ihr zufolge wird das Einkommen eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft zunächst zur Deckung
dessen eigenen Bedarfs angerechnet und anschließend ein etwaig bestehender Überschuss den weiteren Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft
zugeordnet. Die Beklagte hält dagegen die sog "horizontale Einkommensanrechnungsmethode" für zutreffend. Nach ihr wird anrechenbares
Einkommen mit gewissen Modifikationen gleichmäßig auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt. Während sich die Anwendung
der einen oder anderen Methode nicht auf die an Leistungsberechtigte zu erbringende Leistungshöhe insgesamt auswirkt, ergeben
sich Unterschiede in der Höhe der Ansprüche des einzelnen Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft bezüglich der Aufteilung in
Regelleistung und Mehrbedarfe einerseits und Kosten der Unterkunft und Heizung andererseits. Die Anwendung der vertikalen
Einkommensanrechnungsmethode führt in der Regel zu einer betragsmäßig geringeren Leistungstragung durch die Kommunen für Kosten
der Unterkunft und Heizung. Nach den übereinstimmenden Berechnungen der Beteiligten ergibt sich bei Anwendung der horizontalen
Einkommensanrechnungsmethode ein um insgesamt 1 265 186,86 Euro (2005: 606 478,13 Euro, 2006: 315 273,22 Euro, Januar bis
Mai 2007: 343 435,51 Euro) höherer Anteil an den gegenüber Leistungsberechtigten zu gewährenden Leistungen als bei Anwendung
der vertikalen Einkommensanrechnungsmethode.
Auf die Androhung der Beklagten, den Kläger vom Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesenverfahren des Bundes (im Folgenden:
HKR-Verfahren) auszuschließen, zahlte der Kläger die geforderte Summe an die Beklagte.
Die nach Scheitern von Verhandlungen zwischen den Beteiligten beim SG erhobene Klage ist erfolglos geblieben (Urteil vom 1.4.2009). Das SG hat entschieden, der Kläger habe der Beklagten 1 265 186,86 Euro zu erstatten. Dies folge zwar nicht aus der zwischen den
Beteiligten geschlossenen Verwaltungsvereinbarung, auch nicht iVm § 6b SGB II, aber aus einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Für die aufgrund der Anwendung der vertikalen Berechnungsmethode
entstandene Vermögensverschiebung zugunsten des Klägers habe kein Rechtsgrund bestanden, da nach der Rechtsprechung des BSG zu § 9 Abs 2 S 3 SGB II allein die horizontale Berechnungsmethode anzuwenden sei. Auf ein Verschulden des Klägers hinsichtlich der fehlerhaften Rechtsanwendung
komme es nicht an.
Die hiergegen erhobene Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg gehabt (Urteil vom 19.4.2012). Das LSG hat zur Begründung
ausgeführt, dass der Kläger zwar mit seinem Antrag auf Feststellung, auch in Zukunft zur Anwendung der vertikalen Berechnungsmethode
berechtigt zu sein, unterliege, da die Anwendung der horizontalen Berechnungsmethode in der Rechtsprechung des BSG inzwischen geklärt sei. Der Kläger sei jedoch nicht verpflichtet, die von der Beklagten geforderten Beträge zu erstatten.
Hierfür fehle es an einer Anspruchsgrundlage, deren Voraussetzungen erfüllt seien. Die Verwaltungsvereinbarung zwischen den
Beteiligten stelle keine eigenständige vertragliche Anspruchsgrundlage für die Erstattung nicht ordnungsgemäß verwalteter
Mittel dar, weil sie lediglich verfahrensrechtliche Regelungen über die Teilnahme am HKR-Verfahren, über Berichtspflichten
und über die Durchführung der Finanzkontrolle enthalte. Rechte und Pflichten in der Wahrnehmung von Aufgaben in der Funktion
als Leistungsträger seien dort nicht geregelt. Aus § 5 Abs 2 der Verwaltungsvereinbarung folge als eigener Regelungsgegenstand
allein der Zeitpunkt des Ausgleichs. Ein Erstattungsanspruch ergebe sich auch nicht aus Art
106 Abs
8 GG, denn dieser Norm könne weder eine Mittelkontrolle im Einzelfall noch eine Haftung bei nicht ordnungsgemäßer Mittelverwaltung
entnommen werden. Auch Art
104a Abs
5 GG biete keine Haftungsgrundlage, denn nach der im Rahmen dieser Vorschrift anwendbaren sog "Haftungskern-Rechtsprechung" sei
vorsätzliches oder wenigstens grob fahrlässiges Verhalten erforderlich, woran es im zu beurteilenden Fall fehle. Schließlich
könne sich die Beklagte nicht auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch berufen, weil die Beklagte mit Rechtsgrund
an den Kläger geleistet habe. § 6b Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II lasse sich nicht entnehmen, dass die endgültige Pflicht zur Kostentragung nur rechtmäßig erbrachte Aufwendungen erfasse.
Auch § 6b Abs 2 SGB II enthalte lediglich darüber Bestimmungen, wer die Aufwendungen der Grundsicherung zu tragen habe. Der Rechtsgrund sei nicht
dadurch entfallen, dass der Kläger die Mittel nicht ordnungsgemäß bewirtschaftet habe.
Mit ihrer am 5.10.2012 eingelegten Revision trägt die Beklagte vor, das angefochtene Urteil beruhe auf der Verletzung von
Bundesrecht, nämlich der § 6b Abs 2 S 1, § 46 Abs 1 S 1 SGB II, ferner der analog anzuwendenden §§
133,
157 BGB, weiter der Art
104a Abs
5 S 1 und Art
106 Abs
8 GG sowie schließlich des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Der Beklagten stehe ein Rechtsgrund für das
Behaltendürfen der vom Kläger erhaltenen Zahlungen zur Seite. Das in § 19 S 3 SGB II vorgesehene Stufenverhältnis der Leistungstragung gelte auch für zugelassene Optionskommunen. Zu berücksichtigendes Einkommen
und Vermögen mindere zunächst die Geldleistungen der Agentur für Arbeit. Erst anschließend minderten sich die Leistungen des
kommunalen Trägers. Dies sei bei einer vertikalen Einkommensanrechnung nicht gewährleistet. Die Finanzierungslast des Bundes
nach § 6b Abs 2 S 1 SGB II, die gegenüber der Regelung in § 46 SGB II eigenständig sei, beschränke sich auf materiell rechtmäßige Aufwendungen der zugelassenen kommunalen Träger. Aus dem Fehlen
einer ausdrücklichen Normierung eines Erstattungsanspruchs könne nicht gefolgert werden, dass sich die Finanzierungslast des
Bundes auch auf rechtswidrig gewährte Leistungen erstrecke. Der öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch liefe in solchen
Fällen stets leer. Die Finanzierungslast sei nicht entsprechend § 46 Abs 1 S 1 SGB II zu behandeln, da § 46 SGB II lediglich die Finanzierungszuständigkeit regele, nicht hingegen den Umfang der zu tragenden Aufwendungen. Aus dem Fehlen
direkter Aufsichtsbefugnisse der Beklagten gegenüber zugelassenen kommunalen Trägern könne nicht geschlossen werden, dass
die Finanzierungslast des Bundes auch rechtswidrig gewährte Leistungen umfasse bzw der Beklagten kein Erstattungsanspruch
zustehe. Zudem sprächen der Wortlaut des § 6b Abs 2 S 1 SGB II ("die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende"), Sinn und Zweck der Vorschrift wie auch der gesetzessystematische
Zusammenhang mit §
31 SGB I für eine Beschränkung der Finanzierungslast des Bundes auf Aufwendungen der kommunalen Träger, die von Rechtsgrundlagen im
SGB II gedeckt seien. Die kommunalen Träger dürften hinsichtlich der Gesetzesanwendung nicht freier gestellt werden als die BA.
Dass die BA keine Erstattungspflicht treffe, sei sachlich gerechtfertigt, denn die Beziehung zu dieser beruhe nicht - wie
bei kommunalen Trägern - auf Art
106 Abs
8 GG. Zudem seien die Aufsichtsbefugnisse unterschiedlich ausgestaltet. Gegenüber den Kommunen stehe dem Bund - anders als gegenüber
der BA gemäß § 47 SGB II - keine Weisungsbefugnis und so auch keine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit zwecks Beendigung rechtswidrigen Verhaltens
eines Sozialleistungsträgers zu. Lediglich der Bundesrechnungshof sei zu einer Prüfung befugt. Dem Bund solle durch § 6b SGB II nicht das finanzielle Risiko einer Falschanwendung des SGB II aufgebürdet werden. Anderenfalls könne der Kläger ohne jedes Risiko rechtswidrige Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
zu Lasten der Beklagten beschließen. § 6b Abs 2 S 1 SGB II sei verfassungskonform im Lichte des Art
106 Abs
8 GG auszulegen. Art
104a Abs
5 GG komme als Haftungsgrundlage nicht in Betracht, da diese Vorschrift von der Zweistufigkeit der Finanzverfassung ausgehe.
Die Haftungskernrechtsprechung des BSG und des BVerwG sei auf den hier zu beurteilenden Fall nicht übertragbar. Es gehe nicht um die Haftung einer Optionskommune,
sondern um die Erstattungspflicht des Bundes. Die Anwendung der vertikalen Berechnungsmethode sei - wie das BSG in ständiger Rechtsprechung festgestellt habe - rechtswidrig. Unerheblich sei, ob der Kläger Leistungen mit Bindungswirkung
gegenüber den Leistungsberechtigten bewilligt habe. Dies betreffe allein das Außenverhältnis, nicht hingegen das für die Finanzierungslast
maßgebliche Innenverhältnis der Träger untereinander. Die Bestimmungen der §§ 44 ff SGB X dienten dem Vertrauensschutz der Leistungsberechtigten, nicht dem der Bewilligungsbehörde. Der Kläger habe durch eine Vermögensverschiebung,
dh eine Leistung der Beklagten zugunsten des Klägers durch Schaffung einer Möglichkeit zum Mittelabruf, die von ihm im HKR-Verfahren
tatsächlich abgerufenen Bundesmittel erlangt und so sein wirtschaftliches Vermögen vermehrt. Dies sei auch ohne Rechtsgrund
erfolgt, da § 6b Abs 2 S 1 SGB II keine pauschale Mittelbereitstellung vorsehe. Vielmehr folge § 6b SGB II dem Gedanken der Aufwendungserstattung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 2 Abs 1 S 2 iVm § 3 Abs 3 der Verwaltungsvereinbarung. Auf eine Entreicherung iS des §
818 Abs
3 BGB könne sich der Kläger als "öffentliche Hand" nicht berufen. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch werde auch nicht
durch Art
104a Abs
5 S 1
GG gesperrt, da sich ein Haftungsverhältnis im Sinne der Norm auf das Verhältnis Bund-Land beschränke.
Der Erstattungsanspruch der Beklagten folge zudem aus § 5 Abs 2 der Verwaltungsvereinbarung. Dort seien sowohl Voraussetzungen
als auch die Rechtsfolge eines materiellen Anspruchs festgelegt. Dies folge bereits aus dem Wortlaut dieser Bestimmung. Dem
stehe auch die Anknüpfung an § 6b Abs 2 S 1 SGB II nicht entgegen, denn dort sei kein Erstattungsanspruch geregelt. Auch § 5 Abs 4 der Verwaltungsvereinbarung spreche nicht gegen die Existenz eines materiellen Anspruchs in § 5 Abs 2 der Verwaltungsvereinbarung.
Der Anspruch beschränke sich zudem nicht auf die Erstattung der in § 16 Abs 2 S 2 Nr 1 bis 4, § 22 und § 23 Abs 3 SGB II genannten Leistungen. Die verfassungsrechtliche Unzulässigkeit von Prüfbefugnissen des Bundes lasse nicht auf das Fehlen
eines Erstattungsanspruches schließen.
Das LSG habe zumindest einen Rückforderungsanspruch aus Art
106 Abs
8 GG bejahen müssen. Diese Norm begründe einen verfassungsunmittelbaren Ausgleichsanspruch des Bundes für Überzahlungen gegenüber
den Optionskommunen als "umgekehrter Leistungsanspruch". Nur so könne die materielle Beschränkung der Ausgleichsbefugnis des
Bundes in Art
106 Abs
8 GG wirksam gewährleistet werden. Ein Verschulden aufseiten der Optionskommune als Anspruchsbeschränkung sehe diese Norm nicht
vor. Die Begrenzung der Haftung für rechtswidriges Verwaltungshandeln auf die Fälle vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzungen
sei nicht Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, der auf den hier zu beurteilenden Fall übertragbar wäre. Vielmehr beschränke
sich dieser Kernbereich der Haftung auf die Fälle des Art
104a Abs
5 S 1 Halbs 2
GG und damit - der Rechtsprechung des BVerwG folgend - auf die Finanzbeziehungen gemäß Art
104a GG.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. April 2012 abzuändern und die Berufung des Klägers gegen das
Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 1. April 2009 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er habe sich nicht aus fiskalischen, sondern aus rechtlichen, nicht zuletzt verfassungsrechtlichen Gründen für die Anwendung
der vertikalen Einkommensanrechnungsmethode entschieden. Während des streitgegenständlichen Zeitraums habe keine gefestigte
Rechtsprechung existiert, die den Kläger entgegen seiner Auffassung zur Anwendung der horizontalen Einkommensanrechnung hätte
veranlassen müssen. Das Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 biete aber Anlass, die bisherige Rechtsprechung des BSG zu überdenken.
Allein die vertikale Einkommensanrechnung genüge dem aus den von der Norm betroffenen Grundrechten folgenden Optimierungsgebot.
Die horizontale Einkommensanrechnung stehe in diametralem Gegensatz zum Inhalt des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen
Existenzminimums, da sie nicht zu einer individuellen, durch subjektive Rechte des einzelnen Hilfebedürftigen abgesicherten
Bedarfsdeckung führe, sondern auf der Annahme basiere, dass auch eine mittelbar faktische Bedarfsdeckung stattfinde, ohne
diese rechtlich zu sichern. Daran ändere sich auch nichts durch das Erfordernis einer "funktionierenden Bedarfsgemeinschaft".
Eine horizontale Einkommensanrechnung, die nicht mit einer horizontalen Bedarfsberechnung gleichgesetzt werden dürfe, führe
zu einer unzulässigen Gleichbehandlung von faktisch hilfebedürftigen Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft und den faktisch
nicht hilfebedürftigen. Gleichbehandelt werde trotz eines wesentlichen Unterschieds auch der Bezug selbst verdienten Einkommens
zur Bedarfsdeckung und die Abhängigkeit nicht verdienender Personen von staatlichen oder privaten Unterhaltsleistungen im
weiteren Sinne. Die horizontale Einkommensanrechnung stelle einen nicht tragfähigen Einbruch in die inneren Verhältnisse einer
Familie und deswegen einen Eingriff in Art
6 Abs
1 GG dar. Dem Wortlaut des § 9 Abs 2 S 3 SGB II sei weder die vertikale noch die horizontale Einkommensanrechnung eindeutig zu entnehmen. Dies ergebe sich auch nicht aus
den Gesetzesmaterialien. Ebenso wenig ergiebig sei eine systematische Betrachtung der Norm. Das SGB II regele keine Einstandsgemeinschaft noch finde es eine solche vor. Die horizontale Einkommensanrechnung versage auch für den
Fall, wenn ein Hilfebedürftiger mit einer Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebe, die selbst nicht Inhaberin eines Individualanspruchs
auf Grundsicherung für Arbeitsuchende sein könne, deren Einkommen aber dem Hilfebedürftigen gemäß § 9 Abs 2 SGB II zuzurechnen sei. Das BSG (Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - juris RdNr 47 ff) wende in diesen Fällen die vertikale Einkommensanrechnungsmethode an. Im Falle einer Sanktionierung
nach § 31 SGB II zeige sich eine Ungleichbehandlung beider Sachverhalte.
Selbst wenn aber § 9 Abs 2 SGB II die Verbindlichkeit der horizontalen Einkommensanrechnungsmethode zu entnehmen wäre, so habe die Beklagte dennoch keinen
Erstattungsanspruch gegenüber dem Kläger, da der Kläger im entscheidungserheblichen Zeitraum, wie die Vorinstanz festgestellt
habe, "durchaus gut vertretbar" davon habe ausgehen dürfen, dass im Rahmen des § 9 Abs 2 SGB II die vertikale Einkommensanrechnungsmethode anzuwenden sei. Die Kostentragungslast der Beklagten aus § 6b Abs 2 SGB II knüpfe an den tatsächlich entstandenen Aufwendungen an und nicht an fiktiven Aufwendungen.
Dem Kläger habe ein ursprünglicher, mit dem Mittelabruf bei der Beklagten im HKR-Verfahren erfüllter Anspruch gegen die Beklagte
aus § 6b Abs 2 S 1 SGB II auf Erstattung seiner Aufwendungen zugestanden. Die Kostentragungslast der Beklagten aus § 6b Abs 2 S 1 SGB II erfasse in Übereinstimmung mit Art
106 Abs
8 GG auch Aufwendungen für rechtswidrige Maßnahmen, soweit sie in einem unmittelbaren inneren und äußeren Zusammenhang mit der
Aufgabenerfüllung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende stünden. § 6b Abs 2 S 1 SGB II sei aufgaben- und nicht maßnahmenbezogen auszulegen. Es mache insoweit auch keinen Unterschied, ob passive oder aktive Leistungen
gewährt worden seien. §
31 SGB I stehe nicht entgegen, denn auch rechtswidrig gewährte Leistungen seien gesetzliche Leistungen im Sinne dieser Norm. Die Rechtswirksamkeit
einer Leistungsbewilligung setze sich unabhängig von deren Rechtmäßigkeit gegenüber Leistungsempfängern im Innenverhältnis
zwischen Aufgaben- und Ausgabenträger fort. Anderenfalls werde eine Optionskommune dem Risiko ausgesetzt, der Beklagten Rückzahlungen
leisten zu müssen, obwohl sie keine Möglichkeit habe, die bewilligten Leistungen nach §§ 45, 48 SGB X zurückzufordern. Aus Art
20 Abs
3 GG und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung folge nicht, dass ein rechtswidriges Handeln im Einzelfall auf Ebene
des Leistungsrechts nicht als Aufgabenerfüllung anzusehen sei. Zwar könne sich daraus grundsätzlich auch ein Haftungsanspruch
ergeben. Ein solcher könne sich aber finanzverfassungsrechtlich nur nach Art
104a Abs
5 GG richten. Eine anderweitige Haftung der kommunalen Gebietskörperschaften gegenüber dem Bund für fehlerhaftes, vom Bund finanziertes
Verwaltungshandeln sehe das
GG nicht vor. Daraus folge, dass entweder eine Haftung nur im Sinne des Haftungskerns bestehe oder überhaupt keine zwischen
dem Kläger und der Beklagten, sondern zwischen der Beklagten und dem Land Nordrhein-Westfalen. Art
106 Abs
8 GG dürfe nicht in einer Art und Weise ausgelegt werden, die in Widerspruch zu den Wertungen des Art
104a GG stünde. Aus der Verwaltungsvereinbarung folge ebenfalls kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Zahlung des Klägers,
da diese Vereinbarung keine Ansprüche begründe, sondern lediglich Verfahrensregelungen treffe. Die durch Einfügung des Art
91e GG und § 6b Abs 5 SGB II mit Wirkung zum 1.1.2011 geschaffene Rechtslage bestätige die Rechtsauffassung des Klägers.
Der von der Beklagten behauptete Rückforderungsanspruch trete zudem neben die normativ unberührt bleibende Aufsicht der zuständigen
Landesbehörde, die auch nicht lückenhaft, sondern umfassend sei. Die Rechtmäßigkeitsprüfung der Beklagten habe den Charakter
einer repressiven Aufsichtsmaßnahme. Dies entwerte die Aufsichtsbefugnisse des Landes nach § 47 Abs 2 SGB II. Der Kläger könne, träfe die Rechtsauffassung der Beklagten zu, seiner eigenen Rechts- und Fachaufsicht nicht mehr vertrauen,
sondern müsse sich der zusätzlichen faktischen Rechtsaufsicht der Beklagten unterwerfen. Hinzu komme, dass das BMAS es in
der Vergangenheit abgelehnt habe, einzelne Maßnahmen und Leistungen im Vorweg auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen und den
Optionskommunen eine verbindliche Rechtsauffassung mitzuteilen.
II
Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
1. a) Das BSG ist als Revisionsgericht zur Entscheidung über den vorliegenden Rechtsstreit berufen. Eine erstinstanzliche Zuständigkeit
des BSG gemäß §
39 Abs
2 SGG ist nicht gegeben. Nach §
39 Abs
2 S 1
SGG wäre das BSG im ersten und letzten Rechtszug zur Entscheidung über Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und
den Ländern in den in §
51 SGG genannten Angelegenheiten berufen. An diesen Voraussetzungen fehlt es hier.
Zwar sind die Kommunen - wie hier der klagende Landkreis - im nach dem
GG zweigegliederten Verfassungsstaat rechtlich den Bundesländern zuzuordnen (Siekmann in Sachs,
GG, 6. Aufl 2011, Vor Art 104a RdNr 1). Entscheidend für eine erstinstanzliche Zuständigkeit des BSG - wie auch für die entsprechenden Streitigkeiten gemäß §
50 VwGO vor dem BVerwG - ist jedoch die formale Beteiligtenstellung als Bundesland, was eine Beteiligtenstellung von Kommunen in
Streitigkeiten nach §
39 Abs
2 S 1
SGG ausschließt (vgl Bier in Schoch/Schneider/Bier,
VwGO, 24. Aufl 2012, §
50 RdNr 8). Klagt also eine Kommune einen ihr vermeintlich zustehenden Anspruch gegenüber dem Bund ein, sind hierfür die Sozialgerichte
sachlich und in erster Instanz zuständig (vgl §
8 SGG). So liegt es auch hier.
b) Die durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII vom 24.3.2011 (BGBl I 453) mit Wirkung vom 1.4.2011 in §
29 Abs
2 Nr
3 SGG eingefügte Zuweisung von Klagen in Angelegenheiten der Erstattung von Aufwendungen nach § 6b SGB II an die Landessozialgerichte, die in erster Instanz zu entscheiden haben, hat keinen Einfluss auf das hier geführte Verfahren.
Denn auf vor Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits anhängige Klageverfahren - der Anspruch des Klägers wurde am 10.12.2007
beim SG anhängig gemacht - wirkt sich eine Änderung der (instanziellen) Zuständigkeit gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori (vgl
§
98 SGG iVm §
17 Abs
1 S 1
GVG) nicht aus (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, §
29 RdNr 4).
c) Die Sachurteilsvoraussetzungen einer (negativen) Feststellungsklage gemäß §
55 Abs
1 Nr
1 SGG liegen vor. Dem Feststellungsbegehren des Klägers kann nicht das nach dieser Vorschrift geforderte Feststellungsinteresse
abgesprochen werden. Zwar kann die Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, wozu auch das (Nicht-)Bestehen
einer Forderung im Verhältnis zwischen den an der Finanzierung von Leistungen nach dem SGB II beteiligten Trägern gehört, mangels berechtigten Interesses an der alsbaldigen Feststellung grundsätzlich nicht verlangt
werden, wenn - wie hier - nach Ausgleich der Forderung der Beklagten seitens des Klägers die Rückerstattung im Wege einer
Leistungsklage verfolgt werden könnte. Der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage gilt auch im sozialgerichtlichen
Verfahren, obwohl er - anders als in §
43 Abs
2 VwGO und § 41 Abs 2 FGO - keinen ausdrücklichen Niederschlag im Gesetzeswortlaut gefunden hat (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Aufl 2012, § 55 RdNr 19; vgl BSG Urteil vom 22.5.1985 - 12 RK 30/84 - BSGE 58, 150, 152 f = SozR 1500 § 55 Nr 27). Dieser Grundsatz gilt jedoch bei Feststellungsklagen gegen juristische Personen des öffentlichen
Rechts nur eingeschränkt, da angenommen werden kann, dass solche Beklagte aufgrund ihrer Bindung an Recht und Gesetz die Kläger
auch ohne Leistungsurteil mit Vollstreckungsdruck befriedigen (stRspr, vgl etwa BSG Urteil vom 26.5.1959 - 3 RK 36/56 - BSGE 10, 21, 24 f; BSG Urteil vom 11.3.1960 - 3 RK 62/56 - BSGE 12, 44, 46 = SozR Nr 73 zu §
54 SGG; BSG Urteil vom 22.7.2004 - B 3 KR 12/04 R - SozR 4-2500 § 125 Nr 2 RdNr 9; BSG Urteil vom 8.5.2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4-2700 § 136 Nr 3 RdNr 23; BSG Urteil vom 27.10.2009 - B 1 KR 4/09 R - BSGE 105, 1, 4 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5). Diese Annahme ist insbesondere dann berechtigt, wenn erwartet werden kann, dass der Streitfall
mit der gerichtlichen Feststellung einer endgültigen Klärung zugeführt werden kann (BSG Urteil vom 8.5.2007 - B 2 U 3/06 R - SozR 4-2700 §
136 Nr 3 RdNr 23; Castendiek in Lüdtke,
SGG, 4. Aufl 2012, §
55 RdNr 21). So liegt es hier, denn mit dem vorliegenden Urteil werden die für die Rechtslage bis zum 31.12.2010 maßgebliche
Fragen hinsichtlich der Verpflichtung zur (Rück-)Erstattung von im HKR-Verfahren abgerufenen Beträgen aufgrund Anwendung der
vertikalen bzw horizontalen Einkommensanrechnungsmethode unter den Beteiligten im Wesentlichen geklärt.
2. Die Revision ist indes nicht begründet. Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung der unter
Vorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gezahlten Beträge in Höhe von 1 265 186,86 Euro (606 478,13 Euro für das
Jahr 2005, 315 273,22 Euro für das Jahr 2006 und 343 435,51 Euro für die Monate Januar bis einschließlich Mai 2007) aus einem
öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zu. Die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs liegen
vor, insbesondere steht der Beklagten ihrerseits kein Anspruch auf die Rückgewähr der vom Kläger im HKR-Verfahren abgerufenen
Mittel aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs oder nach einer anderen Rechtsgrundlage zu.
a) Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist ein aus den Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere
der nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art
20 Abs
3 GG) gewährleisteten Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, abgeleitetes eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts (stRspr,
vgl zB BSG Urteil vom 22.7.2004 - B 3 KR 21/03 R - BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2; BSG Urteil vom 28.10.2008 - B 8 SO 23/07 R - BSGE 102, 10 = SozR 4-2500 § 264 Nr 2; BSG Urteil vom 27.8.2011 - B 4 AS 1/10 R - BSGE 109, 70 = SozR 4-4200 § 16 Nr 9; aus der Literatur zB Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl 2012, RdNr 1239). Mit ihm
soll eine dem materiellen Recht widersprechende Vermögensverschiebung wieder rückgängig gemacht werden können. Soweit eine
spezialgesetzliche Regelung - wie zB in dem mit Wirkung zum 1.1.2011 in § 6b Abs 5 SGB II eingefügten Erstattungsanspruch - nicht existiert, entsprechen die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs
denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs (stRspr, vgl zB BVerwG Urteil vom 15.5.2008 - 5 C 25/07 - BVerwGE 131, 153; BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 98/10 R - BSGE 108, 116 = SozR 4-4200 § 16 Nr 7 RdNr 14; BVerwG Urteil vom 15.5.2008 - 5 C 25/07 - BVerwGE 131, 153 - juris RdNr 13 mwN; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl 2011, § 29 RdNr 21; Luik, jurisPR-SozR 6/2013, Anm 1).
Abweichungen von den zivilrechtlich anerkannten Grundsätzen sind für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nur dann
anzuerkennen und erforderlich, wenn und soweit dort eine andere Interessenbewertung geboten ist (BVerwG Urteil vom 15.5.2008
- 5 C 25/07 - BVerwGE 131, 153).
Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch - für den nicht die Rechtswidrigkeit einer Handlung, sondern die
Rechtsgrundlosigkeit einer Vermögensverschiebung kennzeichnend ist (Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl 2012,
RdNr 1236; Ossenbühl, NVwZ 1991, 513, 515) - setzt voraus, dass in einer als öffentlich-rechtlich einzustufenden Rechtsbeziehung eine nicht mit der objektiven
Rechtslage übereinstimmende Vermögensverschiebung stattgefunden hat und dem Anspruchsgegner kein Rechtsgrund zur Seite steht,
das aufgrund der Vermögensverschiebung Erlangte behalten zu dürfen. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Die zwischen den Beteiligten bestehende Rechtsbeziehung ist, da sie allein von Vorschriften des öffentlichen Rechts beherrscht
wird, dem öffentlichen Recht zuzuordnen (vgl allgemein Höfling, Der Landkreis 2011, 158, 159; Henneke, DÖV 2012, 165, 174). Das Vermögen der Beklagten ist auch im Sinne einer Vermögensverschiebung gemehrt worden. Die Beklagte hat durch die
unter Vorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erfolgte Zahlung des Klägers etwas erlangt, nämlich eine Gutschrift
in Höhe desjenigen Betrages, welchen der Kläger ihr überwiesen hat. Dass der Kläger diesen Betrag zuvor selbst im HKR-Verfahren
abgebucht hat, steht dem nicht entgegen (vgl Luik, jurisPR-SozR 6/2013 Anm 1), denn rechtlich maßgeblich für die Betrachtung
der Vermögensmehrung ist der jeweils einzelne Zahlungs-/Buchungsvorgang. Die Gutschrift hat die Beklagte ohne Rechtsgrund
erlangt. Denn diese Vermögensverschiebung widersprach der objektiven Rechtslage. Die vom Kläger zunächst im HKR-Verfahren
abgerufenen Mittel standen vermögensrechtlich betrachtet dem Kläger zu, denn sie waren ihm seitens des Bundes nach § 6b Abs 2 S 1 SGB II (idF des Ersten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 22.12.2005, BGBl I 3675) bzw nach Art
106 Abs
8 GG zu gewähren.
b) Der Beklagten steht ihrerseits kein Anspruch auf Rückzahlung der im HKR-Verfahren abgerufenen Mittel gegenüber dem Kläger
zu.
aa) Für den hier streitgegenständlichen Zeitraum kommt zunächst § 6b Abs 5 SGB II als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht. Diese Vorschrift stellt zwar eine besondere Kodifizierung des öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruchs für das Haftungsverhältnis zwischen dem Bund und den Optionskommunen dar (BT-Drucks 17/1555 S 16; Schumacher
in Oestreicher, SGB II/XII, § 6b RdNr 5 [Stand: 10/2012]). Sie ist jedoch gemäß Art 3 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der
Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 (BGBl I 1112) erst zum 1.1.2011 in Kraft getreten und zeitigt
für den hier zu beurteilenden Fall keine Wirkungen.
bb) Ein Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der im HKR-Verfahren gewährten Mittel ergibt sich auch nicht aus §§ 102 ff SGB X, denn im hier zu beurteilenden Fall geht es nicht etwa um das Erstattungsverhältnis mehrerer Sozialleistungsträger untereinander
hinsichtlich der Frage, wer letztlich gegenüber einem Leistungsberechtigten Sozialleistungen zu erbringen hat, sondern ausschließlich
um die (Re-)Finanzierung der erbrachten Sozialleistungen im Innenverhältnis (vgl BVerwG Urteil vom 15.5.2008 - 5 C 25/07 - BVerwGE 131, 153 = juris RdNr 15). Da die Optionskommunen als im sozialrechtlichen Außenverhältnis alleiniger Sozialleistungsträger nicht
nur für die sich aus § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II, sondern auch für die sich aus § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II ergebenden Aufgaben zuständig sind (vgl § 6b Abs 1 SGB II) und lediglich die Finanzierung der Aufgaben nicht allein durch die Optionskommunen erfolgt, steht hier kein Konkurrenzverhältnis
zweier Sozialleistungsträger im Außenverhältnis infrage. Der Bund als die Optionskommunen (mit-)finanzierende Körperschaft
tritt nur in dieser Funktion in das Geschehen, nicht hingegen als Sozialleistungsträger iS des §
12 S 1
SGB I.
cc) Ein Zahlungsanspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger folgt nicht aus § 5 Abs 2 der zwischen den Beteiligten geschlossenen
Verwaltungsvereinbarung. Offen bleiben kann insoweit, ob hinsichtlich der Ausgestaltung einer Finanzbeziehung nach Art
106 Abs
8 GG wie auch hinsichtlich einer eventuell bestehenden Ausgleichspflicht der Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung zwischen
den Beteiligten überhaupt zulässig ist (bejahend zB Maunz in Maunz/Dürig/Herzog,
GG, 68. Aufl 2013, Art
106 RdNr 101; Pieroth in Jarass/Pieroth,
GG, 12. Aufl 2012, Art
104a RdNr 9; wohl auch Heintzen in v Münch/Kunig,
GG Bd 2, 6. Aufl 2012, Art
106 RdNr 56; ablehnend Siekmann in Sachs,
GG, 6. Aufl 2011, Art
104a RdNr 49). Jedenfalls stellt § 5 Abs 2 der Verwaltungsvereinbarung schon keine Anspruchsgrundlage materiellen Inhalts dar, auf welche sich die Beklagte stützen
könnte, um den Erhalt der Zahlung dauerhaft zu rechtfertigen. Der Vertragsbestimmung kommt lediglich der Charakter einer Verfahrensvorschrift
zu. Bereits der Wortlaut der Vorschrift legt nahe, dass eine Erstattung des Klägers gegenüber der Beklagten von der nach §
6b Abs 2 S 1 SGB II aF maßgeblichen Rechtslage und damit von einer korrekten vermögensrechtlichen Zuordnung der gewährten Mittel zum Bund abhängig
ist (vgl Henneke, Der Landkreis 2012, 553). Allein die verfahrensrechtlichen Modalitäten einer Erstattung (Zahlungszeitpunkt,
Konto) sind eigenständig in § 5 Abs 2 der Verwaltungsvereinbarung geregelt. Dasselbe folgt aus einer systematischen Betrachtung
der Vorschrift. So weist die Präambel der Verwaltungsvereinbarung darauf hin, dass Gegenstand der Verwaltungsvereinbarung
"Verfahrensregelungen hinsichtlich der vom Bund zu tragenden Aufwendungen" sind. Dass gemäß § 5 Abs 4 die Prüfungsbefugnisse
des Landes sowie des Bundesrechnungshofes unberührt bleiben sollen, spricht bei systematischer Betrachtung des § 5 Abs 2 der
Verwaltungsvereinbarung ebenfalls gegen das Bestehen eines Erstattungsanspruchs, denn eine eigenständige Feststellung einer
Überzahlung durch die Beklagte wäre eine unmittelbare Einflussnahme auf den Kläger in seiner Funktion als Sozialleistungsträger
und käme - wie das LSG zutreffend festgestellt hat - einer aus Sicht des Klägers zusätzlichen und nach dem Gesetz nicht vorgesehenen
Aufsicht des Bundes gegenüber dem Kläger gleich.
dd) Ein Zahlungsanspruch der Beklagten ergibt sich - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch nicht unmittelbar aus Art
106 Abs
8 GG. Diese Norm stellt keine Rechtsgrundlage für die Rückforderung von den Optionskommunen bereitgestellten Mitteln zur Aufgabenwahrnehmung
nach dem SGB II dar. Aus der ausnahmsweisen Zulässigkeit einer direkten Finanzbeziehung zwischen den Beteiligten ist nicht auch der Schluss
zu ziehen, die eine Finanzierung von Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II erlaubende Norm beinhalte zugleich eine Rechtsgrundlage für einen Erstattungsanspruch oder gar eine Haftungsnorm. Derartiges
lässt sich weder dem Wortlaut der Norm, der Systematik des Gesetzes noch dem Sinn und Zweck der Vorschrift entnehmen. Art
106 Abs
8 GG schafft seinem Wortlaut sowie seinem Sinn und Zweck nach einen Anspruch auf Ausgleich von Sonderbelastungen der Kommunen
bzw Kommunalverbänden. Eine Rückabwicklung des Sonderbelastungsausgleichs ist - anders als dies explizit in Art
104a Abs
5 S 1
GG für die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern und nun auch in Art
91e GG iVm einem Ausführungsgesetz vorgesehen ist - nicht normiert worden. Gerade diese Nichtnormierung eines Erstattungs- oder
Haftungsanspruchs lässt auf ein beredtes Schweigen des Verfassungsgebers im Rahmen des Art
106 Abs
8 GG schließen. Hiermit unvereinbar ist es, wenn man Art
106 Abs
8 GG - wie es die Beklagte vorträgt - zugleich eine Erstattungs- oder gar Haftungsregelung als Korrelat der Finanzierungsbefugnis
entnehmen möchte.
ee) In Betracht kommt lediglich ein Anspruch auf Zahlung aufgrund eines daneben anwendbaren allgemeinen öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruchs. Doch auch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch steht der Beklagten nicht als Rechtsgrund gegenüber
dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch zur Seite.
(1) Die Anwendbarkeit der Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs im hier zu beurteilenden Fall ist nicht
etwa deswegen ausgeschlossen, weil sich eine zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Haftungsbeziehung ausschließlich
nach Art
104a Abs
5 S 1
GG richtete. Die durch das Finanzreformgesetz vom 12.5.1969 (BGBl I 359) in das
GG eingefügte Bestimmung des Art
104a Abs
5 S 1
GG stellt zwar eine unmittelbar geltende sondergesetzliche Anspruchsgrundlage für den Ersatz von Vermögensschäden dar, die durch
fehlerhaftes Verwaltungshandeln entstanden sind (BVerfG Urteil vom 17.10.2006 - 2 BvG 1/04, 2 BvG 2/04 - BVerfGE 116, 271, 318 - juris RdNr 121 ff; BVerwG Urteil vom 18.5.1994 - 11 A 1/92 - BVerwGE 96, 45; BVerwG Urteil vom 30.11.1995 - 7 C 56/93 - BVerwGE 100, 56; Siekmann in Sachs,
GG, 6. Aufl 2011, Art
104a RdNr 47; Maunz in Maunz/Dürig/Herzog,
GG, Art
104a RdNr 68; Prokisch in Bonner Kommentar zum
GG, Art
104a RdNr 317 ff [Stand: 5/2013]; Pieroth in Jarass/Pieroth,
GG, 12. Aufl 2012, Art
104a RdNr
11), ohne dass es eines Ausführungsgesetzes nach Art
104a Abs
5 S 2
GG bedürfte. Sie verdrängt andere Haftungs- und Erstattungsgrundlagen indes nur im Rahmen ihres eigenen Anwendungsbereichs.
Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG. Dieser hat klargestellt, dass die Anwendung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs im Falle des Vorliegens eines
Haftungsverhältnisses iS des Art
104a Abs
5 S 1
GG nicht in Betracht kommt (BSG Urteil vom 15.12.2009 - B 1 AS 1/08 KL - BSGE 105, 100 = SozR 4-1100 Art 104a Nr 1 - juris RdNr 59).
Das Haftungsverhältnis iS des Art
104a Abs
5 S 1
GG ist - auch mangels eines Ausführungsgesetzes gemäß Art
104a Abs
5 S 2
GG - auf eine Haftung zwischen Bund und Ländern beschränkt. Auf eine Haftung zwischen Bund und Kommunen bzw ihren Verbänden
ist Art
104a Abs
5 S 1
GG dementsprechend nicht unmittelbar anwendbar (Henneke in SchmidtBleibtreu/Hofmann/Hopfauf,
GG, 12. Aufl 2011, Art
104a RdNr 42; Hellermann in v Mangoldt/Klein/Starck,
GG Bd 3, 6. Aufl 2010, Art
104a RdNr 169, 171; Prokisch in Bonner Kommentar zum
GG, Art
104a RdNr 323 f, 349 [Stand: 5/2003]; vgl auch Maunz in Maunz/Dürig/Herzog,
GG, Art
104a RdNr 72; Heintzen in v Münch/Kunig,
GG Bd 2, 6. Aufl 2012, Art
104a RdNr 55; Höfling, Der Landkreis 2011, 158, 163). Dem
GG ist nicht zu entnehmen, dass die Haftung nach Art
104a Abs
5 GG als im Rahmen der Finanzverfassung vollständig abschließende Regelung der Erstattungs- und Haftungsbeziehungen zu verstehen
ist (vgl BVerwG Urteil vom 15.5.2008 - 5 C 25/07 - BVerwGE 131, 153). Sie bezieht sich lediglich auf die in den vorstehenden Absätzen des Art
104a GG umschriebenen Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern (BVerwG Urteil vom 27.3.1980 - IV A 1.77 - juris RdNr 19; aA Hellermann in v Mangoldt/Klein/Starck,
GG Bd 3, 6. Aufl 2010, Art
104a RdNr 171).
In der hier vorliegenden und durch die Beteiligung anderer als allein des Bundes und eines Landes gekennzeichneten Erstattungsbeziehung
bleibt mangels eines Ausführungsgesetzes nach Art
104a Abs
5 S 2
GG Raum für die Anwendung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs. Eine Finanzbeziehung iS des Art
104a GG liegt zwischen den Beteiligten nicht vor, denn die Finanzierung der Optionskommunen als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende
richtete sich bis zum 31.12.2010 allein nach Art
106 Abs
8 GG (Henneke, Der Landkreis 2011, 55, 63). Diese Norm stellt eine Durchbrechung der in Art
104a GG vorgesehenen Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern dar (Hidien in Bonner Kommentar zum
GG, Art
106 RdNr 1200 [Stand: 11/2002]). Dass der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Fallgestaltungen wie der vorliegenden
weiter anwendbar bleibt, wird bestätigt durch die Gesetzesmaterialien zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisation der
Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 (BGBl I 1112), wenn dort die Einfügung des § 6b Abs 5 SGB II als eine klarstellende gesetzliche Verankerung des allgemein gewohnheitsrechtlich anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs
zwischen dem Bund und Kommunen bzw Kommunalverbänden angesehen wird (BT-Drucks 17/1555 S 16).
(2) Der Kläger hat die von ihm zunächst abgerufenen Mittel mit Rechtsgrund erhalten, denn sie waren ihm vermögensrechtlich
endgültig zugeordnet. Die Zuordnung der im HKR-Verfahren bereitgestellten Mittel richtet sich nach der rechtlichen Grundlage
der Finanzierung der Aufgaben der Optionskommunen. Die Finanzierung der Aufgabenwahrnehmung der Optionskommunen findet seine
Rechtsgrundlage finanzverfassungsrechtlich in Art
106 Abs
8 GG, einfachgesetzlich in § 6b Abs 2 S 1 SGB II aF.
Systematisch betrachtet behandelt § 6b Abs 2 S 1 SGB II aF die Kostentragung, nicht hingegen Erstattungsfragen. Dass Erstattungsforderungen grundsätzlich "umgekehrte Leistungsansprüche"
darstellen, führt nicht automatisch dazu, in eine Kostentragungsregelung eine Erstattungsregelung hineinlesen zu können.
(3) Aus der Verfassung ergibt sich grundsätzlich nichts anderes. Die Voraussetzungen des Art
106 Abs
8 GG für eine Leistung an den Kläger lagen vor. Veranlasst der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden besondere Einrichtungen,
die diesen Ländern oder Gemeinden unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, gewährt der
Bund gemäß Art
106 Abs
8 GG den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen
zu tragen. Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern oder Gemeinden als Folge der Einrichtungen
erwachsen, werden bei dem Ausgleich berücksichtigt. Gerade die Finanzierung der Optionskommunen iS des § 6a SGB II wurde als ein Anwendungsfall der verfassungsrechtlich zulässigen Finanzbeziehung zwischen dem Bund und den Kommunen bzw ihren
Verbänden angesehen (vgl Hermes in Dreier,
GG, 2. Aufl Supplementum 2010, Art
91e RdNr 52; Heintzen in v Münch/Kunig,
GG Bd 2, 6. Aufl 2012, Art
106 RdNr 57; D. Oppermann, DVBl 2005, 1008, 1012; Korioth, DVBl 2008, 812, 819; Henneke, Der Landkreis 2011, 55, 63; ders, Der Landkreis 2012, 553). Die Vorschrift gewährt einen verfassungsrechtlich
abgesicherten, vor den Verwaltungsgerichten einklagbaren Anspruch, der von den Kommunen unmittelbar gegenüber dem Bund geltend
gemacht werden kann (Schwarz in v Mangoldt/Klein/Starck,
GG Bd 3, 6. Aufl 2010, Art
106 RdNr 147; Maunz in Maunz/Dürig/Herzog,
GG, Art
106 RdNr 108; Heintzen in v Münch/Kunig,
GG Bd 2, 6. Aufl 2012, Art
106 RdNr 55; Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S 106 ff; Henneke, DÖV 2012, 165, 173).
Die nach Art
106 Abs
8 GG zu gewährenden Mittel sind aber nach ihrer Auskehrung haushaltstechnisch den Ländern bzw den Kommunen zuzuordnen (Schwarz,
DVBl 2011, 135, 137 f; Höfling, Der Landkreis 2011, 158, 161 f), denn die Optionskommunen nehmen die Aufgaben nach dem SGB II als eigene Aufgaben wahr. Zwar trifft es zu, dass die für diese Aufgabenwahrnehmung bereitgestellten Mittel ihrer Herkunft
nach solche des Bundes sind. Im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung durch die Optionskommune liegt es aber nicht so, dass der Kläger
Bundesmittel "bewirtschaften" würde (Höfling, Der Landkreis 2011, 158, 161 f). Das HKR-Verfahren stellt insoweit einen rein
technischen Umsetzungsakt dar. Trotz der Finanzierung durch den Bund bleibt es bei der Verwaltungskompetenz der Gemeinden
(vgl §§ 6a, 6b SGB II). Dies hat - entgegen anderweitiger Inhalte der zwischen den Beteiligten geschlossenen Verwaltungsvereinbarung - auch die
Beklagte zu beachten.
Der Beklagten ist in ihrer Auslegung des Begriffs "erforderlicher Ausgleich" nicht zu folgen. Insbesondere ist das Merkmal
der Erforderlichkeit nicht in dem Sinn zu verstehen, dass ein Ausgleich für die Sonderbelastung gemäß Art
106 Abs
8 GG nur dann zu gewähren wäre, wenn sich der Empfänger des Sonderbelastungsausgleichs - hier also die klagende Optionskommune
- objektiv gesetzeskonform verhält und gänzlich fehlerfrei Leistungen nach dem SGB II gegenüber Leistungsberechtigten bewilligt und auszahlt. Dies steht in Übereinstimmung mit der auch zu Art
104a GG vertretenen Auffassung, dass eine nicht ordnungsgemäße Verwendung der Mittel den Rechtsgrund einer Leistung des Bundes an
ein Land nicht entfallen lässt (Prokisch in Bonner Kommentar zum
GG, Art
104a RdNr 312 [Stand: 5/2003]). Dem auf der Rechtsfolgenseite der Norm angesiedelten und die Rechtsfolge begrenzenden Tatbestandsmerkmal
der "Erforderlichkeit" kommt nach vorherrschender Auffassung (vgl Hidien in Bonner Kommentar zum
GG, Art
106 RdNr 1262 [Stand: 11/2002]; Maunz in Maunz/Dürig/Herzog,
GG, Art
106 RdNr 109; Schwarz in v Mangoldt/Klein/Starck,
GG Bd 3, 6. Aufl 2010, Art
106 RdNr 154, 156; Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989, S 121) gegenüber dem Unzumutbarkeitskriterium
keine eigenständige Bedeutung zu, sondern wird durch das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit definiert. Erforderlich ist
ein Ausgleich iS des Art
106 Abs
8 GG immer dann, wenn die Belastung der Kommune anderenfalls unzumutbar wäre (Maunz in Maunz/Dürig/Herzog,
GG, Art
106 RdNr 109). Die Unzumutbarkeit ist nach Billigkeitsgesichtspunkten festzustellen. Dabei ist insbesondere die Finanzkraft einer
Gemeinde in den Blick zu nehmen (vgl Maunz in Maunz/Dürig/Herzog,
GG, Art
106 RdNr 107; Bleckmann, DVBl 1970, 920). Handelt es sich bei der auf eine Gemeinde zukommenden Belastung nicht um eine bloße Bagatelle, ist die Sonderbelastung
als unzumutbar anzusehen. Bei den mit der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II verbundenen Belastungen einer Kommune handelt es sich aufgrund ihres finanziellen Volumens offenkundig nicht um eine Bagatelle.
(4) Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung (angedeutet bereits in BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 - juris RdNr 13; vgl auch BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 - juris RdNr 38; als Leitsatzentscheidung BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 4 - juris RdNr 22 ff) entschieden, dass das Einkommen von Mitgliedern einer Mehrpersonenbedarfsgemeinschaft
nicht nach der vertikalen, sondern nach der horizontalen Einkommensanrechnungsmethode auf alle Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft
zu verteilen ist. Diese Auslegung entspricht dem Wortlaut des § 9 Abs 2 S 3 SGB II sowie der Intention des Gesetzgebers. An dieser Rechtsprechung hält der erkennende Senat fest. Gründe, von dieser Rechtsprechung
abzuweichen, ergeben sich auch aus dem Vortrag des Klägers nicht.
(5) Gleichwohl ergibt sich aus der Anwendung der vertikalen anstelle der horizontalen Methode der Einkommensanrechnung hier
kein Anspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger, die aus ihrer Sicht zu hohen Mittelabrufe zurückfordern zu können. Der öffentlich-rechtliche
Erstattungsanspruch im Verhältnis des Bundes zu einem Land greift - wie das LSG zutreffend erkannt hat - nicht bereits bei
jeglicher fahrlässigen Falschanwendung des Gesetzes, sondern lediglich bei grob fahrlässigem oder gar vorsätzlichem Fehlverhalten.
Hiervon kann nicht ausgegangen werden, wenn sich die fehlerhafte Anwendung des Rechts bei der Leistungsgewährung erst nachträglich
aufgrund einer geläuterten Rechtsauffassung ergibt. Dieser Haftungseinschränkung, die mit den Grundsätzen der Haftungskernrechtsprechung
sowohl des BSG als auch des BVerwG übereinstimmt und Art
104a Abs
5 S 1
GG entlehnt ist, bedarf es, weil anderenfalls in der - nun erst durch Art
91e GG "legalisierten" - direkten Finanzbeziehung zwischen Bund und Kommune eine Kommune bzw auch der Bund leichter haften würde
als in der finanzverfassungsrechtlich prinzipiell allein vorgesehenen Haftungsbeziehung zwischen Bund und Ländern. Dem Bundesland,
in welchem sich die jeweilige Optionskommune befindet, stünde es nach der Finanzverfassung frei, den einer ihm angehörigen
Kommune entstehenden vermögensrechtlichen Schaden im Wege der Drittschadensliquidation gegenüber dem Bund geltend zu machen
(Pieroth in Jarass/Pieroth,
GG, 12. Aufl 2012, Art
104a RdNr
11). In diesem Fall richtete sich die Haftungsbeziehung allein nach Art
104a Abs
5 S 1
GG. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch käme daneben nicht zur Anwendung (BSG Urteil vom 15.12.2009 - B 1 AS 1/08 KL - BSGE 105, 100 = SozR 4-1100 Art 104a Nr 1, RdNr 59-60). Die Nichteinschaltung des jeweiligen Bundeslandes, in welchem sich die an einem
Haftungsverhältnis beteiligte Kommune befindet, in das Streitverhältnis kann nicht eine erleichterte verschuldensunabhängige
Haftung einer Kommune bzw umgekehrt des Bundes zur Folge haben. Insoweit ist eine erstattungs- wie auch haftungsrechtliche
Gleichstellung geboten.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Anwendung der vertikalen Einkommensanrechnungsmethode im streitgegenständlichen Zeitraum
vom 1.1.2005 bis zum 31.5.2007 nicht als grob fahrlässig oder vorsätzlich dar. Dies folgt insbesondere daraus, dass die zutreffende
Einkommensanrechnungsmethode im Rahmen des § 9 Abs 2 S 3 SGB II noch nicht endgültig in dem einen oder anderen Sinn durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entschieden war. Die Rechtswidrigkeit
einer Anwendung der vertikalen Einkommensanrechnungsmethode hat das BSG erstmalig in seiner Leitsatzentscheidung vom 18.6.2008 (BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 55/07 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 4 - juris RdNr 22 ff) und damit nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum deutlich herausgestellt.
Mit der genannten Entscheidung hat das BSG die in der Literatur umstrittene Frage (vgl Rosenow, SGb 2008, 282, 285 mwN) tragend in der Weise beantwortet, dass fortan eine abweichende Handhabung zur Annahme von grober Fahrlässigkeit
führt. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte unter Berücksichtigung des bereits genannten Haftungsmaßstabs erwartet werden, dass
sich die Leistungsträger auf die als gesetzmäßig erkannte Einkommensanrechnungsmethode einstellen und sie ihrer täglichen
Praxis zugrunde legen.
Zwar stellen höchstrichterliche Entscheidungen (nur) Erkenntnisakte dar, wie Gesetz und Recht von Anfang an zu verstehen waren.
Bei der Frage, ob sich ein Beteiligter schuldhaft verhalten hat, ist die Frage der Klärung einer umstrittenen Rechtsfrage
durch die Rechtsprechung aber ein zu berücksichtigender Gesichtspunkt. Insoweit kann dem Kläger nicht der Vorwurf einer vorsätzlich
oder grob fahrlässigen Falschanwendung des Gesetzes gemacht werden. Wie bereits das LSG zutreffend ausgeführt hat, stellt
sich die Situation vielmehr so dar, dass die Rechtswidrigkeit der vom Kläger bei der Leistungsgewährung an Bedarfsgemeinschaften
gewählten vertikalen Einkommensanrechnungsmethode erst im Nachhinein geklärt worden ist und auf die Praxis des Klägers mit
einer nun geläuterten Rechtsauffassung geblickt wird. Ob dies für die folgenden Abrechnungszeiträume ebenfalls in diesem Sinn
zu beurteilen ist, kann hier dahinstehen, da sich im Rahmen des Revisionsverfahrens lediglich die Erstattung von Aufwendungen
für den Zeitraum vom 1.1.2005 bis zum 31.5.2007 in Streit befindet.
(6) Insoweit kommt es hier im Weiteren auch nicht darauf an, ob der Kläger die in ihrer Rechtmäßigkeit von der Beklagten bestrittenen
Leistungen mit bindender Wirkung gegenüber Leistungsberechtigten bewilligt und ausgezahlt hat und ob hier ein "Vertrauensschutz"
des Klägers in sein Handeln anzuerkennen ist. Ebenso kommt es vorliegend nicht darauf an, ob sich der Kläger als Träger öffentlicher
Gewalt auf eine Entreicherung iS des §
818 Abs
3 BGB analog, wie dies in der Rechtsprechung (s zB BVerwG Urteil vom 17.9.1970 - II C 48.68 - BVerwGE 36, 108, 113 f; BVerwG Urteil vom 15.5.2008 - 5 C 25/07 - BVerwGE 131, 153 = juris RdNr 30) sowie im Schrifttum (s zB Gurlit in Erichsen/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, 14. Aufl 2010, § 35 RdNr
27; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl 2011, § 29 RdNr 26; Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl
2012, RdNr 1251) ganz überwiegend abgelehnt wird, berufen kann.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §
197a Abs
1 S 1
SGG iVm §
154 Abs
2 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwerts der negativen Feststellungsklage ergibt sich gemäß §
197a Abs
1 S 1
SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 S 1 GKG aus dem Interesse des Klägers an der Feststellung (Dörndorfer in Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, 2. Aufl 2009, § 52 RdNr 7). Angesichts des von der Beklagten geforderten und vom Kläger bereits unter Vorbehalt erstatteten Betrages ist der
Streitwert auf den aus dem Tenor ersichtlichen Betrag zu beziffern.